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Auszüge aus Büchern und Vorträgen von [[Michaela Glöckler]]; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
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== ORIENTIERUNG AM GEMEINSAMEN ZIEL ==
== GEISTIGE ASPEKTE – ORIENTIERUNG AM GEMEINSAMEN ZIEL ==
''Wodurch lässt sich die Zusammenarbeit in einem Betrieb oder einer Einrichtung optimieren?''
''Wodurch lässt sich die Zusammenarbeit in einem Betrieb oder einer Einrichtung optimieren?''


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=== ''Drei unterschiedliche Gesellschaftsformen'' ===
=== ''Drei unterschiedliche Gesellschaftsformen'' ===
Rudolf Steiner hat in einem Vortrag am 29. Oktober 1919 drei verschiedene Möglichkeiten von Führung und Gemeinschaftsbildung charakterisiert:[1] die hierarchische Führung mit ihrer klassischen pyramidalen Struktur, die demokratiegestützte Führung, die vom Austausch und der Mitbestimmung aller Beteiligten geprägt ist, und die sogenannte „Gemeingesellschaft“, deren Führungsstruktur einer umgekehrten Pyramide entspricht. Wer hier führen will, tut dies nicht im Bewusstsein seiner Macht und Sonderstellung oder primär um seiner Selbstverwirklichung willen, sondern weil er im Interesse des Ganzen gebraucht wird und das Bestreben hat, seine Fähigkeiten in dem Maße, wie es gebraucht wird, für das Ganze einzusetzen. Führung wird hier zur konsequenten Dienstleistung. Machtausübung im Sinne der Gemeingesellschaft ist freiwilliger Dienst am Ganzen.
Rudolf Steiner hat in einem Vortrag am 29. Oktober 1919 drei verschiedene Möglichkeiten von Führung und Gemeinschaftsbildung charakterisiert:[1]


* Die ''theokratisch-hierarchische'' Gesellschaftsform ist die älteste, die schon in der Vergangenheit der Menschheitsgeschichte zu hoher Blüte gekommen ist.  
* Die '''theokratisch-hierarchische Gesellschaftsform''' ist die älteste. Sie ist eine hierarchische Art der Führung mit einer klassisch-pyramidalen Struktur, die schon ''in der Vergangenheit'' der Menschheitsgeschichte zu hoher Blüte gekommen ist.  
* ''Demokratie'', Selbstbestimmung und Mitbestimmung sind Qualitäten der Gegenwart, die weltweit schon errungen wurden oder aber angestrebt werden.  
* Die '''demokratiegestützte Führung''', die vom Austausch und der Mitbestimmung aller Beteiligten geprägt ist. Demokratie, Selbstbestimmung und Mitbestimmung sind ''Qualitäten der Gegenwart'', die weltweit schon errungen wurden oder aber angestrebt werden.  
* Ganz zukunftsorientiert ist hingegen die dritte Gesellschaftsform, die Steiner die ''Gemeingesellschaft'' nennt. Denn sie setzt bereits den mündigen Menschen voraus, der seine eigene Aufgabe und Stellung in einer Gemeinschaft realistisch einschätzen kann. Er ist in der eigenen Entwicklung so weit fortgeschritten, dass er sich bewusst und freiwillig in einen bestimmten Sozialzusammenhang integrieren kann.  
* Die sogenannte '''„Gemeingesellschaft“''', wie Steiner sie nennt, deren Führungsstruktur einer umgekehrten Pyramide entspricht, ist ganz ''zukunftsorientiert''. Denn sie setzt bereits den mündigen Menschen voraus, der seine eigene Aufgabe und Stellung in einer Gemeinschaft realistisch einschätzen kann. Er ist in der eigenen Entwicklung so weit fortgeschritten, dass er sich bewusst und freiwillig in einen bestimmten Sozialzusammenhang integrieren kann. Wer hier führen will, tut dies nicht im Bewusstsein seiner Macht und Sonderstellung oder primär um seiner Selbstverwirklichung willen, sondern weil er im Interesse des Ganzen gebraucht wird und das Bestreben hat, seine Fähigkeiten in dem Maße, wie es gebraucht wird, für das Ganze einzusetzen. Führung wird hier zur konsequenten Dienstleistung. Machtausübung im Sinne der Gemeingesellschaft ist freiwilliger Dienst am Ganzen.  


=== ''Drei Glieder des sozialen Organismus'' ===
=== ''Drei Glieder des sozialen Organismus'' ===

Aktuelle Version vom 16. April 2025, 14:18 Uhr

Zusammenarbeit – von Michaela Glöckler

Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/

GEISTIGE ASPEKTE – ORIENTIERUNG AM GEMEINSAMEN ZIEL

Wodurch lässt sich die Zusammenarbeit in einem Betrieb oder einer Einrichtung optimieren?

Sinnstiftende Bedeutung eines Leitbildes

Wo auch immer mündige Menschen zusammenarbeiten, hängt die Qualität ihrer Arbeit davon ab, ob der Einzelne sich als aktiver Mitunternehmer des Betriebes oder der Einrichtung empfindet oder nicht. Unabhängig von seiner Position oder Aufgabe, die er einnimmt, muss er sich für die Zusammenarbeit geistig mitverantwortlich fühlen können. Der Anschluss an das Leitbild oder die Aufgabenstellung, in deren Dienst die Einrichtung steht, müssen für jeden Mitarbeiter unmittelbar zugänglich sein und ihm das innere Mittragen und Mitvollziehen des gemeinsamen Auftrags ermöglichen.

Damit ist zugleich auch angedeutet, was Führung im Grunde ist: Sie geht vom Leitbild selbst aus, von der Idee, von der Aufgabenstellung, dem Ziel, in dessen Dienst sich eine Menschengemeinschaft, eine Einrichtung, ein Betrieb stellt.

  • Diese geistigen Ziele übertragen einerseits denjenigen, die Führungsaufgaben übernommen haben, ihr Mandat und geben ihnen Orientierung.
  • Diesen Zielen stellt andererseits eine Gruppe von Menschen ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Unter diesem Gesichtspunkt wird Arbeitskraft nicht „verkauft“, sondern einer Sache gewidmet. Diese Widmung gilt es zu honorieren, „bezahlt“ werden kann sie in Wirklichkeit nicht.

Unternehmerische Gesinnung entwickeln

Lebt in einem Betrieb ein solches Bewusstsein, kann dadurch eine brüderliche Gesinnung geweckt werden, die es dem Einzelnen erleichtert, seinen eigenen – vielleicht bescheidenen – Beitrag zum Gelingen der gemeinsamen Aufgabe zu leisten. Es ist wichtig, dass es in der Einrichtung ein Gremium oder Organ gibt, in dem jeder in freier Weise seine Ansichten im Hinblick auf die Betriebsziele zur Sprache bringen kann und umgekehrt auch Gelegenheit hat, zu hören, wie die anderen zu wichtigen Fragen der Arbeitsgestaltung stehen. Wie viel der Einzelne von dem so Gehörten und Erarbeiteten in seinem persönlichen Wirkungskreis und Aufgabenfeld fruchtbar machen kann, hat mit seinen unternehmerischen Fähigkeiten zu tun. Nur wenn jeder einzelne auslotet, wie er durch seine Arbeit und seinen Umgang mit seinen Kollegen das gemeinsame Ziel am besten fördert, entsteht ein Betriebsklima, in dem jeder sich frei fühlt und bereit ist, den anderen zu fördern. 

Wenn jemand neidisch ist auf die Arbeit und den Einfluss anderer, wirkt das lähmend auf die Gemeinschaft. Eine solche Haltung erzeugt Argwohn und entlädt sich meist in versteckter oder offener Kritik. Das Kritikpotential, das sich in einer nicht gut zusammenarbeitenden Gemeinschaft gegen nahezu alles und jeden richten kann, entspricht dem Ausmaß an blockierter Initiativkraft bzw. gelähmtem Unternehmertum der einzelnen Mitarbeiter. Wer diesen Zusammenhang erkennt und den Spieß umdreht, indem er von sich selbst in seinem Bereich alles erwartet und dankbar ist für das, was die andern dazu beitragen können, arbeitet zugleich an seiner sozialen Mündigkeit. Wie viele Probleme, die einer gedeihlichen Zusammenarbeit im Wege stehen, haben ihre Ursache ausschließlich darin, dass man von anderen erwartet, dass sie dies und das tun und zugleich fordert, dass das, was man selber einbringt, mehr Anerkennung finden sollte.

Konstruktive Solidargemeinschaft bilden

In einer Lehrerkonferenz hörte ich angesichts einer zu bewältigenden Schwierigkeit in der Lehrer-/Elternbeziehung einen Kollegen sagen:

„Wir könnten doch alle Phantasie entwickeln, was jeder von uns dazu beitragen kann, die Schwächen der andern auszugleichen, sodass deren Stärken besser zum Tragen kommen können.“

Wenn Eltern und Schüler die Lehrerschaft als konstruktive Solidargemeinschaft erleben, die anstehende Probleme offen und fair bespricht und bearbeitet, können sie der Erziehungsarbeit der Lehrer mit mehr Respekt und Vertrauen begegnen. Wenn Lehrer sich gegenseitig helfen und unterstützen und dabei die Probleme mit Eltern und Schülern nicht unter den Teppich gekehrt, sondern offen besprochen werden können, wird die Schule zu einem Lebensraum, in dem alle daran Beteiligten sich entwickeln können. Auch kann so dem sozialen Märtyrertum vorgebeugt werden, denn jeder wird auf diese Weise selbständig und weiß, was er zum Ganzen beitragen will und kann. Er tut, was er für sachlich richtig hält, aus eigenem Antrieb, ohne zu vergleichen, was andere tun. Er wird so sein eigener Herrscher bzw. Arbeitgeber, auch wenn diese Position äußerlich-juristisch vom Personalchef oder Schulvorstand eingenommen wird. Das Prinzip der hierarchisch-pyramidalen Machtstruktur findet auf diese Weise über die individuelle Ebene Eingang in die heutige Gesellschaft. Der Einzelne übernimmt, was früher der Herrscher für sich und andere repräsentierte, die noch unmündig waren.

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 11. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997

RECHTLICHE ASPEKTE DER ZUSAMMENARBEIT IN EINEM KOLLEGIUM

Welche Rechte hat der Einzelne in der Gemeinschaft?

Was sind seine Pflichten?

Wo sind Gleichberechtigung und Mitbestimmung nicht nur sinnvoll, sondern absolut notwendig und welche Pflichten ergeben sich daraus?

In welchen Bereichen gilt es dann Dinge mitzutragen, an deren Zustandekommen man nicht beteiligt war?

Und wo darf dieses keine Gültigkeit haben?

Gerechtigkeit durch Gleichstellung

Das Gerechtigkeitsempfinden entzündet sich an allen Bereichen, in denen man sich als Mensch den anderen gleichgestellt erlebt. In einer Einrichtung, in der Menschen zusammenarbeiten, gibt es darüber hinaus Rechte und Pflichten, die auf den für alle geltenden Vereinbarungen beruhen, die für den möglichst reibungslosen und effektiven Ablauf der Arbeit in der Einrichtung notwendig sind. So gilt es zum Beispiel in einer Schule kollegial zu verabreden, welche Zeitstruktur die Arbeitsabläufe benötigen, wo und wann pünktliches Erscheinen erforderlich ist, welche Führungs- und Sozialstruktur die Sache erfordert, der man seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt.

Wo ist Führung, Mandatierung für Aufgaben oder Delegation sachdienlich bzw. nötig? Welche zeitliche Begrenzung ist für die eine oder andere Beauftragung sinnvoll?

Welche Kontrollorgane für Qualität und Leistung soll es geben?

Je klarer das alles geregelt und gemeinsam beraten und beschlossen wurde, umso ungestörter kann sich jeder in den Arbeitsprozess eingliedern, ohne sich ungerecht behandelt zu fühlen. Jeder Neuankömmling hat die Möglichkeit, diese Arbeitsbedingungen einzusehen und zu den geforderten Rechten und Pflichten „ja“ zu sagen, oder aber die Arbeit an diesem Platz nicht aufzunehmen, wenn er diese Bedingungen ablehnt.

Bildung von Solidarität und Vertrauen

Solidarität und Vertrauen können sich bilden, wenn jeder diesen Bereich der Rechte und Pflichten akzeptiert und von Zeit zu Zeit in einem dafür zuständigen Gremium sich mit anderen darüber berät und ihn weiter verbessern hilft. Auf dieser rechtlichen Ebene zählt jeder Einzelne gleich viel im demokratischen Prozess der Abstimmung darüber, was im Interesse des Ganzen erforderlich ist. Sowohl für die optimale Verteilung der Arbeit wie auch des Geldes bedarf es Richtlinien, an die sich alle Beteiligten für einen gemeinsam festgelegten Zeitraum halten müssen, bis neue Erfahrungen vorliegen und vielleicht das eine oder andere revidiert werden kann oder muss. Ein besonders wichtiges Gebiet der Vereinbarungen betrifft die Qualitätskontrolle, die Sicherung der vereinbarten Leistung. Es muss Menschen geben, die von allen oder zumindest der Mehrheit den Auftrag und das Vertrauen haben – selbstverständlich zeitlich befristet –, Einspruch zu erheben, Probleme zur Sprache zu bringen, Sorgen entgegenzunehmen und sie den dafür Verantwortlichen zu spiegeln. Es muss „Sozialfähige“ geben, die zum Beispiel das Mandat haben, inakzeptable Mängel oder Fehlleistungen beim Namen zu nennen. Wenn dann eine Entlassung oder ein Aufgabenwechsel vorgenommen werden muss, kann dies bei vollem Verständnis für die Situation des Betroffenen aus sachlichen Gründen heraus notwendig sein. Andernfalls würden Qualität und Anspruch der Einrichtung immer weniger der eigentlichen Zielsetzung entsprechen.

Spielregeln für soziale Abläufe

Je besser die Spielregeln für soziale Abläufe dieser Art vereinbart sind und alle Beteiligten sich daran orientieren und bei Übertretung sich korrigieren und gegenseitig zur Rede stellen können, umso konstruktiver kann der Arbeitsablauf gestaltet werden. Dadurch gewinnt nicht nur die Arbeit an Kontinuität und Qualität, sondern der Einzelne erlebt auch eine dauerhafte Unterstützung für seinen eigenen Schulungsweg in der Gemeinschaft, indem er lernt, Funktionen zu respektieren, Mandate zu achten, das Fehlermachen-Können und Positionen-ausfüllen-Lernen, nachdem man sie übertragen bekommen hat, auch mitzutragen und Hilfestellung zu geben, ohne den Mandatsträger in Frage zu stellen, bzw. ihm in den Rücken zu fallen. Auf die vereinbarte Zeit hin hat dieser Kredit und genießt das für eine optimale Erfüllung der Aufgabe notwendige Vertrauen und die Hilfestellung der anderen.

Dadurch, dass die Strukturen im Betrieb transparent sind, so dass der Einzelne sich auch mit dem Ganzen und der Art, wie Entscheidungsprozesse laufen und Informationen weitergegeben werden, verbunden fühlen kann, ist gewährleistet, dass er sich als Mensch akzeptiert erleben und dementsprechend vollen Einsatz leisten kann.

Vgl. 18. Kapitel von „Gesundheit durch Erziehung“, Persephone, Kongressband 2006, Verlag am Goetheanum, derzeit vergriffen

WIRTSCHAFTLICH-SOZIALE ASPEKTE DER ZUSAMMENARBEIT IN EINEM KOLLEGIUM

Wie lässt sich Zusammenarbeit unter wirtschaftlich-sozialen Aspekten zufriedenstellend gestalten?

Woran lässt sich das richtige Arbeitspensum bemessen?

Wie kann man innerhalb eines Teams konstruktiv mit Problemen und Konflikten umgehen?

Nichts ist so „ungerecht“ wie die soziale Lebenswirklichkeit. Jeder Mensch bringt sein eigenes Begabungs- und Unfähigkeitsspektrum mit und hat demgemäß unterschiedliche Ansprüche an sich selbst und an die Gemeinschaft, in der er lebt oder arbeitet. So unterschiedlich wie das Begabungsspektrum, so verschieden sind oft die Bedürfnisse. Der Eine ist beispielsweise mit einem vollen Lehrer- oder Erzieherdeputat oder den Anforderungen im Büro ganz und gar ausgelastet, bisweilen sogar überfordert. Ein anderer hat darüber hinaus noch freie Valenzen und kann entweder einem reichen Hobbyleben nachgehen oder zusätzliche, übergeordnete Aufgaben für die Einrichtung übernehmen.

Jeder ist sein eigener Maßstab

Für die Entwicklung jedes Einzelnen gilt, dass sie in der ständigen Herausforderung stattfindet, die durch die Spannung zwischen den individuellen Leistungsgrenzen und der zu leistenden Aufgabe gegeben sind. Nicht mehr von sich zu fordern, als was man nicht noch mit einer gewissen Freude tun kann, muss ebenso gelernt werden wie das Mobilisieren aller Kraft, wenn es notwendig ist. Die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit verläuft oft ganz unmerklich da, wo man die Lust und den Sinnbezug zur Arbeit verliert und nur noch unter Druck oder aus Pflicht tätig ist. Um solchen Krankheitstendenzen wirksam vorzubeugen, ist es notwendig, sich für möglichst viele Mitarbeiter und deren individuelle Möglichkeiten zu interessieren.

Eine große Hilfe ist es, wenn man einen Kollegen bei der Bewertung oder Beurteilung seiner Arbeit nicht an dem eigenen Leistungsvermögen misst oder mit demjenigen von anderen Kollegen vergleicht, sondern nur mit dem, was dieser eine Kollege tut, gemessen an dem, wofür er eingestellt worden ist, wie er bisher in den Arbeitsprozess hineingewachsen ist und welche Fortschritte er dabei gemacht hat. Nur auf dieser Basis ist es möglich, dass der Andere sich verstanden und anerkannt fühlen kann. Das wiederum ist eine wesentliche Grundlage für die Freude an der Arbeit.

Supervision und Qualitätsbeurteilung

Wenn Unzufriedenheit oder Vorbehalte gegenüber der Arbeit anderer auftreten, ist es notwendig, direkt und persönlich das Problem mit dem betreffenden Kollegen anzusprechen und nichts über ihn mit andern zu verhandeln, was man nicht auch mit ihm besprochen hat oder besprechen könnte. Fehlt hierzu der Mut oder hat man den Eindruck, dass der Andere es nicht verkraften könnte, so ist die Zeit nicht reif, die Probleme, die man mit ihm hat, anzusprechen.

In diesem Fall sollte man entweder darauf verzichten oder sich an den oder die Kollegen wenden, die das Mandat (und hoffentlich auch die Fähigkeit) zum Bearbeiten von Sorgen haben, die sich auf die Qualität der Arbeit in der Einrichtung beziehen. Methoden der Supervision und Qualitätsbeurteilung finden heute in fast alle Lebensbereiche Eingang. Ideal ist es, wenn diese im Sinne einer selbstgewollten, selbstbeauftragten, freiwilligen Verpflichtung zur Weiterbildung entstammen. Dabei ist es vorteilhaft, wenn die Supervision aus dem Kreis der Mitarbeiter der eigenen Einrichtung heraus benannt werden kann. Dies fördert die Vertrauensbildung unter den Mitarbeitern und die Kontinuität der Arbeit. Auch wenn die „Hilfe von außen“ der größeren Anonymität und vermeintlichen Objektivität wegen oft attraktiver erscheint, so zeigt die Erfahrung doch, dass die anstehenden Probleme am besten von denen gelöst werden, die die praktischen Konsequenzen der Lösung zu tragen haben.

Am flexibelsten erweisen sich stets solche Strukturen, die man sich selber erarbeitet hat, an deren fortdauernder Anpassung an die Anforderungen von außen und die sozialen Bedürfnisse und Möglichkeiten von innen gearbeitet wird.

Konstruktives Umgehen mit Kritik

Zu den Notwendigkeiten eines konstruktiven Zusammenarbeitens gehört auch, dass, wer die Arbeit der andern kritisiert – ob nun berechtigter- oder unberechtigterweise – selber auch lernt, Kritik anzunehmen und für sich das Berechtigte daran herauszufinden, das Unberechtigte jedoch innerlich oder auch äußerlich abzuweisen.

Von Rudolf Steiner wird der Ausspruch überliefert: „Angesichts von Initiativen muss man mit Kritik rechnen. Kritik wird immer sein – sie darf nur nicht stimmen.“ Letzteres aber kann und muss man selbst herausfinden und sich dementsprechend dann auch verhalten. Die Leistungsfähigkeit und Ausstrahlung einer Einrichtung werden durch die Art und Weise bestimmt, wie die Menschen ihre besten Fähigkeiten in der Zusammenarbeit einsetzen können. Daher kommt dem Aufbau einer Fähigkeiten-Hierarchie und einer dementsprechenden Kompetenzverteilung eine hervorragende Bedeutung zu. Dabei muss sichergestellt werden, dass sich die „Macht“ der Fähigen nur auf den für ihren spezifischen Arbeitseinsatz festgesteckten Rahmen erstreckt und darüber hinaus kein Anspruch auf Geltung und höheres Gewicht der eigenen Stimme bei Fragen entsteht, die außerhalb des eigenen Kompetenzbereiches liegen. Hat beispielsweise eine Schule, ein Kindergarten bzw. eine Krippe einen respektablen „Spiritus rector“, so muss dieser lernen, seine Autorität auch zum Schutz der Kompetenzen der Anderen einzusetzen, anstatt Kraft der eigenen Autorität unversehens die Kompetenz der Anderen zu unterminieren.

Nötiger Lernwillen

So relativ leicht sich dies sagen und formulieren lässt, so schwer ist es, dies wirklich zu tun, zu „leben“. Ohne den Willen zur Entwicklung, den Willen zum Lernen, ist es nicht zu erreichen. Dabei gibt es stets die beiden Quellen für Lernprozesse: das Lernen durch Einsicht und das Lernen durch Erfahrung, durch das Erleben von Defiziten und Fehlern oder aber von Möglichkeiten und Vorbildern. Dabei ist das Lernen aus Fehlern nicht nur wesentlich für den Umgang mit sich selbst, sondern vor allem auch für den Umgang mit den Fehlern der Mitarbeiter und Kollegen. Aus diesen lässt sich ebenso lernen wie aus den eigenen. Oft geschieht auch das Wunder, dass diese Fehler ebenso verschwinden und von den Betreffenden überwunden werden können, wie es die eigenen tun, wenn man genügend lange daran gelernt und gearbeitet hat. Wird solches erlebt, so kann daraus ein tiefes Vertrauen in die Schicksalsführung erwachsen.

Hilfreich ist das Bewusstsein, dass einen das Leben gerade an den Ort gestellt hat, an dem man die passenden Entwicklungsbedingungen für seinen weiteren Weg findet. Wenn man von herrschenden Strukturen, durch Machtverhältnisse oder die Kompetenzen anderer nach außen hin gehindert ist, der Einrichtung seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, so hat man doch die Möglichkeit, für sich selber Ziele und Aufgaben zu finden und außerhalb der Einrichtung initiativ zu werden. Wohingegen man sich bei einer anderen Konstellation der Verhältnisse vor allem dieser einen Einrichtung und deren sozialem Umfeld zuwenden kann.

Klare Zuständigkeiten bei Selbstverwaltung

Alle Einrichtungen, auch solche, die – wie z. B. die Waldorfschulen – konsequente Selbstverwaltung betreiben (sollten), brauchen soziale Formen, die es einerseits möglich machen, dass die Initiativkraft jedes Einzelnen sich größtmöglich für die Aufgabe der Gemeinschaft entfalten kann. Andererseits müssen sie auch gewährleisten, dass im Interesse der gemeinsamen Aufgabe diejenigen mit leitenden Aufgaben betraut werden, die es am besten können. Hier wird häufig eingewendet, dass heute die wesentlichen Führungsaufgaben in kollegialer Verwaltung geschehen können. Wird dies jedoch praktiziert, so kommt früher oder später die Zeit, wo wegen der Menge an notwendigen Sitzungen und vor allem infolge des enormen Zeitaufwandes, der damit verbunden ist und oft zur Vernachlässigung der eigenen Arbeit führt, alle zu ächzen beginnen. So notwendig Kollegien und Beraterkreise für die verschiedenen Funktionsfelder sind, so können sie doch die Möglichkeiten nicht ersetzen, die ein Einzelner im Dienst des Ganzen entfalten kann und muss, wenn es gilt, gute Arbeit zu leisten. Wie notwendig ist es beispielsweise in einer Schule oder einer sozialtherapeutischen Einrichtung, dass die Eltern klar definierte Ansprechpartner haben, die sie für bestimmte Entscheidungen oder Verhaltensweisen verantwortlich machen können.

Klare Zuständigkeiten, die Möglichkeit, rasch und flexibel zu entscheiden und zu handeln, sind Qualitäten, die es ermöglichen, sorgfältig mit Zeit und Kraft der Mitarbeiter umzugehen. Dadurch wird gewährleistet, dass gemeinsam besprochen wird, was sinnvollerweise im Interesse der Arbeit getan werden sollte. Andererseits hat der von der Gemeinschaft beauftragte Funktionsträger in dem abgesteckten Rahmen Entscheidungskompetenz, ohne jedes Mal längere Debatten und Sozialprozesse durchlaufen zu müssen.

Vgl. 18. Kapitel von „Gesundheit durch Erziehung“, Persephone, Kongressband 2006, Verlag am Goetheanum, derzeit nur als E-book erhältlich

VERGANGENE, GEGENWÄRTIGE UND ZUKÜNFTIGE GESELLSCHAFTSFORMEN

Was unterscheidet die verschiedenen Führungsstile und Gemeinschaftsformen?

Inwiefern sind sie dem Gestern, Heute und Morgen zuzurechnen?

Drei unterschiedliche Gesellschaftsformen

Rudolf Steiner hat in einem Vortrag am 29. Oktober 1919 drei verschiedene Möglichkeiten von Führung und Gemeinschaftsbildung charakterisiert:[1]

  • Die theokratisch-hierarchische Gesellschaftsform ist die älteste. Sie ist eine hierarchische Art der Führung mit einer klassisch-pyramidalen Struktur, die schon in der Vergangenheit der Menschheitsgeschichte zu hoher Blüte gekommen ist.
  • Die demokratiegestützte Führung, die vom Austausch und der Mitbestimmung aller Beteiligten geprägt ist. Demokratie, Selbstbestimmung und Mitbestimmung sind Qualitäten der Gegenwart, die weltweit schon errungen wurden oder aber angestrebt werden.
  • Die sogenannte „Gemeingesellschaft“, wie Steiner sie nennt, deren Führungsstruktur einer umgekehrten Pyramide entspricht, ist ganz zukunftsorientiert. Denn sie setzt bereits den mündigen Menschen voraus, der seine eigene Aufgabe und Stellung in einer Gemeinschaft realistisch einschätzen kann. Er ist in der eigenen Entwicklung so weit fortgeschritten, dass er sich bewusst und freiwillig in einen bestimmten Sozialzusammenhang integrieren kann. Wer hier führen will, tut dies nicht im Bewusstsein seiner Macht und Sonderstellung oder primär um seiner Selbstverwirklichung willen, sondern weil er im Interesse des Ganzen gebraucht wird und das Bestreben hat, seine Fähigkeiten in dem Maße, wie es gebraucht wird, für das Ganze einzusetzen. Führung wird hier zur konsequenten Dienstleistung. Machtausübung im Sinne der Gemeingesellschaft ist freiwilliger Dienst am Ganzen.

Drei Glieder des sozialen Organismus

Auf den einzelnen Menschen übertragen entspricht diese Dreiheit der Art und Weise, wie wir mit unserem Denken, Fühlen und Wollen umgehen:

  • In Bezug auf das Denken muss jeder sein eigener unbedingter Herr und Herrscher werden im Sinne der pyramidal-hierarchischen Struktur.
  • Dem Fühlen wird man nur gerecht, wenn man in ständigem Austausch mit seiner Mitwelt steht, indem man mitempfindet und wahrnimmt, aber auch zulässt, dass man von anderen erlebt und wahrgenommen wird (Demokratie).
  • Das eigene Willensvermögen und die daraus resultierenden Handlungen sollten sich förderlich für die Mitwelt in das soziale Leben hineinstellen und sich nach den Erfordernissen und Bedürfnissen dieser Mitwelt richten (Gemeingesellschaft).

Damit ist auch der Schlüssel gegeben für einen ganz praktischen Zugang zu den drei Gliedern des sozialen Organismus:

  • a) Zum Geistesleben: Was ich mir denke, was ich aus den Erfahrungen meines Lebens mache, was und durch wen ich lerne, entscheide ich allein.
  • b) Zum Rechtsleben: Durch das Erleben und Einhalten von Spielregeln, die das soziale Miteinander der Menschen ordnen, entwickelt sich das für eine Gemeinschaft von Menschen spezifische Gerechtigkeitsempfinden, dass auch der andere zu seinem Recht kommen muss.
  • c) Zum Wirtschaftsleben: Wo der Wille des einen auf die Handlungsbereitschaft eines anderen Menschen trifft und unterschiedliche Bedürfnisse miteinander in Konflikt geraten, ist brüderliche Wahrnehmung der Intentionen des andern ebenso notwendig wie das Wahrnehmen der eigenen Aufgabe, die es auch gegen so manchen Widerstand zu verwirklichen gilt.

Treten in der Gemeinschaft Konflikte auf, so ist schon viel gewonnen, wenn man herausfindet, auf welcher Ebene des sozialen Lebens sie beheimatet sind. Dann ist es relativ leicht, adäquate Lösungsansätze zu finden. Auch ist es hilfreich, die heutzutage immer zeitaufwendiger und unbeweglicher werdenden demokratischen Leitungsstrukturen nicht nur als fortschrittlich anzusehen, weil sie den hierarchisch-patriarchalischen Führungsstil abgelöst haben, sondern sie auch einmal an der Idee der Gemeingesellschaft zu messen, wo nur das eingerichtet wird, was der Sache dient, weswegen sowohl individuelle als auch kollegiale (demokratische) Verantwortung gefragt sind.

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 11. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997


[1] Rudolf Steiner, Soziale Zukunft. GA 332a. Neueste Ausgabe Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz 2000.