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Lebenssicherheit: Unterschied zwischen den Versionen

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Auszüge aus Büchern und Vorträgen von [[Michaela Glöckler]]; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von [[Michaela Glöckler]]; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
== LEBENSSICHERHEIT DURCH SELBSTERKENNTNIS ==
''Was trägt zu unserer Lebenssicherheit bei?''
''Wie können wir in bewegten Zeiten Halt und Orientierung finden?''
''Weshalb sind Selbsterkenntnis und Lebenssicherheit heute wichtiger denn je?''
=== ''Wissen um den geistigen Kern des Menschen'' ===
Ich finde es wichtiger denn je, dass wir Menschen stabil im Leben stehen und über die Rolle von Gut und Böse Bescheid wissen, sodass wir nicht so leicht zu irritieren sind. Der Schlüssel dazu ist das Wissen um den geistigen Kern des Menschen – den sich jeder bewusst machen kann an der Tatsache, dass man immer über das hinausgehen will, was einen heute noch zufriedengestellt hat.
Einer meine Lieblingssätze aus Rudolf Steiners Buch ''„Die Philosophie der Freiheit“'' lautet:[1] ''„Der Mensch ist ein unzufriedenes Wesen.“'' Wir wollen immer über den Ist-Zustand hinausgehen. Das bedeutet, dass es in uns eine Kraft gibt, die etwas Neues schaffen will, das es noch nicht gibt. Wenn wir nur ein wenig Selbsterkenntnis üben, werden wir erkennen, dass wir in jedem Augenblick über unser Naturdasein hinausgehen. Denn der Mensch ist ein geistig-physisches Doppelwesen, der in seinem Denken, Fühlen und Wollen eine unsichtbare Welt trägt, die vieles, das noch nicht geworden ist und das nur durch sein Zutun werden kann, enthält:
* In meinen '''Gedanken''' trage ich die ''Zukunft'', stelle ''im gegenwärtigen Moment, im Jetzt,'' aber auch den Bezug zu meiner ''Vergangenheit'', meinem Erfahrungswissen, her.
* In meiner '''Seele''' fühle ich mich selbst und andere immer nur im Augenblick, in der ''Gegenwart''.
* Der '''Wille''' strebt nach vorne, lebt wie in der ''Zukunft'', im Noch-nicht-Realen.
=== ''Sinn der physischen Konstitution'' ===
Ich sehe aber auch ganz klar den Sinn der materialistischen, reduktionistischen, buchstäblich „knochenharten Reduziertheit“. Er liegt darin, dass dadurch die geistige Welt und der Glaube an Gott und das Geistige erst einmal wie gestorben sind. Deswegen gab es berühmte Menschen wie ''Nietzsche'', die postulierten, dass Gott tot sei. Doch erst Dank dieser menschlichen Verfasstheit, sich wie abgeschnitten, reingeworfen, ausgesetzt im ewig Sinnlosen zu fühlen, spürt man diesen Geistkern in sich. Man merkt, dass es, obwohl alles so öde und leer ist, im Inneren eine Instanz gibt, die das überwinden möchte.
Dieser Wunsch, diese Sehnsucht ist mehr als nur die Resonanz auf die erlebte Leere. Wir sind eben nicht nur ein Produkt unserer Umwelt, sondern spüren, dass der Sinn IN uns zu finden ist. So wie ''Novalis'' sagt: ''„Ins Innere geht der geheimnisvolle Weg.“'' Oder wie es im Evangelium heißt: ''„Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“'' Sucht das Transzendente nicht irgendwo da draußen, nein, im eigenen Herzen vollzieht sich die Transzendenz. Es ist eine Frage der Selbsterkenntnis, der Wachsamkeit und Achtsamkeit herauszufinden:
''Was regt sich am Grunde meiner Seele, wenn ich mir Ruhe und Zeit nehme, um darüber nachzudenken, womit ich mit diesem inneren Empfinden hinwill?''
=== ''Oberflächlichkeit als Hindernis auf dem Weg zu sich selbst'' ===
Doch genau da sehe ich heute ein Riesenproblem, weil wir derartig überflutet werden von Reizen, Informationen und medialer Ablenkung, dass die meisten Menschen gar nicht mehr die Muße haben bzw. sich die Zeit nehmen, auf diese innere Stimme, diesen Wesenskern in sich selbst, das spirituell Wesenhafte in sich, zu achten. Sie bleiben stattdessen mit ihrem Bewusstsein auf der riesigen Oberfläche dieser Welt – sei es virtuell, sei es physisch.
Der nicht altersgerechte Umgang mit den digitalen Medien bei Kindern, aber auch der ungezügelte Konsum bei Erwachsenen, sind die schlimmsten Entwicklungshemmer, die man sich vorstellen kann. Das wird die Menschen im Laufe ihrer Biografie einholen, wenn sie merken, dass sie sich wie verloren haben. Dann braucht es sehr oft Therapie oder intensive Beratung, damit sie diesen Panzer an Oberflächlichkeit durchbrechen können und zu ihrem eigenen Inneren, aber auch zum Fundament dieser Welt, vorzustoßen. ''Faust'' suchte nach dem, ''„was die Welt im Innersten zusammenhält“.'' Seine essentielle Erkenntnis war ja, dass dieses Zusammenhaltende in der Welt genauso wie im eigenen Inneren lebt. Wer nicht zu diesem Kern vorstößt, kann sich gar nicht selbstbestimmt entwickeln.
=== ''Auswirkungen der technischen Entwicklung'' ===
Um dahin zu gelangen, muss man in Zeiten der Digitalisierung auch verstehen, was die Konsequenzen der technischen Entwicklung sind und warum sie solche Blüten treibt, wie z.B. Elon Musks Idee, den Mars zu besiedeln. Der technische Fortschritt vollzog sich schrittweise und wirkte sich auf unterschiedliche Bereiche des Menschseins aus:
* Die Entwicklung der '''Maschinen''' hat dem Menschen die ''harte körperliche Arbeit'' abgenommen.
* Die '''Messtechnik''' nahm dem Menschen das ''sensorische Fühlen'' ab, die Sinnesempfindungen wurden dadurch wie ersetzt.
* Und jetzt ist das Gehirn dran, jetzt wird die ''menschliche Kreativität und'' ''Intelligenz'' von der '''künstlichen Intelligenz''' maschinell nachgeahmt.
Das Positive daran ist, dass der Mensch durch all das freier geworden ist, weil ihm sehr viel Belastendes und Zeitraubendes von der Technik abgenommen wurde. Jetzt könnte er sich ganz auf die eigene Entwicklung und das eigene Innere besinnen. Die große Gefahr dabei ist jedoch, dass er Opfer dieser Technologie wird. Dafür ein paar Beispiele.
=== ''Der Geist des Todes hinter der Technik'' ===
Den Gedanken der Besiedelung des Mars durch den Menschen, nachdem wir die Erde zerstört haben, finde ich natur- und entwicklungsfeindlich. Doch auch die damit verbundenen transhumanistischen Ideale, dass auch der Erdenmensch als ein hochintelligentes, bewusstes Maschinenwesen auf der Erde leben soll und vielleicht mit den Menschen auf dem Mars kommunizieren, ist nichts Lebensfreundliches und richtet sich gegen die menschliche Natur.
Denn im Falle der propagierten „Verschmelzung mit der Maschine“ haben wir unsere ganzes Entwicklungspotential an eine unlebendige Maschinenwelt abgegeben – an einen Geist der Technik. Auch Technik hat eine spirituelle Grundlage, ist eines „Geistes Kind“. Doch ist dieser Geist ein Geist des Todes, denn Technik muss immer lebendige, lebenspendende Ressourcen anzapfen, wie die Sonne, oder aus Lebendigem entstandene Rohstoffe, wie die fossilen Brennstoffe, zugeführt bekommen, um zu funktionieren. Dabei werden diese Ressourcen und Rohstoffe verbraucht und vernichtet. Das heißt im Klartext: Technik setzt sich immer an die Stelle von Leben – in uns und um uns.
=== ''Der Zerstörung unserer Menschlichkeit Einhalt gebieten'' ===
Weil das so ist, meine ich, dass die transhumanistischen Ideale nicht unser Weg sein können. Wir müssen um des Menschseins und der Umwelt willen stattdessen lernen, mit der Technik lebensfreundlicher umzugehen. Das bedeutet weniger Medienkonsum, aber auch weniger zu verbrauchen, damit die Ressourcen sich wieder regenerieren können. Wir müssen uns als Verbraucher fragen, was wir im Alltag tun können, um das Lebendige zu fördern. Dabei geht es um viel mehr, als um einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen – obwohl das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung wäre.
Ich las letztens, dass ein Waschgang von 60 Grad 5 Stunden Computerverbrauch entspricht. Das ist unglaublich viel! Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es große Auswirkungen hat, wenn wir unsere Komfortzone verlassen, wenn wir unsere Gewohnheiten ändern und uns möglicherweise für ein unbequemeres Leben entscheiden und auf alles Unnötige in unserem Konsum- und Verbrauchsverhalten verzichten.
Doch nur, wenn wir uns unseres wahren menschlichen Potentials als geistige Wesen bewusst sind, werden wir dem Umbau des Menschen zu einem Maschinenwesen entschieden Einhalt gebieten können. Nur dann können wir erkennen, dass das, was uns als verlockender und erstrebenswerter Fortschritt angepriesen wird, die schrittweise Zerstörung unserer Menschlichkeit bedeuten kann und wird.
''Vgl. Vortrag „Wer bin ich? Was ist mein Weg? Biografiearbeit als Schlüssel zu einem neuen Selbstverständnis“, gehalten bei einem Webinar zur Biografiearbeit am 13. Und 14. März 2020''
----[1] Rudolf Steiner, ''Die Philosophie der Freiheit'', GA 4.
== GEBORGEN IM EIGENEN SCHICKSAL ==
''Welche Bedeutung kommt dem Zufall im Schicksalskontext zu?''
''Wie sieht Rudolf Steiner das sogenannte „Zufällige“ im Menschenleben?''
''Welche Konsequenzen hat dieser Blick für den Umgang mit dem eigenen Schicksal?''
=== ''Voraussetzungen für Geborgenheit im eigenen Schicksal'' ===
Die Tatsache, dass ''Viktor Frankl'' nach den menschenverachtenden Erlebnissen im Konzentrationslager ein Buch schreiben konnte mit dem Titel „''Trotzdem Ja zum Leben sagen'',“[1] lässt erahnen, dass er sich dank einer höheren Gerechtigkeit in seinem Leben geborgen fühlte, dass er seiner Schicksalsführung vertraute.
Diese Schicksalsführung auch in schweren Stunden zu erkennen und für die vielen Glücksmomente zu danken, die das Leben vor und nach einem Schicksalsschlag oder einer traumatisierenden Erfahrung bereithielt, hilft, die gesamte biografische Entwicklung in einen neuem Kontext zu sehen. Man entwickelt einen wachen Blick dafür, wie sich die Gegenwart zwischen Vergangenheit und Zukunft gestaltet und erkennt zunehmend, welche Rolle man selbst darin gespielt hat und fortwährend spielt.
=== ''Unser Anteil an dem, was uns zustößt'' ===
Rudolf Steiner bemerkt hierzu in der ''Theosophie:'' ''„Etwas ‚stößt‘ dem Menschen zu. Er ist wohl zunächst geneigt, ein solch ‚Zustoßendes‘ wie ein ‚zufällig‘ in sein Leben Eintretendes zu betrachten. Allein er kann gewahr werden, wie er selbst das Ergebnis solcher ‚Zufälle‘ ist. Wer sich in seinem vierzigsten Lebensjahr betrachtet und mit der Frage nach seinem Seelenwesen nicht bei einer wesenlos abstrakten Ich-Vorstellung stehen bleiben will, der darf sich sagen: Ich bin ja gar nichts anderes, als was ich geworden bin durch dasjenige, was mir bis heute schicksalsmäßig ‚zugestoßen‘ ist. Wäre ich nicht ein anderer, wenn ich zum Beispiel mit zwanzig Jahren eine bestimmte Reihe von Erlebnissen gehabt hätte statt derjenigen, die mich getroffen haben? Er wird dann sein ‚Ich‘ nicht nur in seinen ‚von innen‘ herauskommenden Entwicklungsimpulsen suchen, sondern in dem, was ‚von außen‘ gestaltend in sein Leben eingreift. In dem, was ihm geschieht, wird er das eigene Ich erkennen. Gibt man sich solch einer Erkenntnis unbefangen hin, dann ist nur ein weiterer Schritt wirklich intimer Beobachtung des Lebens dazu nötig, um in dem, was einem durch gewisse Schicksalserlebnisse zufließt, etwas zu sehen, was das Ich von außen so er­greift, wie die Erinnerung von innen wirkt, um ein vergangenes Erlebnis wieder aufleuchten zu lassen. Man kann sich so geeignet dazu machen, in dem Schicksalserlebnis wahrzunehmen, wie eine frühere Tat der Seele den Weg zu dem Ich nimmt, so wie in der Erinnerung ein früheres Erlebnis den Weg zur Vorstellung nimmt, wenn eine äußere Veranlassung dazu da ist.“[2]''
=== ''Schicksalswirken in mehreren Dimensionen'' ===
Rudolf Steiners Schicksalsbegriff umfasst
* das '''persönliche Karma'''
* aber auch das '''Gruppenschicksal''' der Familie, des Volkes oder der Religionsgemeinschaft, in die man sich hineinverkörpert oder an die man sich angeschlossen hat.
* Darüber hinaus aber identifizieren sich immer mehr Menschen – insbesondere junge und nicht nur große Geister wie ''Goethe'' oder ''Novalis'' − mit dem großen '''Schicksalszusammenhang der Menschheit als ganzer''' und ihrem Entwicklungsweg durch die Jahrtausende.
Aus einer solchen Perspektive ergeben sich Lernprozesse und Aufwachmomente für das Bewusstsein, die die Grenzen des Persönlichen weit übersteigen und in Erlebnisdimensionen führen, wie sie dann auch in Werken wie dem von ''Viktor Frankl, Hans Jonas, Hanna Ahrendt'' oder ''Novalis’ „Heinrich von Ofterdingen“'' oder ''Goethes'' „''Faust“'' zum Ausdruck kommen.
In den menschlichen Taten lebt sich aus, was im Einzelnen, aber auch in Menschengemeinschaften, an Liebe und Hass, an Verständnis und Unverständnis, an Engagement oder Gleichgültigkeit lebt. Und wenn der Mensch stirbt, so leben doch die Wirkungen seiner Taten fort. Sich davon zu distanzieren, ist ebenso verantwortungslos, wie solche Wirkungen dem Zufall zuzuschreiben. Beides wird den individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Schicksals nicht gerecht.
=== ''Wesenskern und Persönlichkeit unterscheiden'' ===
Diese können noch bewusster be- und ergriffen werden, wenn man unter diesem Schicksalsaspekt die jeweilige Persönlichkeit und den wahren Wesenskern, das Ich des Menschen, differenzieren lernt:
''Wer ist es, der sich in der jeweiligen Verkörperung neu formt?''
''Und was ist das ewig Gleichbleibende des Menschen?''
Indem der menschliche Wesenskern, das „Ich“, durch wiederholte Erdenleben geht und damit auch durch verschiedene Hautfarben, Erdgegenden, in denen er sich beheimatet, sowie durch bestimmte Sprach- und Religionszusammenhänge, so wird sich die Persönlichkeit aus den jeweiligen Schicksalsgegebenheiten heraus jedes Mal neu formen. Es ist immer dasselbe Ich, welches im Sinne des Wortes „per-sonare“ „hindurch-tönt“. In jeder Verkörperung lernt sich dieses Ich unter den gegebenen neuen Verhältnissen intimer kennen­. Von Erdenleben zu Erdenleben reifen Selbsterkenntnis, kulturelles Verständnis und damit auch Umweltver-ständnis.[3]
Durch die Möglichkeit, das Schicksal der Ver­gangenheit erkenntnisbringend zu verarbeiten und proaktiv Positives für die Zukunft zu veranlagen, verliert der Schicksalsbegriff seinen fatalistisch-deter­ministischen Charakter. Denn es ist das vorgeburtlich existente Menschenwesen selbst, das aktiv bei der Auswahl der genetischen Grundaus­stattung, die für seine neue Verkörperung wichtig ist, mitwirkt. Das Gleiche gilt für die Wahl der Eltern und der das Schicksal bestimmenden Umwelt­fakto­ren. Dieses ewige Selbst von den persön­lichen Manifesta­tionen in den jeweiligen Biografien unterscheiden zu lernen, ist von entscheidender Bedeutung und kann zu einer tiefen inneren Ruhe führen und zur Kraftquelle werden im Auf und Ab des tägli­chen Lebens.
''Vgl. Broschüre „Medizinische Aspekte der Biografiearbeit und die Frage nach dem Schicksal''“
----[1] Viktor E. Frankl, ''Trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager'', München 2018.
[2] Rudolf Steiner, ''Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung'', GA 9, Dornach 1990, Seite 83f in der Taschenbuchausgabe.
[3] Michaela Glöckler, ''Begabung und Behinderung. Praktische Hinweise für Erziehungs- und Schicksalsfragen,'' Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004.
== LEBENSSICHERHEIT AUS DEM ÄTHERISCHEN ORGANISMUS ==
''Inwiefern kann der ätherische Organismus zu einer Quelle für Lebenssicherheit werden?''
''Was hat unser Denken damit zu tun?''
''Was sagt Rudolf Steiner über die ätherische Natur des Denkens?''
=== ''Vom leibgebundenen und leibfreien Wirken des Ätherischen'' ===
Über den Ätherleib können wir im besten Falle Lebenssicherheit, Sinnbezug, Vertrauen in die Wahrheit der Welt erleben.
Rudolf Steiner nennt den ätherischen Leib auch ''„Organismus der Lebensgesetze, der Wachstums- und Regenerationskräfte und der Gedankentätigkeit“''.[1] Dieser Begriff basiert auf seinem Forschungsergebnis, dass der ätherische Organismus eine Doppelnatur aufweist: die Gesetze und Kräfte, die den Lebensprozessen zugrunde liegen, sind dieselben wie diejenigen, die unsere Denkprozesse ermöglichen:
* In einem ersten Schritt sind sie ''leibgebunden'' tätig und besorgen '''Wachstum und Regeneration.'''
* Im nächsten Schritt werden sie ''leibfrei'' und liegen unseren '''Denkprozessen''' zugrunde.
Für den physischen Leib gelten die Gesetze des Raumes, der Ätherleib folgt den Gesetzen der Zeit, der Rhythmen, der Ganzheitlichkeit. Zerfall und Isolierung, wie sie für das Physische typisch sind, gibt es im Ätherischen nicht. Das bedeutet aber auch, dass alles, was mit dem Leben und Denken zu tun hat, auf Integration, Verstehen, Zusammenhänge-Schaffen, Ordnen und Verwandeln angelegt ist. Wenn wir etwas nicht verstehen, ruhen wir nicht eher, als bis wir es soweit in unsere Gedankenwelt integriert haben, dass es Sinn macht. Wenn es sich jedoch als Irrtum herausstellt, wird es „verworfen“ und damit aus unserer Gedankenwelt ausgeschieden.
=== ''Lebenssicherheit durch Verstehen von Zusammenhängen'' ===
Verstehen schafft Lebenssicherheit auf der ätherischen Ebene. Erst wenn man die Zusammenhänge erkennt, versteht man und fühlt sich sicher in Bezug auf welche Fragestellung auch immer. Andererseits führen das Nicht-Wissen bzw. die Tatsache, dass man etwas nicht in einen größeren Zusammenhang einordnen kann, zu Unsicherheit und diffusen Angstzuständen. Und wenn man vor etwas Angst hat, lässt diese sogleich nach, sobald man die Zusammenhänge durchdacht und durchschaut hat. Auch wenn man Todesangst hat, arbeiten die Gedanken fieberhaft daran, wie man dieser Gefahr entgehen könnte: Und manchmal bekommt man tatsächlich den erlösenden Einfall, was jetzt zu tun ist.
Eine tiefe Ruhe kann auch auf dem Wissen basieren, dass das eigene Wesen so unzerstörbar wie ein Gedanke ist – kann ich mich doch selbst denken. Stoffe können auseinanderfallen, Gedanken nicht: Sie hängen zusammen, haben Beziehung zueinander; sie sind rein geistige Kräfte – ''denk''bar, aber nicht sinnlich anschaubar. Wenn ich an einen Menschen denke, ist es völlig gleichgültig, wo er sich in der Welt aufhält – meine Gedanken können ihn augenblicklich erreichen. Im Denken sind wir nicht abgegrenzt wie im physischen Leib. Wir berühren gedanklich alles, worüber wir nachsinnen.
Wer dafür sensibel ist, kann auch empfinden, wie andere Menschen über ihn denken:
* Er erlebt, wie die Kraft guter Gedanken die Atmosphäre erhellen kann.
* Er erlebt aber auch, wie hässliche und schlechte Gedanken bedrücken und belasten können.  
Unsicherheit im sozialen Miteinander verschwindet, wenn Ehrlichkeit und Verständnis füreinander die Oberhand gewinnen. Sobald man den Bereich des Denkens betritt, gelangt man vom sinnlichen in den übersinnlichen Bereich. Und so vermittelt uns das Denken auch die Sicherheit, dass unser Dasein den physischen Leib überdauert, da es nicht ausschließlich an diesen gebunden ist.
''Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 5. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997''
----[1] Rudolf Steiner, ''Die Geheimwissenschaft im Umriss'', GA 13.
== DER ÄTHERISCHE LEIB ALS QUELLE VON LEBENSSICHERHEIT ==
''Welche Mutkräfte verdanken wir dem ätherischen Organismus?''
''Welche Qualitäten nähren den Lebenssicherheit im Ätherischen?''
=== ''Lebensprozesse und Denken aus dem Ätherischen'' ===
Rudolf Steiner nennt den ätherischen Leib auch ''„Organismus der Lebensgesetze, der Wachstums- und Regenerationskräfte und der Gedankentätigkeit“''.[1] Dieser Begriff basiert auf dem Forschungsergebnis Steiners, dass die Gesetze und Kräfte, mit denen der Körper die Stoffe des physischen Leibes ordnet und in seinen Lebenszusammenhang integriert, dieselben sind, mit denen wir auch denken – beim Denken sind diese Kräfte jedoch leibfrei wirksam und nicht mehr leibgebunden wie bei Wachstum und Regeneration.
Es gibt heute eine umfangreiche Literatur darüber, wie das Denken in Todesnähe völlig anders erlebt wird: In lebendigen Bildern konnten die Betroffenen längst Vergessenes in großer Lebhaftigkeit wie in einem gewaltigen Lebenspanorama vor sich sehen. Auch waren sie selbst leicht wie ein Gedanke und konnten durch Mauern und andere physische Gegenstände hindurchgehen. Sie lebten nicht mehr im physischen Leib, sondern in ihrem ätherischen Organismus. Wurden sie dann durch Reanimation wieder zurückgeholt, wurde ihr Denken sogleich wieder blass und schattenhaft: Nachdem der ätherische Organismus erneut in den physischen Leib eingetaucht war, stand wieder nur ein Teil der Lebenskräfte für das gewöhnliche Denken zur Verfügung.
Die Gesetze des Raumes, die dem physischen Leib eigen sind, gelten nicht für den Ätherleib. Er folgt den Gesetzen der Zeit, den Rhythmen, der ganzheitlichen Ordnung und Integration. Zerfall und Isolierung, wie sie für das Physische typisch sind, gibt es im Ätherischen nicht. Das bedeutet aber auch, dass alles, was mit dem Leben und Denken zu tun hat, auf Integration, Verstehen, Zusammenhänge-Schaffen, Ordnen und Verwandeln angelegt ist. Wenn wir etwas nicht verstehen, ruhen wir nicht eher, als bis wir es soweit in unsere Gedankenwelt integriert haben, dass es Sinn macht. Wenn es sich jedoch als Irrtum herausstellt, wird es „verworfen“ und damit aus unserer Gedankenwelt ausgeschieden.
=== ''Lebenssicherheit durch Verständnis (Denken)'' ===
Durch Verständnis wird unsere Lebenssicherheit auf der ätherischen Ebene genährt. Erst wenn ich etwas verstanden habe, fühle ich mich sicher. Wenn ich vor etwas Angst habe, lässt diese sogleich nach, sobald ich die angstauslösenden Faktoren durchschaut habe. Auch wenn man Todesangst hat, arbeiten die Gedanken fieberhaft daran, wie man dieser Gefahr entgehen könnte: Und manchmal bekommt man tatsächlich den erlösenden Einfall, was jetzt zu tun ist. ''Helen Prejean''[2] wurde in der Situation, als die Hinrichtung ihres Schutzbefohlenen nahte, klar, dass hysterisches Reagieren und Vor-Angst-Vergehen nichts bewirken, und dass die einzige Chance, jetzt noch zu helfen, darin bestand, dem Todgeweihten normale menschliche Fragen zu stellen. Ruhe und Sicherheit können in solchen Extremsituationen nur vom Denken ausgehen.
Eine tiefe Ruhe kann auch auf dem Wissen basieren, dass das eigene Wesen so unzerstörbar wie ein Gedanke ist '''–''' kann ich mich doch selbst denken. Stoffe können auseinanderfallen, Gedanken nicht: Sie hängen zusammen, haben Beziehung zueinander; sie sind rein geistige Kräfte '''–''' ''denk''bar, aber nicht sinnlich anschaubar. Wenn ich an einen Menschen denke, ist es völlig gleichgültig, wo er sich in der Welt aufhält '''–''' meine Gedanken können ihn augenblicklich erreichen. Im Denken sind wir nicht abgegrenzt wie im physischen Leib. Wir berühren gedanklich alles, worüber wir nachsinnen.
Wer dafür sensibel ist, kann auch empfinden, wie andere Menschen über ihn denken. Er erlebt, wie die Kraft guter Gedanken die Atmosphäre erhellen kann. Er erlebt aber auch, wie hässliche und schlechte Gedanken bedrücken und belasten können oder wie ein Spuk verschwinden, wenn Ehrlichkeit und Verständnis füreinander die Oberhand gewinnen. Sobald man den Bereich des Denkens betritt, gelangt man vom sinnlichen in den übersinnlichen Bereich. Und so vermittelt uns das Denken auch die Sicherheit, dass unser Dasein den physischen Leib überdauert, da es nicht ausschließlich an diesen gebunden ist.
Über den Ätherleib erleben wir Sicherheit, Sinnbezug, Vertrauen in die Wahrheit der Welt. Diese Qualitäten sind zugleich die Quelle für Mut.
''Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 5. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997''
----[1] Rudolf Steiner, ''Die Geheimwissenschaft im Umriss'', GA 13.
[2] Helen Prejean, ''Dead Man Walking.'' New York 1993; dt. Übers. München 1996, Ausgabe 2002.
== AUSWIRKUNGEN VON LEBENSSICHERHEIT AUF MENSCH UND ERDE ==
''Warum ist der Erwerb von Lebenssicherheit heute wichtiger denn je?''
''Welche Wirkung haben die Wesensglieder aufeinander?''
''Warum lohnt es sich, Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit zu erringen?''
''Wie wirkt sich unsere persönliche Entwicklung auf die Erden- und Weltenentwicklung aus?''
=== ''Einfluss der höheren auf die niedrigeren Ordnungen'' ===
Die Betrachtung der Naturreiche zeigt, dass die höhere Naturordnung die nächstniedere durchdringt und beherrscht. So fügen sich beispielsweise die mineralischen Substanzen im Organismus einer Pflanze zu ihren Lebzeiten der Gesetzlichkeit des Lebens bzw. des Ätherischen ein und folgen erst wieder ihrem eigenen anorganisch-physischen Gesetzeszusammenhang, wenn die Pflanze welkt und abstirbt.
Entsprechend wirken auch die Wesensglieder[1] im Menschen so aufeinander, dass die Funktionen des höheren Wesensgliedes diejenigen des nächstniederen maßgeblich beeinflussen, ja bestimmen – manchmal über mehrere Inkarnationen hinweg.
====  - Auswirkung von Geist-Erkenntnis auf die Ich-Organisation ====
Mit Hilfe der Ich-Organisation kann der Mensch seine Intentionalität bzw. Willensbereitschaft auf alles richten, was ihm in Form von Gedanken oder Sinneseindrücken auf der Erde begegnet. Das ermöglicht reine Geistesgegenwart, völlige Unbefangenheit den Dingen der Welt gegenüber und Anwesenheit des Menschen-Ich in seiner körperlichen und seelisch-geistigen Existenz. In diesem Wesensglied sind wir immer „Herr der Lage“, indem es von uns abhängt, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, wie wir unseren Willen einsetzen und demgemäß im Denken und Handeln tätig werden.
Die Ich-Organisation ist auch das Wahrnehmungsorgan für spirituelle Weisheit, die sich dem Menschen beim Studium der Geisteswissenschaft als Geist-Erkenntnis offenbart. Und nicht nur das, sie hilft ihm auch, das richtige Maß zu finden und den richtigen Zeitpunkt abzuwarten bei der Umsetzung der erkannten Weisheiten auf sein Leben.
Dazu Rudolf Steiner in einem Vortrag in Basel, am 23. Februar 1911:[2] ''„Wenn er (der Geistschüler) erst zerren und schieben soll, verzichtet er vorläufig. Er weiß, er muß warten. Er kann warten, weil er von der Ewigkeitsdauer des Lebens durchdrungen ist, und weil er weiß, daß das Karma, das er nicht außer acht läßt, jedem gibt, was ihm werden soll. Dann kommt irgendein Zeitpunkt, da bekommt er einen inneren Wink, und die Mächte der geistigen Welt offenbaren ihm die Antwort. Vielleicht geschieht das nach Jahren, vielleicht erst nach mehreren Inkarnationen. Das charakterisiert die richtige Gesinnung: Warten können, Geduld, Gleichmaß entwickeln, nichts übereilen.“''
==== '''-''' Auswirkung spiritueller Weisheit auf den astralischen Organismus ====
Schon weniger als Herr der Lage erleben wir uns im astralischen Organismus mit seiner wogenden Gefühlswelt, mit dem Begehren und Wünschen, mit all den Empfindungen, die wir begrüßen und bejahen, aber auch mit all den Missstimmungen und Blockaden, über die wir uns ärgern und über die wir oft trotz großer Mühe wenig oder gar nicht hinwegkommen.
Dennoch können wir auch erleben, welchen „zügelnden“ Einfluss das Ich auf den Astralleib haben kann. Wenn unser Astralleib die spirituellen Weisheiten „wie ein Schwamm“ aufsaugt, wird er davon wie durchlichtet und fähig, sich den „Weltverhältnissen freiwillig hinzugeben“, wie Rudolf Steiner es ausdrückt. Die Folge ist eine Erfrischung und Aufhellung des Seelenlebens. Alles geht plötzlich leichter, die Gefühle sind heller, strahlender, das ganze Lebensgefühl verändert sich dadurch.
Jenseits der Todesschwelle wird diese so ins Astralische aufgenommene Weisheit zu einem Licht in der spirituellen Welt. Rudolf Steiner beschreibt es in dem genannten Vortrag so: ''„Nur die Weisheit, welche die Menschen aufnehmen durch Christus, indem sie sagen: Nicht ich, sondern der Christus in mir, nur diese Weisheit wird ein leuchtendes Licht sein für den künftigen Durchgang des Menschen durch die Pforte des Todes.“''
==== '''-''' Auswirkung lebensbejahender Gefühle auf den ätherischen Organismus ====
Der ätherische Organismus wiederum ist in hohem Maße davon abhängig, wie das ihm übergeordnete Wesensglied, der Astralleib, mit den Aufs und Abs des Lebens zurechtkommt. Jeder, der sich nur ein wenig selbst beobachtet, weiß genau, wie sehr Gefühle und bestimmte Grundempfindungen die Lebensfunktionen beeinträchtigen oder fördern. Wer kennt nicht die verzehrenden Gemütsstimmungen, die einen nachts nicht schlafen lassen: nagende Zweifel und damit verbundene Gefühlsspannungen, Sorgen und damit verbundene Ohnmachtsgefühle. Vor allem Emotionen wie Neid und Eifersucht zehren an den Lebenskräften.
Freude und Herzlichkeit und ein gewisses Maß an Zufriedenheit und Ruhe hingegen sind Gefühle, die den Appetit anregen, die Atmung erfrischen, den Kreislauf und die Herztätigkeit unterstützen. Ein Gefühlsleben, in dem die auftretenden Spannungen immer wieder ausgeglichen und die vielfältigen Gefühlsregungen immer wieder auch vollständig zur Ruhe gebracht werden, ist Voraussetzung
* für ein harmonisches Ineinandergreifen der Lebensfunktionen einerseits
* aber auch für ein lebendiges, geordnetes Denken andererseits.
Beides entspringt den Kräften der ätherischen Organisation. Rudolf Steiner fasst diese Qualitäten unter dem Begriff „Frömmigkeit“ zusammen.
Über die Wirkung unseres Ätherleibes jenseits der Todesschwelle sagt er: ''„Haben wir den Ätherleib so durchdrungen mit echter, rechter Frömmigkeit, und er wird dann aufgelöst im allgemeinen Weltenäther, so haben wir an das Weltenall einen Ätherleib abgegeben, der von Frömmigkeit durchdrungen ist und der ganzen Welt zugute kommt. Sind wir aber unfromm, materialistisch, dann legen wir einen Ätherleib ab, der zersprengend, zerstörend wirkt, wenn er aufgelöst werden soll im allgemeinen Weltenäther.“''
==== '''-''' Auswirkung lebensgemäßer Ordnung und Harmonie auf den physischen Leib ====
Die Gesundheit des physischen Leibes wiederum ist abhängig davon, dass der Stoffwechsel mithilfe des Ätherleibes im Fließgleichgewicht gehalten wird und dass gute Gewohnheiten und ein hygienischer Lebenswandel nicht zu vorzeitigen Abnutzungserscheinungen führen.
Rudolf Steiner beschreibt die Auswirkung unseres Wissens um unsere geistige Natur auf den physischen Leib wie folgt: ''„Was aber so in unseren Leib hineinströmt dadurch, daß wir von unserem Zusammenhang mit dem Ewigen wissen, das ist Lebenssicherheit, und sie teilt sich bis in die Kräfte des physischen Leibes uns selber mit.“''
==== '''-''' Auswirkung von im Ewigen wurzelnder Lebenssicherheit auf die Erde ====
Das Grandiose ist nun, dass diese Art der Lebenssicherheit Auswirkungen über unseren Tod hinaus hat. Um mit Steiner zu sprechen: ''„Illusion ist es, wenn jemand sagt: Unser physischer Leib zerfällt bei unserem Tode nur in Erdenstaub. - Nein. Wie der physische Leib einmal zusammengefügt war, wie der Mensch ihn geformt hat, ist nicht gleichgültig. Wenn eine solche Sicherheit im Ewigen diesen physischen Leib durchzieht, dann geben wir der Erde das zurück, was wir als Sicherheit des Lebens uns angeeignet haben. Wir befestigen unseren Erdenplaneten mit dem, was wir uns während unseres Lebens erwarben. Unsere Lebenssicherheit geben wir durch den physischen Leib der Welt. In dem zerfallenden physischen Leib ist das Zerfallende nur Maja. Wer den physischen Leib durch den Tod verfolgt, sieht, daß der Grad von Lebenssicherheit, den der Mensch während des Lebens erworben hat, in unsere Erde hineinfließt.“''
Und weiter: ''„So befestigen wir im Astralleib, im Ätherleib und im physischen Leib durch Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit dasjenige, was wir als Mensch als unser Bestes erarbeiten können für die ganze Evolution unserer Erde. So arbeiten wir an unserem Erdenplaneten, erwerben wir uns aber auch ein Gefühl dafür, daß der Mensch nicht einzeln, isoliert dasteht, sondern daß das, was er erarbeitet in seiner Seele, Wert und Bedeutung für das Ganze hat. Und wie kein Sonnenstäubchen ist, das die Gesetze des Weltalls nicht in sich trägt, so ist kein Mensch, der nicht durch das, was er tut und läßt, das Weltall aufbaut und zerstört.“''
=== ''Unsere wichtigste und nachhaltigste Aufgabe auf Erden'' ===
Wer in dieser Hinsicht Selbsterkenntnis und Selbsterziehung übt, bemerkt zwar, dass er in jedem Augenblick auf sein Wesensgliedergefüge in förderlicher Hinsicht Einfluss nehmen kann, dass das meist aber gar nicht leicht ist, weil die Wesensglieder einen erstaunlichen Widerstand bieten. So kann es bisweilen fünfzehn oder gar zwanzig Jahre dauern, bis man dem Astralleib eine Veranlagung zu Ungeduld und Sich-Gehetzt-Fühlen abgewöhnt hat. Auch kann es große Mühe kosten, nur eine kleine Gewohnheit zu verändern, dem zyklisch arbeitenden Ätherleib mit seinen treuen gewohnheitsmäßigen Wiederholungen eine kleine Änderung beizubringen.
Bisweilen gelingt es aber auch während eines ganzen Erdenlebens nicht, obwohl man vielleicht täglich oder immer wieder über eine längere Zeit damit gerungen hat. Denn die Wesensglieder haben eine gewisse Konfiguration und Abgeschlossenheit, die sich in einem Leben nicht so leicht verändern lässt. Das kann man am physischen Leib besonders deutlich sehen: Der Fingerabdruck bleibt zeitlebens derselbe, auch die Statur und Konstitution – und dennoch gibt es viele Einzelheiten, die sich im Laufe des Lebens ändern können.
Trotz dieser Hemmnisse ist es grundsätzlich möglich und wichtig, durch Selbsterziehungsprozesse vom Ich aus in das eigene Wesensgliedergefüge einzugreifen. Solche Bemühungen erfüllen vielleicht sogar unsere wichtigste und nachhaltigste Aufgabe auf Erden. Dazu abschließend Rudolf Steiner: ''„Wir können ebensoviel dem fortschreitenden Weltprozeß geben, wie wir ihm nehmen, wie wir von ihm herausbröckeln können dadurch, daß wir uns nicht um den Werdegang kümmern, daß wir uns nicht mit Frömmigkeit durchdringen, uns nicht Lebenssicherheit erwerben. Durch diese Unterlassungen wirken wir ebenso an der Zerstörung des Planeten mit, wie wir durch die Aneignung von Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit ihn aufbauen. So ahnen wir allmählich, was die Geisteswissenschaft gefühlsmäßig uns werden kann, wenn sie den ganzen Menschen ergreift.“''
''Vgl. „Begabungen und Behinderungen“, 7. Kapitel, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004''
----[1] Rudolf Steiner verwendet mit Bezug auf die Wesensglieder den Ausdruck „Leib“ oft synonym mit „Organismus“ oder „Organisation“. Es ist mit diesen Worten stets auf den wirkenden, geformten Gesetzeszusammenhang hingewiesen, der eben ein in sich zusammenhängender, „organisierter“ ist.
[2] Rudolf Steiner, ''Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit'', GA 127, Basel, 23. Februar 1911.
== SELBSTBEWUSSTER UMGANG MIT TOD UND JENSEITS ==
''Wie wirkt sich Lebenssicherheit im Umgang mit dem Tod aus?''
''Was ist der „zweite Tod“ aus religiösen Überlieferungen und wie kann man ihm entgehen?''
=== ''Wachsendes Selbstbewusstsein der Menschheit'' ===
Der Mensch im 20. Jahrhundert ist wach geworden dafür, dass er selbst für seine Entwick­lung verantwortlich ist, dass er sich nicht mehr auf Familie, Staat, Kirche oder andere Autoritäten berufen kann. Das verleiht ihm eine neue Selbst- und Lebenssicherheit. Erstmals in der Entwicklung der Menschheit entsteht im Einzelnen das Bewusstsein, dass es auf ihn selbst ankommt. Er erlebt sich zunehmend als Akteur und nicht mehr nur als Opfer seiner Lebensumstände.
Auch im Tode geht er zunehmend selbstbewusst über die Schwelle und schläft nicht nur, wie früher meist der Fall, in die göttliche Welt hinein. Aus diesem Schlaf tauchte er erst wieder bei der näch­sten Geburt auf. Von seinem Durchgang durch die geistige Welt hatte er so gut wie nichts mitbekommen. Nur hoch entwickelte, bereits auf der Erde eingeweihte Menschen konnten sich ihr Bewusstsein über den Tod hinaus bewahren.
Die christliche Prophetie, vor allem die Johannes-Apokalypse und auch andere religiöse Urkunden, sprechen in drastischen Bildern davon, wie es ist, den zweiten Tod zu sterben. Das bedeutet nichts anderes, als dass eintritt, was früher immer eingetreten ist: Man verliert nach dem Tod das Bewusstsein und erwacht nicht zum ewigen Leben – sprich: zu einem Bewusstsein über den eigenen ewigen Wesenskern. Es ist ein Missverständnis zu glauben, man würde da gleichsam umgebracht oder wäre nicht mehr vorhanden. Man ist sehr wohl „da“, aber man weiß nichts von sich.
=== ''Über den Tod hinaus selbstbewusst'' ===
Auf der neuen Entwicklungsstufe der Menschheit kommt es darauf an, auf der Erde ein Selbst­bewusstsein zu entwickeln, das so stark ist, dass es über den Tod hinaus erhalten bleibt. Das setzt voraus, dass ein Mensch sich nicht nur, wie in unserer materialistischen Zeit üblich, mit Dingen beschäftigt, die ausschließlich für die Erde Gültigkeit haben. Nur wer sich auch einen Begriff vom ewigen, geistigen Menschen erringt, auf dem erst ein wirkliches Selbstbewusstsein aufbauen kann, bereitet sich vollbewusst darauf vor, diesem zweiten Tod zu entgehen.
''Angelus Silesius'' formulierte dies so:
''„Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt.“''
Zu sterben bedeutet hier, auf die Identifikation mit dem Physischen zu verzichten, denn dieses „verdirbt“ im Tode. Wer sich hingegen ein im Geistigen wurzelndes Selbstbewusstsein erarbeitet, wer sich seiner geistigen Natur zunehmend bewusstwird, erwirbt nicht nur eine tiefe Lebenssicherheit auf Erden, sondern lebt selbstbewusst über den Tod hinaus weiter.
''Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, 1. Vortrag, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft''

Aktuelle Version vom 8. April 2025, 10:01 Uhr

Lebenssicherheit – von Michaela Glöckler

Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/

LEBENSSICHERHEIT DURCH SELBSTERKENNTNIS

Was trägt zu unserer Lebenssicherheit bei?

Wie können wir in bewegten Zeiten Halt und Orientierung finden?

Weshalb sind Selbsterkenntnis und Lebenssicherheit heute wichtiger denn je?

Wissen um den geistigen Kern des Menschen

Ich finde es wichtiger denn je, dass wir Menschen stabil im Leben stehen und über die Rolle von Gut und Böse Bescheid wissen, sodass wir nicht so leicht zu irritieren sind. Der Schlüssel dazu ist das Wissen um den geistigen Kern des Menschen – den sich jeder bewusst machen kann an der Tatsache, dass man immer über das hinausgehen will, was einen heute noch zufriedengestellt hat.

Einer meine Lieblingssätze aus Rudolf Steiners Buch „Die Philosophie der Freiheit“ lautet:[1] „Der Mensch ist ein unzufriedenes Wesen.“ Wir wollen immer über den Ist-Zustand hinausgehen. Das bedeutet, dass es in uns eine Kraft gibt, die etwas Neues schaffen will, das es noch nicht gibt. Wenn wir nur ein wenig Selbsterkenntnis üben, werden wir erkennen, dass wir in jedem Augenblick über unser Naturdasein hinausgehen. Denn der Mensch ist ein geistig-physisches Doppelwesen, der in seinem Denken, Fühlen und Wollen eine unsichtbare Welt trägt, die vieles, das noch nicht geworden ist und das nur durch sein Zutun werden kann, enthält:

  • In meinen Gedanken trage ich die Zukunft, stelle im gegenwärtigen Moment, im Jetzt, aber auch den Bezug zu meiner Vergangenheit, meinem Erfahrungswissen, her.
  • In meiner Seele fühle ich mich selbst und andere immer nur im Augenblick, in der Gegenwart.
  • Der Wille strebt nach vorne, lebt wie in der Zukunft, im Noch-nicht-Realen.

Sinn der physischen Konstitution

Ich sehe aber auch ganz klar den Sinn der materialistischen, reduktionistischen, buchstäblich „knochenharten Reduziertheit“. Er liegt darin, dass dadurch die geistige Welt und der Glaube an Gott und das Geistige erst einmal wie gestorben sind. Deswegen gab es berühmte Menschen wie Nietzsche, die postulierten, dass Gott tot sei. Doch erst Dank dieser menschlichen Verfasstheit, sich wie abgeschnitten, reingeworfen, ausgesetzt im ewig Sinnlosen zu fühlen, spürt man diesen Geistkern in sich. Man merkt, dass es, obwohl alles so öde und leer ist, im Inneren eine Instanz gibt, die das überwinden möchte.

Dieser Wunsch, diese Sehnsucht ist mehr als nur die Resonanz auf die erlebte Leere. Wir sind eben nicht nur ein Produkt unserer Umwelt, sondern spüren, dass der Sinn IN uns zu finden ist. So wie Novalis sagt: „Ins Innere geht der geheimnisvolle Weg.“ Oder wie es im Evangelium heißt: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Sucht das Transzendente nicht irgendwo da draußen, nein, im eigenen Herzen vollzieht sich die Transzendenz. Es ist eine Frage der Selbsterkenntnis, der Wachsamkeit und Achtsamkeit herauszufinden:

Was regt sich am Grunde meiner Seele, wenn ich mir Ruhe und Zeit nehme, um darüber nachzudenken, womit ich mit diesem inneren Empfinden hinwill?

Oberflächlichkeit als Hindernis auf dem Weg zu sich selbst

Doch genau da sehe ich heute ein Riesenproblem, weil wir derartig überflutet werden von Reizen, Informationen und medialer Ablenkung, dass die meisten Menschen gar nicht mehr die Muße haben bzw. sich die Zeit nehmen, auf diese innere Stimme, diesen Wesenskern in sich selbst, das spirituell Wesenhafte in sich, zu achten. Sie bleiben stattdessen mit ihrem Bewusstsein auf der riesigen Oberfläche dieser Welt – sei es virtuell, sei es physisch.

Der nicht altersgerechte Umgang mit den digitalen Medien bei Kindern, aber auch der ungezügelte Konsum bei Erwachsenen, sind die schlimmsten Entwicklungshemmer, die man sich vorstellen kann. Das wird die Menschen im Laufe ihrer Biografie einholen, wenn sie merken, dass sie sich wie verloren haben. Dann braucht es sehr oft Therapie oder intensive Beratung, damit sie diesen Panzer an Oberflächlichkeit durchbrechen können und zu ihrem eigenen Inneren, aber auch zum Fundament dieser Welt, vorzustoßen. Faust suchte nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Seine essentielle Erkenntnis war ja, dass dieses Zusammenhaltende in der Welt genauso wie im eigenen Inneren lebt. Wer nicht zu diesem Kern vorstößt, kann sich gar nicht selbstbestimmt entwickeln.

Auswirkungen der technischen Entwicklung

Um dahin zu gelangen, muss man in Zeiten der Digitalisierung auch verstehen, was die Konsequenzen der technischen Entwicklung sind und warum sie solche Blüten treibt, wie z.B. Elon Musks Idee, den Mars zu besiedeln. Der technische Fortschritt vollzog sich schrittweise und wirkte sich auf unterschiedliche Bereiche des Menschseins aus:

  • Die Entwicklung der Maschinen hat dem Menschen die harte körperliche Arbeit abgenommen.
  • Die Messtechnik nahm dem Menschen das sensorische Fühlen ab, die Sinnesempfindungen wurden dadurch wie ersetzt.
  • Und jetzt ist das Gehirn dran, jetzt wird die menschliche Kreativität und Intelligenz von der künstlichen Intelligenz maschinell nachgeahmt.

Das Positive daran ist, dass der Mensch durch all das freier geworden ist, weil ihm sehr viel Belastendes und Zeitraubendes von der Technik abgenommen wurde. Jetzt könnte er sich ganz auf die eigene Entwicklung und das eigene Innere besinnen. Die große Gefahr dabei ist jedoch, dass er Opfer dieser Technologie wird. Dafür ein paar Beispiele.

Der Geist des Todes hinter der Technik

Den Gedanken der Besiedelung des Mars durch den Menschen, nachdem wir die Erde zerstört haben, finde ich natur- und entwicklungsfeindlich. Doch auch die damit verbundenen transhumanistischen Ideale, dass auch der Erdenmensch als ein hochintelligentes, bewusstes Maschinenwesen auf der Erde leben soll und vielleicht mit den Menschen auf dem Mars kommunizieren, ist nichts Lebensfreundliches und richtet sich gegen die menschliche Natur.

Denn im Falle der propagierten „Verschmelzung mit der Maschine“ haben wir unsere ganzes Entwicklungspotential an eine unlebendige Maschinenwelt abgegeben – an einen Geist der Technik. Auch Technik hat eine spirituelle Grundlage, ist eines „Geistes Kind“. Doch ist dieser Geist ein Geist des Todes, denn Technik muss immer lebendige, lebenspendende Ressourcen anzapfen, wie die Sonne, oder aus Lebendigem entstandene Rohstoffe, wie die fossilen Brennstoffe, zugeführt bekommen, um zu funktionieren. Dabei werden diese Ressourcen und Rohstoffe verbraucht und vernichtet. Das heißt im Klartext: Technik setzt sich immer an die Stelle von Leben – in uns und um uns.

Der Zerstörung unserer Menschlichkeit Einhalt gebieten

Weil das so ist, meine ich, dass die transhumanistischen Ideale nicht unser Weg sein können. Wir müssen um des Menschseins und der Umwelt willen stattdessen lernen, mit der Technik lebensfreundlicher umzugehen. Das bedeutet weniger Medienkonsum, aber auch weniger zu verbrauchen, damit die Ressourcen sich wieder regenerieren können. Wir müssen uns als Verbraucher fragen, was wir im Alltag tun können, um das Lebendige zu fördern. Dabei geht es um viel mehr, als um einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen – obwohl das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung wäre.

Ich las letztens, dass ein Waschgang von 60 Grad 5 Stunden Computerverbrauch entspricht. Das ist unglaublich viel! Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es große Auswirkungen hat, wenn wir unsere Komfortzone verlassen, wenn wir unsere Gewohnheiten ändern und uns möglicherweise für ein unbequemeres Leben entscheiden und auf alles Unnötige in unserem Konsum- und Verbrauchsverhalten verzichten.

Doch nur, wenn wir uns unseres wahren menschlichen Potentials als geistige Wesen bewusst sind, werden wir dem Umbau des Menschen zu einem Maschinenwesen entschieden Einhalt gebieten können. Nur dann können wir erkennen, dass das, was uns als verlockender und erstrebenswerter Fortschritt angepriesen wird, die schrittweise Zerstörung unserer Menschlichkeit bedeuten kann und wird.

Vgl. Vortrag „Wer bin ich? Was ist mein Weg? Biografiearbeit als Schlüssel zu einem neuen Selbstverständnis“, gehalten bei einem Webinar zur Biografiearbeit am 13. Und 14. März 2020


[1] Rudolf Steiner, Die Philosophie der Freiheit, GA 4.

GEBORGEN IM EIGENEN SCHICKSAL

Welche Bedeutung kommt dem Zufall im Schicksalskontext zu?

Wie sieht Rudolf Steiner das sogenannte „Zufällige“ im Menschenleben?

Welche Konsequenzen hat dieser Blick für den Umgang mit dem eigenen Schicksal?

Voraussetzungen für Geborgenheit im eigenen Schicksal

Die Tatsache, dass Viktor Frankl nach den menschenverachtenden Erlebnissen im Konzentrationslager ein Buch schreiben konnte mit dem Titel „Trotzdem Ja zum Leben sagen,“[1] lässt erahnen, dass er sich dank einer höheren Gerechtigkeit in seinem Leben geborgen fühlte, dass er seiner Schicksalsführung vertraute.

Diese Schicksalsführung auch in schweren Stunden zu erkennen und für die vielen Glücksmomente zu danken, die das Leben vor und nach einem Schicksalsschlag oder einer traumatisierenden Erfahrung bereithielt, hilft, die gesamte biografische Entwicklung in einen neuem Kontext zu sehen. Man entwickelt einen wachen Blick dafür, wie sich die Gegenwart zwischen Vergangenheit und Zukunft gestaltet und erkennt zunehmend, welche Rolle man selbst darin gespielt hat und fortwährend spielt.

Unser Anteil an dem, was uns zustößt

Rudolf Steiner bemerkt hierzu in der Theosophie: „Etwas ‚stößt‘ dem Menschen zu. Er ist wohl zunächst geneigt, ein solch ‚Zustoßendes‘ wie ein ‚zufällig‘ in sein Leben Eintretendes zu betrachten. Allein er kann gewahr werden, wie er selbst das Ergebnis solcher ‚Zufälle‘ ist. Wer sich in seinem vierzigsten Lebensjahr betrachtet und mit der Frage nach seinem Seelenwesen nicht bei einer wesenlos abstrakten Ich-Vorstellung stehen bleiben will, der darf sich sagen: Ich bin ja gar nichts anderes, als was ich geworden bin durch dasjenige, was mir bis heute schicksalsmäßig ‚zugestoßen‘ ist. Wäre ich nicht ein anderer, wenn ich zum Beispiel mit zwanzig Jahren eine bestimmte Reihe von Erlebnissen gehabt hätte statt derjenigen, die mich getroffen haben? Er wird dann sein ‚Ich‘ nicht nur in seinen ‚von innen‘ herauskommenden Entwicklungsimpulsen suchen, sondern in dem, was ‚von außen‘ gestaltend in sein Leben eingreift. In dem, was ihm geschieht, wird er das eigene Ich erkennen. Gibt man sich solch einer Erkenntnis unbefangen hin, dann ist nur ein weiterer Schritt wirklich intimer Beobachtung des Lebens dazu nötig, um in dem, was einem durch gewisse Schicksalserlebnisse zufließt, etwas zu sehen, was das Ich von außen so er­greift, wie die Erinnerung von innen wirkt, um ein vergangenes Erlebnis wieder aufleuchten zu lassen. Man kann sich so geeignet dazu machen, in dem Schicksalserlebnis wahrzunehmen, wie eine frühere Tat der Seele den Weg zu dem Ich nimmt, so wie in der Erinnerung ein früheres Erlebnis den Weg zur Vorstellung nimmt, wenn eine äußere Veranlassung dazu da ist.“[2]

Schicksalswirken in mehreren Dimensionen

Rudolf Steiners Schicksalsbegriff umfasst

  • das persönliche Karma
  • aber auch das Gruppenschicksal der Familie, des Volkes oder der Religionsgemeinschaft, in die man sich hineinverkörpert oder an die man sich angeschlossen hat.
  • Darüber hinaus aber identifizieren sich immer mehr Menschen – insbesondere junge und nicht nur große Geister wie Goethe oder Novalis − mit dem großen Schicksalszusammenhang der Menschheit als ganzer und ihrem Entwicklungsweg durch die Jahrtausende.

Aus einer solchen Perspektive ergeben sich Lernprozesse und Aufwachmomente für das Bewusstsein, die die Grenzen des Persönlichen weit übersteigen und in Erlebnisdimensionen führen, wie sie dann auch in Werken wie dem von Viktor Frankl, Hans Jonas, Hanna Ahrendt oder Novalis’ „Heinrich von Ofterdingen“ oder GoethesFaust“ zum Ausdruck kommen.

In den menschlichen Taten lebt sich aus, was im Einzelnen, aber auch in Menschengemeinschaften, an Liebe und Hass, an Verständnis und Unverständnis, an Engagement oder Gleichgültigkeit lebt. Und wenn der Mensch stirbt, so leben doch die Wirkungen seiner Taten fort. Sich davon zu distanzieren, ist ebenso verantwortungslos, wie solche Wirkungen dem Zufall zuzuschreiben. Beides wird den individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Schicksals nicht gerecht.

Wesenskern und Persönlichkeit unterscheiden

Diese können noch bewusster be- und ergriffen werden, wenn man unter diesem Schicksalsaspekt die jeweilige Persönlichkeit und den wahren Wesenskern, das Ich des Menschen, differenzieren lernt:

Wer ist es, der sich in der jeweiligen Verkörperung neu formt?

Und was ist das ewig Gleichbleibende des Menschen?

Indem der menschliche Wesenskern, das „Ich“, durch wiederholte Erdenleben geht und damit auch durch verschiedene Hautfarben, Erdgegenden, in denen er sich beheimatet, sowie durch bestimmte Sprach- und Religionszusammenhänge, so wird sich die Persönlichkeit aus den jeweiligen Schicksalsgegebenheiten heraus jedes Mal neu formen. Es ist immer dasselbe Ich, welches im Sinne des Wortes „per-sonare“ „hindurch-tönt“. In jeder Verkörperung lernt sich dieses Ich unter den gegebenen neuen Verhältnissen intimer kennen­. Von Erdenleben zu Erdenleben reifen Selbsterkenntnis, kulturelles Verständnis und damit auch Umweltver-ständnis.[3]

Durch die Möglichkeit, das Schicksal der Ver­gangenheit erkenntnisbringend zu verarbeiten und proaktiv Positives für die Zukunft zu veranlagen, verliert der Schicksalsbegriff seinen fatalistisch-deter­ministischen Charakter. Denn es ist das vorgeburtlich existente Menschenwesen selbst, das aktiv bei der Auswahl der genetischen Grundaus­stattung, die für seine neue Verkörperung wichtig ist, mitwirkt. Das Gleiche gilt für die Wahl der Eltern und der das Schicksal bestimmenden Umwelt­fakto­ren. Dieses ewige Selbst von den persön­lichen Manifesta­tionen in den jeweiligen Biografien unterscheiden zu lernen, ist von entscheidender Bedeutung und kann zu einer tiefen inneren Ruhe führen und zur Kraftquelle werden im Auf und Ab des tägli­chen Lebens.

Vgl. Broschüre „Medizinische Aspekte der Biografiearbeit und die Frage nach dem Schicksal


[1] Viktor E. Frankl, Trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, München 2018.

[2] Rudolf Steiner, Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung, GA 9, Dornach 1990, Seite 83f in der Taschenbuchausgabe.

[3] Michaela Glöckler, Begabung und Behinderung. Praktische Hinweise für Erziehungs- und Schicksalsfragen, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004.

LEBENSSICHERHEIT AUS DEM ÄTHERISCHEN ORGANISMUS

Inwiefern kann der ätherische Organismus zu einer Quelle für Lebenssicherheit werden?

Was hat unser Denken damit zu tun?

Was sagt Rudolf Steiner über die ätherische Natur des Denkens?

Vom leibgebundenen und leibfreien Wirken des Ätherischen

Über den Ätherleib können wir im besten Falle Lebenssicherheit, Sinnbezug, Vertrauen in die Wahrheit der Welt erleben.

Rudolf Steiner nennt den ätherischen Leib auch „Organismus der Lebensgesetze, der Wachstums- und Regenerationskräfte und der Gedankentätigkeit“.[1] Dieser Begriff basiert auf seinem Forschungsergebnis, dass der ätherische Organismus eine Doppelnatur aufweist: die Gesetze und Kräfte, die den Lebensprozessen zugrunde liegen, sind dieselben wie diejenigen, die unsere Denkprozesse ermöglichen:

  • In einem ersten Schritt sind sie leibgebunden tätig und besorgen Wachstum und Regeneration.
  • Im nächsten Schritt werden sie leibfrei und liegen unseren Denkprozessen zugrunde.

Für den physischen Leib gelten die Gesetze des Raumes, der Ätherleib folgt den Gesetzen der Zeit, der Rhythmen, der Ganzheitlichkeit. Zerfall und Isolierung, wie sie für das Physische typisch sind, gibt es im Ätherischen nicht. Das bedeutet aber auch, dass alles, was mit dem Leben und Denken zu tun hat, auf Integration, Verstehen, Zusammenhänge-Schaffen, Ordnen und Verwandeln angelegt ist. Wenn wir etwas nicht verstehen, ruhen wir nicht eher, als bis wir es soweit in unsere Gedankenwelt integriert haben, dass es Sinn macht. Wenn es sich jedoch als Irrtum herausstellt, wird es „verworfen“ und damit aus unserer Gedankenwelt ausgeschieden.

Lebenssicherheit durch Verstehen von Zusammenhängen

Verstehen schafft Lebenssicherheit auf der ätherischen Ebene. Erst wenn man die Zusammenhänge erkennt, versteht man und fühlt sich sicher in Bezug auf welche Fragestellung auch immer. Andererseits führen das Nicht-Wissen bzw. die Tatsache, dass man etwas nicht in einen größeren Zusammenhang einordnen kann, zu Unsicherheit und diffusen Angstzuständen. Und wenn man vor etwas Angst hat, lässt diese sogleich nach, sobald man die Zusammenhänge durchdacht und durchschaut hat. Auch wenn man Todesangst hat, arbeiten die Gedanken fieberhaft daran, wie man dieser Gefahr entgehen könnte: Und manchmal bekommt man tatsächlich den erlösenden Einfall, was jetzt zu tun ist.

Eine tiefe Ruhe kann auch auf dem Wissen basieren, dass das eigene Wesen so unzerstörbar wie ein Gedanke ist – kann ich mich doch selbst denken. Stoffe können auseinanderfallen, Gedanken nicht: Sie hängen zusammen, haben Beziehung zueinander; sie sind rein geistige Kräfte – denkbar, aber nicht sinnlich anschaubar. Wenn ich an einen Menschen denke, ist es völlig gleichgültig, wo er sich in der Welt aufhält – meine Gedanken können ihn augenblicklich erreichen. Im Denken sind wir nicht abgegrenzt wie im physischen Leib. Wir berühren gedanklich alles, worüber wir nachsinnen.

Wer dafür sensibel ist, kann auch empfinden, wie andere Menschen über ihn denken:

  • Er erlebt, wie die Kraft guter Gedanken die Atmosphäre erhellen kann.
  • Er erlebt aber auch, wie hässliche und schlechte Gedanken bedrücken und belasten können.  

Unsicherheit im sozialen Miteinander verschwindet, wenn Ehrlichkeit und Verständnis füreinander die Oberhand gewinnen. Sobald man den Bereich des Denkens betritt, gelangt man vom sinnlichen in den übersinnlichen Bereich. Und so vermittelt uns das Denken auch die Sicherheit, dass unser Dasein den physischen Leib überdauert, da es nicht ausschließlich an diesen gebunden ist.

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 5. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997


[1] Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss, GA 13.

DER ÄTHERISCHE LEIB ALS QUELLE VON LEBENSSICHERHEIT

Welche Mutkräfte verdanken wir dem ätherischen Organismus?

Welche Qualitäten nähren den Lebenssicherheit im Ätherischen?

Lebensprozesse und Denken aus dem Ätherischen

Rudolf Steiner nennt den ätherischen Leib auch „Organismus der Lebensgesetze, der Wachstums- und Regenerationskräfte und der Gedankentätigkeit“.[1] Dieser Begriff basiert auf dem Forschungsergebnis Steiners, dass die Gesetze und Kräfte, mit denen der Körper die Stoffe des physischen Leibes ordnet und in seinen Lebenszusammenhang integriert, dieselben sind, mit denen wir auch denken – beim Denken sind diese Kräfte jedoch leibfrei wirksam und nicht mehr leibgebunden wie bei Wachstum und Regeneration.

Es gibt heute eine umfangreiche Literatur darüber, wie das Denken in Todesnähe völlig anders erlebt wird: In lebendigen Bildern konnten die Betroffenen längst Vergessenes in großer Lebhaftigkeit wie in einem gewaltigen Lebenspanorama vor sich sehen. Auch waren sie selbst leicht wie ein Gedanke und konnten durch Mauern und andere physische Gegenstände hindurchgehen. Sie lebten nicht mehr im physischen Leib, sondern in ihrem ätherischen Organismus. Wurden sie dann durch Reanimation wieder zurückgeholt, wurde ihr Denken sogleich wieder blass und schattenhaft: Nachdem der ätherische Organismus erneut in den physischen Leib eingetaucht war, stand wieder nur ein Teil der Lebenskräfte für das gewöhnliche Denken zur Verfügung.

Die Gesetze des Raumes, die dem physischen Leib eigen sind, gelten nicht für den Ätherleib. Er folgt den Gesetzen der Zeit, den Rhythmen, der ganzheitlichen Ordnung und Integration. Zerfall und Isolierung, wie sie für das Physische typisch sind, gibt es im Ätherischen nicht. Das bedeutet aber auch, dass alles, was mit dem Leben und Denken zu tun hat, auf Integration, Verstehen, Zusammenhänge-Schaffen, Ordnen und Verwandeln angelegt ist. Wenn wir etwas nicht verstehen, ruhen wir nicht eher, als bis wir es soweit in unsere Gedankenwelt integriert haben, dass es Sinn macht. Wenn es sich jedoch als Irrtum herausstellt, wird es „verworfen“ und damit aus unserer Gedankenwelt ausgeschieden.

Lebenssicherheit durch Verständnis (Denken)

Durch Verständnis wird unsere Lebenssicherheit auf der ätherischen Ebene genährt. Erst wenn ich etwas verstanden habe, fühle ich mich sicher. Wenn ich vor etwas Angst habe, lässt diese sogleich nach, sobald ich die angstauslösenden Faktoren durchschaut habe. Auch wenn man Todesangst hat, arbeiten die Gedanken fieberhaft daran, wie man dieser Gefahr entgehen könnte: Und manchmal bekommt man tatsächlich den erlösenden Einfall, was jetzt zu tun ist. Helen Prejean[2] wurde in der Situation, als die Hinrichtung ihres Schutzbefohlenen nahte, klar, dass hysterisches Reagieren und Vor-Angst-Vergehen nichts bewirken, und dass die einzige Chance, jetzt noch zu helfen, darin bestand, dem Todgeweihten normale menschliche Fragen zu stellen. Ruhe und Sicherheit können in solchen Extremsituationen nur vom Denken ausgehen.

Eine tiefe Ruhe kann auch auf dem Wissen basieren, dass das eigene Wesen so unzerstörbar wie ein Gedanke ist kann ich mich doch selbst denken. Stoffe können auseinanderfallen, Gedanken nicht: Sie hängen zusammen, haben Beziehung zueinander; sie sind rein geistige Kräfte denkbar, aber nicht sinnlich anschaubar. Wenn ich an einen Menschen denke, ist es völlig gleichgültig, wo er sich in der Welt aufhält meine Gedanken können ihn augenblicklich erreichen. Im Denken sind wir nicht abgegrenzt wie im physischen Leib. Wir berühren gedanklich alles, worüber wir nachsinnen.

Wer dafür sensibel ist, kann auch empfinden, wie andere Menschen über ihn denken. Er erlebt, wie die Kraft guter Gedanken die Atmosphäre erhellen kann. Er erlebt aber auch, wie hässliche und schlechte Gedanken bedrücken und belasten können oder wie ein Spuk verschwinden, wenn Ehrlichkeit und Verständnis füreinander die Oberhand gewinnen. Sobald man den Bereich des Denkens betritt, gelangt man vom sinnlichen in den übersinnlichen Bereich. Und so vermittelt uns das Denken auch die Sicherheit, dass unser Dasein den physischen Leib überdauert, da es nicht ausschließlich an diesen gebunden ist.

Über den Ätherleib erleben wir Sicherheit, Sinnbezug, Vertrauen in die Wahrheit der Welt. Diese Qualitäten sind zugleich die Quelle für Mut.

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 5. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997


[1] Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss, GA 13.

[2] Helen Prejean, Dead Man Walking. New York 1993; dt. Übers. München 1996, Ausgabe 2002.

AUSWIRKUNGEN VON LEBENSSICHERHEIT AUF MENSCH UND ERDE

Warum ist der Erwerb von Lebenssicherheit heute wichtiger denn je?

Welche Wirkung haben die Wesensglieder aufeinander?

Warum lohnt es sich, Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit zu erringen?

Wie wirkt sich unsere persönliche Entwicklung auf die Erden- und Weltenentwicklung aus?

Einfluss der höheren auf die niedrigeren Ordnungen

Die Betrachtung der Naturreiche zeigt, dass die höhere Naturordnung die nächstniedere durchdringt und beherrscht. So fügen sich beispielsweise die mineralischen Substanzen im Organismus einer Pflanze zu ihren Lebzeiten der Gesetzlichkeit des Lebens bzw. des Ätherischen ein und folgen erst wieder ihrem eigenen anorganisch-physischen Gesetzeszusammenhang, wenn die Pflanze welkt und abstirbt.

Entsprechend wirken auch die Wesensglieder[1] im Menschen so aufeinander, dass die Funktionen des höheren Wesensgliedes diejenigen des nächstniederen maßgeblich beeinflussen, ja bestimmen – manchmal über mehrere Inkarnationen hinweg.

 - Auswirkung von Geist-Erkenntnis auf die Ich-Organisation

Mit Hilfe der Ich-Organisation kann der Mensch seine Intentionalität bzw. Willensbereitschaft auf alles richten, was ihm in Form von Gedanken oder Sinneseindrücken auf der Erde begegnet. Das ermöglicht reine Geistesgegenwart, völlige Unbefangenheit den Dingen der Welt gegenüber und Anwesenheit des Menschen-Ich in seiner körperlichen und seelisch-geistigen Existenz. In diesem Wesensglied sind wir immer „Herr der Lage“, indem es von uns abhängt, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, wie wir unseren Willen einsetzen und demgemäß im Denken und Handeln tätig werden.

Die Ich-Organisation ist auch das Wahrnehmungsorgan für spirituelle Weisheit, die sich dem Menschen beim Studium der Geisteswissenschaft als Geist-Erkenntnis offenbart. Und nicht nur das, sie hilft ihm auch, das richtige Maß zu finden und den richtigen Zeitpunkt abzuwarten bei der Umsetzung der erkannten Weisheiten auf sein Leben.

Dazu Rudolf Steiner in einem Vortrag in Basel, am 23. Februar 1911:[2] „Wenn er (der Geistschüler) erst zerren und schieben soll, verzichtet er vorläufig. Er weiß, er muß warten. Er kann warten, weil er von der Ewigkeitsdauer des Lebens durchdrungen ist, und weil er weiß, daß das Karma, das er nicht außer acht läßt, jedem gibt, was ihm werden soll. Dann kommt irgendein Zeitpunkt, da bekommt er einen inneren Wink, und die Mächte der geistigen Welt offenbaren ihm die Antwort. Vielleicht geschieht das nach Jahren, vielleicht erst nach mehreren Inkarnationen. Das charakterisiert die richtige Gesinnung: Warten können, Geduld, Gleichmaß entwickeln, nichts übereilen.“

- Auswirkung spiritueller Weisheit auf den astralischen Organismus

Schon weniger als Herr der Lage erleben wir uns im astralischen Organismus mit seiner wogenden Gefühlswelt, mit dem Begehren und Wünschen, mit all den Empfindungen, die wir begrüßen und bejahen, aber auch mit all den Missstimmungen und Blockaden, über die wir uns ärgern und über die wir oft trotz großer Mühe wenig oder gar nicht hinwegkommen.

Dennoch können wir auch erleben, welchen „zügelnden“ Einfluss das Ich auf den Astralleib haben kann. Wenn unser Astralleib die spirituellen Weisheiten „wie ein Schwamm“ aufsaugt, wird er davon wie durchlichtet und fähig, sich den „Weltverhältnissen freiwillig hinzugeben“, wie Rudolf Steiner es ausdrückt. Die Folge ist eine Erfrischung und Aufhellung des Seelenlebens. Alles geht plötzlich leichter, die Gefühle sind heller, strahlender, das ganze Lebensgefühl verändert sich dadurch.

Jenseits der Todesschwelle wird diese so ins Astralische aufgenommene Weisheit zu einem Licht in der spirituellen Welt. Rudolf Steiner beschreibt es in dem genannten Vortrag so: „Nur die Weisheit, welche die Menschen aufnehmen durch Christus, indem sie sagen: Nicht ich, sondern der Christus in mir, nur diese Weisheit wird ein leuchtendes Licht sein für den künftigen Durchgang des Menschen durch die Pforte des Todes.“

- Auswirkung lebensbejahender Gefühle auf den ätherischen Organismus

Der ätherische Organismus wiederum ist in hohem Maße davon abhängig, wie das ihm übergeordnete Wesensglied, der Astralleib, mit den Aufs und Abs des Lebens zurechtkommt. Jeder, der sich nur ein wenig selbst beobachtet, weiß genau, wie sehr Gefühle und bestimmte Grundempfindungen die Lebensfunktionen beeinträchtigen oder fördern. Wer kennt nicht die verzehrenden Gemütsstimmungen, die einen nachts nicht schlafen lassen: nagende Zweifel und damit verbundene Gefühlsspannungen, Sorgen und damit verbundene Ohnmachtsgefühle. Vor allem Emotionen wie Neid und Eifersucht zehren an den Lebenskräften.

Freude und Herzlichkeit und ein gewisses Maß an Zufriedenheit und Ruhe hingegen sind Gefühle, die den Appetit anregen, die Atmung erfrischen, den Kreislauf und die Herztätigkeit unterstützen. Ein Gefühlsleben, in dem die auftretenden Spannungen immer wieder ausgeglichen und die vielfältigen Gefühlsregungen immer wieder auch vollständig zur Ruhe gebracht werden, ist Voraussetzung

  • für ein harmonisches Ineinandergreifen der Lebensfunktionen einerseits
  • aber auch für ein lebendiges, geordnetes Denken andererseits.

Beides entspringt den Kräften der ätherischen Organisation. Rudolf Steiner fasst diese Qualitäten unter dem Begriff „Frömmigkeit“ zusammen.

Über die Wirkung unseres Ätherleibes jenseits der Todesschwelle sagt er: „Haben wir den Ätherleib so durchdrungen mit echter, rechter Frömmigkeit, und er wird dann aufgelöst im allgemeinen Weltenäther, so haben wir an das Weltenall einen Ätherleib abgegeben, der von Frömmigkeit durchdrungen ist und der ganzen Welt zugute kommt. Sind wir aber unfromm, materialistisch, dann legen wir einen Ätherleib ab, der zersprengend, zerstörend wirkt, wenn er aufgelöst werden soll im allgemeinen Weltenäther.“

- Auswirkung lebensgemäßer Ordnung und Harmonie auf den physischen Leib

Die Gesundheit des physischen Leibes wiederum ist abhängig davon, dass der Stoffwechsel mithilfe des Ätherleibes im Fließgleichgewicht gehalten wird und dass gute Gewohnheiten und ein hygienischer Lebenswandel nicht zu vorzeitigen Abnutzungserscheinungen führen.

Rudolf Steiner beschreibt die Auswirkung unseres Wissens um unsere geistige Natur auf den physischen Leib wie folgt: „Was aber so in unseren Leib hineinströmt dadurch, daß wir von unserem Zusammenhang mit dem Ewigen wissen, das ist Lebenssicherheit, und sie teilt sich bis in die Kräfte des physischen Leibes uns selber mit.“

- Auswirkung von im Ewigen wurzelnder Lebenssicherheit auf die Erde

Das Grandiose ist nun, dass diese Art der Lebenssicherheit Auswirkungen über unseren Tod hinaus hat. Um mit Steiner zu sprechen: „Illusion ist es, wenn jemand sagt: Unser physischer Leib zerfällt bei unserem Tode nur in Erdenstaub. - Nein. Wie der physische Leib einmal zusammengefügt war, wie der Mensch ihn geformt hat, ist nicht gleichgültig. Wenn eine solche Sicherheit im Ewigen diesen physischen Leib durchzieht, dann geben wir der Erde das zurück, was wir als Sicherheit des Lebens uns angeeignet haben. Wir befestigen unseren Erdenplaneten mit dem, was wir uns während unseres Lebens erwarben. Unsere Lebenssicherheit geben wir durch den physischen Leib der Welt. In dem zerfallenden physischen Leib ist das Zerfallende nur Maja. Wer den physischen Leib durch den Tod verfolgt, sieht, daß der Grad von Lebenssicherheit, den der Mensch während des Lebens erworben hat, in unsere Erde hineinfließt.“

Und weiter: „So befestigen wir im Astralleib, im Ätherleib und im physischen Leib durch Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit dasjenige, was wir als Mensch als unser Bestes erarbeiten können für die ganze Evolution unserer Erde. So arbeiten wir an unserem Erdenplaneten, erwerben wir uns aber auch ein Gefühl dafür, daß der Mensch nicht einzeln, isoliert dasteht, sondern daß das, was er erarbeitet in seiner Seele, Wert und Bedeutung für das Ganze hat. Und wie kein Sonnenstäubchen ist, das die Gesetze des Weltalls nicht in sich trägt, so ist kein Mensch, der nicht durch das, was er tut und läßt, das Weltall aufbaut und zerstört.“

Unsere wichtigste und nachhaltigste Aufgabe auf Erden

Wer in dieser Hinsicht Selbsterkenntnis und Selbsterziehung übt, bemerkt zwar, dass er in jedem Augenblick auf sein Wesensgliedergefüge in förderlicher Hinsicht Einfluss nehmen kann, dass das meist aber gar nicht leicht ist, weil die Wesensglieder einen erstaunlichen Widerstand bieten. So kann es bisweilen fünfzehn oder gar zwanzig Jahre dauern, bis man dem Astralleib eine Veranlagung zu Ungeduld und Sich-Gehetzt-Fühlen abgewöhnt hat. Auch kann es große Mühe kosten, nur eine kleine Gewohnheit zu verändern, dem zyklisch arbeitenden Ätherleib mit seinen treuen gewohnheitsmäßigen Wiederholungen eine kleine Änderung beizubringen.

Bisweilen gelingt es aber auch während eines ganzen Erdenlebens nicht, obwohl man vielleicht täglich oder immer wieder über eine längere Zeit damit gerungen hat. Denn die Wesensglieder haben eine gewisse Konfiguration und Abgeschlossenheit, die sich in einem Leben nicht so leicht verändern lässt. Das kann man am physischen Leib besonders deutlich sehen: Der Fingerabdruck bleibt zeitlebens derselbe, auch die Statur und Konstitution – und dennoch gibt es viele Einzelheiten, die sich im Laufe des Lebens ändern können.

Trotz dieser Hemmnisse ist es grundsätzlich möglich und wichtig, durch Selbsterziehungsprozesse vom Ich aus in das eigene Wesensgliedergefüge einzugreifen. Solche Bemühungen erfüllen vielleicht sogar unsere wichtigste und nachhaltigste Aufgabe auf Erden. Dazu abschließend Rudolf Steiner: „Wir können ebensoviel dem fortschreitenden Weltprozeß geben, wie wir ihm nehmen, wie wir von ihm herausbröckeln können dadurch, daß wir uns nicht um den Werdegang kümmern, daß wir uns nicht mit Frömmigkeit durchdringen, uns nicht Lebenssicherheit erwerben. Durch diese Unterlassungen wirken wir ebenso an der Zerstörung des Planeten mit, wie wir durch die Aneignung von Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit ihn aufbauen. So ahnen wir allmählich, was die Geisteswissenschaft gefühlsmäßig uns werden kann, wenn sie den ganzen Menschen ergreift.“

Vgl. „Begabungen und Behinderungen“, 7. Kapitel, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004


[1] Rudolf Steiner verwendet mit Bezug auf die Wesensglieder den Ausdruck „Leib“ oft synonym mit „Organismus“ oder „Organisation“. Es ist mit diesen Worten stets auf den wirkenden, geformten Gesetzeszusammenhang hingewiesen, der eben ein in sich zusammenhängender, „organisierter“ ist.

[2] Rudolf Steiner, Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit, GA 127, Basel, 23. Februar 1911.

SELBSTBEWUSSTER UMGANG MIT TOD UND JENSEITS

Wie wirkt sich Lebenssicherheit im Umgang mit dem Tod aus?

Was ist der „zweite Tod“ aus religiösen Überlieferungen und wie kann man ihm entgehen?

Wachsendes Selbstbewusstsein der Menschheit

Der Mensch im 20. Jahrhundert ist wach geworden dafür, dass er selbst für seine Entwick­lung verantwortlich ist, dass er sich nicht mehr auf Familie, Staat, Kirche oder andere Autoritäten berufen kann. Das verleiht ihm eine neue Selbst- und Lebenssicherheit. Erstmals in der Entwicklung der Menschheit entsteht im Einzelnen das Bewusstsein, dass es auf ihn selbst ankommt. Er erlebt sich zunehmend als Akteur und nicht mehr nur als Opfer seiner Lebensumstände.

Auch im Tode geht er zunehmend selbstbewusst über die Schwelle und schläft nicht nur, wie früher meist der Fall, in die göttliche Welt hinein. Aus diesem Schlaf tauchte er erst wieder bei der näch­sten Geburt auf. Von seinem Durchgang durch die geistige Welt hatte er so gut wie nichts mitbekommen. Nur hoch entwickelte, bereits auf der Erde eingeweihte Menschen konnten sich ihr Bewusstsein über den Tod hinaus bewahren.

Die christliche Prophetie, vor allem die Johannes-Apokalypse und auch andere religiöse Urkunden, sprechen in drastischen Bildern davon, wie es ist, den zweiten Tod zu sterben. Das bedeutet nichts anderes, als dass eintritt, was früher immer eingetreten ist: Man verliert nach dem Tod das Bewusstsein und erwacht nicht zum ewigen Leben – sprich: zu einem Bewusstsein über den eigenen ewigen Wesenskern. Es ist ein Missverständnis zu glauben, man würde da gleichsam umgebracht oder wäre nicht mehr vorhanden. Man ist sehr wohl „da“, aber man weiß nichts von sich.

Über den Tod hinaus selbstbewusst

Auf der neuen Entwicklungsstufe der Menschheit kommt es darauf an, auf der Erde ein Selbst­bewusstsein zu entwickeln, das so stark ist, dass es über den Tod hinaus erhalten bleibt. Das setzt voraus, dass ein Mensch sich nicht nur, wie in unserer materialistischen Zeit üblich, mit Dingen beschäftigt, die ausschließlich für die Erde Gültigkeit haben. Nur wer sich auch einen Begriff vom ewigen, geistigen Menschen erringt, auf dem erst ein wirkliches Selbstbewusstsein aufbauen kann, bereitet sich vollbewusst darauf vor, diesem zweiten Tod zu entgehen.

Angelus Silesius formulierte dies so:

„Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt.“

Zu sterben bedeutet hier, auf die Identifikation mit dem Physischen zu verzichten, denn dieses „verdirbt“ im Tode. Wer sich hingegen ein im Geistigen wurzelndes Selbstbewusstsein erarbeitet, wer sich seiner geistigen Natur zunehmend bewusstwird, erwirbt nicht nur eine tiefe Lebenssicherheit auf Erden, sondern lebt selbstbewusst über den Tod hinaus weiter.

Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, 1. Vortrag, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft