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Meditation auf anthroposophischer Grundlage: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Geistesforschung
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Auszüge aus Büchern und Vorträgen von [[Michaela Glöckler]]; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von [[Michaela Glöckler]]; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
== ALLGEMEINES ÜBER MEDITATIVES ÜBEN ==
''Was ist Meditation?''
=== ''Wissen in Andacht verwandeln'' ===
Meditatives Üben ist so alt wie die Menschheit selbst. Auf die Frage von Studenten, was meditieren heißt, sagte Rudolf Steiner:
''„Meditieren heißt ja: dasjenige, was man weiß, in Andacht verwandeln, ...“'''[1]''' ''
Dabei geht es darum, Meditation als künstlerische Lebenspraxis aufzufassen. Zu den Medizinern sagte er, sie müssten meditierten wie die gläubigen Bauern früher, die über ihre Felder gingen und dabei Erkenntnisse gewannen.[2]
Dieser Vergleich drückt aus, dass man sich beim Meditieren etwas, das man bereits gut kennt, zum Freund macht, zu einem Freund, der mitgeht, den man immer wieder in einem neuen Licht sieht, an dem man ständig neue Seiten entdeckt, der einem nie langweilig wird.
Durch diese Art der Meditation beginnt man unmittelbar, einen Bezug zum Wesen herzustellen. Was man längst weiß, wird auf eine neue Art lebendig in der Seele: Man wird Andacht empfinden, wird eine intensivere Beziehung zu dem Meditationsinhalt aufbauen. Dabei handelt es sich nicht nur um einen spirituell-künstlerischen Vorgang, sondern auch um einen Prozess, der den Bezug zum Lebendigen und die Lebenskräfte stärkt und gleichzeitig unser Seelenleben und unsere Beziehungsfähigkeit verändert.
=== ''Das Selbst zum Lehrer machen'' ===
''Was kennzeichnet das meditative Üben auf anthroposophischer Grundlage?''
''Was muss der Übende beachten?''
Die Notwendigkeit meditativen Übens, wie es speziell aus der Anthroposophie heraus gelernt werden kann, wird von vielen Seiten her immer deutlicher.
Meditatives Üben aus der Anthroposophie heraus, aus der reinen Entschlusskraft des Ich, beinhaltet, dass das Selbst zum Lehrer wird und sich vom äußeren Lehrer zwar anregen, aber in keiner Weise bestimmen lässt. Das ist etwas absolut Neues und deswegen auch nicht einfach umzusetzen. Denn diese Art des Übens darf in keinem Augenblick den klaren, sicheren Boden denkender, fühlender und wollender Selbstbestimmung verlassen. Alles muss durch das Nadelöhr dieses noch so schwachen ICH BIN gehen.
Dazu brauchen wir, weil das so neu ist, das Gespräch und die Vergewisserung in der Gemeinschaft. Wir müssen uns immer wieder miteinander verständigen, um uns gegenseitig Mut zu machen, aber auch um uns ganz klare Grenzen zu setzen und zu sagen: ''„Hier ist die Schwelle. Du hast sie überschritten, hast gar nicht bemerkt, dass du einen Übergriff gemacht hast.“'' Diese Ehrlichkeit im Umgang miteinander benötigen wir.
Alles meditative Üben, das in dieser Weise gedanklich unterstützt wird, muss sich im höchsten Maße sensibilisieren gegenüber der kleinsten Lüge im Denken, gegenüber den eigenen Versuchen sich zu verbiegen, wobei man gar nicht mehr bemerkt, inwieweit Denken und Handeln sich vermischt haben, weil das eigene Denken zum Maß geworden ist, die Art, wie man denkt, wie man etwas sagt, wie man es positioniert, damit die eigenen Handlungen gelingen.
Der meditativ Übende muss immer sensibler werden gegenüber dem reinen Denken, dem reinen Fühlen, dem reinen, von Liebe getragenen Wollen. Das sind Riesenherausforderungen an jeden, der das versucht.
=== ''Krankenmeditation'' ===
''Welche Bedeutung haben Krankenmeditationen?''
''Ita Wegman'' war es sehr wichtig, dass Rudolf Steiner Krankenmeditationen gab.
Krankenmeditationen geben dem leibfreien ätherisch-astralischen Ich-Organismus über Worte und Gedanken Impulse, die sich schon im Wachzustand, aber besonders im Schlaf, ergänzend zu der Substanzbehandlung wohltuend und beruhigend auswirken.
Selbstverständlich können wir nur Patienten, die danach fragen, die also reif dafür sind, eine Meditation empfehlen; die volle Wirkung dieses geistig-leiblichen Geschehens kann sich erst entfalten, wenn sich durch den Heilungsverlauf dem Bewusstsein des Betreffenden neue Möglichkeiten eröffnet haben und damit neue Lernschritte anstehen.
Dann aber können bestimmte spirituelle Formulierungen, Bilder und Worte, auch wenn eine Krankheit zum Tode führt, den Patienten auf seinem Weg so begleiten, dass sich dieser sensible geistig-leibliche Prozess den Umständen entsprechend so ausgewogen wie nur möglich vollziehen kann.
''Vgl. Vortrag auf der Jugendtagung „Mittendrin“ sowie „Wege zum Herzdenken durch meditatives und künstlerisches Üben,“ beide 2007''
----[1] Rudolf Steiner, ''Ansprachen und Fragenbeantwortungen'', Aufsätze und Berichte aus den Jahren 1920 bis 1924 in Ergänzung zum „Pädagogischen Jugendkurs“ von 1922 (GA 217) GA 217a, S. 170.
[2] Rudolf Steiner, ''Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft'', Dornach 1999 S. 78.
== HILFEN ZUM EINSTIEG INS MEDITIEREN ==
''Was kann uns den Weg in eine meditative Praxis ebnen?''
Rudolf Steiner hat Kindern und Erwachsenen im Laufe seines Lebens eine große Anzahl an Gebeten, Sinnsprüchen und Meditationen übergeben bzw. sie publiziert. Die Wortbildungen und Gedankenführungen dieser Sinnsprüche weisen auf Kräftewirksamkeiten im seelischen und geistigen Erleben. Diese zu empfinden, zu erleben und selbst als Kraft in sich zu spüren, die gesundend auf das körperliche Geschehen zurückwirken kann, ist die Aufgabe.
=== ''Durchführung von Wortmeditationen'' ===
Wer es nicht gewohnt ist, zu meditieren, kann folgendermaßen beginnen:
* Sich bequem hinsetzen oder auch -legen.
* Ruhig atmen.
* Die Worte leise, gut artikuliert und langsam zu sich selber sprechen.
* Nachklingen lassen.
* Dann beginnen, einzelne Worte zu bedenken, sich zu fragen, was die Wirklichkeit, von der sie sprechen, für einen bedeutet. Dabei nicht ins Grübeln verfallen, keine negativen Gefühle zulassen. Treten sie doch auf, wieder ruhig auf den Gang und das Strömen der Atmung achten und das Störende zu „veratmen“ versuchen.
* Dann das Ganze nochmals leise lesen oder in der Erinnerung stumm wiederholen.
* In innerer Ruhe nachklingen lassen.
* Sich dann bewusst von der Meditation verabschieden und dankbar auf das kurze Geschehen zurückblicken, in dem man etwas Wesentliches berührt hat.
=== ''Innere und äußere Struktur durch kurze Meditationen'' ===
Oft wird auch gefragt, wann man am besten meditiert, wie man es anstellt dabei zu bleiben und nicht rasch wieder aufzugeben u.a.m. Rudolf Steiner empfiehlt ''„wenigstens fünf Minuten“'' täglich. Schaffen Sie es, diese fünf Minuten dreimal am Tag einzurichten, hat das nicht nur eine stabilisierende Wirkung auf das Wesensgliedergefüge. Auch der Tagesablauf bekommt dadurch eine innere Struktur, die sich auf das gesamte äußere Leben regulierend auswirkt.
==== 1. Morgenmeditation ====
Sie können z.B. morgens vor oder gleich nach dem Aufstehen die ersten fünf Minuten dafür reservieren, sich ein Motiv für den Tag zu vergegenwärtigen, das Sie mitnehmen wollen wie einen spirituellen Tagesproviant. Es kann aber auch ein Morgengebet sein, ein Lied oder ein Spruch. Im Anschluss daran stellen Sie den Bezug zum Tag her, der vor Ihnen liegt. Haben Sie etwas mehr Zeit, so ist ein Morgenspaziergang zu empfehlen. Manchen Menschen fällt es sogar leichter, im Gehen nachzudenken. So kann die Morgenbesinnung auch noch von einer Naturbeobachtung begleitet sein und der so notwendigen körperlichen Bewegung. Denn der Spaziergang tut allen Organen gut. Es sollte jedoch kein Jogging-Lauf sein, sondern ein rhythmisch beschwingtes, lockeres und gar nicht unbedingt schnelles Gehen. Je entspannter und ruhiger der Gang, je lockerer und beweglicher Kopf, Arme, Rumpf und Beine sich um die vertikale Achse leicht drehend und schwingend mitbewegen, umso besser wird der ganze Organismus durchatmet, werden die verschiedenen Organfunktionen in ihrem Zusammenwirken angeregt. Alle Lebensfunktionen – insbesondere das Immunsystem – profitieren von dem gemeinsamen Mit- und Durchbewegt-Werden beim Gehen und der damit verbundenen vertieften Atmung sowie der Anregung der peripheren Durchblutung.
==== 2. Besinnung in der Tagesmitte ====
Die zweiten fünf Minuten können dann in der Tagesmitte folgen, wie oben geschildert. Sind Sie zu Hause, so können Sie den Hausgenossen, auch Ihren Kindern, ohne weiteres sagen, dass Sie in den nächsten fünf Minuten nicht gestört werden wollen und ggf. auch die Tür abschließen. Gibt es in der Arbeit keine ruhige Ecke, keinen Rückzugsort, so kann es zur Not auch die Toilette sein.
==== 3. Abendmeditation ====
Abends bietet sich wieder ein kleiner Rundgang an, bei dem Sie die Eindrücke des Tages vom Abend rückwärts bis zum Morgen durchlaufen. Dabei können Sie kurz rekapitulieren, wie sich der morgendliche Vorblick auf den Tag zum real durchlebten Tag verhält.
Durch diese bewusste Gliederung des Tages verstärken Sie die Kraft der Selbstbestimmung, indem Sie dem Tag einen Anfang und ein Ende setzen und lernen, ja und nein zu sagen. Viele Menschen sind heute, meist ohne es selbst zu merken, überwiegend fremdbestimmt. Sie haben die Führung über sich selbst wie abgegeben und funktionieren nur noch so, wie die Umgebung es von ihnen erwartet. Das Letzte, was von ihrem Ich übrig ist, ist die Freude über die Anerkennung der anderen, dass sie so gut funktionieren. Das führt auf Dauer zur Erschöpfung und zum Burn-out.
Im Alltag erscheint oft alles gleich wichtig. Das führt zu Zerreißproben, man kann dann nicht mehr ordnen, strukturieren und gewichten, man zappelt förmlich hin und her. Mit Hilfe der genannten Übungen können Sie sich aus diesem Teufelskreis befreien.
''Vgl. Hilfen zum Einstieg in die Meditation, in: Meditation in der Anthroposo­phi­schen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016''
== ZUSÄTZLICHE LEBENSKRÄFTE DURCH MEDITATION ==
''Inwiefern bringt Meditieren einen Kraftzuwachs?''
=== ''Meditation stärkt den Ätherleib'' ===
Der meditative Weg des Anthroposophen beginnt immer im Denken, greift über auf das Fühlen und ergreift den Willen, indem man in kleinen Schritten zu verwirklichen versucht, was man voll Begeisterung gedacht hat.[1] So gesehen geben Ideale den Menschen, die sich spirituell entwickeln wollen, die Möglichkeit über die Meditation zusätzliche Lebenskräfte zu erlangen, den Ätherleib zu stärken. Im Krankheitsfall lässt sich dadurch die Heilung unterstützen.
Alle medizinischen Meditationen sind Meditationen, die nicht nur inspirierende Gedanken und erhebende Stimmungen enthalten, sondern sie enthalten auch einen Willensimpuls, eine Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Sie vertiefen das Verständnis der Schwelle und ermöglichen ein spirituelles Krankheitsverständnis:
* Der gesunde Mensch verfügt über ein starkes biologisches Ego, ein starkes Immunsystem, eine gute Verdauung. Das bedeutet: Er verwandelt die Welt und erschafft am Ende des Verdauungsprozesses sich selbst, die Substanz seiner selbst.
* Jede Krankheit beginnt mit einer Schwächung des Immunsystems und mit einer Störung der Physiologie der Verdauung.
=== ''Meditative Übung als Begleitbehandlung'' ===
In diesem Zusammenhang müssen wir folgende wichtige Regel beachten: Nur wenn ein Patient Fragen stellt, dürfen wir ihm eine meditative Übung mitgeben als Begleitbehandlung für seine Krankheit. Im Falle eines Rheumapatienten z.B. kann man ihm dann zeigen, wie er über eine betreffende Meditation innere Ruhe herstellen kann.
Der Grund, warum eine esoterische Zusatzübung nur auf Anfrage des Patienten herausgegeben werden darf, ist, dass es nicht um die Schuldfrage geht. Denn kein Mensch wird nur aus sich selbst heraus krank. Wir werden aneinander krank, an den Beziehungen. Krankheit ist immer auch ein soziales Phänomen, kein ausschließlich individuelles. Wer eine Krankheit durchmacht, führt einen Schicksalsausgleich herbei, bringt auch sozial etwas in Ordnung.
''Vgl. „Meditativer Zugang zur Wärme“, Vortrag an der französischen Ärztetagung am Goetheanum, 13.03.2008''
----[1] Rudolf Steiner, ''Die Brücke zwischen der sichtbaren und der spirituellen Welt''. GA 202.
== WIE MAN SICH MEDITATIONEN GUT MERKT ==
''Ist es ratsam, Meditationen von Hand abzuschreiben?''
=== ''Persönlicher Umgang mit Meditationstexten'' ===
Für viele gläubige Christen ist es selbstverständlich, sich das Credo oder das Vaterunser abzuschreiben – es also nicht nur aus einem Buch abzulesen. Womit man sich seelisch verbinden möchte, sollte man auch „durch die eigene Hand laufen“ lassen, um sich so willentlich damit zu verbinden. Das ist Teil der spirituellen Kultur, die wir uns erst wieder aneignen müssen. Sobald man eine Meditation verinnerlicht hat, kann man das äußere Dokument sogar vernichten.
Selbstverständlich ist man aber auch frei, eine gedruckte Vorlage zu verwenden. Wenn ich z.B. über eine Meditation sprechen muss, habe ich gerne eine gedruckte Version vor mir, weil ich dann viel objektiver lesen kann. Dann geht es gerade nicht um den persönlichen Aspekt.
=== ''Meditationsbüchlein als Hilfe'' ===
Viele verwenden ein kleines Büchlein für ihre Meditationen, in dem auch drinsteht, was nach dem Tod damit passieren soll. Es dient dazu, dass man sich auch an schlechten Tagen nicht abmühen muss sich daran zu erinnern. Denn das Erinnern ist das Unwichtigste an der Meditation. Das Wesentliche ist, dass man die Worte ganz mitdenkt, mitempfindet und dass man sie WILL. Gerade wenn man sich nicht mit dem Erinnern abmühen muss, was ja eher auf einer intellektuellen Leistung beruht, kann man das Büchlein aufschlagen und gleich Ruhe finden vom äußeren Leben. Es kommt beim Meditieren vor allem auf die inneren Schritte an.
Aber wenn ich für mich arbeite, dann schaue ich mir eine Meditation am liebsten in meinem persönlichen Büchlein an oder ich kann sie bereits auswendig. Ich würde Ihnen raten: Schreiben Sie die Meditation auf, gerne auch noch einmal, und schauen Sie sich das selbst Geschriebene solange an, bis Sie merken, dass es etwas ist, das tatsächlich in Ihnen vorhanden ist und das Sie gar nicht mehr vergessen können. Grundsätzlich ist es für den Umgang mit Meditationen schön, wenn der physische Abdruck wieder verschwinden darf und Sie ohne Vorlage auskommen.
''Vgl. „Fragen und Antworten zum Thema Wärme“, anlässlich des Jubiläums des 100. Geburtstags von Werner Junge, Okt. 2012''
== DIE FÜNF-MINUTEN-MEDITATION ==
''Was können wir als Erwachsene tun, um uns im Alltag Kraftquellen zu erschließen?''
Das Mindeste, was Sie in dieser Hinsicht tun können, ist, sich jeden Tag fünf Minuten aus dem Alltagsleben herauszuziehen. In diesen fünf Minuten können Sie sich im wahrsten Sinne des Wortes erholen, d.h. sich wieder heranholen zu sich selbst.
''Wie kann das gehen?''
=== ''Konzentration auf persönlich wichtige Gedanken'' ===
Finden Sie heraus, wer Sie wirklich sind, indem Sie sich in diesen fünf Minuten fragen, was denn für Sie im gegenwärtigen Lebensabschnitt das Wesentlichste ist. Sie können sich aber auch an einen Moment in ihrem Leben erinnern, von dem Sie sich seinerzeit gesagt haben: ''Das will ich nie mehr vergessen!'' Oder wo sie sich vornahmen: ''So würde ich gerne werden''. Es kann auch ein Lied, eine kleine Melodie sein, die Sie sich ins Bewusstsein rufen und leise vor sich hin summen oder singen bzw. ein Gedicht, ein Sinnspruch, den sie schätzen.
Wichtig ist nur, dass Sie in diesem Moment alle Konzentration darauf lenken – gedanklich, gefühlsmäßig und intentional. Haben Sie einen Text, den Sie besonders mögen, so können Sie ihn in diesen Minuten zunächst lesen, nach einigen Tagen wissen Sie ihn vielleicht auswendig, pflegen ihn noch eine Weile, und wenn Sie ihn verinnerlicht haben, nehmen Sie etwas anderes, das für Sie „stimmt“.
=== ''Erfrischung durch die Wirkung von Worten'' ===
Rudolf Steiner hat für solche Meditationszeiten Sprüche und Wortmeditationen formuliert, wie z.B. die nachstehende, die altes Weisheitsgut aufgreift:[1]
''In den reinen Strahlen des Lichtes''
''Erglänzt die Gottheit der Welt''
''In der reinen Liebe zu allen Wesen''
''Erstrahlt die Göttlichkeit meiner Seele''
''Ich ruhe in der Gottheit der Welt''
''Ich werde mich selbst finden''
''In der Gottheit der Welt''
Wenn Sie Worte und Gedanken wie diese mitdenken und die Ruhe und Kraft, die sie anregen, in der Seele wirken lassen, gehen Sie danach erfrischt und gestärkt wieder an die Arbeit.
Wer in seinem Tagesablauf keine Zeit erübrigen kann, sollte sich zumindest diese fünf Minuten nehmen. Aber auch hier gilt „einmal ist keinmal“. Es sollte nach Möglichkeit täglich geschehen. Schafft man es, diese fünf Minuten dreimal am Tag einzurichten, hat das eine enorm zentrierende und stabilisierende Wirkung.
''Vgl. Heilkraft der Rhythmen, in: Meditation in der Anthroposo­phi­schen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016''
----<sup>[1]</sup> Rudolf Steiner, ''Seelenübungen mit Wort- und Sinnbild-Meditationen'', GA 267, Rudolf Steiner Verlag, Dornach 2001, S. 221.
== ZWEI ZENTRALE MEDITATIONEN ==
''Welche Meditation kann uns helfen, uns bewusst von Menschen zu trennen bzw. uns von ihnen als getrennt zu erleben in einem gesunden Sinn?''
''Und welche Meditation hilft uns, uns bewusst und auf gesunde Weise mit Menschen zu verbinden?''
=== ''Meditationen der Trennung und der Verbindung mit Menschen'' ===
Im Folgenden sollen zwei zentrale Meditationen aus dem Mysteriendrama ''„Die Pforte der Einweihung“''[1]'',''drittes und achtes Bild, behandelt werden.
==== 1. Meditation zur Unterstützung der bewussten Trennung ====
Die erste Meditation wurde Johannes gegeben, als ihm alle Stützen weggebrochen waren und er diese Seelenprüfung bestand. Die stärksten Stützen waren sein tiefer Glaube und sein Vertrauen in Maria, dass sie immer wusste, was richtig ist. Dieses Vertrauen wurde durch die Fluch-Szene total erschüttert. Er wurde sich bewusst, dass er ihr einerseits weiter vertrauen musste, weil er ihr Wesen erkannt hatte, dass ihm aber andererseits dieses Ver­trauen in sie nicht davon abhalten durfte, in jedem Augenblick wachsam zu sein, um es bemerken zu können, wenn selbst dieser geliebte Mensch sich in einer Situation befände, in der etwas anderes durch ihn spräche als er selbst. Die Liebe zu einem anderen Menschen darf nicht zu einer Symbiose ausarten, darf die Eigen­ständig­keit nicht gefährden – das erkannte er in dieser Situation.
Er bestand diese Prüfung und des­wegen konnten ihm diese Worte, welche die Überwin­dungskraft der wahren Liebe zum Inhalt haben, den weiteren Weg zeigen. Sie sollten ihm in Momenten Halt geben, in denen ihn nichts mehr geleitete, in denen er ganz auf sich selbst gestellt war. Sie sollten ihm helfen, sich im außerkörperlichen Gedanken­wesen ha­lten zu können ohne zu fallen.
Es wird dort gesagt: ''„Mit vollem Herzen wolle sie empfangen“.[2]'' Hier geht es um Herz­worte und Herzgedanken.
''„Des Lichtes webend Wesen, es erstrahlet''
''Durch Raumesweiten,''
''Zu füllen die Welt mit Sein.''
''Der Liebe Segen, er erwarmet''
''Die Zeitenfolgen,''
''Zu rufen aller Welten Offenbarung.''
''Und Geistesboten, sie vermählen''
''Des Lichtes webend Wesen''
''Mit Seelenoffenbarung;''
''Und wenn vermählen kann mit beiden''
''Der Mensch sein eigen Selbst,''
''Ist er in Geisteshöhen lebend.“[3]''
Diese Meditation, die durch Raum und Zeit geht, die durch die Seelenof­fenbarung, die Geistesboten und die geistige Führerschaft hindurch schließlich beim bewussten, erwach­ten Menschen selbst anlangt, umfasst den Weg der Menschheit aus fernster Ver­gan­genheit, aus der Schöpfung von Raum, Zeit und Bewusstsein bis hin zu dem sich selbst bestimmenden Menschen.
==== 2. Meditation zur Unterstützung der bewussten Verbindung ====
Ganz anders die zweite Meditation. Hier haben sich zwei Menschen außerkörperlich im Geiste gefunden, Maria und Johannes. Diese Schicksalskonstellation war die Vorbe­din­gung, dass Bene­dictus Worte geben konnte für die zweite Hälfte der Mensch­heits­ent­wicklung, in der alles davon abhängen wird, ob geisterwachte, geistbewusste Menschen sich zum Menschenheile, zum Wohl der menschlichen Zivilisation, verbinden und tätig wer­den. Im Hinblick auf diese Aufgabe wird der zweite Spruch gegeben:
''„Des Lichtes webend Wesen, es erstrahlet''
''Von Mensch zu Mensch,''
''Zu füllen alle Welt mit Wahrheit.''
''Der Liebe Segen, er erwarmet''
''Die Seele an der Seele,''
''Zu wirken aller Welten Seligkeit.''
''Und Geistesboten, sie vermählen''
''Der Menschen Segenswerke''
''Mit Weltenzielen;''
''Und wenn vermählen kann die beiden''
''Der Mensch, der sich im Menschen findet,''
''Erstrahlet Geisteslicht durch Seelenwärme.“[4]''
=== ''Umschwung von der Forderung zur freiwilligen Erfüllung'' ===
Man merkt deutlich, dass diese beiden Sprüche eine Art Wegzehrung auf dem Schick­sals­pfad sind:
* Im ersten Spruch die ''Erwe­ckung des Ich'' als außerkörperlich, geistig sich bewusstwerdendes Wesen.
* Im zweiten Spruch ''der Mensch, der sich im andern Menschen findet'' – und nicht verliert – und deswegen gemeinschaftsfähig wird und sich zum Weltenheil wieder mit anderen verbinden bzw. sich an einen anderen binden kann. 
Der Strom aus der Vergangenheit führt zur Fähigkeit, sich bewuss­t zu trennen, der Strom aus der Zukunft ermöglicht bewusstes Verbinden.
Im Spannungsfeld dazwischen lebt die Frage, ob es wirklich um freie Verbindlichkeit geht, um eine Verbindung zwischen Men­schen, in der nicht einer vom andern etwas fordert, sondern einer dem andern etwas gewährt, einer Form der Verbundenheit, in der der Umschwung von der Forderung zur freiwilligen Erfüllung stattfindet.
Diese Sprüche sind in dem Kontext, in dem sie stehen, anspruchsvoll und unerschöpflich. Sie sind auf eine gewisse Weise aber auch sehr schlicht: Auch wenn man nichts ver­steht, versteht man doch alles. Das ist grandios. Man spürt die unendliche Herzlichkeit, die Liebe-Getragenheit jedes Lautes, jeder Wortfügung.
=== ''Persönlicher Bezug'' ===
Dazu eine persönliche Anmerkung. Herbert Hahn war Lehrer an der ersten Waldorfschule, Wir waren die letzte Klasse in der Wal­dorfschule in Stuttgart, die er von der ersten bis zur zwölften Klasse im Re­ligionsunterricht begleitete. Als guter Waldorflehrer sprach er am Anfang der Religionsstunde immer den Spruch, den Rudolf Steiner für den Freien Religionsunterricht gegeben hatte. Aber am Ende seiner Laufbahn hat er von seiner Frei­heit als authentischer Waldorflehrer Ge­brauch gemacht und immer diesen zweiten Karma-Spruch gelesen.
Als ich diese Worte später im Mysteriendrama hörte, kamen sie mir sehr bekannt vor''.'' Da sprach plötzlich Benedictus „unseren“ Religionsspruch auf der Bühne. Ich habe die Dramen zuerst gesehen und danach gelesen, insofern war ich total überrascht, als ich beim Lesen manche Passagen erkannte – natürlich auch ''„Der Sonne Licht durchflutet …“,'' das schon in den unteren Klassen gesprochen wird. Das hatte ich bei der Aufführung des Mysteriendramas nicht verstehen können, so wie es gesungen worden war.
Damit will ich sagen: Die großen Wahrheiten dieser Welt werden von den Eingeweihten so formuliert, dass sie auch dem kleinen Kinde etwas sagen können. Sie sind nie exklusiv, sind immer offenbare Geheimnisse. Darin allein liegt schon eine gewisse Schön­heit, dass die tiefsten Entwicklungsgeheimnisse des Menschen so offenbar sind und so zugänglich formuliert werden können, dass sie für alle Lebensalter Richtungweisendes ent­hal­ten, das uns tragen und uns Impulse geben kann, wenn sonst nichts trägt und im­pulsiert.
''Vgl. Vortrag „Wege zum Herzdenken durch meditatives und künstlerisches Üben“ Dornach, 2007''
----[1] „''Die Pforte der Einweihung''“ ist das erste von Rudolf Steiner verfasste Mysteriendrama. Die Uraufführung fand am 15. August 1910 im Schauspielhaus München statt.
[2] Rudolf Steiner, ''Die Pforte der Einweihung, Die Prüfung der Seele, 3. Bild,'' GA 14.
[3] Siehe auch: Rudolf Steiner, ''Wahrspruchworte'', GA 040, S. 61.
[4] Rudolf Steiner, ''Die Pforte der Einweihung, Die Prüfung der Seele, 8. Bild,'' GA 14.
== KRANKENMEDITATIONEN FÜR SCHWERSTKRANKE ==
''Welche Bedeutung haben Krankenmeditationen?''
Ita Wegman war es unendlich wichtig, dass Rudolf Steiner Krankenmeditationen gab.
=== ''Impulse für den leibfreien Organismus'' ===
Anhand der folgenden Krankenmeditation kann man, wenn man diese Worte auf sich wirken lässt, unmittelbar erleben, wie diese Worte und Gedanken dem leibfreien ätherischen, astra­lischen und auch dem Ich-Organismus Impulse geben, die sich, ergänzend zu der Substanz­behandlung, im Wachzustand, aber besonders im Schlaf wohltuend und beruhigend auswirken.
Doch können wir nur Patienten, die danach fragen – die also reif dafür sind – eine solche Medi­ta­tion empfehlen; denn die volle Wirkung des dadurch angeregten geistig-leiblichen Gesche­hens kann sich erst entfalten, wenn sich durch den Heilungsverlauf dem Bewusstsein des Be­tref­fenden neue Möglichkeiten eröffnet haben und damit neue Lernschritte anstehen.
Dann aber können bestimmte spirituelle Formulierungen, Bilder und Worte, auch wenn eine Krank­heit zum Tode führt, den Patienten auf seinem Weg so begleiten, dass sich dieser sensible geistig-leibliche Prozess den Umständen entsprechend so ausgewogen wie nur mög­lich vollziehen kann.
=== ''Meditation für Patienten in Todesnähe'' ===
Die folgende Meditation ist für schwerstkranke Patienten oder Patienten in Todesnähe gedacht, als eine Art Vorbereitung für den Schwellenübertritt; Rudolf Steiner gab sie ursprünglich für Frau Klara Smits:
''Ich bin jetzt von Gottes weiser Wesenheit umgeben,''
''und eingetaucht in den heiligen Geist''
''des Lebens, der Liebe und der Wahrheit.''
''Ich erkenne deine Wesenheit und Macht an, segnender Geist.''
''Lösche jetzt in deiner göttlichen Weisheit''
''meine sterbenden Irrtümer aus''
''und bringe aus der Macht der Wahrheit meine Welt ins Dasein,''
''gemäß deinem vollkommenen Gesetz.''
''Vgl. Vortrag „Anthroposophische Medizin und ihre Wirkprinzipien“, 4. Okt. 2007'' 
== SICH-ERHEBEN AUS ANGST DURCH GEBET UND MEDITATION ==
''Inwiefern helfen Gebete und Meditationen sich über Ängste zu erheben?''
=== ''Miteinander über Ängste sprechen lernen'' ===
Letztlich wollen alle Gebete uns dazu verhelfen, wieder an das Göttliche Anschluss zu finden. Alle Ängste und Zweifel sind Geburtsschmerzen bei diesem Prozess. Diese Geburtsschmerzen sind zutiefst menschlich – und trotzdem haben wir große Hemmungen, im normalen Leben darüber zu sprechen. Allenfalls macht man das noch bei einem Fachmann: beim Priester, beim Arzt, beim Coun­se­lor, beim Therapeuten. Dass man Schwierigkeiten und Ängste gegenüber normalen Menschen aus dem Schicksalsumfeld anzusprechen lernt oder dass sie vermehrt Thema von Tagungen werden, ist eine Aufgabe der Zukunft.
Es gibt eine sehr schöne esoterische Stunde vom 2. Jan. 1913,[1] in der Rudolf Steiner über die drei Rosenkreuzer-Worte spricht:
* '''„Ex deo nascimur“:''' Aus Gott sind wir geboren. Wir werden aus der geistigen Welt in die Erdenwelt durch unsere spirituellen Wesensglieder hereingetragen.
* '''„In christo morimur“:''' In Christus sterben wir, d.h. der Christus führt uns über die Todesschwelle.
* '''„Ex spiritu sancto reviviscimus“:''' Aus dem Heiligen Geist heraus lernen wir ein bewusstes, individuelles, geistiges Leben zu führen.
Er bespricht diese Tatsachen in einer Art, dass man merkt, dass Angst und Tod als zen­trale Themen der Entwicklung im Mittelpunkt stehen. Die Rosenkreuzer-Worte mach­en wach für diese Zusammenhänge.
Es muss normal werden, dass man sich über das Wesentliche verständigt, über „die Marke Mensch“ und über das, was dazu­gehört. Rudolf Steiner sagte einmal sinngemäß in einer Klassenstunde und auch zu Jugendlichen in einer esoterischen Stunde: Ehe man nicht lernt, über das Geistige so nachzudenken wie über Tische und Stühle, sind wir noch nicht weit gekommen.
=== ''Physisch-seelisch-geistiges Taktgefühl entwickeln'' ===
Wir müssen aber gleichzeitig auch lernen, nur darüber zu reden, wenn wir gefragt werden – wie ein guter Arzt, der nur Ratschläge gibt, wenn er explizit darum gebeten wird. Man muss Taktgefühl auf allen Ebenen entwickeln:
* '''auf der physischen Ebene''' in Form von Hygiene und Körperpflege,
* '''auf der seelischen Ebene,''' indem man aufeinander achtet,
* '''auf der geistigen Ebene,''' indem man nur da über Geistiges spricht, wo die Situation es erfordert.
Das dürfen und müssen wir lernen, auch wenn es prinzipiell um ein „alltägliches“ Thema geht.
=== ''Geistbewusstsein erweckende Meditation'' ===
Es gibt eine weitere erweckende Meditation,[2] die das alles zusammenfasst. Sie ermöglicht ein vierfaches Sich-Erheben aus der Angst durch ein aufmerksames sich ent­wickelndes Geistbewusstsein:
''Im Denken erwache,''
''Du bist im Geisteslicht der Welt.''
''Erlebe Dich als leuchtend, das Leuchtende tastend.''
''Im Fühlen erwache.''
''Du bist in den Geistestaten der Welt.''
''Erlebe Dich die Geistestaten fühlend.''
''Im Wollen erwache.''
''Du bist in dem Geisteswesen der Welt.                                       ''
''Erlebe Dich im Geisteswesen denkend.''
''Im Ich erwache.''
''Du bist in Deinem eigenen Geisteswesen.''
''Erlebe Dich, Sein von Göttern empfangend und Dir selbst gebend.''
''Vgl. „Die Angst in der Selbsterziehung des jungen Erwachsenen“,'' Vortrag auf der Schulärztetagung 2013
----[1] Rudolf Steiner, ''Aus den Inhalten der esoterischen Stunden'', Band III: 1913 und 1914; 1920 – 1923, GA 266/3 1998.
[2] In: Rudolf Steiner, ''Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule von 1904 bis 1914.'' GA 265, Seite 461.
== EINE MEDITATION GEGEN ANGST ==
''Was ist die Geschichte hinter dem berühmten Spruch „Beim Läuten der Glocken“?''
Ich möchte an dieser Stelle ein Buch empfehlen, das neu herausgegeben wurde: ''„Die Weihnachtstagung als Zeitenwende“''[1] von ''Rudolf Grosse''. Es geht um die Begrün­dungs­tagung der Anthroposophischen Gesellschaft und ihrer Hochschule. Dieses Werk wurde jetzt neu herausgegeben, weil vor über 100 Jahren hier am Hügel die Grundsteinlegung stattfand. Derjenige, der es ermöglichte, ''Emil Grosheintz'',[2] war ein reicher Zahnarzt – d.h. diese Entwicklung bewegt sich ganz im Rahmen unserer Medizinischen Sektion.
=== ''Lebensverändernde Intervention'' ===
Sein älterer Sohn, der damals siebenjährige ''Pierre Grosheintz,'' war verhaltensauffällig, sodass die verzweifelten Eltern Rudolf Steiner baten, ihrem Jungen Hilfe und Rat angedeihen zu lassen, damit Schule und Eltern wieder mit ihm zurechtkämen. Rudolf Steiner tat daraufhin etwas, das zu unserem Thema der Ent­ängstigung gehört: Er traf sich mit dem Knaben, übergab ihm eine Meditation und sagte ein paar liebe Worte dazu. Das Ergebnis war, dass das Kind Vertrauen fasste, dass aus ihm „etwas werden könnte“. Es fühlte sich „in Ordnung“ und begriff, dass die Medi­tation ihm helfen würde nur noch etwas erwachsener zu werden...
In dieser Art muss Rudolf Steiner den Spruch übergeben haben, denn der Junge betrachtete ihn von da an lebenslang als seine persönliche Meditation. Seine Verhaltensauffälligkeiten nahmen da­rauf­hin von Jahr zu Jahr ab.
=== ''Entängstigungsmeditation'' ===
Der Spruch hat den Titel: ''„Beim Läuten der Glocken“.''[3]''<sup>, [4]</sup>'' Dabei handelt es sich um eine wirksame Entängstigungsmeditation, weil sie das Gute im Menschen wachruft. Die Mission der Angst besteht ja auch darin, das Gute im Menschen, die wahren Entwicklungspotentiale, wachzurufen: Dazu gehört, dass man lernt, sich zu schützen oder gegebenenfalls auch zu retten, aber auch, wie man Grenzen einerseits respektiert und sie andererseits geistig überwindet. Dieser Spruch lautet:
''Das Schöne bewundern,''
''das Wahre behüten,''
''das Edle verehren,''
''das Gute beschließen.''
''Es führet den Menschen''
''im Leben zu Zielen,''
''im Handeln zum Rechten,''
''im Fühlen zum Frieden,''
''im Denken zum Licht''
''und lehrt ihn vertrauen''
''auf göttliches Walten''
''in allem, was ist,''
''im Weltenall, im Seelengrund. ''
Die entängstigende Wirkung dieses Spruches ist in der darin aufleuchtenden Ganzheit begründet, die Weltenall und Seelengrund umfasst. Dadurch wird das Isolierte wieder in Zusammenhang mit dem Heilen und Ganzen gebracht und fühlt sich einbezogen und geborgen. Wer sich an die Ganzheit anzuschließen vermag, kommt nachhause. Dazu gehört auch die entängstigende Wirkung von Vertrauen-Können. Wer vertrauen kann, schöpft wieder Hoffnung und wer hoffen kann, entwickelt Vertrauen – das gehört zu­sammen. Vertrauen in die Zukunft zu haben, bedeutet Hoffnung für die Zukunft zu ha­ben, nur ist das Vertrauen schon etwas Stabileres: Hoffnung kann noch mehr Wunsch­charakter haben, Vertrauen fügt den Willensaspekt dazu: dass man bis in den Willen hi­nein hofft.
=== ''Wahrheit, Schönheit, Güte als drei Ich-Kompetenzen'' ===
Wahrheit, Schönheit, Güte – Wahrheit für das Denken, Schönheit für das Fühlen, Güte für das Handeln – sind die drei Ich-Kompetenzen, die wir im Denken, Fühlen und Wollen durch unser Streben realisieren:
* Je wahrhaftiger wir werden, je mehr wir an Erkenntnis gewinnen, umso gesünder und angstfreier werden wir geistig.
* Je schöner es im Gefühlsbereich und im Sozialen wird, je mehr Interesse und Liebe herrschen, umso harmonischer und gesünder wird es im Sozialen, in der Kommunikation.
* Entsprechendes gilt im Individuellen: Wenn ich mich bemühe, mein Handeln so in den äußeren Umkreis einzufügen, dass es zu dem passt, was gerade geschieht und gebraucht wird, dann leiste ich einen sinnvollen, guten Beitrag und kann mich persönlich als einen gesunden Faktor in meinem Umkreis erleben. Dann habe ich im Sinne Goethes das Gefühl: ''„Hier bin ich Mensch! Hier darf ich sein“.[5]''
Deshalb ist der oben genannte Spruch sehr gut geeignet für ängstliche Kinder. Man kann ihn auch als überkonfessionelles Abendgebet nehmen, denn Rudolf Steiner gab ihm den Titel „Beim Läuten der Glocken“. Zu diesem sehr aktiven Jungen – heute würde man sagen: „hyperaktiv-anpassungsgestört“ mit einer aggressiven Komponente – sagte er sinngemäß: ''„Immer, wenn Du Kirchenglocken hörst, denkst du an diese Worte.“'' Das erklärt, warum Steiner eben diesen Titel für einen so philosophischen Spruch wählte.
Sein Vater kaufte später den Hügel, auf dem heute das Goetheanum erbaut ist, und schenkte ihn Rudolf Steiner.
''Vgl. „Die Angst in der Selbsterziehung des jungen Erwachsenen“,'' Vortrag auf der Schul­ärztetagung 2013
----[1] Rudolf Grosse, ''Die Weihnachtstagung als Zeitenwende – und die Grundsteinlegung des Ersten Goetheanum.'' Dornach 2013.
[2] Emil Grosheintz-Laval (* 22. Februar 1867 in Paris; † 24. Oktober in 1946 Ascona in der Schweiz) war Zahnarzt und hatte eine Praxis in Basel.
[3] Diesen Spruch schrieb Rudolf Steiner 1913 für den damals siebenjährigen Pierre Grosheintz. Er war der ältere der beiden Söhne des mit Rudolf Steiner befreundeten Baseler Zahnarztes Emil Grosheintz (1867-1946).
[4] In: Rudolf Steiner, ''Wahrspruchworte.'' GA 40, S. 84 (Ausgabe 1991, die auch der Online-GA zugrunde liegt.
[5] In: Johann Wolfgang von Goethe, ''Faust I,'' ''Osterspaziergang''.
== FRIEDEN STIFTEN DURCH MEDITATIVES ÜBEN ==
''Inwiefern hängen meditatives Üben und Frieden in der Welt zusammen?''
=== ''Projektionen erkennen durch Meditation'' ===
Wenn wir uns an die geistig-medita­tive Schulung machen, müssen wir lernen unsere unbewussten Projektionen, die uns veranlassen, Ansprüche an andere zu stellen anstatt an uns selbst, aufzudecken und „heimzuholen“.
In der Medizin gibt es eine Reihe von Therapieverfahren, durch die man lernen kann, die eigenen Lebensprobleme nicht mehr nach außen zu projizieren, wie z.B. auf das Elternhaus, auf die schwierige Situation in der Schule oder Ausbildung, auf die Kollegen, auf die Situa­tion am Arbeitsplatz, usw. Wir Menschen sind alle sehr einfallsreich, wenn es ums Dele­gieren der Verantwortung für unsere eigenen Schicksalsprobleme an die Umwelt geht.
Wenn wir unseren Blick dafür schulen, erkennen wir, dass wir mit dieser Haltung unser kostbarstes künstle­risches Selbstgestaltungsmaterial weggeben und die Arbeit an uns selbst anderen aufhalsen bzw. überlassen.
Der anthroposophisch-meditative Schulungsweg schult uns darin, in kleinen Schritten unbewusste Projektionen der eigenen, noch nicht geläuterten Menschenwesenheit, Stück für Stück heimzuholen und Probleme an dem Platz zu bearbeiten, von dem sie ausgegangen ist – in der eigenen Seele. Das hilft uns, Frieden zu schließen mit uns selbst und unserem Leben.
Rudolf Steiner schreibt über die Meditationskunst auch, dass sie dazu beiträgt, in der Gegenwart Frieden zu stiften.
''Vgl. Vortrag auf der Jugendtagung „Mittendrin“, Dornach, Juli 2007''

Aktuelle Version vom 6. April 2025, 19:40 Uhr

Meditation auf anthroposophischer Grundlage – von Michaela Glöckler

Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/

ALLGEMEINES ÜBER MEDITATIVES ÜBEN

Was ist Meditation?

Wissen in Andacht verwandeln

Meditatives Üben ist so alt wie die Menschheit selbst. Auf die Frage von Studenten, was meditieren heißt, sagte Rudolf Steiner:

„Meditieren heißt ja: dasjenige, was man weiß, in Andacht verwandeln, ...“[1] 

Dabei geht es darum, Meditation als künstlerische Lebenspraxis aufzufassen. Zu den Medizinern sagte er, sie müssten meditierten wie die gläubigen Bauern früher, die über ihre Felder gingen und dabei Erkenntnisse gewannen.[2]

Dieser Vergleich drückt aus, dass man sich beim Meditieren etwas, das man bereits gut kennt, zum Freund macht, zu einem Freund, der mitgeht, den man immer wieder in einem neuen Licht sieht, an dem man ständig neue Seiten entdeckt, der einem nie langweilig wird.

Durch diese Art der Meditation beginnt man unmittelbar, einen Bezug zum Wesen herzustellen. Was man längst weiß, wird auf eine neue Art lebendig in der Seele: Man wird Andacht empfinden, wird eine intensivere Beziehung zu dem Meditationsinhalt aufbauen. Dabei handelt es sich nicht nur um einen spirituell-künstlerischen Vorgang, sondern auch um einen Prozess, der den Bezug zum Lebendigen und die Lebenskräfte stärkt und gleichzeitig unser Seelenleben und unsere Beziehungsfähigkeit verändert.

Das Selbst zum Lehrer machen

Was kennzeichnet das meditative Üben auf anthroposophischer Grundlage?

Was muss der Übende beachten?

Die Notwendigkeit meditativen Übens, wie es speziell aus der Anthroposophie heraus gelernt werden kann, wird von vielen Seiten her immer deutlicher.

Meditatives Üben aus der Anthroposophie heraus, aus der reinen Entschlusskraft des Ich, beinhaltet, dass das Selbst zum Lehrer wird und sich vom äußeren Lehrer zwar anregen, aber in keiner Weise bestimmen lässt. Das ist etwas absolut Neues und deswegen auch nicht einfach umzusetzen. Denn diese Art des Übens darf in keinem Augenblick den klaren, sicheren Boden denkender, fühlender und wollender Selbstbestimmung verlassen. Alles muss durch das Nadelöhr dieses noch so schwachen ICH BIN gehen.

Dazu brauchen wir, weil das so neu ist, das Gespräch und die Vergewisserung in der Gemeinschaft. Wir müssen uns immer wieder miteinander verständigen, um uns gegenseitig Mut zu machen, aber auch um uns ganz klare Grenzen zu setzen und zu sagen: „Hier ist die Schwelle. Du hast sie überschritten, hast gar nicht bemerkt, dass du einen Übergriff gemacht hast.“ Diese Ehrlichkeit im Umgang miteinander benötigen wir.

Alles meditative Üben, das in dieser Weise gedanklich unterstützt wird, muss sich im höchsten Maße sensibilisieren gegenüber der kleinsten Lüge im Denken, gegenüber den eigenen Versuchen sich zu verbiegen, wobei man gar nicht mehr bemerkt, inwieweit Denken und Handeln sich vermischt haben, weil das eigene Denken zum Maß geworden ist, die Art, wie man denkt, wie man etwas sagt, wie man es positioniert, damit die eigenen Handlungen gelingen.

Der meditativ Übende muss immer sensibler werden gegenüber dem reinen Denken, dem reinen Fühlen, dem reinen, von Liebe getragenen Wollen. Das sind Riesenherausforderungen an jeden, der das versucht.

Krankenmeditation

Welche Bedeutung haben Krankenmeditationen?

Ita Wegman war es sehr wichtig, dass Rudolf Steiner Krankenmeditationen gab.

Krankenmeditationen geben dem leibfreien ätherisch-astralischen Ich-Organismus über Worte und Gedanken Impulse, die sich schon im Wachzustand, aber besonders im Schlaf, ergänzend zu der Substanzbehandlung wohltuend und beruhigend auswirken.

Selbstverständlich können wir nur Patienten, die danach fragen, die also reif dafür sind, eine Meditation empfehlen; die volle Wirkung dieses geistig-leiblichen Geschehens kann sich erst entfalten, wenn sich durch den Heilungsverlauf dem Bewusstsein des Betreffenden neue Möglichkeiten eröffnet haben und damit neue Lernschritte anstehen.

Dann aber können bestimmte spirituelle Formulierungen, Bilder und Worte, auch wenn eine Krankheit zum Tode führt, den Patienten auf seinem Weg so begleiten, dass sich dieser sensible geistig-leibliche Prozess den Umständen entsprechend so ausgewogen wie nur möglich vollziehen kann.

Vgl. Vortrag auf der Jugendtagung „Mittendrin“ sowie „Wege zum Herzdenken durch meditatives und künstlerisches Üben,“ beide 2007


[1] Rudolf Steiner, Ansprachen und Fragenbeantwortungen, Aufsätze und Berichte aus den Jahren 1920 bis 1924 in Ergänzung zum „Pädagogischen Jugendkurs“ von 1922 (GA 217) GA 217a, S. 170.

[2] Rudolf Steiner, Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft, Dornach 1999 S. 78.

HILFEN ZUM EINSTIEG INS MEDITIEREN

Was kann uns den Weg in eine meditative Praxis ebnen?

Rudolf Steiner hat Kindern und Erwachsenen im Laufe seines Lebens eine große Anzahl an Gebeten, Sinnsprüchen und Meditationen übergeben bzw. sie publiziert. Die Wortbildungen und Gedankenführungen dieser Sinnsprüche weisen auf Kräftewirksamkeiten im seelischen und geistigen Erleben. Diese zu empfinden, zu erleben und selbst als Kraft in sich zu spüren, die gesundend auf das körperliche Geschehen zurückwirken kann, ist die Aufgabe.

Durchführung von Wortmeditationen

Wer es nicht gewohnt ist, zu meditieren, kann folgendermaßen beginnen:

  • Sich bequem hinsetzen oder auch -legen.
  • Ruhig atmen.
  • Die Worte leise, gut artikuliert und langsam zu sich selber sprechen.
  • Nachklingen lassen.
  • Dann beginnen, einzelne Worte zu bedenken, sich zu fragen, was die Wirklichkeit, von der sie sprechen, für einen bedeutet. Dabei nicht ins Grübeln verfallen, keine negativen Gefühle zulassen. Treten sie doch auf, wieder ruhig auf den Gang und das Strömen der Atmung achten und das Störende zu „veratmen“ versuchen.
  • Dann das Ganze nochmals leise lesen oder in der Erinnerung stumm wiederholen.
  • In innerer Ruhe nachklingen lassen.
  • Sich dann bewusst von der Meditation verabschieden und dankbar auf das kurze Geschehen zurückblicken, in dem man etwas Wesentliches berührt hat.

Innere und äußere Struktur durch kurze Meditationen

Oft wird auch gefragt, wann man am besten meditiert, wie man es anstellt dabei zu bleiben und nicht rasch wieder aufzugeben u.a.m. Rudolf Steiner empfiehlt „wenigstens fünf Minuten“ täglich. Schaffen Sie es, diese fünf Minuten dreimal am Tag einzurichten, hat das nicht nur eine stabilisierende Wirkung auf das Wesensgliedergefüge. Auch der Tagesablauf bekommt dadurch eine innere Struktur, die sich auf das gesamte äußere Leben regulierend auswirkt.

1. Morgenmeditation

Sie können z.B. morgens vor oder gleich nach dem Aufstehen die ersten fünf Minuten dafür reservieren, sich ein Motiv für den Tag zu vergegenwärtigen, das Sie mitnehmen wollen wie einen spirituellen Tagesproviant. Es kann aber auch ein Morgengebet sein, ein Lied oder ein Spruch. Im Anschluss daran stellen Sie den Bezug zum Tag her, der vor Ihnen liegt. Haben Sie etwas mehr Zeit, so ist ein Morgenspaziergang zu empfehlen. Manchen Menschen fällt es sogar leichter, im Gehen nachzudenken. So kann die Morgenbesinnung auch noch von einer Naturbeobachtung begleitet sein und der so notwendigen körperlichen Bewegung. Denn der Spaziergang tut allen Organen gut. Es sollte jedoch kein Jogging-Lauf sein, sondern ein rhythmisch beschwingtes, lockeres und gar nicht unbedingt schnelles Gehen. Je entspannter und ruhiger der Gang, je lockerer und beweglicher Kopf, Arme, Rumpf und Beine sich um die vertikale Achse leicht drehend und schwingend mitbewegen, umso besser wird der ganze Organismus durchatmet, werden die verschiedenen Organfunktionen in ihrem Zusammenwirken angeregt. Alle Lebensfunktionen – insbesondere das Immunsystem – profitieren von dem gemeinsamen Mit- und Durchbewegt-Werden beim Gehen und der damit verbundenen vertieften Atmung sowie der Anregung der peripheren Durchblutung.

2. Besinnung in der Tagesmitte

Die zweiten fünf Minuten können dann in der Tagesmitte folgen, wie oben geschildert. Sind Sie zu Hause, so können Sie den Hausgenossen, auch Ihren Kindern, ohne weiteres sagen, dass Sie in den nächsten fünf Minuten nicht gestört werden wollen und ggf. auch die Tür abschließen. Gibt es in der Arbeit keine ruhige Ecke, keinen Rückzugsort, so kann es zur Not auch die Toilette sein.

3. Abendmeditation

Abends bietet sich wieder ein kleiner Rundgang an, bei dem Sie die Eindrücke des Tages vom Abend rückwärts bis zum Morgen durchlaufen. Dabei können Sie kurz rekapitulieren, wie sich der morgendliche Vorblick auf den Tag zum real durchlebten Tag verhält.

Durch diese bewusste Gliederung des Tages verstärken Sie die Kraft der Selbstbestimmung, indem Sie dem Tag einen Anfang und ein Ende setzen und lernen, ja und nein zu sagen. Viele Menschen sind heute, meist ohne es selbst zu merken, überwiegend fremdbestimmt. Sie haben die Führung über sich selbst wie abgegeben und funktionieren nur noch so, wie die Umgebung es von ihnen erwartet. Das Letzte, was von ihrem Ich übrig ist, ist die Freude über die Anerkennung der anderen, dass sie so gut funktionieren. Das führt auf Dauer zur Erschöpfung und zum Burn-out.

Im Alltag erscheint oft alles gleich wichtig. Das führt zu Zerreißproben, man kann dann nicht mehr ordnen, strukturieren und gewichten, man zappelt förmlich hin und her. Mit Hilfe der genannten Übungen können Sie sich aus diesem Teufelskreis befreien.

Vgl. Hilfen zum Einstieg in die Meditation, in: Meditation in der Anthroposo­phi­schen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016

ZUSÄTZLICHE LEBENSKRÄFTE DURCH MEDITATION

Inwiefern bringt Meditieren einen Kraftzuwachs?

Meditation stärkt den Ätherleib

Der meditative Weg des Anthroposophen beginnt immer im Denken, greift über auf das Fühlen und ergreift den Willen, indem man in kleinen Schritten zu verwirklichen versucht, was man voll Begeisterung gedacht hat.[1] So gesehen geben Ideale den Menschen, die sich spirituell entwickeln wollen, die Möglichkeit über die Meditation zusätzliche Lebenskräfte zu erlangen, den Ätherleib zu stärken. Im Krankheitsfall lässt sich dadurch die Heilung unterstützen.

Alle medizinischen Meditationen sind Meditationen, die nicht nur inspirierende Gedanken und erhebende Stimmungen enthalten, sondern sie enthalten auch einen Willensimpuls, eine Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Sie vertiefen das Verständnis der Schwelle und ermöglichen ein spirituelles Krankheitsverständnis:

  • Der gesunde Mensch verfügt über ein starkes biologisches Ego, ein starkes Immunsystem, eine gute Verdauung. Das bedeutet: Er verwandelt die Welt und erschafft am Ende des Verdauungsprozesses sich selbst, die Substanz seiner selbst.
  • Jede Krankheit beginnt mit einer Schwächung des Immunsystems und mit einer Störung der Physiologie der Verdauung.

Meditative Übung als Begleitbehandlung

In diesem Zusammenhang müssen wir folgende wichtige Regel beachten: Nur wenn ein Patient Fragen stellt, dürfen wir ihm eine meditative Übung mitgeben als Begleitbehandlung für seine Krankheit. Im Falle eines Rheumapatienten z.B. kann man ihm dann zeigen, wie er über eine betreffende Meditation innere Ruhe herstellen kann.

Der Grund, warum eine esoterische Zusatzübung nur auf Anfrage des Patienten herausgegeben werden darf, ist, dass es nicht um die Schuldfrage geht. Denn kein Mensch wird nur aus sich selbst heraus krank. Wir werden aneinander krank, an den Beziehungen. Krankheit ist immer auch ein soziales Phänomen, kein ausschließlich individuelles. Wer eine Krankheit durchmacht, führt einen Schicksalsausgleich herbei, bringt auch sozial etwas in Ordnung.

Vgl. „Meditativer Zugang zur Wärme“, Vortrag an der französischen Ärztetagung am Goetheanum, 13.03.2008


[1] Rudolf Steiner, Die Brücke zwischen der sichtbaren und der spirituellen Welt. GA 202.

WIE MAN SICH MEDITATIONEN GUT MERKT

Ist es ratsam, Meditationen von Hand abzuschreiben?

Persönlicher Umgang mit Meditationstexten

Für viele gläubige Christen ist es selbstverständlich, sich das Credo oder das Vaterunser abzuschreiben – es also nicht nur aus einem Buch abzulesen. Womit man sich seelisch verbinden möchte, sollte man auch „durch die eigene Hand laufen“ lassen, um sich so willentlich damit zu verbinden. Das ist Teil der spirituellen Kultur, die wir uns erst wieder aneignen müssen. Sobald man eine Meditation verinnerlicht hat, kann man das äußere Dokument sogar vernichten.

Selbstverständlich ist man aber auch frei, eine gedruckte Vorlage zu verwenden. Wenn ich z.B. über eine Meditation sprechen muss, habe ich gerne eine gedruckte Version vor mir, weil ich dann viel objektiver lesen kann. Dann geht es gerade nicht um den persönlichen Aspekt.

Meditationsbüchlein als Hilfe

Viele verwenden ein kleines Büchlein für ihre Meditationen, in dem auch drinsteht, was nach dem Tod damit passieren soll. Es dient dazu, dass man sich auch an schlechten Tagen nicht abmühen muss sich daran zu erinnern. Denn das Erinnern ist das Unwichtigste an der Meditation. Das Wesentliche ist, dass man die Worte ganz mitdenkt, mitempfindet und dass man sie WILL. Gerade wenn man sich nicht mit dem Erinnern abmühen muss, was ja eher auf einer intellektuellen Leistung beruht, kann man das Büchlein aufschlagen und gleich Ruhe finden vom äußeren Leben. Es kommt beim Meditieren vor allem auf die inneren Schritte an.

Aber wenn ich für mich arbeite, dann schaue ich mir eine Meditation am liebsten in meinem persönlichen Büchlein an oder ich kann sie bereits auswendig. Ich würde Ihnen raten: Schreiben Sie die Meditation auf, gerne auch noch einmal, und schauen Sie sich das selbst Geschriebene solange an, bis Sie merken, dass es etwas ist, das tatsächlich in Ihnen vorhanden ist und das Sie gar nicht mehr vergessen können. Grundsätzlich ist es für den Umgang mit Meditationen schön, wenn der physische Abdruck wieder verschwinden darf und Sie ohne Vorlage auskommen.

Vgl. „Fragen und Antworten zum Thema Wärme“, anlässlich des Jubiläums des 100. Geburtstags von Werner Junge, Okt. 2012

DIE FÜNF-MINUTEN-MEDITATION

Was können wir als Erwachsene tun, um uns im Alltag Kraftquellen zu erschließen?

Das Mindeste, was Sie in dieser Hinsicht tun können, ist, sich jeden Tag fünf Minuten aus dem Alltagsleben herauszuziehen. In diesen fünf Minuten können Sie sich im wahrsten Sinne des Wortes erholen, d.h. sich wieder heranholen zu sich selbst.

Wie kann das gehen?

Konzentration auf persönlich wichtige Gedanken

Finden Sie heraus, wer Sie wirklich sind, indem Sie sich in diesen fünf Minuten fragen, was denn für Sie im gegenwärtigen Lebensabschnitt das Wesentlichste ist. Sie können sich aber auch an einen Moment in ihrem Leben erinnern, von dem Sie sich seinerzeit gesagt haben: Das will ich nie mehr vergessen! Oder wo sie sich vornahmen: So würde ich gerne werden. Es kann auch ein Lied, eine kleine Melodie sein, die Sie sich ins Bewusstsein rufen und leise vor sich hin summen oder singen bzw. ein Gedicht, ein Sinnspruch, den sie schätzen.

Wichtig ist nur, dass Sie in diesem Moment alle Konzentration darauf lenken – gedanklich, gefühlsmäßig und intentional. Haben Sie einen Text, den Sie besonders mögen, so können Sie ihn in diesen Minuten zunächst lesen, nach einigen Tagen wissen Sie ihn vielleicht auswendig, pflegen ihn noch eine Weile, und wenn Sie ihn verinnerlicht haben, nehmen Sie etwas anderes, das für Sie „stimmt“.

Erfrischung durch die Wirkung von Worten

Rudolf Steiner hat für solche Meditationszeiten Sprüche und Wortmeditationen formuliert, wie z.B. die nachstehende, die altes Weisheitsgut aufgreift:[1]

In den reinen Strahlen des Lichtes

Erglänzt die Gottheit der Welt

In der reinen Liebe zu allen Wesen

Erstrahlt die Göttlichkeit meiner Seele

Ich ruhe in der Gottheit der Welt

Ich werde mich selbst finden

In der Gottheit der Welt

Wenn Sie Worte und Gedanken wie diese mitdenken und die Ruhe und Kraft, die sie anregen, in der Seele wirken lassen, gehen Sie danach erfrischt und gestärkt wieder an die Arbeit.

Wer in seinem Tagesablauf keine Zeit erübrigen kann, sollte sich zumindest diese fünf Minuten nehmen. Aber auch hier gilt „einmal ist keinmal“. Es sollte nach Möglichkeit täglich geschehen. Schafft man es, diese fünf Minuten dreimal am Tag einzurichten, hat das eine enorm zentrierende und stabilisierende Wirkung.

Vgl. Heilkraft der Rhythmen, in: Meditation in der Anthroposo­phi­schen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016


[1] Rudolf Steiner, Seelenübungen mit Wort- und Sinnbild-Meditationen, GA 267, Rudolf Steiner Verlag, Dornach 2001, S. 221.

ZWEI ZENTRALE MEDITATIONEN

Welche Meditation kann uns helfen, uns bewusst von Menschen zu trennen bzw. uns von ihnen als getrennt zu erleben in einem gesunden Sinn?

Und welche Meditation hilft uns, uns bewusst und auf gesunde Weise mit Menschen zu verbinden?

Meditationen der Trennung und der Verbindung mit Menschen

Im Folgenden sollen zwei zentrale Meditationen aus dem Mysteriendrama „Die Pforte der Einweihung“[1],drittes und achtes Bild, behandelt werden.

1. Meditation zur Unterstützung der bewussten Trennung

Die erste Meditation wurde Johannes gegeben, als ihm alle Stützen weggebrochen waren und er diese Seelenprüfung bestand. Die stärksten Stützen waren sein tiefer Glaube und sein Vertrauen in Maria, dass sie immer wusste, was richtig ist. Dieses Vertrauen wurde durch die Fluch-Szene total erschüttert. Er wurde sich bewusst, dass er ihr einerseits weiter vertrauen musste, weil er ihr Wesen erkannt hatte, dass ihm aber andererseits dieses Ver­trauen in sie nicht davon abhalten durfte, in jedem Augenblick wachsam zu sein, um es bemerken zu können, wenn selbst dieser geliebte Mensch sich in einer Situation befände, in der etwas anderes durch ihn spräche als er selbst. Die Liebe zu einem anderen Menschen darf nicht zu einer Symbiose ausarten, darf die Eigen­ständig­keit nicht gefährden – das erkannte er in dieser Situation.

Er bestand diese Prüfung und des­wegen konnten ihm diese Worte, welche die Überwin­dungskraft der wahren Liebe zum Inhalt haben, den weiteren Weg zeigen. Sie sollten ihm in Momenten Halt geben, in denen ihn nichts mehr geleitete, in denen er ganz auf sich selbst gestellt war. Sie sollten ihm helfen, sich im außerkörperlichen Gedanken­wesen ha­lten zu können ohne zu fallen.

Es wird dort gesagt: „Mit vollem Herzen wolle sie empfangen“.[2] Hier geht es um Herz­worte und Herzgedanken.

„Des Lichtes webend Wesen, es erstrahlet

Durch Raumesweiten,

Zu füllen die Welt mit Sein.

Der Liebe Segen, er erwarmet

Die Zeitenfolgen,

Zu rufen aller Welten Offenbarung.

Und Geistesboten, sie vermählen

Des Lichtes webend Wesen

Mit Seelenoffenbarung;

Und wenn vermählen kann mit beiden

Der Mensch sein eigen Selbst,

Ist er in Geisteshöhen lebend.“[3]

Diese Meditation, die durch Raum und Zeit geht, die durch die Seelenof­fenbarung, die Geistesboten und die geistige Führerschaft hindurch schließlich beim bewussten, erwach­ten Menschen selbst anlangt, umfasst den Weg der Menschheit aus fernster Ver­gan­genheit, aus der Schöpfung von Raum, Zeit und Bewusstsein bis hin zu dem sich selbst bestimmenden Menschen.

2. Meditation zur Unterstützung der bewussten Verbindung

Ganz anders die zweite Meditation. Hier haben sich zwei Menschen außerkörperlich im Geiste gefunden, Maria und Johannes. Diese Schicksalskonstellation war die Vorbe­din­gung, dass Bene­dictus Worte geben konnte für die zweite Hälfte der Mensch­heits­ent­wicklung, in der alles davon abhängen wird, ob geisterwachte, geistbewusste Menschen sich zum Menschenheile, zum Wohl der menschlichen Zivilisation, verbinden und tätig wer­den. Im Hinblick auf diese Aufgabe wird der zweite Spruch gegeben:

„Des Lichtes webend Wesen, es erstrahlet

Von Mensch zu Mensch,

Zu füllen alle Welt mit Wahrheit.

Der Liebe Segen, er erwarmet

Die Seele an der Seele,

Zu wirken aller Welten Seligkeit.

Und Geistesboten, sie vermählen

Der Menschen Segenswerke

Mit Weltenzielen;

Und wenn vermählen kann die beiden

Der Mensch, der sich im Menschen findet,

Erstrahlet Geisteslicht durch Seelenwärme.“[4]

Umschwung von der Forderung zur freiwilligen Erfüllung

Man merkt deutlich, dass diese beiden Sprüche eine Art Wegzehrung auf dem Schick­sals­pfad sind:

  • Im ersten Spruch die Erwe­ckung des Ich als außerkörperlich, geistig sich bewusstwerdendes Wesen.
  • Im zweiten Spruch der Mensch, der sich im andern Menschen findet – und nicht verliert – und deswegen gemeinschaftsfähig wird und sich zum Weltenheil wieder mit anderen verbinden bzw. sich an einen anderen binden kann. 

Der Strom aus der Vergangenheit führt zur Fähigkeit, sich bewuss­t zu trennen, der Strom aus der Zukunft ermöglicht bewusstes Verbinden.

Im Spannungsfeld dazwischen lebt die Frage, ob es wirklich um freie Verbindlichkeit geht, um eine Verbindung zwischen Men­schen, in der nicht einer vom andern etwas fordert, sondern einer dem andern etwas gewährt, einer Form der Verbundenheit, in der der Umschwung von der Forderung zur freiwilligen Erfüllung stattfindet.

Diese Sprüche sind in dem Kontext, in dem sie stehen, anspruchsvoll und unerschöpflich. Sie sind auf eine gewisse Weise aber auch sehr schlicht: Auch wenn man nichts ver­steht, versteht man doch alles. Das ist grandios. Man spürt die unendliche Herzlichkeit, die Liebe-Getragenheit jedes Lautes, jeder Wortfügung.

Persönlicher Bezug

Dazu eine persönliche Anmerkung. Herbert Hahn war Lehrer an der ersten Waldorfschule, Wir waren die letzte Klasse in der Wal­dorfschule in Stuttgart, die er von der ersten bis zur zwölften Klasse im Re­ligionsunterricht begleitete. Als guter Waldorflehrer sprach er am Anfang der Religionsstunde immer den Spruch, den Rudolf Steiner für den Freien Religionsunterricht gegeben hatte. Aber am Ende seiner Laufbahn hat er von seiner Frei­heit als authentischer Waldorflehrer Ge­brauch gemacht und immer diesen zweiten Karma-Spruch gelesen.

Als ich diese Worte später im Mysteriendrama hörte, kamen sie mir sehr bekannt vor. Da sprach plötzlich Benedictus „unseren“ Religionsspruch auf der Bühne. Ich habe die Dramen zuerst gesehen und danach gelesen, insofern war ich total überrascht, als ich beim Lesen manche Passagen erkannte – natürlich auch „Der Sonne Licht durchflutet …“, das schon in den unteren Klassen gesprochen wird. Das hatte ich bei der Aufführung des Mysteriendramas nicht verstehen können, so wie es gesungen worden war.

Damit will ich sagen: Die großen Wahrheiten dieser Welt werden von den Eingeweihten so formuliert, dass sie auch dem kleinen Kinde etwas sagen können. Sie sind nie exklusiv, sind immer offenbare Geheimnisse. Darin allein liegt schon eine gewisse Schön­heit, dass die tiefsten Entwicklungsgeheimnisse des Menschen so offenbar sind und so zugänglich formuliert werden können, dass sie für alle Lebensalter Richtungweisendes ent­hal­ten, das uns tragen und uns Impulse geben kann, wenn sonst nichts trägt und im­pulsiert.

Vgl. Vortrag „Wege zum Herzdenken durch meditatives und künstlerisches Üben“ Dornach, 2007


[1] „Die Pforte der Einweihung“ ist das erste von Rudolf Steiner verfasste Mysteriendrama. Die Uraufführung fand am 15. August 1910 im Schauspielhaus München statt.

[2] Rudolf Steiner, Die Pforte der Einweihung, Die Prüfung der Seele, 3. Bild, GA 14.

[3] Siehe auch: Rudolf Steiner, Wahrspruchworte, GA 040, S. 61.

[4] Rudolf Steiner, Die Pforte der Einweihung, Die Prüfung der Seele, 8. Bild, GA 14.

KRANKENMEDITATIONEN FÜR SCHWERSTKRANKE

Welche Bedeutung haben Krankenmeditationen?

Ita Wegman war es unendlich wichtig, dass Rudolf Steiner Krankenmeditationen gab.

Impulse für den leibfreien Organismus

Anhand der folgenden Krankenmeditation kann man, wenn man diese Worte auf sich wirken lässt, unmittelbar erleben, wie diese Worte und Gedanken dem leibfreien ätherischen, astra­lischen und auch dem Ich-Organismus Impulse geben, die sich, ergänzend zu der Substanz­behandlung, im Wachzustand, aber besonders im Schlaf wohltuend und beruhigend auswirken.

Doch können wir nur Patienten, die danach fragen – die also reif dafür sind – eine solche Medi­ta­tion empfehlen; denn die volle Wirkung des dadurch angeregten geistig-leiblichen Gesche­hens kann sich erst entfalten, wenn sich durch den Heilungsverlauf dem Bewusstsein des Be­tref­fenden neue Möglichkeiten eröffnet haben und damit neue Lernschritte anstehen.

Dann aber können bestimmte spirituelle Formulierungen, Bilder und Worte, auch wenn eine Krank­heit zum Tode führt, den Patienten auf seinem Weg so begleiten, dass sich dieser sensible geistig-leibliche Prozess den Umständen entsprechend so ausgewogen wie nur mög­lich vollziehen kann.

Meditation für Patienten in Todesnähe

Die folgende Meditation ist für schwerstkranke Patienten oder Patienten in Todesnähe gedacht, als eine Art Vorbereitung für den Schwellenübertritt; Rudolf Steiner gab sie ursprünglich für Frau Klara Smits:

Ich bin jetzt von Gottes weiser Wesenheit umgeben,

und eingetaucht in den heiligen Geist

des Lebens, der Liebe und der Wahrheit.

Ich erkenne deine Wesenheit und Macht an, segnender Geist.

Lösche jetzt in deiner göttlichen Weisheit

meine sterbenden Irrtümer aus

und bringe aus der Macht der Wahrheit meine Welt ins Dasein,

gemäß deinem vollkommenen Gesetz.

Vgl. Vortrag „Anthroposophische Medizin und ihre Wirkprinzipien“, 4. Okt. 2007

SICH-ERHEBEN AUS ANGST DURCH GEBET UND MEDITATION

Inwiefern helfen Gebete und Meditationen sich über Ängste zu erheben?

Miteinander über Ängste sprechen lernen

Letztlich wollen alle Gebete uns dazu verhelfen, wieder an das Göttliche Anschluss zu finden. Alle Ängste und Zweifel sind Geburtsschmerzen bei diesem Prozess. Diese Geburtsschmerzen sind zutiefst menschlich – und trotzdem haben wir große Hemmungen, im normalen Leben darüber zu sprechen. Allenfalls macht man das noch bei einem Fachmann: beim Priester, beim Arzt, beim Coun­se­lor, beim Therapeuten. Dass man Schwierigkeiten und Ängste gegenüber normalen Menschen aus dem Schicksalsumfeld anzusprechen lernt oder dass sie vermehrt Thema von Tagungen werden, ist eine Aufgabe der Zukunft.

Es gibt eine sehr schöne esoterische Stunde vom 2. Jan. 1913,[1] in der Rudolf Steiner über die drei Rosenkreuzer-Worte spricht:

  • „Ex deo nascimur“: Aus Gott sind wir geboren. Wir werden aus der geistigen Welt in die Erdenwelt durch unsere spirituellen Wesensglieder hereingetragen.
  • „In christo morimur“: In Christus sterben wir, d.h. der Christus führt uns über die Todesschwelle.
  • „Ex spiritu sancto reviviscimus“: Aus dem Heiligen Geist heraus lernen wir ein bewusstes, individuelles, geistiges Leben zu führen.

Er bespricht diese Tatsachen in einer Art, dass man merkt, dass Angst und Tod als zen­trale Themen der Entwicklung im Mittelpunkt stehen. Die Rosenkreuzer-Worte mach­en wach für diese Zusammenhänge.

Es muss normal werden, dass man sich über das Wesentliche verständigt, über „die Marke Mensch“ und über das, was dazu­gehört. Rudolf Steiner sagte einmal sinngemäß in einer Klassenstunde und auch zu Jugendlichen in einer esoterischen Stunde: Ehe man nicht lernt, über das Geistige so nachzudenken wie über Tische und Stühle, sind wir noch nicht weit gekommen.

Physisch-seelisch-geistiges Taktgefühl entwickeln

Wir müssen aber gleichzeitig auch lernen, nur darüber zu reden, wenn wir gefragt werden – wie ein guter Arzt, der nur Ratschläge gibt, wenn er explizit darum gebeten wird. Man muss Taktgefühl auf allen Ebenen entwickeln:

  • auf der physischen Ebene in Form von Hygiene und Körperpflege,
  • auf der seelischen Ebene, indem man aufeinander achtet,
  • auf der geistigen Ebene, indem man nur da über Geistiges spricht, wo die Situation es erfordert.

Das dürfen und müssen wir lernen, auch wenn es prinzipiell um ein „alltägliches“ Thema geht.

Geistbewusstsein erweckende Meditation

Es gibt eine weitere erweckende Meditation,[2] die das alles zusammenfasst. Sie ermöglicht ein vierfaches Sich-Erheben aus der Angst durch ein aufmerksames sich ent­wickelndes Geistbewusstsein:

Im Denken erwache,

Du bist im Geisteslicht der Welt.

Erlebe Dich als leuchtend, das Leuchtende tastend.

Im Fühlen erwache.

Du bist in den Geistestaten der Welt.

Erlebe Dich die Geistestaten fühlend.

Im Wollen erwache.

Du bist in dem Geisteswesen der Welt.                                       

Erlebe Dich im Geisteswesen denkend.

Im Ich erwache.

Du bist in Deinem eigenen Geisteswesen.

Erlebe Dich, Sein von Göttern empfangend und Dir selbst gebend.

Vgl. „Die Angst in der Selbsterziehung des jungen Erwachsenen“, Vortrag auf der Schulärztetagung 2013


[1] Rudolf Steiner, Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, Band III: 1913 und 1914; 1920 – 1923, GA 266/3 1998.

[2] In: Rudolf Steiner, Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule von 1904 bis 1914. GA 265, Seite 461.

EINE MEDITATION GEGEN ANGST

Was ist die Geschichte hinter dem berühmten Spruch „Beim Läuten der Glocken“?

Ich möchte an dieser Stelle ein Buch empfehlen, das neu herausgegeben wurde: „Die Weihnachtstagung als Zeitenwende“[1] von Rudolf Grosse. Es geht um die Begrün­dungs­tagung der Anthroposophischen Gesellschaft und ihrer Hochschule. Dieses Werk wurde jetzt neu herausgegeben, weil vor über 100 Jahren hier am Hügel die Grundsteinlegung stattfand. Derjenige, der es ermöglichte, Emil Grosheintz,[2] war ein reicher Zahnarzt – d.h. diese Entwicklung bewegt sich ganz im Rahmen unserer Medizinischen Sektion.

Lebensverändernde Intervention

Sein älterer Sohn, der damals siebenjährige Pierre Grosheintz, war verhaltensauffällig, sodass die verzweifelten Eltern Rudolf Steiner baten, ihrem Jungen Hilfe und Rat angedeihen zu lassen, damit Schule und Eltern wieder mit ihm zurechtkämen. Rudolf Steiner tat daraufhin etwas, das zu unserem Thema der Ent­ängstigung gehört: Er traf sich mit dem Knaben, übergab ihm eine Meditation und sagte ein paar liebe Worte dazu. Das Ergebnis war, dass das Kind Vertrauen fasste, dass aus ihm „etwas werden könnte“. Es fühlte sich „in Ordnung“ und begriff, dass die Medi­tation ihm helfen würde nur noch etwas erwachsener zu werden...

In dieser Art muss Rudolf Steiner den Spruch übergeben haben, denn der Junge betrachtete ihn von da an lebenslang als seine persönliche Meditation. Seine Verhaltensauffälligkeiten nahmen da­rauf­hin von Jahr zu Jahr ab.

Entängstigungsmeditation

Der Spruch hat den Titel: „Beim Läuten der Glocken“.[3], [4] Dabei handelt es sich um eine wirksame Entängstigungsmeditation, weil sie das Gute im Menschen wachruft. Die Mission der Angst besteht ja auch darin, das Gute im Menschen, die wahren Entwicklungspotentiale, wachzurufen: Dazu gehört, dass man lernt, sich zu schützen oder gegebenenfalls auch zu retten, aber auch, wie man Grenzen einerseits respektiert und sie andererseits geistig überwindet. Dieser Spruch lautet:

Das Schöne bewundern,

das Wahre behüten,

das Edle verehren,

das Gute beschließen.

Es führet den Menschen

im Leben zu Zielen,

im Handeln zum Rechten,

im Fühlen zum Frieden,

im Denken zum Licht

und lehrt ihn vertrauen

auf göttliches Walten

in allem, was ist,

im Weltenall, im Seelengrund. 

Die entängstigende Wirkung dieses Spruches ist in der darin aufleuchtenden Ganzheit begründet, die Weltenall und Seelengrund umfasst. Dadurch wird das Isolierte wieder in Zusammenhang mit dem Heilen und Ganzen gebracht und fühlt sich einbezogen und geborgen. Wer sich an die Ganzheit anzuschließen vermag, kommt nachhause. Dazu gehört auch die entängstigende Wirkung von Vertrauen-Können. Wer vertrauen kann, schöpft wieder Hoffnung und wer hoffen kann, entwickelt Vertrauen – das gehört zu­sammen. Vertrauen in die Zukunft zu haben, bedeutet Hoffnung für die Zukunft zu ha­ben, nur ist das Vertrauen schon etwas Stabileres: Hoffnung kann noch mehr Wunsch­charakter haben, Vertrauen fügt den Willensaspekt dazu: dass man bis in den Willen hi­nein hofft.

Wahrheit, Schönheit, Güte als drei Ich-Kompetenzen

Wahrheit, Schönheit, Güte – Wahrheit für das Denken, Schönheit für das Fühlen, Güte für das Handeln – sind die drei Ich-Kompetenzen, die wir im Denken, Fühlen und Wollen durch unser Streben realisieren:

  • Je wahrhaftiger wir werden, je mehr wir an Erkenntnis gewinnen, umso gesünder und angstfreier werden wir geistig.
  • Je schöner es im Gefühlsbereich und im Sozialen wird, je mehr Interesse und Liebe herrschen, umso harmonischer und gesünder wird es im Sozialen, in der Kommunikation.
  • Entsprechendes gilt im Individuellen: Wenn ich mich bemühe, mein Handeln so in den äußeren Umkreis einzufügen, dass es zu dem passt, was gerade geschieht und gebraucht wird, dann leiste ich einen sinnvollen, guten Beitrag und kann mich persönlich als einen gesunden Faktor in meinem Umkreis erleben. Dann habe ich im Sinne Goethes das Gefühl: „Hier bin ich Mensch! Hier darf ich sein“.[5]

Deshalb ist der oben genannte Spruch sehr gut geeignet für ängstliche Kinder. Man kann ihn auch als überkonfessionelles Abendgebet nehmen, denn Rudolf Steiner gab ihm den Titel „Beim Läuten der Glocken“. Zu diesem sehr aktiven Jungen – heute würde man sagen: „hyperaktiv-anpassungsgestört“ mit einer aggressiven Komponente – sagte er sinngemäß: „Immer, wenn Du Kirchenglocken hörst, denkst du an diese Worte.“ Das erklärt, warum Steiner eben diesen Titel für einen so philosophischen Spruch wählte.

Sein Vater kaufte später den Hügel, auf dem heute das Goetheanum erbaut ist, und schenkte ihn Rudolf Steiner.

Vgl. „Die Angst in der Selbsterziehung des jungen Erwachsenen“, Vortrag auf der Schul­ärztetagung 2013


[1] Rudolf Grosse, Die Weihnachtstagung als Zeitenwende – und die Grundsteinlegung des Ersten Goetheanum. Dornach 2013.

[2] Emil Grosheintz-Laval (* 22. Februar 1867 in Paris; † 24. Oktober in 1946 Ascona in der Schweiz) war Zahnarzt und hatte eine Praxis in Basel.

[3] Diesen Spruch schrieb Rudolf Steiner 1913 für den damals siebenjährigen Pierre Grosheintz. Er war der ältere der beiden Söhne des mit Rudolf Steiner befreundeten Baseler Zahnarztes Emil Grosheintz (1867-1946).

[4] In: Rudolf Steiner, Wahrspruchworte. GA 40, S. 84 (Ausgabe 1991, die auch der Online-GA zugrunde liegt.

[5] In: Johann Wolfgang von Goethe, Faust I, Osterspaziergang.

FRIEDEN STIFTEN DURCH MEDITATIVES ÜBEN

Inwiefern hängen meditatives Üben und Frieden in der Welt zusammen?

Projektionen erkennen durch Meditation

Wenn wir uns an die geistig-medita­tive Schulung machen, müssen wir lernen unsere unbewussten Projektionen, die uns veranlassen, Ansprüche an andere zu stellen anstatt an uns selbst, aufzudecken und „heimzuholen“.

In der Medizin gibt es eine Reihe von Therapieverfahren, durch die man lernen kann, die eigenen Lebensprobleme nicht mehr nach außen zu projizieren, wie z.B. auf das Elternhaus, auf die schwierige Situation in der Schule oder Ausbildung, auf die Kollegen, auf die Situa­tion am Arbeitsplatz, usw. Wir Menschen sind alle sehr einfallsreich, wenn es ums Dele­gieren der Verantwortung für unsere eigenen Schicksalsprobleme an die Umwelt geht.

Wenn wir unseren Blick dafür schulen, erkennen wir, dass wir mit dieser Haltung unser kostbarstes künstle­risches Selbstgestaltungsmaterial weggeben und die Arbeit an uns selbst anderen aufhalsen bzw. überlassen.

Der anthroposophisch-meditative Schulungsweg schult uns darin, in kleinen Schritten unbewusste Projektionen der eigenen, noch nicht geläuterten Menschenwesenheit, Stück für Stück heimzuholen und Probleme an dem Platz zu bearbeiten, von dem sie ausgegangen ist – in der eigenen Seele. Das hilft uns, Frieden zu schließen mit uns selbst und unserem Leben.

Rudolf Steiner schreibt über die Meditationskunst auch, dass sie dazu beiträgt, in der Gegenwart Frieden zu stiften.

Vgl. Vortrag auf der Jugendtagung „Mittendrin“, Dornach, Juli 2007