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Wahrheit in der Geistesforschung und der übersinnlichen Wahrnehmung
Wahrheit in der Geistesforschung und der übersinnlichen Wahrnehmung - von Thomas Mayer
Anlässlich des Erstes Kolloquium zur übersinnlichen Wahrnehmung in Dornach am Sa. 2. November 2024.
- Was ist Geistesforschung und übersinnliche Wahrnehmung?
- Was sind Quellen des Irrtums?
- 19 Kriterien zur Beurteilung geistiger Forschung
- Diskussion und Vertiefung
Was ist Geistesforschung und übersinnliche Wahrnehmung?
Übersinnliche Wahrnehmungen werden nicht durch die physischen Sinne vermittelt, sondern durch übersinnliche Wahrnehmungsorgane. Übersinnliche Wahrnehmungen sind eigentlich nichts Besonderes, alle Menschen haben sie fortwährend, bemerken es aber nicht. Alle Menschen erleben Stimmungen im Zwischenmenschlichen und Atmosphären von Orten und Landschaften. Diese Stimmungen kann man nicht sehen, sondern nur fühlen. Für das Fühlen gibt es aber kein physisches Sinnesorgan. Dazu benötigt man astrale Wahrnehmungsorgane. Auch die eigenen Körperwahrnehmungen bestehen zu einem großen Teil aus ätherischen und astralen Wahrnehmungen. Jeder hat Gedanken und Vorstellungen. Auch dafür gibt es kein physisches Sinnesorgan, sondern es sind übersinnliche Wahrnehmungen. Geistig betrachtet sind Gedanken und Vorstellungen Formungen im Ätherleib, beseelt von Elementarwesen und inspiriert von Geistwesen.
Da die meisten Menschen keine Begriffe für solche übersinnlichen Erfahrungen haben und gleichzeitig in der materialistischen „Gehirnwäsche“ aufgewachsen sind, dass nur die materielle Welt real sei und wir nur diese wahrnehmen könnten, werden diese übersinnlichen Wahrnehmungen weginterpretiert. Wir haben sie, aber wir vertuschen sie durch ein wirklichkeitsfremdes Denken.
Übersinnlich betrachtet ist das eine Durchsetzung der menschlichen Wesensglieder mit ahrimanischen Geistern, was zu der von Rudolf Steiner beschriebenen Inkarnation Ahrimans gehört.
Für viele Menschen ist es ein sehr großer Schritt die materialistische mentale Zwangsjacke abzulegen, die ahrimanischen Besetzungen aus sich herauszuschaffen und sich selbst zuzugestehen, dass sie übersinnliche Wahrnehmungen haben.
Das wird dadurch erschwert, dass es andererseits übertriebene Vorstellungen von übersinnlichen Wahrnehmungen gibt. Diese sind meist nichts Spektakuläres, sondern klein, bescheiden und zurückhaltend.
Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen, dass in den Menschen ein großer ungehobener Schatz an Möglichkeiten verborgen liegt. Ich leite seit 2005 pro Jahr etwa vierzig Kurse in Anthroposophischer Meditation mit jeweils einer Einführung in das Wahrnehmen von Elementarwesen. Jedes Mal bin ich überrascht, wie gut das bei der Mehrzahl der Kursteilnehmer nach einer entsprechenden meditativen Vorbereitung geht. Die Erlebnisse sind oft eindeutig und bestätigen sich gegenseitig. Es geht dabei vor allem darum, Erlebnisse ernst zu nehmen, die man normalerweise übergeht. Wir haben alle viel mehr Möglichkeiten für übersinnliche Wahrnehmungen als wir glauben.
Die Wiederkehr des Christus im Ätherischen
Nach Rudolf Steiner hängen diese Möglichkeiten auch mit der Erscheinung des Christus im Ätherischen im 20. Jahrhundert zusammen. Dieses Christus-Ereignis hat Auswirkungen auf die Bewusstseinsmöglichkeiten jedes Menschen. Rudolf Steiner beschreibt das so:
„Was eintreten kann, das wird das sein, dass die Menschen die neue Fähigkeit eines Wahrnehmens im Ätherischen werden erlangen können – eine gewisse Anzahl von Menschen wenigstens zunächst –, und die andern werden immer mehr und mehr nachrücken, denn 2500 Jahre wird die Menschheit Zeit haben, um diese Fähigkeiten immer mehr und mehr zu entwickeln. [...] Es wird die Fähigkeit sein, dass die Menschen in ihrer Umgebung etwas sehen werden von dem Ätherischen, das sie normalerweise bisher nicht wahrnehmen konnten. Jetzt sieht der Mensch nur den physischen Leib des Menschen, dann aber wird er imstande sein, den Ätherleib wenigstens wie ein schattenhaftes Bild zu sehen und auch aller tieferen Ereignisse Zusammenhang im Ätherischen zu erleben. Sie werden Bilder und Ahnungen haben von Ereignissen in der geistigen Welt und erleben, dass sich solche Ereignisse in drei bis vier Tagen dann auf dem physischen Plan erfüllen. [...] Solche Umänderungen der menschlichen Seelenfähigkeiten werden kommen. Etwas, was man als ein Äthersehen bezeichnen kann, wird kommen.“ „Aber noch etwas anderes wird eintreten. Die Menschen werden wissen: Ich bin nicht allein; überall leben geistige Wesenheiten, die in Beziehung stehen mit mir. – Und der Mensch wird lernen, einen Verkehr zu haben mit diesen Wesenheiten, mit ihnen zu leben.“2
Diese neuen allgemein menschlichen Fähigkeiten des Äthersehens und zum Verkehr mit geistigen Wesenheiten sind ein qualitativer Sprung. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts – zu Rudolf Steiners Zeiten – war ein Zugang zur geistigen Welt oft nur durch Ausschalten des Bewusstseins möglich. Medien mussten sich in Trance versetzen, um mit Geistwesen zu kommunizieren. Dagegen findet heute die Verbindung zu Geistwesen meistens im Wachbewusstsein statt, das durch Meditation, Konzentration, Beten und Entspannung in einen verfeinerten Zustand gebracht wird. Mit unbewusster Trance arbeitet heute fast niemand mehr.
Voraussetzungen und Hindernisse
Um ätherische Wahrnehmungen haben zu können, muss der eigene Ätherleib ein Stück frei vom physischen Leib werden. Für astrale Wahrnehmungen ist es notwendig, dass der Astralleib unabhängig vom physischen Leib wird. Für geistige Wahrnehmungen braucht es die Möglichkeit eines leibfreien wachen Bewusstseins und leibfreien Denkens. Dies wird in der Meditation geübt. Deshalb halte ich eine Meditationspraxis für eine notwendige Voraussetzung für übersinnliches Wahrnehmen.
Welche Hindernisse gibt es für übersinnliche Wahrnehmungen? Ein sehr großes Problem sind die kollektiven Einprägungen unserer materialistischen Gesellschaft, die von Kindheit an das übersinnliche Wahrnehmen blockieren anstatt ausbilden. Wenn die Wesensglieder zu fest mit dem materiellen Leib verbunden sind, sind leibfreie Wahrnehmungen schlecht möglich. Wenn man nicht gewohnt ist auf Gefühle zu achten und diese zu erleben, hat man schlechte Karten. Deshalb tun sich oft künstlerisch tätige Menschen leichter. Der Zugang zum eigenen Innenleben wird durch ungelöste Konflikte und Traumen versperrt. Es gibt verborgene Ängste vor der geistigen Welt, da diese unabdingbar eine Begegnung mit den eigenen Schatten, dem Doppelgänger und unerlöstem alten Karma mit sich bringen würde. Da kann und will man nicht hinsehen. Das kann dann in der Folge zu einem aggressiven Verhalten gegenüber Spiritualität führen.
Zur Methodik übersinnlicher Wahrnehmung und Erkenntnis
Ich möchte das übersinnliche Wahrnehmen noch konkreter fassen und die fünf wichtigsten Stufen charakterisieren:
1. Voraussetzungen: Konzentrationssteigerung, Bewusstseinserhöhung, schrittweise Begegnung mit eigenen ungeläuterten, erdverhafteten Seelenanteilen (Hüter der Schwelle), diese Vor-sich-Bringen und im Annehmen des «niederen Ich» sich mit dem höheren Selbst verbinden.
2. Imaginative Erkenntnis: Ich produziere von der Sinneswelt unabhängige Bilder, Vorstellungen, Gedanken oder Gesten und achte darauf, ob diese von Kräften oder Wesen erfüllt werden und ein Eigenleben beginnen. Es ist wie ein Von-außen-darauf-Schauen, eine Es-Beziehung.
3. Inspirative Erkenntnis: Ich nehme die produzierten Vorstellungen weg und halte mich nur noch in den inneren Gefühlen, Regungen und Tätigkeiten, die für die Produktion notwendig waren. Durch diesen Ruck nach innen kann ein Gespräch mit den Wesenheiten beginnen, die in der Imagination noch wie von außen sichtbar waren. Es ist ein persönliches Gespräch, eine Du-Beziehung.
4. Intuitive Erkenntnis: Ich nehme auch die innere Tätigkeit weg, halte mich aber wach und mache so einen Ruck nach außen und identifiziere mich mit dem jeweiligen geistigen Wesen, erlebe dessen Leben, Organisation und Zusammenhang mit der Geistwelt. Mich gibt es in diesem Moment nicht mehr, sondern nur das kontaktierte Wesen, das ich bin. Die intuitive Erkenntnis ist immer eine Ich-Beziehung.
5. Laufendes Durchdenken der geistigen Erlebnisse und fortlaufende Bildung eines aufnahmefähigen, gedanklichen Erkenntniskorpus. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen.
Die Wahrheit in der Geistesforschung kann nur „durch Erfahrung bewiesen werden“
Da die Geistesforschung nicht allgemein üblich ist, wird gerne bezweifelt, dass deren Ergebnisse wahr seien. Dieser Zweifel wirkt besonders stark bei Menschen, die selbst keine übersinnlichen Wahrnehmungsorgane entwickelt haben. Also werden „Beweise“ verlangt.
Doch die Wahrheit kann man letztlich nicht äußerlich beweisen, sondern es geht immer um eine Evidenzerfahrung und das Wahrheitsgefühl. Das ist auch in der Logik so und ebenfalls in der Sinneswelt.
Angenommen die Menschheit sei farbenblind und es treten Menschen auf, die Farben sehen können und die davon erzählen, dass die Welt farbig sei. Wie werden die Farbenblinden reagieren? Und wie könnte das Farberlebnis gegenüber den Farbenblinden bewiesen werden?
Rudolf Steiner betont immer wieder, dass die Wahrheit in der Geistesforschung „durch Erfahrung bewiesen“ wird.
So sagte er in einem Vortrag am 11. November 1909 in Berlin:9
„Gewiß, es kann von anderer Seite wiederum der Einwand gemacht werden: Ja, wenn nun der Mensch solche Kräfte entwickelt und wirklich in die geistige Welt eingedrungen ist, wie er meint, wie kann er denn da wissen, daß das eine Wirklichkeit ist, was er da wahrnimmt? – Das kann nur durch die Erfahrung bewiesen werden, wie die äußere Welt nur durch die Erfahrung bewiesen werden kann.“ „So ist es auch mit der geistigen Welt. (…) Da kann derjenige, der nur laienhaft auf diesem Gebiete ist, sagen: Das kann Selbstsuggestion sein, kann irgendeine Einbildung sein. – Wer aber Erlebnisse auf diesem Gebiete hat, wird wohl unterscheiden können zwischen dem, was Wirklichkeit ist und dem, was bloße Einbildung ist; und zwar genau so, wie man im Physischen unterscheiden kann zwischen einem vorstellten und einem wirklichen Stück heißen Stahls.“
Dem kann ich nur zustimmen. Tatsächlich waren viele geistige Erlebnisse für mich realer und evidenter als die Erfahrungen der materiellen Welt.
Zur Ausbildung des Wahrheitsgefühls erscheinen mir zwei Felder besonders wichtig: Die Team-Arbeit und realitätsverändernde Wirkungen geistiger Arbeit. Im Austausch mit Kollegen kann man feststellen, ob sie bestimmte übersinnliche Wahrnehmungen nachvollziehen können. Erleben sie es genauso? Wenn sie anderes erleben, warum? Die fortlaufende Zusammenarbeit im Team schleift eigene Unebenheiten ab, das Gesamtbild wird vollständiger und das Wahrheitsgefühl wird ausgebildet.
Ein starkes Feedback hat man auch durch die Beobachtung von Veränderungen in der Außenwelt in der Folge von geistiger Arbeit. Beispiele: Ich machte an einem Ort geomantische Heilarbeit, der Ort war danach spürbar entspannter und das wurde von Menschen bestätigt, die unbeteiligt waren. Oder ich löste eine schwarzmagische Besetzung an einer gefrorenen Schulter, am nächsten Tag war der Arm wieder beweglich. Solches Feedback hilft der Ausbildung des Wahrheitsgefühls. – Meistens gibt es natürlich keine so klaren Veränderungen in der Außenwelt, daran muss man sich auch gewöhnen.
Wir verhalten sich Denken und Wahrnehmen in der Geistesforschung?
In der sinnlichen Welt können sich Denken und Wahrnehmen gegenseitig fördern. Ohne Begriffe verschwimmen die Sinneswahrnehmungen zu einem undifferenzierten Brei. Deshalb sieht man zum Beispiel bei einer Planzenbetrachtung viel mehr, wenn man diese zusammen mit einem Gärtner macht. Es hilft aber nur ein Denken, das dem Wahrnehmen zugewandt ist. Es gibt andererseits auch die Möglichkeit, sich denkend in Abstraktionen zu verlieren und so der Sinneswelt zu entfliehen.
Entsprechend ist es in der übersinnlichen Wahrnehmung. Je mehr geisteswissenschaftliche Begriffe man hat, umso differenzierter kann man wahrnehmen. Wenn man nicht weiß, dass es die Ätherwelt mit verschiedenen Ätherarten gibt, dass es Elementarwesen in vielen Arten gibt, dass es Engelshierarchien gibt und dass es Verstorbene in vielfältigen nachtodlichen Zuständen gibt, wenn man das nicht weiß und verstanden hat, dann kann man dies alles nicht wahrnehmen. Stattdessen hat man verschwommene Erlebnisse. Vielleicht ist ein freudiges Elementarwesen da und ganz mit einem verbunden, man kann es aber nicht erkennen. Die geistige Welt ist in Nebel gehüllt. Man spricht dann pauschal nur von „Energie“.
Das Denken ist in der geistigen Welt das Licht, das die Wesen und Strukturen erst sichtbar macht. Es wirkt wie eine Taschenlampe in der Dunkelheit. Ohne Taschenlampe bleibt es dunkel.
Ein Problem dabei aber ist, dass die übersinnlichen Wahrnehmungen durch das Denken ausgelöscht werden können. Mit normalem Denken geht es nicht. Was ist normales Denken? Eigentlich sollte man hier nicht von „Denken“ sprechen, denn für das Denken interessiert man sich gar nicht. Man will „Gedanken haben“, man will Ergebnisse und Gedankeninhalte und interessiert sich für die Denktätigkeit gar nicht. Damit missbraucht man das Denken. Mit einem so von sich selbst entfremdeten Denken kommt man nicht über die Schwelle der geistigen Welt. Und wenn man es trotzdem versucht, verschwindet diese.
Ich kenne dieses Problem sehr gut. Ein Beispiel: Ich konnte einen Gnomen gut erleben, kam in die Stimmung des Gnomen, in eine runde Gemütlichkeit, konnte den Gnomen auch in meinem Ätherleib übernehmen und so körperlich seine Formkraft spüren. Dann wollte ich die Zusammenhänge besser verstehen und stellte die Frage, wie weit sein Wirkensfeld reiche. Eine sinnvolle Frage. Aber durch diese Frage waren meine gerade beschriebenen Erlebnisse ausgelöscht, der Gnom war verschwunden. Ich blieb einsam zurück. – Ich hatte durch die Frage eine Bewußtseinskraft ins Spiel gebracht, die das übersinnliche Wahrnehmen auslöschte, eine Wirkung des „normalen Denkens“.
Spiritualisiertes Denken
Für die Geistesforschung benötigt man ein spiritualisiertes Denken, ein Denken, das nicht von seiner Quelle getrennt ist. Das ist mit der „Beobachtung des Denkens“ gemeint, die Rudolf Steiner in der „Philosophie der Freiheit“ beschrieb. Es geht um ein sich selbst Erfassen des Bewusstseins im Denkprozess. Die Denktätigkeit intensiviert sich zur Meditation. Das Denken wird ein Kräftegeschehen, ein fühlendes Denken, ein Selbstleuchten und ein reales Ich-Erleben. In diesem spiritualisierten Denken tönen Geistwesen in die so geschaffenen Denkgefässe hinein.
Solche Vorgänge kann man sich nicht zurechtdenken oder zusammen-philosophieren, sondern es hat nur Bedeutung, wenn man es selber tut, wenn es reales Erlebnis geworden ist. George Kühlewind hat sein Lebenswerk dieser Spiritualisierung des Denkens gewidmet.
Für mich war als Jugendlicher die „Beobachtung des Denkens“ mein biographischer Einstieg in die Anthroposophie. Ich nahm diese Frage existenziell, denn mir war klar: Wenn ich die Denktätigkeit nicht beobachten kann, dann ist mein ganzes Denken auf Sand gebaut, nichts wert und illusionär.
Das Ringen um die Beobachtung des Denkens war über viele Jahre mein Fokus in der Meditation. Ich erlebte es als die Eingangspforte in die geistige Welt.
Wenn ich gefragt werde, was ich mache, wenn ich übersinnlich wahrnehme, dann muß ich ehrlich antworten: „Ich denke.“ Ich sage das aber fast nie, da es immer missverstanden wird. Denn normalerweise wird mit Denken etwas gemeint, was beliebig ist. Wenn etwas nur gedacht ist, ist es nicht wirklich, es ist Schein, genauso wie ich mit einer gedachten Million nichts kaufen kann oder mit einem gedachten Auto nirgendwo hinfahren kann. Es stimmt ja auch: Das abstrakte Denken ist nur Schein, mit diesem kommt man nicht über die Schwelle der geistigen Welt.
Was meine ich stattdessen mit „Ich denke“? Ich versuche es zu beschreiben, so gut es geht. Es beginnt immer damit, dass ich einen Ich-Griff im Bewusstsein mache. Ich fasse mich selbst in meiner Denkkraft, man könnte auch Aufmerksamkeitskraft dazu sagen, und suche so eine Mitte. Dadurch erlebe ich eine geistige Aufrichtekraft und werde mir meines Bewusstseinsraumes gewahr. Oftmals bin ich erst damit beschäftigt, diesen aufzuräumen, so dass Ruhe einzieht. Das muss nicht lange sein, aber zumindest einen Moment Ruhe ist notwendig. Dann kommt die Kontrolle, ob ich unbefangen bin. Ich habe bis jetzt noch keine Gedanken gebildet, sondern bin im Vorfeld mit der Denkkraft tätig.
Dann richte ich mich auf das Thema aus, das ich übersinnlich beobachten möchte. Diese Ausrichtung kann auch aus einer empfangenden Geste bestehen, indem ich zum Beispiel frage, ob ein Toter anklopft, der Kontakt haben möchte. Eine solche empfangende Haltung muss ich aktiv erzeugen. Wenn ich die Anwesenheit eines Toten empfinde, frage ich wer er ist, in welcher Verfassung er ist und was sein Anliegen ist. Mit den Fragen stellt sich meistens die Antwort gleichzeitig ein, bzw. ich fühle mich intuitiv in dem Toten darinnen. Wenn nicht, beschäftige ich mich damit, warum die Kommunikation verhindert ist. Das alles findet im Bewusstseinsraum statt, in demselben Raum, in dem ich sonst Gedanken bilde und mit denselben Kräften. Ich habe es nun aber nicht mit normalen Gedanken zu tun, sondern mit geistigen Wesenheiten und geistigen Realitäten.
Ich kann die Denkkraft auch zur Wahrnehmung meiner Wesensglieder einsetzen. Wie ist der Zustand in meinem Herzchakra? Ist mein Ätherleib frei schwingend, oder zieht jemand daran? Die Ausrichtung der Denkkraft ermöglicht entsprechende innere Wahrnehmungen.
Rudolf Steiner zur Notwendigkeit des Denkens in der übersinnlichen Wahrnehmung
Rudolf Steiner beschäftigte sich in dem Vortrag vom 13. November 1909 in Stuttgart mit der Bedeutung des Denkens in der übersinnlichen Wahrnehmung. Er beschrieb darin, dass es in früheren Zeitaltern ein natürliches Hellsehen gab, das aber verloren gegangen ist und mit der im Zeitalter der Bewusstseinsseele neu errungenen Denkkraft wieder neu entfaltet werden muss. Das sei die Mission der Anthroposophie.
Wie verändert sich das Hellsehen mit der Denkkraft? Dazu führte Rudolf Steiner aus:3
„Gewiß ist es möglich und in zahlreichen Fällen heute wirklich so, daß die Menschen zu einem visionären Sehen kommen, ohne scharfe Denker zu sein – viel mehr Leute kommen zum Hellsehen, die keine scharfen Denker sind, als scharfe Denker –, aber es ist ein großer Unterschied zwischen den Erfahrungen in der geistigen Welt derjenigen, die scharfe Denker sind, und derjenigen, die keine scharfen Denker sind. Es ist ein Unterschied, den ich so ausdrücken kann: Was sich aus den höheren Welten offenbart, das prägt sich am allerbesten ein in diejenigen Formen des Vorstellens, die wir als Gedanken diesen höheren Welten entgegenbringen; das ist das beste Gefäß. Wenn wir nun keine Denker sind, dann müssen sich die Offenbarungen andere Formen suchen, zum Beispiel die Form des Bildes, die Form des Sinnbildes. Das ist die häufigste Art, wie derjenige, der Nichtdenker ist, die Offenbarungen erhält. Und Sie können dann von solchen, die visionäre Hellseher sind, ohne daß sie zugleich Denker sind, hören, wie von ihnen in Sinnbildern die Offenbarungen erzählt werden von ihnen.“
Solche Bilder sind Sinnbilder und nicht die geistige Realität selbst. Sie müssen also erst verstanden und interpretiert werden. Genau das sei, so Rudolf Steiner, bei einer gedankendurchdrungenen übersinnlichen Wahrnehmung anders. Er vergleicht beide Wahrnehmungsarten.
„Der nichtdenkende visionäre Hellseher und der denkende visionäre Hellseher würden beide dieselben Erfahrungen empfangen. Wollen wir einen bestimmten Fall setzen: Der nichtdenkende visionäre Hellseher sieht diese oder jene Erscheinung der geistigen Welt, der denkende visionäre Hellseher sieht sie noch nicht, sondern etwas später, und in dem Momente, wo er sie sieht, da war sie bereits erfaßt von seinem Denken. Da kann er sie schon unterscheiden, er kann schon wissen, ob sie Wahrheit oder Unwahrheit ist. Er sieht sie etwas später. Es tritt ihm aber, indem er sie etwas später sieht, die Erscheinung aus der geistigen Welt so entgegen, daß er sie gedankendurchdrungen hat und unterscheiden kann, ob sie Täuschung oder Wirklichkeit ist, so daß er sozusagen früher etwas hat bevor er es sieht. Er hat es natürlich im selben Momente wie der nichtdenkende visionäre Hellseher, aber er sieht es etwas später. Dann aber, wenn er es sieht, dann ist die Erscheinung schon mit dem Urteil, mit dem Gedanken durchsetzt, und er kann genau wissen, ob sie ein Scheinbild ist, ob da seine eigenen Wünsche objektiviert sind, oder ob sie objektive Realität ist. Das ist der Unterschied im subjektiven Erlebnis.“
Ein weiteres Unterscheidungskriterium zwischen altem und neuem Hellsehen ist die Wachheit: Der Geistesforscher erlange, so Rudolf Steiner, wie ein Medium in Tieftrance „ein solches Saturn-Bewusstsein; aber er behält dazu auch sein ‹helles Tagesbewußtsein›, welches der Mensch auf dem Saturn noch nicht hatte, und welches das Medium während des Trancezustandes verliert.“4 – Mit „Saturn-Bewusstsein“ ist hier das Bewusstsein auf dem Alten Saturn gemeint. Die Erdzustände, die in der „Geheimwissenschaft“ von Rudolf Steiner ausführlich beschrieben wurden, sind eigentlich Bewusstseinszustände. Die Erde ist das wache Gegenstandsbewusstsein, der Alte Mond Traumbewusstsein, die Alte Sonne Schlafbewusstsein und der Alte Saturn Tiefschlafbewusstsein.
Rudolf Steiner warnte davor, die geistige Welt durch eine Bewusstseinsausschaltung erleben zu wollen. „Es wird in der nächsten Zukunft der Menschheit nichts so gefährlich werden, als wenn der Hang, beim alten, nicht durch neue Kräfte entwickelten Hellsehen zu bleiben, die Menschen dazu verführen könnte, stehen zu bleiben bei dem, was das alte, astrale Hellsehen in Urzeiten geben konnte [...]. Mit furchtbarer Gewalt würden sich rächen solche Überbleibsel alten Hellsehens, die mit allerlei chaotischen Bildern die Anschauungen der Menschen verwirren könnten.“5 Er führt an anderer Stelle weiter aus: Solche Personen, die ein „aus alten Zuständen vererbtes, traumhaftes Hellsehen“ haben, „können niemals ihre seelischen Erlebnisse kontrollieren“.6
Gibt es heute reine nichtdenkende visionäre Hellseher?
Rudolf Steiner unterschied am 13. November 1909 scharf zwischen „nichtdenkenden“ und „denkenden Hellsehern“. Diese scharfe Unterscheidung mag Sinn machen, um den Unterschied zu charakterisieren, man sollte die Menschen aber nicht in diese zwei Gruppen einteilen. Denn wir alle gehören immer gleichzeitig beiden Arten an.
Jeder, der sich mit übersinnlichen Wahrnehmungen beschäftigt, hat geistige Erfahrungen die aus sich heraus real und evident sind. Jeder kennt aber auch Erlebnisse, die sofort als Projektionen oder Scheingebilde erkennbar sind. Beides spricht für „denkendes Hellsehen“. Dann gibt es noch eine dritte Art, die man dem „nichtdenkenden Hellsehen“ zuordnen kann: Erlebnisse, die man nicht versteht und die rätselhaft in der Seele liegen bleiben. Manchmal ist es irgendwann möglich, diese mit Verständnis und Gedankenkraft zu durchdringen. Auch mit Träumen ist das oft so der Fall. Man spürt, dieser Traum war kein gewöhnlicher Traum, sondern ist ein Zeuge eines realen geistigen Geschehens. Doch von welchem?
In unseren Seminaren habe ich bislang noch niemanden getroffen, der ein reiner „nichtdenkender Hellseher“ war. Auch wenn Menschen sehr bildhaft waren und wie von Rudolf Steiner beschrieben in der Meditation Sinnbilder empfingen, so versuchten sie immer diese denkend zu durchdringen und zu verstehen. Auch die bildhaftesten Menschen haben einen starken Denkanteil und ein Erkenntnisstreben.
Es gibt Menschen, die von sich behaupten „nichtdenkende Hellseher“ zu sein. Ich begegnete mehrmals solchen Menschen. Diese hatten eine präzise übersinnliche Wahrnehmungsfähigkeit, wehrten sich aber gleichzeitig energisch dagegen, sie würden ihr Denken dabei benützen. Sie behaupteten, dass sie nur wahrnehmen würden. Gleichwohl konnten sie ihre geistigen Erfahrungen elegant und verständlich in Worten schildern und ich konnte mich gut darüber mit ihnen unterhalten. Offensichtlich war also ihr Denken doch beim übersinnlichen Wahrnehmen dabei gewesen, auch wenn sie dies leugneten. An diesem Punkt war meistens keine Verständigung möglich, da das Konzept eines spiritualisierten Denkens im Gegensatz zum abstrakten Denken nicht verstanden wurde. Das Denken wurde als die Quelle der Spaltung von der göttlichen Einheit angesehen und sollte vermieden werden. Dass eine solche Aussage auch schon ein Denkergebnis ist, dieser Widerspruch wurde geflissentlich übersehen.
Sicherlich gibt es reine nichtdenkende Hellseher, sie haben mich aber bislang gemieden. Das „Nichtdenken“ erscheint mir heute nicht relevant, Irrtümer können aber durch „Zuwenigdenken“ entstehen, wie wir später noch sehen werden.
Zum Vorwurf des atavistischen Hellsehens
Es gibt in manchen anthroposophischen Kreisen gegenüber eigenständig übersinnlich forschenden Menschen den Vorwurf des atavistischen Hellsehens. Auch wenn dieses Totschlagargument heute weniger kommt, so schwingt es doch immer wieder mit. Deshalb möchte ich darauf eingehen.
Diese Kritik kam in den letzten Jahrzehnten nach meiner Erfahrung vorwiegend von Schreibtisch-Aktiven, die von außen ein Urteil fällten ohne selbst an der Arbeit teilzunehmen. Sie besuchten keinen Meditationskurs, keine Wahrnehmungsschulung und führten meist kein persönliches Gespräch, sondern schrieben stattdessen vernichtende Aufsätze oder sprachen im Hintergrund schlecht über einen. – Als Gelassenheitsübung konnte man das sportlich nehmen.
Dabei waren Unterstellungen üblich. Mir wurde zum Beispiel vorgeworfen, ich hätte ein altes bildhaftes Hellsehen und nicht das neue gedankendurchdrungene Hellsehen. Ich habe aber gar keine Bilder und bin ein sehr unvisueller Mensch. Ich spreche auch nie von „Hellsehen“. Um geistige Zusammenhänge nachempfindbar zu beschreiben, suche ich nach sprachlichen Bildern, sonst verliere ich den Leser. Ein sprachlicher Ausdruck ist aber natürlich nicht das Erlebnis selbst.
Je nach Karma gibt es viele Zugänge zur Anthroposophie. Es macht keinerlei Sinn, übergriffig einen bestimmten Zugang zur Regel machen zu wollen. Es kann sein, dass für jemanden das „Studium von anthroposophischer Literatur“ besonders ansteht, für einen anderen das „reine Denken“, für einen Dritten die „Eurythmie“ und für einen Vierten die „Meditation“ und das „übersinnliche Wahrnehmen“. Ich meine, jede und jeder sollte sich auf das konzentrieren, das für ihn wichtig ist. Jeder Mensch ist ein Kosmos für sich. Deshalb: Leben und Leben lassen!
Bei der Kritik werden darüber hinaus Aussagen von Rudolf Steiner, die er zu bestimmten Menschen in einer bestimmten Situation gesagt hat, diesem Kontext entrissen und verallgemeinert. Das geschieht zum Beispiel mit dem oben zitierten Stuttgarter Vortrag von Rudolf Steiner vom 13. November 1909. Rudolf Steiner zieht in dem Vortrag ein Fazit der Arbeit der Theosophischen Gesellschaft der letzten sieben Jahre und ist merklich unzufrieden mit den anwesenden Mitgliedern. Diese seien – zugespitzt ausgedrückt – sensationslustig nach übersinnlichen Mitteilungen und würden zuwenig spirituelle Begriffe entwickeln. Rudolf Steiner: „Tausendmal besser ist es, Geisteswissenschaft zu kennen und noch nichts zu sehen, als etwas zu sehen und nicht die Möglichkeit zu haben, die Dinge auch denkerisch zu durchdringen, weil dadurch die Unsicherheit in die Sache hineinkommt.“
Ähnliches habe ich oben – ohne die Vorwurfstonlage – auch geschrieben. Aber in der Schrift „Spiritualisierung der Intelligenz: vom alten Hellsehen zum höheren Erkennen“ (Ein Nachrichtenblatt, 2023) werden die heutigen anthroposophischen Geistesforscher mit den damaligen Mitgliedern der theosophischen Gesellschaft gleichgesetzt und daraus geschlussfolgert, die heutigen Geistesforscher sollten – zugespitzt formuliert – besser mit dem übersinnlichen Wahrnehmen aufhören und stattdessen lieber mehr studieren und denken. Rudolf Steiner hätte das ja gesagt.
Das ist unsinnig: Die Theosophen von 1909 sind nicht die heutigen Geistesforscher! Die damaligen Theosophen hatten nur wenige Jahren Zeit gehabt, sich mit Anthroposophie zu beschäftigen. Sie hatten keine Wahrnehmungs-Ausbildungen. Die Erscheinung des Christus im Ätherischen hat noch nicht stattgefunden. Es waren andere Individualitäten. Es gibt sehr viele Unterschiede zu den heutigen Geistesforschern, die oftmals 40 Jahre anthroposophisches Studium hinter sich haben.
Dazu kommt: Wenn Rudolf Steiner grundsätzlich der Ansicht gewesen wäre, dass das übersinnliche Wahrnehmen nicht zeitgemäß ist, sondern nur das Studium und die Gedankenbildung, dann hätte er nicht in vielen Schriften wie zum Beispiel in „Wie erlangt man Erkenntnis höherer Welten“ und in vielen Vorträgen deutlich ermuntert, den Schulungsweg zum Erleben der geistigen Welt zu gehen. Dazu hat er auch am 13. November 1909 die Theosophen ermutigt, hat sie aber gleichzeitig ermahnt, dabei gründlich und langsam vorzugehen.
Ich sehe in den unterschiedlichen Kritiken vor allem drei seelische Hintergrundmotive. Manchmal spielt Neid eine Rolle, dass andere etwas können, was man selbst nicht kann. Dann gibt es einen Hochmut, dass wir als Anthroposophen doch schon die beste Art der Geistesforschung haben, die nicht durch Dilettanten beschmutzt werden soll. Drittens spielt ein Konformismus gegenüber der materialistischen Welt eine Rolle. Man hat Angst einen guten Ruf oder staatliche Gelder zu verlieren, wenn man mit „solchen Leuten“ in Verbindung gebracht wird, weshalb man sich lieber distanziert.
Abstraktes Denken als Rest atavistischen Hellsehens
Das Problem des atavistischen Hellsehens besteht heute weniger in einer ungeordneten Bilderwelt, sondern aus dem abstrakten Denken, das nach Rudolf Steiner auch ein Nachklang des atavistischen Hellsehens ist.
Rudolf Steiner schildert, dass früher die Menschen die geistige Welt so selbstverständlich erlebten, wie wir heute die Sinneswelt erleben.
„Bis nahe zum Mysterium von Golgatha war es so, dass die Menschen sich hier ins physische Leben Fähigkeiten hereingebracht haben, die aus der geistigen Welt stammten. Daher hatten sie atavistisches Hellsehen. Dieses atavistische Hellsehen kam davon, dass gewisse geistige Fähigkeiten sich aus dem Zustand vor der Geburt hereinerstreckten in dieses Leben. Das hörte auf.“7 „[...] was als letzte Erbschaft des atavistischen Hellsehens geblieben ist, das ist das abstrakte Nachdenken, das abstrakte Wissen der Menschen der Gegenwart. Verdünnt aus dem früheren atavistischen Hellsehen ist dies geblieben. Der Mensch der Gegenwart kann das Gefühl haben, daß diese Verdünnung, diese logisch-dialektische Verdünnung des alten atavistischen hellseherischen Wesens, sein Seelenhaftes nicht mehr zu tragen vermag.“8
Um aus dem abstrakten Denken wieder ins geistige Erleben zu kommen, muss die Seele ihre Ichkräfte stärken und das Bewusstsein steigern.
Beim spiritualisierten Denken geht es nicht nur um den Inhalt, sondern ebenfalls um die Form
Es gibt manchmal die Ansicht, dass das Bilden von geisteswissenschaftlichen Begriffen schon ausreichen würde, um zu einem neuen übersinnlichen Wahrnehmen zu kommen. Ich halte das für ein Mißverständnis.
Nach meiner Erfahrung ist eine denkerische Beschäftigung mit Geisteswissenschaft zwar notwendig, aber nicht ausreichend, um mit dem Denken über die Schwelle der geistigen Welt zu kommen. Dazu bedarf es zusätzlich einer anderen Denkart.
Die gewöhnliche Denkart ist, dass man Gedankeninhalte hat, die das Bewusstsein vereinnahmen. Ob es sich um Inhalte des Maschinenbaus oder der Anthroposophie handelt, macht hier keinen Unterschied. Es sind Inhalte, die ich zwar gedacht habe, deren Erzeugung in der Denktätigkeit ich aber nicht mitbekommen habe. Ich habe das Denken verschlafen und wache erst an den Ergebnissen des Denkens, den Gedanken, auf.
Warum verschlafe ich das Denken? Das liegt daran, dass ahrimanische Geister in die menschlichen Bewusstseine eingezogen sind und diese verdunkeln. Die heutigen Menschen haben meist eine dunkle ahrimanische Verhüllung um ihre Denkkraft.
Davon ist das spiritualisierte Denken befreit. Ich bin in der Denktätigkeit wach. Ich beobachte das gegenwärtige Denken und kann so die inspirierenden Geister erleben, die astrale Stimmungsumgebung und die ätherischen Bewegungen und Formungen meiner Gedanken, sowie natürlich deren Inhalte. Dazu braucht es eine meditative Intensivierung der Denktätigkeit.
Mit einem so spiritualisierten Denken kann ich die Schwelle zur geistigen Welt überschreiten. Das ist mit einem gewöhnlichen Denken nicht möglich. Das erklärt die obige Schilderung, wie das übersinnliche Erleben eines Gnomes durch eine Frage aus dem gewöhnlichen Denken ausgelöscht wurde.
Nachtodliche Auswirkungen
Noch plastischer werden diese Zusammenhänge, wenn ich die Perspektive auf das nachtodliche Leben erweitere.
2007 entdeckte ich am Nordeingang des Goetheanums eine große Ansammlung erdgebundener Verstorbener. Die Anzahl erschien mir unermeßlich und die Erdgebundenen hatten sich dort über einen langen Zeitraum, vermutlich Jahrzehnte, angesammelt. Der Zedern-Hain nahm diese Toten in Obhut. Diese Zedern gibt es heute nicht mehr, sie wurden 2023 gefällt, sie hatten ihre Arbeit getan.
Es war eine ganz besondere Art von Erdgebundenen. Es waren verstorbene Anthroposophen, die verfestigte gummiartige Ätherleiber hatten. Überraschenderweise zeigte es sich, dass dies Folge eines sehr intensiven Studiums der Anthroposophie war.
Mich bestürzte das sehr. Die Anthroposophie hat das Ziel, dass die Toten besser durch das nachtodliche Leben kommen. Und dann entsteht durch die Beschäftigung mit der Anthroposophie ein neuer Grund für eine Erdgebundenheit!
Wie konnte das geschehen? Ich fand, dass der Grund für die Verfestigung der Ätherleiber ein zu einseitiger intellektueller Umgang mit den Inhalten der Anthroposophie war. Kunst, Meditation, Gefühl und Erleben als Ausgleich für die intellektuelle Arbeit hatten gefehlt. So mangelte es an Weichheit, Offenheit, Bewegung und Liebe.
Diese zu festen anthroposophischen Vorstellungen waren in den Ätherleibern dieser Toten so eingeprägt, dass diese Leiber fest blieben anstatt sich in die Weltenweiten auszudehnen.
Wie ist das möglich? Materialistische Begriffe können sich nach dem Tod normalerweise nicht halten und lösen sich auf. Das ist bei spirituellen Begriffen anders, diese haben mehr Bestandskraft, insbesondere, wenn sie mit einer großen Intensität erzeugt wurden.
Die Seelen befanden sich in ihren Ätherleibern, sahen diese sozusagen von innen, sahen so die anthroposophischen Inhalte und waren davon überzeugt, dass sie jetzt die geistige Welt erleben würden. Tatsächlich erlebten sie nicht die wirkliche geistige Welt, sondern nur dessen vorgestelltes Abbild.
Diese Verstorbenen kamen aus allen Kontinenten und wurden durch das Goetheanum angezogen, mit dem sie sich als weltweites Zentrum der Anthroposophie verbunden fühlten. Sie nahmen sich sehr wichtig und strömten manchmal durch den Nordeingang in das Goetheanum, um an einem Vortrag oder einer Versammlung teilzunehmen.
Ich war einige Jahre regelmässig mit diesen Toten konfrontiert. Kollegen erlebten sie auch. Ich fühlte mich aufgerufen, ihnen beizustehen und musste das auch, da sie mich belasteten und machmal in der Nacht störten. Ich war zu dieser Zeit noch wenig erfahren mit Totenhilfe, deshalb brauchte alles sehr lange. Meine Strategie war, ihnen ihre tatsächliche Situation und ihre Ätherleiber zu zeigen, so dass sie sich davon lösen konnten. Gleichzeitig versuchte ich den Seelen vorzumachen, wie sie sich gegenüber der wirklichen geistigen Welt öffnen können. Das war nicht einfach, denn viele wollten davon nichts wissen. Sie waren sehr verliebt in ihre Vorstellungen und wähnten sich ja schon in der geistigen Welt. Dies alles aufzugeben war für sie ein schmerzhafter Sterbeprozeß. Ich blieb aber hartnäckig und hielt den Kontakt zu diesen Erdgebundenen in einer ermunternden Stimmung. Viele lichte Verstorbene aus dem Devachan halfen. Schritt für Schritt ging etwas. Es war aber ein Faß ohne Boden, laufend rückten neue Verstorbene nach.
Nach einigen Jahren wurde der Zedern-Hain immer „leerer“, bis ich dort keine Aufgabe mehr sah und mich nicht mehr darum kümmerte.
Ich habe durch diese Erlebnisse deutlich verstanden: Mit dem normalen Denken kommt man nicht über die Schwelle der geistigen Welt, auch nicht, wenn man mit normalen Denken spirituelle Inhalte erfasst. Die Form des Denkens muss verändert werden, nur so kann es zu einem Gefäß für die geistige Weilt werden.
Ich machte in der Arbeit mit diesen Erdgebundenen aber noch eine sehr wichtige und erhebende Entdeckung: Wenn diese Toten sich aus ihren Ätherzellen befreit und den Weg in die wirkliche geistige Welt begonnen hatten, dann wurden sie sehr weit, sehr groß und stark leuchtend. Ihre eingeprägten geisteswissenschaftlichen Begriffe verwandelten sich zu Sonnen. Ein wertvoller Schatz. Das langjährige Studium der Anthroposphie hatte sich letztlich doch rentiert. Es entstanden daraus Fähigkeiten, mit denen sie die geistige Welt überblicken, erleuchten und sich viel besser in dieser bewegen konnten als die meisten sonstigen Verstorbenen. Das entfaltete sich aber erst, nachdem sie den Sterbeprozeß des Verlassens des Ätherleibes vollzogen hatten.
Besser ist natürlich, wenn man schon zu Lebzeiten mit der Arbeit am spiritualisierten Denken mit Meditation und Kunst beginnt, anstatt erst nach dem Tod.
Wo liegen Quellen des Irrtums?
In der Gegenwart fallen übersinnliche Erlebnisse leichter, da der Äther- und Astralleib den physischen Leib oftmals weiter überragt als früher. Das ist erfreulich. Damit gibt es aber auch viel mehr Möglichkeiten hereinzufallen. Nicht alles, was aus der geistigen Welt kommt, hält, was es verspricht. Ich möchte hier einige Quellen des Irrtums zusammentragen.
Fehlinterpretationen durch mangelnde Begriffe und Erfahrung
Übersinnliche Wahrnehmungen kann man nur mit den Begriffen sortieren, die man hat. Hat man nur wenige geistige Begriffe, besteht die Gefahr, falsch zu interpretieren. Dazu kommt, dass es für eine sichere Unterscheidung oftmals jahrelanges Üben braucht.
Einige Beispiele: Manchmal habe ich Elementarwesen vorgestellt, obwohl das erlebte Phänomen nur eine bestimmte ätherische Bewegung an einem Ort war, also ein ätherisches Phänomen und kein Elementarwesen. Manchmal verwechselte ich Engel mit Elementarwesen. Immer wieder meinte ich, es mit einem Toten zu tun zu haben, es war aber nur ein abgespaltener Seelenanteil von ihm und nicht der ganze Mensch. Ich bin immer wieder damit konfrontiert, dass ich nichts verstehe, da mir Begriffe und Erfahrung fehlen. Ich versuche deshalb mit einer gedanklichen Unterscheidung solange zu warten, bis ich wirklich sicher bin.
Astralprojektionen
Ein großes Thema sind Erwartungshaltungen. Eine erwartungsfreie Offenheit ist Voraussetzung für die Kommunikation mit Geistwesen. Denn verborgene oder unbewusste Wünsche können im Astralplan von außen wieder auf mich zu kommen und die vermeintliche Wahrnehmung oder Mitteilung aus der geistigen Welt habe ich dort selbst platziert! Astralprojektionen gehen sehr schnell und sind sehr verbreitet. Wenn man sich unsicher ist, kann man eine übersinnliche Wahrnehmung auch im Nachhinein in der Erinnerung dahingehend überprüfen, ob es sich um eine Projektion gehandelt hat.
Beschränkte Verständnismöglichkeiten
Wenn ich in einem Thema kundig bin, dann kann mir ein Geistwesen auch etwas dazu mitteilen. Ist in mir nichts vorhanden, dann findet es keinen Ansatzpunkt. Ein Beispiel: Ich wurde einmal gebeten, einen Baumfaun nach den besten Möglichkeiten der Baumpflege zu fragen. Ich hatte eine schöne Zeit mit dem Faun, konnte aber nichts zur Baumpflege in Erfahrung bringen. Ich kenne mich da nicht aus und falls der Faun sich dazu geäußert hat, dann war das einfach bei mir durchgerutscht.
Ein anderes Beispiel: Ich habe zwei Bücher mit 35 Interviews zur Zusammenarbeit mit Elementarwesen geschrieben. Dabei wurde deutlich, dass die jeweiligen Menschen immer nur mit den Elementarwesen aus ihrem Berufsfeld kommunizierten: Therapeuten mit Körperelementarwesen, Bauern mit Stallwesen, Gärtner mit Pflanzenwesen und Techniker mit Technikwesen. In dem jeweiligen Fachgebiet war eine Kommunikationsbasis vorhanden, zu den Wesen in anderen Themenfeldern nicht.
Bei höheren Engeln und Meistern erlebe ich manchmal, dass ich zwar ihre herrliche Anwesenheit empfinden kann, doch mit den bewussten Anteilen meines Bewusstseins sie nicht verstehen kann. Ich erlebe meine Limitierung. Ich bin nicht reif für einen differenzierten Kontakt. Dann freue ich mich wieder auf „meine“ Verstorbenen und „meinen“ Engel, mit denen ich mich auf gleicher Augenhöhe fühle.
Durch Lebenserfahrung, geisteswissenschaftliches Studium und Begriffsbildung erweitern sich laufend die Verständnismöglichkeiten. Wenn man aber die Beschränkung der eigenen Verständnismöglichkeiten nicht beachtet und meint, in Gebieten etwas zu verstehen, von denen man in Wirklichkeit wenig versteht, kann man in Missverständnissen enden.
Man versteht den Kontext eines Erlebnisses nicht
Es ist möglich, dass man Ebenen verwechselt. Man hat sich zum Beispiel mit einem Engel verbunden, der einen bestimmten Zukunftsimpuls trägt. Der Engel lebt im Devachan in der Ewigkeit. Deshalb fühlt sich dieser Impuls so an, als ob er sich jetzt verwirklicht und man interpretiert das dann auch so. In der Ewigkeit stimmt das auch, aber nicht in der Zeit. In der gegenwärtigen Zeit ist es ein aus der Zukunft wirkender Impuls, der auf das Karma der Vergangenheit und auf viele gegensätzliche Impulse anderer Geistwesen trifft. Das alles müsste erst einmal aufgearbeitet werden, bevor sich etwas verwirklicht.
Man fällt auf Beschönigungen von Verstorbenen herein
Seit Jahren arbeite ich regelmäßig an der Erlösung hängengebliebener Verstorbener. Millionen Tote sind in einer orientierungslosen Lage und wissen gar nicht, dass es Engel und Karma gibt. Stattdessen hängen sie an ihrem Karma fest und sind nicht an den erlösenden Kräftefluss der höheren geistigen Welt angeschlossen. Aus diesem Mangelerleben suchen sie den Kontakt zu inkarnierten Menschen und deren Energiefeld. Diese hängengebliebenen Verstorbenen sind immer um uns herum – immer. Ich habe sie früher regelmäßig in der Meditation eingeladen, und jedesmal war es übervoll, bis es mir zu viel wurde. Heute konzentriere ich mich auf besondere Fälle.
Ich habe dabei oft erlebt, dass Tote mitteilen, dass es ihnen gut gehe. Tatsächlich waren sie aber erdgebunden, voller verdrängter Seelenanteile und in einer miserablen Lage. Doch das verdrängte der Tote und belog sich selbst, genauso wie er sich meistens schon zu Lebzeiten selbst belogen hat. Ich habe daraus gelernt, dass ich mich nicht auf die Aussagen von Toten verlassen darf, sondern immer selbst kontrollieren muss, wie sein Zustand wirklich ist.
Hängengebliebener Verstorbener täuscht Erzengel vor
Hängengebliebene Tote besetzen gerne inkarnierte Menschen, wenn diese durch entsprechende Resonanzfelder zugänglich sind. Dabei gibt es auch Tote, die sich zu diesem Zwecke bewusst als ein Erzengel oder einen aufgestiegenen Meister ausgeben, weil sie damit ein Medium beeindrucken können. Das ist eine Gefahr bei Channelings, wo sich das Medium nur öffnet, sich über Botschaften aus der geistigen Welt freut, aber das gechannelte Geistwesen nicht eigenständig überprüft.
Vor Jahren war ich in einer Großveranstaltung eines Mediums in Hamburg, das sagte, Erzengel Michael zu channeln. Ich kam an dem Abend aber zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um Erzengel Michael handelte, sondern um einen Toten, der in der letzten Inkarnation als Provinz-Guru gelebt hat, im Nachtodlichen aber nicht in das Universum aufgehen (das heißt zur Welt werden), sondern sich in einem eigenen egoistischen Bereich halten wollte. Er ernährte sich von den Verehrungskräften, die ihm durch die Channelings von den begeisterten Besuchern entgegenkamen. Der Tote gab sich als Michael aus, da das vom Medium gewünscht war und er damit mehr Gehör fand. Da ich mich stark auf das Channeling eingelassen hatte, konnte ich erleben, wie dieser Tote sich in meiner Aura im Rücken festzusetzen versuchte, und ich musste ihn regelrecht von dannen befördern.
Tote in Luzifers Reich
Ich begegnete einmal einer Gruppe verstorbener Seelen, die einer Heilerin zugewandt waren. Sie sahen ihre Aufgabe darin, zu heilen, und das taten sie auch. Doch das Licht dieser Seelen hatte etwas Übertriebenes, was ich erst nach einiger Zeit bemerkte. Sie waren in einem religiösen Eifer über die Schwelle des Todes gegangen und zogen daraus ihre Selbstidentität. Deshalb konnten sie im nachtodlichen Leben nicht den kosmischen Christus sehen und starben nicht in ihn hinein, sondern lebten sich in das Reich des Geistes ein, der in der Anthroposophie als Luzifer beschrieben wird. Kurzum: Es waren hilfreiche, feine Seelen, dennoch würde ich mich nicht ihren einseitigen luziferischen Inspirationen verschreiben. Aber das muss man ja erst einmal bemerken.
Individuellen Standpunkt von Geistwesen berücksichten
Man sollte immer selbst einschätzen können, wo ein geistiger Kooperationspartner wirklich steht. Doch auch wenn man das kann, gibt es Grenzen: Ich arbeite vor allem mit zwei Sphärenmenschen zusammen, die ich schon lange kenne. Wenn ich sie um die Einschätzung zu einer bestimmten Frage bitte, dann bekomme ich oft zurück, dass sie nichts dazu sagen wollen oder können, weite Bereiche der geistigen Welt sind auch ihnen unzugänglich. Dann muss ich selber forschen oder überlegen, wer mir weiterhelfen könnte.
Diese zwei Sphärenmenschen sind stark mit Michael verbunden. Wenn ich stattdessen eine Seele kontaktiere, die mehr im Gebiete Gabriels lebt, dann erhalte ich zum Teil gegensätzliche Einschätzungen und Willensimpulse. Die geistige Welt ist eben keine einheitliche Welt, sondern besteht ausschließlich aus individuellen Geistwesen und ist insoweit immer relativ. Zum Glück gibt es einen ruhenden Fixpunkt, von dem aus man die Relationen einschätzen kann: das ist das Ich der geistigen Welt, der kosmische Christus.
Schwarzmagische Verwirrung
Irrtümer können auch durch störende Besetzungen entstehen. Ein Beispiel: Einmal meinte ich eine karmische Erkenntnis zu haben, doch diese brachte mich nicht in die Mitte meines Herzens, sondern führte mich in eine seelische Unklarheit. Das machte mich skeptisch – zurecht! Auf den ersten Blick war es überzeugend, doch in der Überprüfung stellte ich fest, dass es ein Dampf-Ablassen einer Schwarzmagiergruppe aus dem Totenreich war, denen ich zuvor geistig in die Parade gefahren war. Aus Ärger hatten sie mich offensichtlich genau beobachtet und in eine Lücke meiner Aura intelligente Elementale hineingeschickt, die mir entsprechende karmische Erlebnisse vermittelten und sich in mein seelisches Umfeld gut einfügten. Das war raffiniert gemacht. Es gibt geistige Angriffe in Form von falschen Inspirationen.
Astralquassler
Durch den Intellektualismus unserer Zeit gibt es im Astralplan viele mentale Elementale, die brabbeln wie ein Radio, das man nicht ausschalten kann. Sie können richtige Worte erzeugen, doch das ist nur Oberfläche, dahinter ist nichts. Es gibt auch intelligente Astralquassler, deren Aussagen sinnvoll sind oder die den Sprachstil bedeutender Schriftsteller kopieren. Auf den ersten Blick kann man diese mit der echten Seele des verstorbenen Autors verwechseln. Man kann diese Astralquassler erkennen, wenn man sie nach ihrem Kern und ihrer Tiefe durchtastet.
Ich höre jetzt mit der Aufzählung von Irrtumsmöglichkeiten auf, es gibt natürlich noch viel mehr. In der Kommunikation mit Geistwesen halte ich eine skeptische Grundhaltung für notwendig. Jedoch darf man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, denn die Voraussetzung der Kommunikation mit Geistwesen ist immer die Sympathie, Ehrfurcht und positive Erwartungslosigkeit. Natürlich muss ich mich vorbehaltlos dem Geistwesen hingeben – gleichzeitig ist der innere Spagat einer skeptischen Hinterfragung notwendig. Dieser Spagat ist in einer inneren Verbindung zu Christus tatsächlich möglich, denn dieser bringt eine Objektivität in die geistige Welt.
19 Kriterien zur Beurteilung geistiger Forschung
Ist es möglich, übersinnliche Wahrnehmungen und Forschungsergebnisse anderer Menschen zu beurteilen, ohne selbst dabei gewesen zu sein? Ich meine, das ist möglich.
Wir sind hier in derselben Situation wie in der naturwissenschaftlichen Forschung. Die meisten Forschungsergebnisse können von interessierten Laien nicht direkt nachvollzogen werden. Das gilt auch für die meisten Fachleute, da sie nicht die Zeit, das Instrumentarium oder das Geld haben, um Ergebnisse von anderen zu überprüfen. Sie können nur darauf achten, wie die neuen Ergebnisse mit bisherigen zusammenklingen, und vor allem, ob methodisch sauber geforscht wurde. Die Akzeptanz der Naturwissenschaft wird durch eine nachvollziehbare und allgemein anerkannte Methodik hergestellt. Dies gilt ebenso in der Geistesforschung. Da es sich um die Kommunikation mit geistigen Wesen handelt, ist die Methodik natürlich anders als in der Naturwissenschaft. Das ist nicht ungewöhnlich. Auch die Methodik der Psychologie oder Soziologie unterscheidet sich von der der Naturwissenschaft und ist dem Forschungsgegenstand angepasst.
Ich möchte im Folgenden meine „Checkliste“ vorstellen. Ich frage mich nach dem Lesen eines Textes oder nach einem Gespräch:
1. Kenne ich selbst ähnliche Erlebnisse?
Kann ich die Schilderungen in meinen Erfahrungsbereich einordnen? Kann ich sie nachempfinden? Hier bin ich natürlich durch meine eigenen Fähigkeiten limitiert und muss mich immer offenhalten für Neuigkeiten und Überraschungen.
2. Wie passen die Schilderungen mit der einschlägigen spirituellen Literatur zusammen?
Gibt es frappierende Widersprüche zu anderen Geistesforschern? Diese Frage erfordert natürlich, dass man eine umfassende Literaturkenntnis hat.
3. Macht der Geistesforscher transparent, wie er zu den Ergebnissen kommt? Wird der Weg und die Methodik beschrieben?
Ich möchte immer den konkreten Kontext einer übersinnlichen Wahrnehmung erfahren: Was wurde wann, wo und wie beobachtet? Welche Wahrnehmungsmöglichen wurden verwendet? Welche Geistwesen wurden kontaktiert? etc.
4. Welche Ausbildung hat der Geistesforscher?
Auch Naturtalente brauchen eine Ausbildung. Es geht hier nicht um formale Abschlüsse, sondern um ein festes Stehen im Leben und im Beruf, eine Schulung des Denkens, eine kontinuierliche Meditationspraxis, ein Studium spiritueller Literatur und dauerhaftes Üben der Wahrnehmungen.
5. Bezieht sich der Geistesforscher auf seriöse Lehrer, Literatur und spirituelle Schulen?
Eine Ausbildung braucht auch einen sozialen Kontext, möglichst mit einer gediegenen spirituellen Schule.
6. Arbeitet der Geistesforscher laufend an seiner eigenen persönlichen Klärung und Auflösung von seelischen Schatten?
Man muss für die Geistesforschung kein Heiliger sein. Man muss aber unterscheiden können, ob man in einer bestimmten Situation seelisch frei und neutral ist oder ob einem der Blick durch ein eigenes ungeklärtes Thema verschleiert wird. Wenn man dies nicht vermag, werden eigene gebundene Seelenanteile hinausprojiziert und es besteht die Gefahr, dass man dann diese wahrnimmt. Um die subjektiven Schleier abzubauen, ist es nötig fortwährend an den eigenen ungelösten Themen zu arbeiten. Das ist ein andauernder Prozess. Der Geistesforscher muss hier möglichst tägliche Routinen entwickeln. Hat man einen Schatten bzw. Doppelgänger erhellt und diesen in die Seele integriert, entsteht schon der Platz für den nächsten, um sich zu zeigen. Die Seelenhygiene ist in der Geistesforschung wie das Putzen der Reagenzgläser in der Chemie. Da die eigene Seele das Wahrnehmungsorgan ist, muss diese möglichst geklärt und rein sein.
7. Ist sich der Geistesforscher der Möglichkeiten des Irrtums in der geistigen Forschung bewusst?
Je mehr man von möglichen Fallstricken weiß, umso eher kann man diese vermeiden. Der Geistesforscher sollte sich seiner eigenen begrenzten Möglichkeiten realistisch bewusst sein.
8. Ist der Autor in einer forschenden, offenen Haltung oder liefern seine Aussagen eine abschließende Welterklärung?
Abschließende Welterklärungen sind in einem Universum individueller Geistwesen nicht möglich. Ein absoluter Wahrheitsanspruch ist ein Gift für die Geistesforschung. Jeder Blickwinkel ist beschränkt, wir haben niemals alle Ebenen im Blick. Immer gibt es Ausnahmen. Deshalb muss geistige Forschung beweglich bleiben. Sie sollte bescheiden, tastend und fragend sein, so dass Ergebnisse ergänzt oder korrigiert werden können.
9. Benutzt der Geistesforscher verschiedene Wahrnehmungszugänge zur Kontrolle?
Um Fehlinterpretationen auszuschließen ist es wichtig, ein übersinnliches Phänomen von mehreren Seiten aus anzusehen. Deshalb werde ich skeptisch, wenn ein Geistesforscher nur einen Zugang benützt und nicht eine vielschichtige Gesamtwahrnehmung pflegt.
Mit Wahrnehmungszugängen meine ich zum Beispiel:
• Beobachtungen in der Sinneswelt;
• Veränderungen der Alltagsverfassung und des Schlafes;
• Beobachtung innerer Stimmungen, Bilder und Töne (Imagination);
• Aufbau einer Kommunikationsbeziehung zu Geistwesen (Inspiration);
• Pflege der Beziehung zu Geistwesen durch Befreundung und langfristige, regelmäßige Zusammenarbeit;
• Präzisierung von Wahrnehmungen durch Befragung verschiedener Geistwesen (z.B. Elementarwesen, Engel, Sphärenmenschen).
• Den Willen der Geistwesen zum eigenen Willen machen und in diese hineinschlüpfen (Intuition);
• Betrachtung eines Phänomens differenziert nach Ätherwelt, Astralplan und Devachan (geistige Welt);
• Einbeziehung der Wahrnehmungen anderer Menschen;
• Präzisierungen von Wahrnehmungen durch Rute, Pendel oder Muskeltest;
• etc.
10. Sind die Schilderungen geistiger Wahrnehmungen verständlich?
Sind die Schilderungen verständlich oder sind es unverdauliche Bruchstücke? Etwas zu erleben, ist das eine. Um aber die Erlebnisse auch zu verstehen, müssen sie durchdacht und in größere Zusammenhänge eingeordnet werden können. Wenn jemand Geistiges verständlich schildern kann, hat er es vermutlich auch durchdrungen.
11. Führt der Geistesforscher ein bodenständiges, sozial verantwortliches Leben?
Da der Geistesforscher immer als ganzer Mensch agiert, fließt seine gesamte Lebenshaltung ein. Wer im Alltag als Egoist lebt, kann kaum freie, objektive, geistige Wahrnehmungen haben. Wenn jemand ein bodenständiges Leben führt, sind seine übersinnlichen Wahrnehmungen meistens auch bodenständig.
12. Sucht der Autor Austausch mit Kollegen?
Dieses Kriterium ist mir sehr wichtig, da ich geistig forschende Menschen kenne, die fähig, aber doch sehr einseitig sind, da sie nur in ihrer eigenen Welt leben, eine eigene Sprache gebildet und Anhänger um sich geschart haben, sich aber nicht dem korrigierenden Austausch mit Kollegen stellen. Doch erst in dieser kommunikativen Leistung beginnt die Wissenschaftlichkeit der Geistesforschung genauso wie in jeder Wissenschaft. Normalerweise können geistige Forschungsergebnisse von fähigen Kollegen nachvollzogen werden.
13. Diffamiert der Autor andere Forscher oder Richtungen?
Eine Diffamierung dient meistens der eigenen Selbsterhöhung und ist ein deutliches Zeichen für ein ungelöstes Ego-Problem, was die geistige Forschung verzerrt. Hier ist größte Vorsicht geboten. Von einer Diffamierung ist konstruktive Kritik zu unterscheiden.
14. Entsteht durch die Schilderung der übersinnlichen Erlebnisse ein wie auch immer geartetes Machtverhältnis oder subtile seelische Abhängigkeit?
Stellt sich der Geistesforscher als etwas Besonderes dar? Sollen seine Aussagen mehr Gewicht haben als die Aussagen normaler Menschen? Demut und Bescheidenheit sind zentrale Arbeitsmittel der Geistesforschung, Selbsterhöhung ist Gift. Im Gespräch sagt ein Geistesforscher nur so viel, wie der Gesprächspartner hören will.
15. Sind kommerzielle Absichten zu stark im Spiel?
Geldflüsse gehören zum brüderlichen sich gegenseitig Tragen in der Gesellschaft. Deshalb muss ein Geistesforscher für seine Tätigkeit finanziell freigestellt werden. Die Finanzen dürfen aber nicht im Vordergrund stehen. Ein No-Go ist, andere Menschen in ihrer Not auszunützen. Das kommt in der heutigen spirituellen Welt immer wieder vor. Auf www.scheinheilig.org gibt es dazu einen Online-Kongress mit dem Titel: „Abzocke und Betrugsmaschen der Scharlatane, pseudo-spirituellen Lehrer und Coaches erkennen und vermeiden.“
16. Werde ich als Leser in meiner eigenen Kraft, Eigenständigkeit und Urteilsfähigkeit gestärkt und empfinde ich mich freigelassen und geachtet?
Werde ich mitgenommen?
17. Wird mein Herz angesprochen?
Kann ich den Text frei mit meinem Herzen durchdringen oder erlebe ich Widerstände und Verdunkelungen?
18. In welche Geistgebiete werde ich geführt, wenn ich die Schilderungen meditativ festhalte und vertiefe?
Jede Schilderung kann in den Bereich mitnehmen, von dem gesprochen wurde.
19. Hat das Lesen des Buches eine aufbauende und sensibilisierende Wirkung?
Das ist vielleicht sogar das wichtigste Kriterium.
Es können weitere Fragen hinzugenommen werden. Es ist sehr erhellend, Texte, Bücher, Vorträge und Gespräche in dieser Art Punkt für Punkt zu betrachten. So kann man einen eigenen Standpunkt erarbeiten.
Übersinnliche Wahrnehmung - Diskussion und Vertiefung
Das Erscheinen des Essays „Wahrheit in der Geistesforschung und der übersinnlichen Wahrnehmung“ von Thomas Mayer im Oktober 2024 führte zu lebhaften Diskussionen. So entstanden die folgenden Texte, die den Inhalt des Essays vertiefen.
Erstes Kolloquium zur übersinnlichen Wahrnehmung
Dieser Essay erschien anlässlich des „Ersten Kolloquiums zur übersinnlichen Wahrnehmung“ am 2. November 2024 in der Schreinerei des Goetheanum. Zu dem ganztägigen Kolloquium hatte der Zweig am Goetheanum eingeladen. Referenten waren Frank Burdich, Corinna Gleide, Gunhild von Kries, Karsten Massai, Thomas Mayer und Dorian Schmidt, die seit Jahren Kurse in übersinnlicher Wahrnehmung geben und Bücher dazu geschrieben haben.
Die Referenten erzählten in Podiumsgesprächen offen und persönlich von ihrem Werdegang, biografischen Klippen und der Methodik übersinnlicher Wahrnehmung. Diese sollte auch in praktischen Übungen erlebbar werden, deshalb gab es zweimal sechs parallele Workshops.
Das Kolloquium fand viel Zuspruch: Es sollte ursprünglich im Saal in der Halde stattfinden, dort wäre es aber für die 180 Teilnehmenden zu klein gewesen. Zum Glück war ein Wechsel in die größere Schreinerei möglich. Die Teilnehmenden kamen etwa zur Hälfte aus der näheren Umgebung des Goetheanum, die andere Hälfte reiste weit an. Viele brachten Vorkenntnisse zur übersinnlichen Wahrnehmung mit, sodass die Workshops auf hohem Niveau stattfinden konnten. Die Stimmung war sehr offen, menschlich und erfrischend.
Es ging um Fragen wie
- Wie entsteht eine übersinnliche Wahrnehmung?
- Welche Rolle spielt die Individualität beim Wahrnehmen im Übersinnlichen?
- Wo liegen Quellen des Irrtums?
- Wie sieht eine wissenschaftlich begründete übersinnliche Forschung aus?
- Lässt sich eine Sprache finden, die einen Austausch eigener Erfahrungen so ermöglicht, dass Zuhörende in die Lage versetzt werden können, das Erzählte nachzuerleben?
Zur Kritik an der übersinnlichen Wahrnehmung
Dass es grundsätzliche Kritik an der übersinnlichen Forschung gibt, ist nichts Neues. So war es auch nach dem Kolloquium und dem Erscheinen des Essays. Es fällt auf, dass die meisten Kritiker selbst nicht übersinnlich wahrnehmend arbeiten oder sich darin ausbilden, sondern als Schriftgelehrte wirken. Hier besteht ein grundsätzliches Problem, das Goethe im Faust so formulierte: „Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen.“
Normalerweise kann man nur etwas beurteilen, was man selbst wahrgenommen und in das man sich eingelebt hat. Ansonsten urteilt man ohne Kenntnis. Vorurteil nennt man das. Um Vorurteile zu vermeiden gibt es im anthroposophischen Schulungsweg die Nebenübung der Unbefangenheit und Offenheit.
Zur Kritik an der übersinnlichen Wahrnehmung hat Inge Sperr aus Heidenheim einen Leserbrief an „Ein Nachrichtenblatt“ verfasst, der nicht veröffentlicht wurde. Da er prägnant auf die Kritik eingeht, sei er hier abgedruckt:
„Als Teilnehmerin am 1. Kolloquium zum übersinnlichen Wahrnehmen fühle ich mich berechtigt einige Gedanken anzufügen. Thomas Mayer kenne ich seit über 20 Jahren als Meditierende und die übrigen anwesenden Geistesforscher sind mir bekannt. Ich selber bin seit 40 Jahren intensiv mit der Anthroposophie befasst.
1. Es ist vergeblich jemandem von der Liebe zu reden, wenn derjenige sie noch nicht erlebt hat. Dasselbe gilt für einen Begriff, sagen wir „Baum“, wenn er nicht aus dem Erleben bekannt ist. Meine Frage: Wer von den Kritikern hat selber geistige Erfahrungen, so dass er in den Kreis derer aufgenommen werden könnte, die in einen Austausch treten? Sollten aber eigene Erfahrungen da sein, dann kann der Argumentationsstandpunkt nicht mehr der eines Außenstehenden sein. Anders formuliert: Man hört auf Rudolf Steiner zu zitieren und sich auf ihn zu berufen, es sei denn man holt ihn als „Kollegen“ mit in den Kreis der Forschenden und tut das, was sich Rudolf Steiner so sehr wünschte. Man überprüft Rudolf Steiners Aussagen und glaubt sie nicht auf Autorität hin. Kurzum man geht selbst in die Erfahrung.
2. Wird in der „Philosophie der Freiheit“ von Rudolf Steiner nicht ausführlich dargestellt, dass das Denken die zentrale Rolle hat und nicht das Wahrnehmen? Richtig. Wahrnehmen und Begriff geben erst die Wirklichkeit. Dem größten Teil des Werkes wird dem Bemühen gewidmet, den Begriff, der in den Gedanken hineingestorben ist, zu erlösen und in einem lebendigen Denken wieder an sein eigentliches Wesen anzuschließen. Aber wie geht das lebendige Denken? Es muss das Denken selbst beobachtet werden. Jetzt wären wir wieder beim Beobachten, beim Wahrnehmen angekommen. Das wiederum ist nichts anderes, als was in der Meditation, dem Einstieg in die Geistesforschung, getan wird. Ich will hier keine Einführung in die Meditation geben, aber es muss doch gesagt werden, dass, wenn man sich schon auf das lebendige Denken berufen will, man dieses auch praktizieren muss. Das Beobachten des Denkens geht nur, wenn Fähigkeiten geübt werden, wie: Verzicht auf eigenes Denken und das Verwandeln des Denkwillens über Demut und Hingabe zu einem bewussten „nicht mein, sondern dein Wille geschehe“. Da sind wir dann angekommen bei dem, wenn Rudolf Steiner sagt: „Wenn du einen Schritt vorwärts zu machen versuchst in der Erkenntnis geheimer Wahrheiten, so mache zugleich drei vorwärts in der Vervollkommnung deines Charakters zum Guten.“ (Die Goldene Regel des Geheimschülers aus „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“) Das klingt hier additiv. In der Meditationspraxis kommt man aber ohne Selbstschulung nicht zu einer Umkehrung des Willens, zu Hingabe und Offenheit, so dass die Stufe der Inspiration erreicht werden könnte.
3. Könnte in der Teamarbeit eine Art Selbstsuggestion entstehen? Wie ist ohne Zusammenarbeit ein Weiterkommen möglich? Goethe stand zu seiner Zeit in regem Austausch mit der Fachwelt ohne selber vom Fach zu sein! Ich staune und freue mich zugleich, dass es endlich in anthroposophischen Zusammenhängen möglich ist, dass sich Kollegen treffen und ihre unterschiedlichen Methoden austauschen ohne sich anzufeinden. Steiner hätte sich gefreut!
4. Ist die übersinnliche Wahrnehmung wahr? Wie viele „Tatsachen“, die uns als Wahrheit verkauft werden und wurden sind nicht revidiert, korrigiert, neu bewertet oder interpretiert worden? Was sagt Rudolf Steiner über die Wahrheit in der übersinnlichen Forschung, also der Geisteswissenschaft? Sinngemäß: auf der Stufe der Intuition kommt es zur Wesensbegegnung, also zu der Wahrheit. Aber auf dem Weg diese bis in das „Alltagsbewusstsein-heruntertransportierens“ entsteht so etwas wie ein „Wahrheitsschund“. Unsere Sprache vermag das Erlebte auch nicht mehr abzubilden. Von dieser Wesensbegegnung spricht Thomas Mayer wenn er von „Evidenzerlebnis“ spricht. Es fehlen die Worte um das Erlebte wiederzugeben.
5. Müssten sich die Geistesforscher nicht in Schweigen hüllen, um nicht in profaner Weise etwas an die Öffentlichkeit zu bringen, das evtl. gar nicht der Wahrheit entspricht? Was wissen wir über die Strecken der Einsamkeit und des Nicht-verstanden-werdens? Auch Goethe konnte ein Lied davon singen und erst Steiner! Aber auch deshalb Schweigen, weil sie ahnten, dass ihnen ein Spießrutenlaufen bevorstehen würde. Da ist es doch jetzt ein Segen, dass die Zahl derer, die eigene Erfahrungen haben, zunimmt und sich diese Menschen zu fruchtbarem Tun zusammenfinden. Wir stehen erst am Anfang.“
Soweit Inge Sperr.
Im Folgenden will ich zentrale Aspekte der übersinnlichen Forschung noch klarer beschreiben.
Wie unterscheidet man zwischen Vorstellung und übersinnlicher Wahrnehmung?
Die Frage nach der Unterscheidung zwischen eigenem Vorstellen und übersinnlicher Wahrnehmung kommt in unserem Zeitalter sofort hervor. Seit 2005 biete ich zusammen mit Agnes Hardorp jährlich über 40 Wochenenden und Wochen in Anthroposophischer Meditation an. Dabei geht es auch um die Anfänge übersinnlichen Wahrnehmens. Diese Frage wird fast immer gestellt. So weiß ich aus eigener Erfahrung: Es existiert eine große Sorge, dass willkürliche Vorstellungen echte geistige Wahrnehmungen überschatten und Schein statt Wahrheit walten könnte.
Eine grundsätzlich zweifelnde Haltung ist natürlich richtig, denn Irrtümer sind immer möglich und es ist ein fortwährendes Bemühen nötig, diese zu reduzieren. Dazu schrieb Rudolf Steiner in seinem grundlegenden Buch „Theosophie“:
„Um einem möglichen Irrtum vorzubeugen, sei hier gleich gesagt, daß auch der geistigen Anschauung keine Unfehlbarkeit innewohnt. Auch diese Anschauung kann sich täuschen, kann ungenau, schief, verkehrt sehen. Von Irrtum frei ist auch auf diesem Felde kein Mensch; und stünde er noch so hoch.“ (GA 11, S. 23)
Man sollte aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Es gibt auch eine zu kritische Haltung, die einen übersinnlichen Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozess von Anfang an verunmöglicht.
Da wir in unseren Kursen Wahrnehmungsübungen machen und die Teilnehmer oftmals eine Übereinstimmung ihrer Erfahrungen mit den Schilderungen der anderen erleben, gewinnen sie mehr Vertrauen in ihre eigenen Erlebnisse, so dass sich diese zweifelnde Frage etwas beruhigt.
Ich halte hier vor allem Bescheidenheit und Realismus für notwendig. Da beginnen Menschen gerade damit zu meditieren und auf die feineren Innenerlebnisse zu achten, haben noch keine Übung darin, haben noch nicht mehrere Jahre daran gearbeitet und verlangen schon ein "sicheres Kriterium" der Unterscheidung? Eine Bergwanderung beginnt immer mit den ersten Schritten. Es macht keinen Sinn, schon unten im Tal zu verlangen den Ausblick des Gipfels zu haben. Ein "sicheres Kriterium" der Unterscheidung hat man nicht am Beginn, das muss man sich erarbeiten, es ist die Folge des Schulungsweges.
Hinter diesem Verlangen steckt in meinen Augen auch der Zeitgeist des Materialismus. Die moderne materialistische Naturwissenschaft vertritt die Ansicht, die Wahrheitsfindung müsse unabhängig vom forschenden Menschen sein. Dieser würde durch seine Subjektivität die Wahrheit verschleiern. Deshalb sind Messgeräte, quantitativ zu erfassende Phänomene und Statistiken beliebt. Diese Methoden sind aber auch nicht objektiv, sondern erfassen die Wirklichkeit nur von einem ganz speziellen und damit einseitigen Blickwinkel. Der Materialismus will den Menschen im Forschungsprozess ausschalten und die Wahrheitsfindung zu einem äußeren Vorgang machen. Das ist die Inspiration Ahrimans.
Diese Inspiration Ahrimans erklärt alles Innenleben der Seele für subjektiv, das habe nichts mit der Wahrheit zu tun. Diese materialistische Auffassung verunsichert die heutigen Menschen. In der Folge verlangt man ein äußeres Kriterium der Unterscheidung, anstatt das eigene Wahrheitsgefühl zu entwickeln.
Die Wahrheit eines übersinnlichen Forschungsergebnisses kann man nie von außen erfassen. Als äußerer Zuschauer wird man der Wahrheit niemals teilhaftig. „Wasch mich, mach mich aber nicht nass“, geht hier nicht. Das gilt auch für die Logik, die letztlich auf dem Wahrheitsgefühl beruht. Nach Rudolf Steiner werden übersinnliche Wahrnehmungen nur durch die „Erfahrung“ verbürgt. (siehe erstes Kapitel des Essays)
Wenn man nicht selbst einsteigen kann, kann man sich natürlich davon überzeugen, ob der berichtende Geistesforscher gründlich gearbeitet hat, wie ich es im dritten Kapitel des Essays dargestellt habe.
Meine Antworten zur Frage der Unterscheidung zwischen Vorstellen und übersinnlichem Wahrnehmen, zwischen Schein und Wahrheit, sind also:
- Es braucht Übung. Zu Beginn gibt es viel Unsicherheit. Mit dieser Unsicherheit muss man leben lernen. Das ist eine erste Hürde des Schulungsweges.
- Wichtig ist die eigene Motivation zu beobachten: Bin ich unbefangen und absichtslos in der Wahrnehmung? Oder habe ich Erwartungen und Vorurteile? Den Seelenraum der Unbefangenheit herzustellen ist das Grundhandwerkszeug eines Geistesforschers. Wenn man sich mit diesen Fragen immer wieder von außen betrachtet, so wächst die Sensibilität der Unterscheidung. Man bemerkt immer klarer, ob man in der eigenen Vorstellung stecken geblieben ist oder in eine Berührung mit der geistigen Welt gekommen ist. Oftmals bleibt es unklar, dann muss man es so stehen lassen.
- Letztlich gibt es kein Wahrheitskriterium von außen, es geht um die Evidenzerfahrung. So kennen wir es täglich aus der Sinneserfahrung. Erfährt man diese, dann ist es evident. Wenn ich zum Beispiel vor einer blauen Blume sehe und diese betrachte und vielleicht auch betaste oder rieche, dann bin ich mir felsenfest sicher, dass ich eine blaue Blume gesehen habe. Ich habe hier ein Evidenzerleben. Ich kann aber keinem Nichtanwesenden beweisen, dass ich die blaue Blume gesehen habe. Wenn dieser verlangt, „beweise mir es“, dann kann ich ihn nur auffordern selbst zur blauen Blume zu gehen. Als Außenstehender, das heisst ohne die Evidenzerfahrung, kann man es nicht verstehen. Diese Evidenzerfahrung ist die eigentliche Wahrheitserfahrung. Ein geistiges Erlebnis kann evident sein und so seine Wahrheit aus sich selbst verbürgen. Das ist mit Intuition gemeint. Eine wichtigste Intuition ist die Ich-Erfahrung des Menschen. Wenn jemand sich selbst erfährt und als Ich bezeichnet, was sollte er antworten, was sein Wahrheitskriterium sei - neben seines evidenten Ich-Erlebens? Das spiritualisierte Denken hat immer die Qualität einer Ich-Erfahrung (siehe erstes Kapitel des Essays). Es ist Intuition. Das ist dann eine Basis für Imaginationen und Inspirationen.
- Geistige Erlebnisse sind sehr fein, daran muss man sich gewöhnen. Die Subtilität ist mit einer professionellen Weinverkostung zu vergleichen. Der Somelier schmeckt die Rebensorte, den Rebenort, die Ausrichtung zur Sonne und vieles mehr. Wer das nicht über lange Zeit geübt hat, kann diese Feinheiten nicht erleben. Der Somelier hat es aber besser als die Geistesforscher. Seine Kunst ist gesellschaftlich anerkannt. Man akzeptiert bescheiden, dass er mehr kann als man selbst. Dagegen brandet den Geistesforschern eine Welle der Kritik entgegen und man verlangt ein äußeres Kriterium der Unterscheidung zwischen Vorstellung und übersinnlicher Wahrnehmung.
- Die Projektion ist ein Mittel der imaginativen Erkenntnis. Rudolf Steiner sprach sogar davon, dass man etwas "hin-halluzinieren" muss, um daran die geistige Wirklichkeit zu erkennen. Es geht dabei nicht um die projizierte Vorstellung, sondern darum, was diese auslöst. Ein Beispiel: Ich projiziere an einen Ort die Vorstellung eines Vierecks, nehme dann meinen Vorstellungswillen zurück und beobachte, was mit dem Viereck passiert. Es kann dann sein, dass es zerfällt und verschwindet. Es kann aber auch sein, dass es mit Kraft erfüllt wird und bestehen bleibt und so ein gewisses Eigenleben erhält. Was kann das bedeuten? Nach meiner Erfahrung kann das ein Hinweis auf einen Gnomen sein, der in das vorgestellte Viereck hineingeschlüpft ist. Die Beobachtung der Folgen einer Projektion ist ein Mittel der übersinnlichen Wahrnehmung.
- Zentral erscheinen mir folgenden zwei Punkte, die im ersten Kapitel des Essays schon genannt wurden und die ich hier wiederhole:
Zur Ausbildung des Wahrheitsgefühls erscheinen mir zwei Felder besonders wichtig: Die Team-Arbeit und die realitätsverändernde Wirkungen geistiger Arbeit.
Im Austausch mit Kollegen kann man feststellen, ob sie bestimmte übersinnliche Wahrnehmungen nachvollziehen können. Erleben sie es genauso? Wenn sie anderes erleben, warum? Die fortlaufende Zusammenarbeit im Team schleift eigene Unebenheiten ab, das Gesamtbild wird vollständiger und das Wahrheitsgefühl wird ausgebildet.
Ein starkes Feedback bekommt man auch durch die Beobachtung von Veränderungen in der Außenwelt in der Folge von geistiger Arbeit. Beispiele: Ich machte an einem Ort geomantische Heilarbeit, der Ort war danach spürbar entspannter und das wurde von Menschen bestätigt, die unbeteiligt waren. Oder ich löste eine schwarzmagische Besetzung an einer gefrorenen Schulter, am nächsten Tag war der Arm wieder beweglich. Solches Feedback hilft der Ausbildung des Wahrheitsgefühls. – Meistens gibt es natürlich keine so klaren Veränderungen in der Außenwelt, daran muss man sich auch gewöhnen.
- Es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt: Eine übersinnliche Wahrnehmung trägt immer ein Wirken, eine Wirksamkeit, also eine Wirklichkeit in sich.
„Wirklichkeit“ und „Wahrheit“
Eine übersinnliche Wahrnehmung ist kein Schein, nichts Ausgedachtes, es ist immer ein Kräftewirken oder eine Wesensbegegnung. Der Wille ist aktiv, etwas hat sich verändert.
Das unterscheidet eine übersinnliche Wahrnehmung vom normalen Denken und Vorstellen, das sich vor der Schwelle der geistigen Welt befindet. Vor der Schwelle gibt es Schein, man kann dies oder jenes denken und in Abstraktionen regelungslos vertrocknen. Jenseits der Schwelle ist alles Wirksamkeit und Wirklichkeit, tätiger Wille.
Gibt es einen Unterschied zwischen Wirklichkeit und Wahrheit? Beide hängen eng zusammen, oft werden die beiden Worte synonym verwendet. Man kann sie aber auch so unterscheiden: Wirklichkeit ist eine verkörperte Wahrheit, also das Wirken einer Wahrheit in einer konkreten Situation.
Wirklichkeit und Wahrheit sind oft identisch, können aber auch auseinanderfallen. Jedes übersinnliche Erlebnis ist Wirksamkeit und Wirklichkeit, aber nicht jede Interpretation des Erlebnisses ist zutreffend und entspricht der Wahrheit. Die Widersachergeister, insbesondere die Geister Luzifers und Ahrimans, können zu Täuschungen führen, so dass zwar eine übersinnliche Wirklichkeit erlebt, deren Wahrheit aber verhüllt wird. Dazu habe ich im zweiten Kapitel des Essays „Was sind Quellen des Irrtums?“ viele Beispiele aufgeführt.
Hilfreich beim Einordnen von übersinnlichen Wahrnehmungen ist der Abgleich mit der geistigen Wirkung des Christus im Denken. Widersachergeister kann man mit Hilfe des Christus und den mit ihm verbundenen Geistern erkennen. Ohne Christus im Bewusstsein fehlt der Orientierungspunkt und das Erkennungskriterium und man wird leicht zum Spielball. Damit ist nicht konfessionelles Christentum gemeint, sondern die reale geistige Wirkung des Christus im Denken und im Bewusstsein.
Da es die Möglichkeit gibt, dass eine übersinnliche Wahrnehmung und die Interpretation, also das denkerische Begreifen der Wahrnehmung, auseinanderfallen, wollen wir uns das Verhältnis von Wahrnehmung und Begriff im Alltagsbewusstsein und jenseits der Schwelle der geistigen Welt ansehen.
Wie verhalten sich Wahrnehmung und Begriff in der übersinnlichen Wahrnehmung?
Im Alltagsbewusstsein kommen Wahrnehmung und Begriff aus unterschiedlichen Richtungen her und müssen erst zusammengebracht werden, damit Erkenntnis entstehen kann. Mit der Sinneswahrnehmung sind die dazugehörigen Begriffe noch nicht vorhanden, sondern müssen extra gedacht werden. Das ist unsere tägliche Lernerfahrung.
Aber jenseits der Schwelle erlebe ich das anders. Jenseits der Schwelle kommen Denken und Wahrnehmen nicht aus verschiedenen Richtungen, sondern sind eins. Wahrnehmen ist Denken und Denken ist Wahrnehmen. Für ein Bewusstsein, das vor der Schwelle stehen geblieben ist, ist das schwer zu verstehen.
Ein Begriff ist nicht etwas, was zur übersinnlichen Wahrnehmung dazukommt, sondern im Denk-Akt tritt gleichzeitig die übersinnliche Wahrnehmung auf.
Deshalb habe ich im ersten Kapitel des Essays das Bild der Taschenlampe genommen und geschrieben: „Das Denken ist in der geistigen Welt das Licht, das die Wesen und Strukturen erst sichtbar macht.“ Ich habe beschrieben, dass übersinnliches Wahrnehmen für mich ein Denken ist. Ich sehe meistens nichts und habe keine Bilder. Um diese Denktätigkeit vom normalen „Gedanken-Haben“ zu unterscheiden habe ich die Bezeichnung „spiritualisiertes Denken“ verwendet.
Rudolf Steiner beschreibt das Zusammenfallen von Wahrnehmen und Denken in dem Aufsatz „Die Erlebnisse des Geistesforschers und die Erkenntnistheorie“ (GA 35, S. 136) mit folgenden Worten:
„Die wahre Geistesforschung nimmt den ganzen inneren Seelenapparat von Logik und Selbstbesonnenheit mit, wenn sie das Bewusstsein aus der sinnlichen in eine übersinnliche Sphäre zu verlegen sucht. Deshalb kann gegen sie auch nicht vorgebracht werden, dass sie das rationelle Element der Erkenntnis unberücksichtigt lasse. Sie kann allerdings ihren Inhalt nicht nach der Wahrnehmung in Begriffen denkerisch bearbeiten, weil sie das rationelle Element bei ihrem Hinausgehen aus der Sinnenwelt stets mitnimmt und es wie ein Skelett der übersinnlichen Erfahrung in aller übersinnlichen Wahrnehmung als einen integrierenden Bestandteil stets beibehält.“
Wir müssen diesen Sachverhalt genauer ansehen. Denn das hier Geschilderte gilt für Intuitionen, bei reinen Imaginationen und Inspirationen verhält es sich anders.
Der Unterschied von Imagination, Inspiration und Intuition
Das übersinnliche Wahrnehmen gliedert sich in die Stufen Imagination, Inspiration und Intuition. In der Praxis kann man diese meistens nicht klar trennen, sondern alle drei übersinnliche Wahrnehmungsarten treten gemeinsam auf, auch wenn eine Wahrnehmungsart im Vordergrund ist.
Imaginationen, Inspirationen und Intuitionen gibt es nicht einfach so, sondern sie müssen in einem Denk-Akt geschöpft werden, gleichzeitig sind sie Wahrnehmungen der geistigen Welt. Immer ist der Wille beteiligt, Rudolf Steiner prägte das schöne Wort „Denkwille“.
Bei einer puren Imagination, also ohne Inspiration oder Intuition, ist zunächst nicht klar, was diese bedeutet. Hier muss man nachher darüber nachdenken und sich mit Kollegen austauschen. Wenn eine Imagination auf eine umfangreiche Kenntnis der geistigen Welt fällt, ist es leichter, diese zu verstehen und begrifflich einzuordnen. Sehr wichtig ist Erfahrungswissen. Bei dem Sonderfall einer puren Imagination ohne Inspiration und Intuition sind also die übersinnliche Wahrnehmung und das Begreifen, der Begriff noch getrennt.
Bei Inspirationen findet ein Geistgespräch statt. Man ist im Gespräch mit einem Wesen, in einer Du-Beziehung. Das muss nicht in Worten sein, hier gehen alle Varianten der Kommunikation. Bei einfachen Elementarwesen ist oftmals nur ein Gefühlsaustausch möglich. Bei Inspirationen empfängt man die Äußerung eines Geistwesens, die übersinnliche Wahrnehmung und der Begriff treten meistens gemeinsam auf. Aber es gibt die Möglichkeit, dass man von den Geistwesen getäuscht wird und sie in Wahrheit etwas anderes sind, als sie es vorgeben.
Intuitionen sind eine Ich-Beziehung, eine Identifikation. Ich werde für einen Moment das andere Geistwesen und erlebe dessen Sein. In der Intuition gibt es kein Getrenntsein, hier treten Wahrnehmung und Begriff zusammen auf. In der Intuition wird man selbst das andere Geistwesen und versteht es, da man es selbst geworden ist. Im Einswerden mit dem jeweiligen Geistwesen enthüllt sich dessen ganze Wahrheit. Eine verschleiernde Fälschung ist nicht möglich.
Bei Intuitionen gilt das, was Rudolf Steiner in dem Vortrag vom 13. November 1909 geschildert hat (GA 117). Diese Stelle ist im ersten Kapitel des Essays zitiert. Es tritt sofort das intuitive gedankendurchdrungene Verstehen auf und erst danach – also zeitlich versetzt – weitere imaginative oder intuitive Wahrnehmungen.
Ich erlebe diesen Fall so, dass ich bei einer Untersuchung sofort einen geistigen Zusammenhang weiß und dieses Wissen mit einem starken Evidenzgefühl ausgestattet ist. Dieses Wissen taucht in meiner weiten Auraschicht, im geistigen Teil der Aura, auf. Es ist meistens überraschend, denn mir fehlt dazu noch der Unterbau. Dieser bildet sich erst im Laufe der Untersuchung, wenn weitere Wahrnehmungen dazu kommen.
Es gibt Geistesforscher, die Intuitionen als Ausgangspunkt haben und damit Untersuchungen beginnen. Andere Geistesforscher haben Imaginationen als Schwerpunkt. Entsprechend anders ist der Schulungsweg zur Ausbildung der Wahrnehmungsfähigkeiten und auch die Herangehensweise bei übersinnlichen Unterscheidungen.
Es ist möglich, Imaginationen und Inspirationen bis zu Intuitionen zu vertiefen. Für den Geistesforscher sind Intuitionen der sicherste Boden. Herstellen muss sie aber jeder selbst. Man kann sie nicht von außen vollziehen.
Imagination, Inspiration und Intuition am Beispiel einer Totenbetrachtung
Meine Schilderung im ersten Kapitel des Essays von der Begegnung mit Verstorbenen auf der Nordseite des Goetheanums in 2007 hat zu kritischen Kommentaren geführt. Dass abstraktes anthroposophisches Denkens solche nachtodlichen Wirkungen haben kann, erzeugte Betroffenheit. Das wollte man nicht stehen lassen und so wurde mir unterstellt, dass ich von unbestimmten Gefühlswahrnehmungen ausgegangen sei, die ich danach manipulativ interpretiert und eine mir genehme Geschichte erfunden habe. Ein typisches Todschlag-Argument.
Wenn jemand zweifelt, dass es Tote mit derartig verfestigten Ätherleibern gibt, dann wäre es naheliegend, ihm einen solchen Verstorbenen vorzustellen. Ich mache regelmäßig Betrachtungen von Toten mit Kollegen. Das ist sehr lehrreich. Man könnte also in die Praxis einsteigen, es war aber nur ein theoretischer Austausch gewollt.
So will ich diese Erkundung der Toten an der Nordseite des Goetheanums genauer schildern und dabei die Schrittfolge von Imagination, Inspiration und Intuition herausarbeiten.
Mein Erleben von Toten hat einen langen Vorlauf. Ich bin seit 1990 regelmäßig mit Verstorbenen im Austausch. Mir sind insbesondere die vielen Möglichkeiten nach dem Tode in Sackgassen zu landen gut bekannt. Dazu habe ich ein längeres Arbeitspapier veröffentlicht: www.geistheilung.org/totenhilfe
In dem geschilderten Fall von 2007 begann es mit einem unbestimmten, schlechten und angespannten Gefühl, das sich vor Ort einstellte, aber auch in der Nacht. Wir wohnten damals in Dornach unterhalb des Goetheanums. Dieses angespannte Gefühl sagte noch nichts Klares aus, steigerte aber die Aufmerksamkeit. Es folgte eine längere Untersuchung.
Imaginativ nahm ich diese Toten als „kraftende Wolken“ wahr mit ein bis zwei Meter Durchmesser. Sie sonderten sich von der sonstigen Ätherwelt ab und waren von den Naturwesen nicht durchdrungen. Es zeigte sich, dass es auf der Nordseite des Goetheanums eine große Ansammlung solcher „Kraftwolken“ gab, im Gegensatz zu den anderen Seiten des Gebäudes.
In der Inspiration, also dem inneren Gespräch mit den Wesen in diesen Kraftwolken wurde klar, dass es sich um Verstorbene handelt. In der Inspiration offenbarten diese Toten auch ihr Selbstverständnis und ihre Verbundenheit mit der Anthroposophie. Sie seien hier wegen dem Goetheanum und würden regelmäßig Vorträge besuchen. Zum Saal gäbe es eine extra Ätheröffnung, die sie als Zugang benützen.
Richtig verstanden habe ich ihre Situation aber erst in der Intuition, in der Ich-Beziehung mit ihnen. In der Intuition konnte ich erleben, wie diese Toten nicht über ihren Ätherleib hinaussehen konnten, obwohl sie meinten, in die geistige Welt zu sehen. Diese Ätherleiber habe ich „gummiartig“ bezeichnet. Das ist natürlich eine Anleihe aus der Sprache, die sich auf die Sinneswelt bezieht. Daran kommt man kaum vorbei, wenn man sich ausdrücken möchte, da es in unserem Zeitalter zu wenig Worte für seelische und geistige Zustände gibt. Normalerweise weiten sich die Ätherleiber von Toten aus und werden ganz fein und durchleuchtet. Diese Ätherleiber blieben fester. Ich erlebte sie von verschiedenen Gesichtspunkten, imaginativ von außen sowie von innen als geistig betastbare Substanz. In der Inspiration und Intuition wurde mir erlebbar, dass die besondere Substantialität dieser Ätherleiber durch verfestigte anthroposophische Begriffsbildung entstanden war.
Ein Kritiker wandte ein, dass die Erdgebundenheit dieser Toten „eine brutale Strafe“ und eigentlich ungerechtfertigt sei, da diese Toten zu Lebzeiten es doch gut gemeint hätten. Aber so wirkt eben Karma. Wenn ich Alkohol trinke, bin ich betrunken und vernebelt. Das ist aber keine Strafe, sondern einfach die Folge meiner Tat. Entsprechend hat vieles, was wir auf Erden tun, Auswirkungen auf das nachtodliche Leben. Das wollen viele heutige Menschen nicht gerne hören, es ist aber trotzdem so.
Ich hoffe mit diesem Beispiel klargemacht zu haben, dass ich bestrebt bin, in der Geistesforschung von klaren und fein differenzierten Erlebnissen auszugehen und nicht von unbestimmten Wahrnehmungen oder Stimmungen, die danach nur mit einem Gedankenkonstrukt interpretiert werden können.
Bei gründlicher Arbeit ist ein solches Interpretieren letztlich nicht möglich, denn unpassende Begriffe vernichten erfahrungsgemäß die übersinnliche Wahrnehmung. Denn wie schon ausgeführt sind jenseits der Schwelle Begriff und Wahrnehmung meistens identisch, auch wenn diese Identität nicht sofort in der Fülle vorhanden ist, sondern erst in einem schrittweisen Vertiefen entsteht.
Rudolf Steiner zur „untrügerischen Intuition“ und dem Schutz vor Täuschungen
Die Bedeutung der Intuition beschreibt Rudolf Steiner in seinem Grundlagenwerk „Geheimwissenschaft im Umriß“ (GA 13, S. 184 ff.). Diese Schilderung erweitert den Blickwinkel des bisher Geschilderten. Dabei geht es um die Frage, wie Irrtümer in der Geistesforschung vermieden werden können. Rudolf Steiner betont zunächst die Bedeutung der Schatten- bzw. Doppelgängerarbeit, um die Verfremdung von übersinnlichen Wahrnehmungen durch Projektionen zu vermeiden und Unbefangenheit herzustellen. Danach schildert er das Problem mit Täuschungen und falschen Interpretationen. Davor schützen „untrügerische Intuitionen“.
Rudolf Steiner führt aus, dass es in der sinnlichen Welt die laufende Korrektur unseres Denkens durch die Sinneswahrnehmung gibt. In der übersinnlichen Welt gibt es diese Korrektur nicht, sondern stattdessen kann ein falsches Urteil die übersinnliche Wahrnehmung verändern. Deshalb muss der Geistesforscher durch eigene Anstrengungen die Möglichkeiten von Täuschungen ausschließen. Das macht er durch den Erwerb umfangreicher Kenntnisse und Erfahrungen und dadurch, „dass das Bewusstsein des Geistesschülers während der inneren Versenkung genau alles überschaut, was in der Seele vorgeht.“ Das ist in der Imagination und der Inspiration noch nicht vollständig möglich. Wenn aber das Bild der Imagination sowie die Seelentätigkeit der Inspiration aus dem Bewusstsein entfernt wird, so kann sich in der dadurch entstehenden Intuition nichts einmischen, „was nicht in Bezug auf seinen ganzen Inhalt zu beurteilen ist.“
Intuition ist eine sehr hohe Bewusstseinstätigkeit. Es ist schon eine große Herausforderung in der Imagination ein Meditationsobjekt zu halten und lebendig werden zu lassen. Dann in der Inspiration das Meditationsobjekt verschwinden zu lassen, in der reinen Seelentätigkeit wach zu bleiben und so in ein Gespräch mit Geistwesen zu kommen, erfordert stärkere Seelenkräfte. In der Intuition lässt man auch diese Seelentätigkeit los und verweilt im reinen Ich. Durch das Einswerden mit dem eigenen Wesen ist auch ein Einswerden, eine Identifikation, mit anderen Wesen möglich. Das erscheint vielen Menschen als unmögliche Aufgabe, aber sie verdanken ihr eigenes Icherleben einer solchen Intuition. Jeder Mensch hat mehr Intuitionen als er vermutet.
Rudolf Steiner: „In seiner Intuition hat also der Geistesschüler etwas, was ihm zeigt, wie eine ganz klare Wirklichkeit der geistig-seelischen Welt beschaffen ist. Wenn er nun die also erkannten Kennzeichen der geistig-seelischen Wirklichkeit auf alles anwendet, was an seine Beobachtung herantritt, dann kann er Schein von Wirklichkeit unterscheiden.“
Es geht also darum, zu prüfen, ob eine übersinnliche Wahrnehmung die Eigenschaften der „untrügerischen Intuition“ hat, um auf einem sicheren Boden der Wahrheit zu wandeln.
Ich zitierte den ganzen Text von Rudolf Steiner. Er verwendet hier das Wort „Wirklichkeit“ synonym zu „Wahrheit“, wie sich aus dem Kontext des Textes ergibt.
„Außer dieser Quelle von Täuschungen gibt es nun noch eine andere. Sie tritt dann zutage, wenn man einen Eindruck, den man empfängt, unrichtig deutet. Im physisch-sinnlichen Leben ist ein einfaches Beispiel für solche Täuschung diejenige, welche entsteht, wenn man in einem Eisenbahnzuge sitzt und glaubt, die Bäume bewegen sich in der entgegengesetzten Richtung des Zuges, während man sich doch selbst mit dem Zuge bewegt. Obwohl es zahlreiche Fälle gibt, wo solche Täuschungen in der sinnlich-physischen Welt schwieriger richtigzustellen sind als in dem angeführten einfachen, so ist doch leicht einzusehen, dass innerhalb dieser Welt der Mensch auch die Mittel findet, solche Täuschungen hinwegzuschaffen, wenn er mit gesundem Urteil alles das in Betracht zieht, was der entsprechenden Aufklärung dienen kann. Anders steht die Sache allerdings, sobald man in die übersinnlichen Gebiete eindringt. In der sinnlichen Welt werden die Tatsachen durch die menschliche Täuschung nicht geändert; deshalb ist es möglich, durch eine unbefangene Beobachtung die Täuschung an den Tatsachen zu berichtigen. In der übersinnlichen Welt aber ist das nicht ohne weiteres möglich. Wenn man einen übersinnlichen Vorgang beobachten will und mit einem unrichtigen Urteile an ihn herantritt, so trägt man dieses unrichtige Urteil in ihn hinein; und es wird dieses mit der Tatsache so verwoben, dass es von ihr nicht sogleich zu unterscheiden ist. Der Irrtum ist dann nicht in dem Menschen und die richtige Tatsache außer demselben, sondern der Irrtum ist selbst zum Bestandteil der äußeren Tatsache gemacht. Er kann deshalb auch nicht einfach durch eine unbefangene Beobachtung der Tatsache berichtigt werden. Es ist damit auf dasjenige hingewiesen, was eine überreich fließende Quelle von Täuschung und Phantastik für denjenigen sein kann, welcher ohne die richtige Vorbereitung an die übersinnliche Welt herantritt. — Wie nun der Geistesschüler sich die Fähigkeit erwirbt, diejenigen Täuschungen auszuschließen, welche durch die Färbung der übersinnlichen Welterscheinungen mit der eigenen Wesenheit entstehen, so muss er auch die andere Gabe erlangen: die zweite charakterisierte Quelle der Täuschung unwirksam zu machen. Er kann ausschalten, was von ihm selbst kommt, wenn er erst das Bild des eigenen Doppelgängers erkannt hat; und er wird ausschalten können, was in der angegebenen Richtung eine zweite Täuschungsquelle ist, wenn er sich die Fähigkeit erwirbt, an der Beschaffenheit einer Tatsache der übersinnlichen Welt zu erkennen, ob sie Wirklichkeit oder Täuschung ist. Wenn die Täuschungen genau so aussehen würden wie die Wirklichkeiten, dann wäre eine Unterscheidung nicht möglich. So ist es aber nicht. Täuschungen der übersinnlichen Welten haben an sich selbst Eigenschaften, durch welche sie sich von den Wirklichkeiten unterscheiden. Und es kommt darauf an, dass der Geistesschüler weiß, an welchen Eigenschaften er die Wirklichkeiten erkennen kann. Nichts erscheint selbstverständlicher, als dass der Nichtkenner geistiger Schulung sagt: Wo gibt es denn überhaupt eine Möglichkeit, sich gegen Täuschung zu schützen, da die Quellen für dieselbe so zahlreich sind? Und wenn er weiter sagt: Ist denn überhaupt irgendein Geistesschüler davor sicher, dass nicht alle seine vermeintlichen höheren Erkenntnisse nur auf Täuschung und Selbsttäuschung (Suggestion und Autosuggestion) beruhen? Wer so spricht, berücksichtigt nicht, dass in jeder wahren Geistesschulung durch die ganze Art, wie diese verläuft, die Quellen der Täuschung verstopft werden. Erstens wird sich der wahre Geistesschüler durch seine Vorbereitung genügend viele Kenntnisse erwerben über alles das, was Täuschung und Selbsttäuschung herbeiführen kann, und sich dadurch in die Lage versetzen, sich vor ihnen zu hüten. Er hat in dieser Beziehung wirklich wie kein anderer Mensch Gelegenheit, sich nüchtern und urteilsfähig zu machen für den Gang des Lebens. Er wird durch alles, was er erfährt, veranlasst, nichts von unbestimmten Ahnungen, Eingebungen usw. zu halten. Die Schulung macht ihn so vorsichtig wie möglich. Dazu kommt, dass jede wahre Schulung zunächst zu Begriffen über die großen Weltereignisse, also zu Dingen führt, welche ein Anspannen der Urteilskraft notwendig machen, wodurch diese aber zugleich verfeinert und geschärft wird. Nur wer es ablehnen wollte, in solche entlegene Gebiete sich zu begeben, und sich nur an näherliegende «Offenbarungen» halten wollte, dem könnte verlorengehen die Schärfung jener gesunden Urteilskraft, welche ihm Sicherheit gibt in der Unterscheidung zwischen Täuschung und Wirklichkeit. Doch alles dieses ist noch nicht das Wichtigste. Das Wichtigste liegt in den Übungen selbst, welche bei einer regelrechten Geistesschulung verwendet werden. Diese müssen nämlich so eingerichtet sein, dass das Bewusstsein des Geistesschülers während der inneren Versenkung genau alles überschaut, was in der Seele vorgeht. Zuerst wird für die Herbeiführung der Imagination ein Sinnbild geformt. In diesem sind noch Vorstellungen von äußeren Wahrnehmungen. Der Mensch ist nicht allein an ihrem Inhalte beteiligt; er macht ihn nicht selbst. Also kann er sich einer Täuschung darüber hingeben, wie er zustande kommt; er kann seinen Ursprung falsch deuten. Aber der Geistesschüler entfernt diesen Inhalt aus seinem Bewusstsein, wenn er zu den Übungen für die Inspiration aufsteigt. Da versenkt er sich nur noch in seine eigene Seelentätigkeit, welche das Sinnbild gestaltet hat. Auch da ist noch Irrtum möglich. Der Mensch hat sich durch Erziehung, Lernen usw. die Art seiner Seelentätigkeit angeeignet. Er kann nicht alles über ihren Ursprung wissen. Nun aber entfernt der Geistesschüler auch noch diese eigene Seelentätigkeit aus dem Bewusstsein. Wenn nun etwas bleibt, so haftet an diesem nichts, was nicht zu überschauen ist. In dieses kann sich nichts einmischen, was nicht in bezug auf seinen ganzen Inhalt zu beurteilen ist. In seiner Intuition hat also der Geistesschüler etwas, was ihm zeigt, wie eine ganz klare Wirklichkeit der geistig-seelischen Welt beschaffen ist. Wenn er nun die also erkannten Kennzeichen der geistig-seelischen Wirklichkeit auf alles anwendet, was an seine Beobachtung herantritt, dann kann er Schein von Wirklichkeit unterscheiden. Und er kann sicher sein, dass er bei Anwendung dieses Gesetzes vor der Täuschung in der übersinnlichen Welt ebenso bewahrt bleiben wird, wie es ihm in der physisch-sinnlichen Welt nicht geschehen kann, ein vorgestelltes heißes Eisenstück für ein solches zu halten, das wirklich brennt. Es ist selbstverständlich, dass man sich so nur zu denjenigen Erkenntnissen verhalten wird, welche man als seine eigenen Erlebnisse in den übersinnlichen Welten ansieht, und nicht zu denen, die man als Mitteilungen von anderen empfängt und welche man mit seinem physischen Verstande und seinem gesunden Wahrheitsgefühle begreift. Der Geistesschüler wird sich bemühen, eine genaue Grenzscheide zu ziehen zwischen dem, was er sich auf die eine, was auf die andere Art erworben hat. Er wird willig auf der einen Seite die Mitteilungen über die höheren Welten aufnehmen und sie durch seine Urteilsfähigkeit zu begreifen suchen. Wenn er aber etwas als Selbsterfahrung, als eine von ihm selbst gemachte Beobachtung bezeichnet, so wird er geprüft haben, ob ihm diese genau mit den Eigenschaften entgegengetreten ist, welche er an der untrügerischen Intuition wahrnehmen gelernt hat.“
Das gegenwärtige Denken ist schon leibfrei
Wir haben gesehen, übersinnliche Wahrnehmungen sind nur möglich, wenn man sich in einem leibfreien und vom physischen Sinnesorganismus unabhängigen Bewusstseinszustande halten kann. Ein solcher Satz kann das Empfinden erzeugen, dass das unerreichbar sei. Tatsächlich ist das Übersinnliche ganz nah und alltäglich. Um das deutlich zu machen, möchte ich mit einer Betrachtung schließen, in der es um das Wirken des Übersinnlichen im Sinnlichen geht.
Dazu schreibt Rudolf Steiner Überraschendes in dem Aufsatz „Frühere Geheimhaltung und jetzige Veröffentlichung übersinnlicher Erkenntnisse“ GA 35, S. 397 ff.: „Innerhalb der gewöhnlichen Bewußtseinsbetätigung walten Kräfte, die nicht an die physische Organisation gebunden sind“. Das aktuelle, gegenwärtige Denken sei unabhängig vom Leibe. Dieses würde aber durch die Sinnes-Wahrnehmungen überdeckt, so dass die Leibfreiheit des gegenwärtigen Denkens meistens nicht auffällt. Es gäbe noch eine zweite Denkart, das Denken „das seine Stützen in der Erinnerung findet“. Dieses sei nicht mehr leibfrei, sondern an den physischen Organismus gebunden. Durch eine Bewusstseinssteigerung könne das Denken einerseits aus der Verschleierung durch die sinnliche Wahrnehmung sowie andererseits aus der Verkettung mit der Erinnerungsfähigkeit befreit werden. Rudolf Steiner sagt dazu „entwickelte Selbsterkenntnis“ und betont: „Und was sich so offenbart, als schwächste erste Ankündigung eines Erlebens der Seele im Übersinnlichen: es kann weiter entwickelt werden.“ Der Aufsatz endet dann mit der Beschreibung des Weges in die übersinnliche Erkenntnis durch die Meditation.
Hier das Originalzitat von Rudolf Steiner. Ich will es anschließend in eigenen Worten erläutern.
„Im Denken waltet etwas, das nicht aus der Erinnerungsfähigkeit in dasselbe eindringt. Etwas, das den Menschen nicht deshalb die Richtigkeit eines gegenwärtigen Gedankens verbürgt, weil aus der Erinnerung ein ihn tragender früherer Gedanke auftaucht, sondern deshalb, weil diese Richtigkeit unmittelbar erlebt wird. Dieses Erlebnis verbirgt sich dem gewöhnlichen Bewusstsein aus dem Grunde, weil der Mensch die in Frage kommende Kraft innerhalb dieses Bewusstseins für das denkende Wahrnehmen vollständig verbraucht. Im denkenden Wahrnehmen ist diese Kraft wirksam, aber der Mensch glaubt, indem er wahrnimmt, dass ihm die Wahrnehmung allein die Richtigkeit dessen verbürgt, was er in einer Betätigung seelisch ergreift, die aus Wahrnehmen und Denken stets zusammenfließt. Und wenn er dann im bloßen Denken, das er von den Wahrnehmungen abgezogen hat, lebt, so hat er es wirklich nur mit einem solchen Denken zu tun, das seine Stützen in der Erinnerung findet. In diesem abgezogenen Denken ist der physische Organismus mittätig. Ein Denken, das dem Organismus nicht unterworfen ist, lebt für das gewöhnliche Bewusstsein nur, während der Mensch im sinnlichen Wahrnehmen begriffen ist. Dieses sinnliche Wahrnehmen selbst ist vom Organismus abhängig. Das in ihm enthaltene und in ihm mitwirkende Denken ist aber ein rein übersinnliches Element, an dem der Organismus keinen Anteil hat. In diesem Denken hebt sich die Menschenseele aus dem Organismus heraus. Wer dieses Denken im Wahrnehmen sich zum abgesonderten Bewusstsein zu bringen vermag, der weiß durch unmittelbares Erleben, dass er als Seele sich unabhängig von seinem Leibe ergreift.
Dieses erste Sich-Erleben des Menschen als übersinnliches Seelenwesen ergibt sich der entwickelten Selbsterkenntnis. Es ist in jedem Wahrnehmungsakt unbewusst vorhanden. Es handelt sich nur darum, die Selbstbeobachtung so weit zu schärfen, dass bemerkt wird: im Wahrnehmen offenbart sich ein Übersinnliches. Und was sich so offenbart, als schwächste erste Ankündigung eines Erlebens der Seele im Übersinnlichen: es kann weiter entwickelt werden.“
Ich weiß, dass dieses Zitat beim ersten Lesen nicht leicht zu verstehen es, deshalb will ich es in eigenen Worten etwas erläutern.
Eine Verständnisschwierigkeit liegt darin, dass wir Menschen im Alltagsbewusstsein Wahrnehmen und Denken laufend vermischen. Uns fällt deshalb gar nicht auf, dass wir bei der Sinneswahrnehmung ständig denken. Dieses Denken wird übersehen.
Was wäre reines Wahrnehmen ohne Denken? Das ist eine schwer zu beantwortende Frage, da vermutlich nur neugeborene Babys „rein wahrnehmen“. Sehr schnell erwirbt das Kleinkind erste Begriffe und so bekommt die Sinneswelt eine Ordnung. Wenn wir einen Baum sehen, haben wir den Begriff „Baum“ und sehen diesen als eine Einheit, die in Beziehung steht mit der umgebenden Pflanzenwelt. Wenn wir den blauen Himmel sehen, denken wir „blau“ und ordnen so die Farbe ein. Die Sinneswahrnehmungen inspirieren unser Denken. Je genauer wir wahrnehmen, umso differenziertere Gedanken haben wir und das wirkt auf die Sinneswahrnehmung zurück. Diese wird gerichtet. Wir sehen auf dem See Wellen Gekräusel und erleben den Wind in unser Gesicht blasen. Beides bringen wir zusammen, der Wind verursacht die Wellen. So entsteht ein Gesamterlebnis. Wahrnehmen und Denken fließen zusammen. Der Anteil des Denkens wird aber meist übersehen, da die Sinneswahrnehmungen beeindruckender und lauter sind.
Die Sinneswahrnehmungen werden durch die physischen Sinne vermittelt, haben also eine leibliche Grundlage. Woher kommt das Denken, das mit den Sinneswahrnehmungen zusammenfließt? Die physischen Sinne liefern die Gedanken nicht. Um diese Frage zu beantworten, muss die Denktätigkeit von der überdeckenden Sinneswahrnehmung abgesondert und beobachtet werden. Da hilft kein theoretisieren, das muss man tun. Rudolf Steiner beschreibt das Erlebnis, das dann auftreten kann, so: „Wer dieses Denken im Wahrnehmen sich zum abgesonderten Bewusstsein zu bringen vermag, der weiß durch unmittelbares Erleben, dass er als Seele sich unabhängig von seinem Leibe ergreift.“ Es ist das „erste Sich-Erleben des Menschen als übersinnliches Seelenwesen.“
Im alltäglichen Denken gibt es das Erlebnis, dass einem „ein Licht“ aufgegangen ist, man hat etwas verstanden, man erlebt den logischen Zusammenhang. Dieses Erlebnis ist besonders deutlich, wenn man zuerst nichts verstanden hat, sich die Zähne ausgebissen hat, und dann der „Groschen gefallen“ ist. Lehrer können davon berichten, dass Kinder in diesem feierlichen Erkenntnismoment leuchtende Augen bekommen. In diesen Erlebnissen ergreift die Seele den Leib und vermittelt einen geistigen Einschlag. Das ist zusammen mit Sinneswahrnehmungen möglich, aber auch im logischen Schließen im Bereich der Gedanken, zum Beispiel in der Mathematik.
Ich erlebe in der Selbstbeobachtung eines neu gedachten Gedankens, dass eine bewegte Kraft aus dem aurischen Umraum meines Kopfes heranströmt und innerhalb des Kopfes eines Spur hinterlasst. In diesem Moment wird mir der Gedanke klar und formulierbar. Wenn ich mich meditativ in diese Bewegung hineinlebe und versuche zu ihrem Ursprung zu kommen, dann erlebe ich das Bewusstsein von Geistwesen. Je nach Gedankenfärbung können es Elementarwesen, Engel oder Widersachergeister sein.
Dieses „unmittelbare“ Erleben der Richtigkeit ist nur mit gegenwärtigen Gedanken möglich, die aktuell neu gedacht und erzeugt werden.
Der Gegensatz dazu sind erinnerte oder auswendig gelernte Gedanken. Man kann diese erinnern, aber ob sie richtig sind, ergibt sich daraus nicht. Im Erinnerungsdenken versteht man die Dinge nicht, man weiß nur, dass man es so sagen soll. Das Auswendiglernen ist ein Denkautomat, drückt man auf einen bestimmten Knopf so kommt ein bestimmter Gedanke hervor.
Ein Großteil des politischen Lebens besteht aus solchen Automatismen. Armeen von Öffentlichkeitsarbeitern, Journalisten und Aktivisten arbeiten daran aus Propagandazwecken solche Automatismen in den Menschen zu verankern. Durch Digitalisierung, Fernsehen, Internet und Smartphones hat in den letzten Jahrzehnten ein starker Angriff auf die Sinneswahrnehmungen stattgefunden. Viele Kinder spielen nicht mehr draußen, sondern sitzen stundenlang vor Bildschirmen. Mit der künstlichen Intelligenz wird nun das Denken technisiert und übernommen. Beides gehört zu den Vorbereitungen der Inkarnation Ahrimans, die Rudolf Steiner für den Beginn des dritten Jahrtausends beschrieben hat.
Erinnerungsdenken ist dumpf und abgeschattet im Gegensatz zum aktuellen, gegenwärtigen Denken. Wenn man den Unterschied dieser beiden Denkarten erlebt, versteht man auch die große Gefahr der künstlichen Intelligenz. Diese kann nur Erinnerungsdenken nachahmen und verdrängt die gegenwärtige Denkerfahrung. Es ist damit ein Instrument die Menschen noch weiter von der geistigen Welt abzuschneiden.
Jedes neu und aktuell gedachte Gedanke kann ein Gottesdienst sein, Übersinnliches wirkt im Sinnlichen.
Ich empfehle nach diesen Erläuterungen das obige Zitat nochmal zu lesen.
…
Rudolf Steiner fährt in dem Aufsatz fort und beschreibt die Weiterentwicklung des Erlebens der Seele im Übersinnlichen durch die Meditation:
„Das geschieht, wenn der Mensch in einem meditativen Leben ein solches Denken entwickelt, das aus zwei Seelenbetätigungen zusammenfließt, aus derjenigen, welche im gewöhnlichen Bewußtsein in dem Wahrnehmen lebt, und aus der andern, die im gewöhnlichen Denken wirkt. Das meditative Leben wird dadurch zu einem verstärkten Denken, zu einem solchen, das in sich diejenige Kraft aufnimmt, welche sonst in das Wahrnehmen ausfließt. Das Denken muß sich so erkraften, daß es in derselben Lebendigkeit wirkt, die sonst nur im Wahrnehmen vorhanden ist; und ohne sinnliches Wahrnehmen muß ein Denken sich betätigen, das sich nicht auf Erinnerungen stützt, sondern in unmittelbarer Gegenwart seinen Inhalt so erlebt, wie man ihn sonst nur aus der Wahrnehmung schöpft. Von dem am Wahrnehmen sich betätigenden Denken hat eine solche meditative Seelenverrichtung die freie, vollbewußte Art, die in sich selbst sicher ist, daß sie sich keinen Inhalt gibt, der wie eine Vision aus dem unbewußt Organischen in die Seele hereinstrahlt. Jede Art des Visionären ist das volle Gegenteil des hier Gemeinten. Man muß durch Selbstbeobachtung dahin gelangen, diejenige Seelenverfassung genau zu kennen, in welcher man während des Wahrnehmens eines Sinnes ist; und in dieser Seelenverfassung, in der man sich bewußt ist, daß der Inhalt des Vorgestellten nicht aus der Tätigkeit des Organismus aufsteigt, muß man Vorstellungen erleben lernen, die ohne äußere Wahrnehmung so im Bewußtsein erregt werden wie sonst nur die im besonnenen, wahrnehmungslosen Nachdenken im Bewußtsein vorhandenen. (Wie man in richtiger Art zur Entwickelung eines solchen meditativen Lebens gelangt, darüber findet man im einzelnen Angaben in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und in andern meiner Schriften.)“
Mit diesen Zeilen über die Wirkungen des meditativen Lebens sind wir dort angelangt, was ich als Ausgangspunkt für die übersinnliche Wahrnehmung und Geistesforschung ansehe. Ich habe von einem „Einswerdens von Denken und Wahrnehmen jenseits der Schwelle“ gesprochen. Rudolf Steiner drückt das wie folgt aus, ich wiederhole es, damit es deutlicher wird:
„Das Denken muß sich so erkraften, daß es in derselben Lebendigkeit wirkt, die sonst nur im Wahrnehmen vorhanden ist; und ohne sinnliches Wahrnehmen muß ein Denken sich betätigen, das sich nicht auf Erinnerungen stützt, sondern in unmittelbarer Gegenwart seinen Inhalt so erlebt, wie man ihn sonst nur aus der Wahrnehmung schöpft.“
Rudolf Steiner schildert in dem Aufsatz weitere Wirkungen des meditativen Lebens und begründet, warum es notwendig ist, dass heute die „übersinnliche Erkenntnis nicht mehr ein Geheimgut weniger bleiben“ darf.
Ich hoffe mit diesen Ausführungen diesem Ziel betragen zu haben.
Anmerkungen:
(Text Version vom 8.4.2025)
1) Rudolf Steiner: Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt (GA 118), Dornach 1984, S. 26f.
2) Rudolf Steiner: Von Jesus zu Christus (GA 131), Dornach 1988, S. 217.
3) Rudolf Steiner: Die tieferen Geheimnisse des Menschheitswerdens im Lichte der Evangelien (GA 11), Dornach 1986, S. 71f.
4) Rudolf Steiner: Aus der Akasha-Chronik (GA 11), Dornach 1986, S. 146.
5) Rudolf Steiner: Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie (GA 121), Dornach 1982, S. 195.
6) Rudolf Steiner: Die Philosophie, Kosmologie und Religion in der Anthroposophie (GA 215), Dornach 1980, S. 41.
7) Rudolf Steiner: Der Tod als Lebenswandlung (GA 182), Dornach 1996, S. 161.
8) Rudolf Steiner: Weltsilvester und Neujahrsgedanken (GA 195), Dornach 1986, S. 62f.
9) Rudolf Steiner: Metamorphosen des Seelenlebens – Pfade der Seelenerlebnisse (GA 58), Dornach 1958, S. 53
Zum Autor: Seit 2004 leitet Thomas Mayer zusammen mit Agnes Hardorp Kurse in anthroposophischer Meditation und schreibt Bücher.