Herzlich Willkommen!

Herz und Herzchakra: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Geistesforschung
(Die Seite wurde neu angelegt: „= Herz und Herzchakra – von Michaela Glöckler = Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/“)
 
(Übertragen von Inhalten von Anthroposophie-lebensnah)
 
(Eine dazwischenliegende Version desselben Benutzers wird nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
= Herz und Herzchakra – von Michaela Glöckler =
= Herz und Herzchakra – von Michaela Glöckler =
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von [[Michaela Glöckler]]; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von [[Michaela Glöckler]]; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
== DAS MENSCHLICHE HERZ ==
''Wie funktioniert das menschliche Herz?''
''Was ist seine Fähigkeit und seine Aufgabe?''
=== ''Zentralorgan des menschlichen Lebens'' ===
Das menschliche Herz ist nicht nur Zentrum des Kreislaufs und in seiner engen Zusammenarbeit mit der Lunge und der Atmungstätigkeit ein Zentralorgan des menschlichen Lebens überhaupt. Es ist auch der Ort, wo wir Freude, Mitleid, Liebe und „zu Herzen Gehendes“ empfinden. Hier können wir am unmittelbarsten erleben, wie auch etwas, das uns Freude macht, positiv, erleichternd auf die Herztätigkeit wirkt, seelischen Druck wegnimmt und entspannt. Heiterkeit und Daseinsfreude, wie wir sie beispielsweise beim Beobachten von Kindern erleben können, tun dem Herzen wohl. Umgekehrt können Stress, Angst, Hetze, negative Gefühle, emotionsreiche Konfliktsituationen Blutdruck und Herztätigkeit negativ beeinflussen.
Was das Herzorgan physisch auszeichnet, ist seine erstaunliche Autonomie. Es besitzt eine tatsächlich autonome Erregungsbildung und -leitung. Die Herz-Aktionen Systole (Kontraktion) und Diastole (Erschlaffung) werden nicht durch das Nervensystem impulsiert. Die Erregung, die zum Herzschlag führt, wird vielmehr selbstgesteuert, im sogenannten Sinusknoten im rechten Vorhof des Herzens, gebildet. Das Herz kann auch schlagen, wenn es von seiner nervösen Versorgung, die zusätzlich regulierend wirkt, abgeschnitten ist bzw. wenn diese aus irgendwelchen Gründen unterbrochen wurde.[1]
=== ''Ort der Gewissensstimme'' ===
Das Herz ist aber auch Ort der Gewissensstimme. So wie das physische Herz schlägt, kann auch das Gewissen schlagen, pochen oder auch klopfen. Damit erschließt sich zugleich auch die geistige Dimension des menschlichen Seelenlebens. Denn wenn das Gewissen schlägt, geht es nicht nur um Empfindung und Gefühl, sondern insbesondere darum, sich über etwas Rechenschaft abzulegen, mit sich zu Rate zu gehen oder auch – je nach spiritueller oder religiöser Orientierung – mit Gott, der eigenen Schicksalsführung, dem höheren Selbst, in eine sehr individuelle Zwiesprache zu treten. So kann gerade dieses Organ bzw. seine Tätigkeit wie ein Schlüssel sein, der uns verstehen lässt, in welcher Form und warum auch Meditation unmittelbar einen heilsamen Einfluss auf die Organphysiologie haben kann.[2]
''Vgl. Herzmeditation, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016''
----<sup>[1]</sup> Branko Furst, ''The Heart and Circulation: An Integrative Model'', Springer, London-Heidelberg-New York 2014.
<sup>[2]</sup> Peter Selg (Hrsg.), ''Das Menschliche Herz – Kardiologie in der Anthroposophischen Medizin'', Verlag des Ita Wegman Instituts, 2014, S. 321 ff.
== DAS HERZ ALS SINNESORGAN UND AUSSTRAHLUNGSORT DER VOKALE IN DER EURYTHMIE ==
''Inwiefern kann das Herz als Sinnesorgan gesehen werden?''
''Was haben die Vokale konkret mit dem Herzen zu tun?''
=== ''Hochkomplexes Sinnesorgan'' ===
Das Herz ist gemäß neuen physiologischen Erkenntnissen und auch gemäß Rudolf Steiners Hinweisen ein hochkomplexes und vielseitiges Sinnesorgan. Es nimmt nicht nur den Sauerstoffgehalt und die chemische Blutbeschaffenheit wahr, sondern auch die Blutmechanik und die Wärmeregulation mittels einer Fülle differenzierter Chemo- und Mechanorezeptoren, sowie Fühlern für den Durchblutungsgrad von Herz und Kreislauf.
Im Herzen finden wir aber auch hormonähnlich wirkende Substanzen, die den gesamten Stoffwechsel über das Herz abstimmen und damit die Nährstoffversorgung der Organe regeln. Das Herz ist außerdem eine Art zentrales Sinnesorgan für den Lebenszustand des Organismus und ist zuständig für die Koordination des Flüssigkeitshaushalts.
=== ''Bezug des Herzens zu den Vokalen'' ===
Der Bezug zu den Vokalen ergibt sich sowohl aus dem anatomischen Aufbau des Herzens – das etwa so groß ist, wie die zwei aneinander gelegten Fäuste beider Hände – als auch aus seiner Funktion:
* Es ist geformt wie ein Becher, ein Kelch, ein '''A'''.
* Seine Funktionsdynamik ergibt eine Vertikale, ein '''I''': Bei jeder Kontraktion springt es in der Brust in die Vertikale. Dabei muss man sich vorstellen, dass es sich beim Springen in die Vertikale noch schraubenförmig verdreht – wie entlang den Schlangenumwindungen des Merkurstabs. Es tanzt so auf und ab, gleichsam spielerisch um sein Gleichgewicht bemüht.
* Das '''E''' ist ihm wie eingepflanzt, indem sich die großen Arterienstämme – der zur Lunge führende ''Truncus pulmonalis'' und die den Körper versorgende große Schlagader, die Aorta, im Herzen kreuzen. Sie stellen dort sowohl ein anatomisches als auch funktionelles '''E''' dar.
* Dem Herzen als Hohlorgan ist das '''O''' direkt eingeschrieben. Seine wundervolle Rundung, die sich nach jedem Herzschlag in der Diastole neu mit Blut füllt, ist ein archetypisch schönes '''O'''.
* Betrachtet man jedoch den Gesamtaufbau des Herzens, so sieht man wie sich die Parallelität und Symmetrie dieses Organs während der Embryonalentwicklung aus einer zweischlauchigen Anlage durch Aneinanderlagern und Verdrehen zweier paralleler Gefäßabschnitte bildet – den sogenannten Herzschläuchen. Das Hohlorgan Herz mit seinen vier Kammern bildet sich aus einer symmetrisch-paarigen Anlage als ein besonders komplizierter, sich spiralig verdrehender Blutgefäßabschnitt. Es entsteht also aus der '''U'''-Geste heraus und behält den symmetrisch-parallelen Aufbau zeitlebens bei.
Es ist nicht nur so, dass die Vokale eurythmisch im Herzen ansetzen – das Herz IST klingender Vokalismus. Die vokalischen Urlaute sind dem Herzen anatomisch und physiologisch eingeschrieben und führen zur <sub>‚</sub>Verselbstung', indem sie als zentrale Strömungen des Ätherleibes den gesamten Blut- und Flüssigkeitsmenschen regulieren.
=== ''Herzrhythmen'' ===
Mit dem Herzen ist aber auch alles rhythmische und eurythmische Geschehen verbunden: Diese Rhythmen ergeben sich aus der genauen Koordination von Atem und Herzschlag: In unseren Gefäßabschnitten sind sämtliche Rhythmen vorhanden, die in der Afro-Amerikanischen Musik vorkommen, auch synkopische Rhythmen – alles ist dort in sich überlagernden Gefäßpulsen veranlagt und wird im Herzen synchronisiert.
Diese Synchronisation ergibt, dass drei Rhythmen vom Arzt wahrgenommen werden, wenn er das Herz auskultiert. Es sind dies – zusammen mit dem Atmungsrhythmus – die klassischen Tempi und Rhythmen der europäischen Musik.
Das Herz ergießt sein Blut in die Lunge über einen speziellen Kreislauf, der über den ''Truncus pulmonaris'' das gesamte Körperblut in die Lunge leitet und somit den Gesamt-Kreislauf erweitert. Wenn wir alle feinen Alveolen der Lunge aufsplitten würden, hätten wir einen See von 90 bis 100 m² Fläche, der mit jedem Atemzug belüftet wird – ein Blutsee, der sich der Umgebung öffnet, die über den Bronchialbaum wie eingestülpt ist in unsere Lungen, die so genannte 'Bluttafel', die sich als Riesenfläche der äußeren Luft der Atmung anbietet. Über die Atmung kann nun der Konsonantismus heranbranden, die Außenwelt, und dem Herzen begegnen. Diese wundervolle Atemaktivität, die wir über die Konsonanten noch verstärken können, indem wir uns ausdehnen und große Weiten über die Konsonanten heranholen, wird Herzens-Lungen-Schlag genannt: Er macht das Wesen des Menschen aus.
''Vgl. Vortrag „Vom Wesen der Heileurythmie als Herzorgan der Anthroposophischen Medizin“, 1. Weltkonferenz für Heileurythmie am Goetheanum, 30. Mai 2008''
== DAS HERZ ALS RHYTHMISCH TÄTIGES ORGAN ==
''Inwiefern verbindet das Herz den physischen Organismus mit dem äußeren Kosmos?''
=== ''Von höheren Gewalten geordnet'' ===
Rudolf Steiner spricht von dem ''„wundervolle(n) Geheimnis, das da waltet zwischen Lunge und Herz – in dem innerlich wahrnehmbar ausgedrückt wird, wie die Weltenrhythmen, die durch Jahrtausende, durch Äonen wirken, in Puls- und Blutrhythmus hereinschlagen und Weltbeseelung im Menschen erwecken“.''[1]
''„Der physische Leib ist in hohem Maße dem Rhythmus unterworfen, dem die ganze äußere Natur unterworfen ist. Wie das Pflanzen- und Tierleben in seiner äußeren Form rhythmisch abläuft, so verläuft auch das Leben des physischen Körpers. Das Herz schlägt rhythmisch, die Lunge atmet rhythmisch und so weiter. Alles dies verläuft so rhythmisch, weil es geordnet ist von höheren Gewalten, von der Weisheit der Welt ...Wenn Sie das Herz betrachten, dieses wunderbare Organ mit dem regelmäßigen Schlag und seiner eingepflanzten Weisheit, und vergleichen es mit den Begierden und Leidenschaften des Astralleibes, die alle möglichen Aktionen gegen das Herz loslassen'',…''“'''[2]'''''
Schon die Tatsache, dass das Herz nie ermüdet, uns treu begleitet das ganze Leben hindurch, mit einem zuverlässigen Blutzirkulationsrhythmus, der mit dem Atemrhythmus in einer heilsamen ganzzahligen Korrelation steht, ist ein medizinisches Wunder.
=== ''Rhythmisches System und kosmische Zyklen'' ===
Es ist mit dem menschlichen Herzen so, dass wir sagen könnten: ''„An ihm hängt auf der einen Seite, der ganze menschliche innere Organismus und auf der anderen Seite ist der Mensch durch das Herz unmittelbar angeknüpft an den Rhythmus, an die Regsamkeit der äußeren Welt.“'''[3]'''''
* Legt man 18 Atemzüge und 72 Pulsschläge in Ruhe pro Minute zugrunde, so atmet der Mensch in 24 Stunden '''25 920mal'''. Das entspricht der berühmten Zahl des '''Platonischen Jahres''', die der Wanderung des Frühlingspunktes durch den Tierkreis entspricht bzw. der kompletten Rotationsbewegung der Erdachse.
* Es entspricht diese Zahl dem System der 12 Zeitzyklen, in dem wir uns als Menschheit gegenwärtig entwickeln, bestehend aus fünf atlantischen und sieben nachatlantischen Kulturepochen, deren durchschnittliche Dauer einem '''platonischen''' Monat von 2160 Jahren entspricht.
* Teilt man 25 960 durch 360, so bekommt man den Weltentag von 72 Jahren – das Sonnenmaß eines Erdenlebens.
* Eine '''Weltenstunde''' '''beträgt 3 Jahre''' – die Zeitspanne, die Jesus lebte zwischen der Jordantaufe und dem Tod auf Golgatha: „seine Stunde“, die kommen und sich vollenden musste.
Der Mensch kann, wenn er „Geist-Besinnen“ übt, durch das spirituelle Erkenntnisorgan „Herz“ sich im eignen Ich mit „dem Welten-Ich“ vereinen. Die Heilkraft, die dadurch in die sich irdisch-manifestierenden Rhythmen einströmt, kann man in vielen Meditationen erleben. Man spürt, wie durch die rhythmischen Wiederholungen eine gesundende und stärkende Kraft fließt.
''Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014''
----[1] Rudolf Steiner, ''Grundsteinlegung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft durch Rudolf Steiner'', a.a.O., S. 62.
[2] Rudolf Steiner, ''Innere Entwicklung'', Berlin, 7. Dezember 1905. In: ''Die Welträtsel und die Anthroposophie'', GA 54, Dornach 1983, S. 216 f.
[3] Rudolf Steiner, ''Vierter Vortrag'', Prag, 23. März 1911. In: ''Eine okkulte Physiologie'', GA 128, Dornach 1991, S. 75.
== DAS HERZ ALS WAHRNEHMUNGSORGAN UND ORT DER SEELENRUHE ==
''Was ist das Herz?''
''Was vermag es, was ist seine Aufgabe?''
=== ''Unterbewusstes Wahrnehmungsorgan'' ===
Das Herz ist ein empfindsames Wahrnehmungs- und Sinnesorgan, was bereits Rudolf Steiner erkannte: ''„Denn letzten Endes, was ist das Herz? Letzten Endes ist das Herz nämlich ein Sinnesorgan. Und wenn wir auch dasjenige, was die Sinnestätigkeit des Herzens ist, nicht unmittelbar im Bewußtsein haben, wenn es auch zu den unterbewußten Sinnestätigkeiten gehört, was im Herzen vorgeht, so ist deshalb doch das Herz dazu da, daß gewissermaßen die oberen Tätigkeiten wahrnehmen, empfinden können die unteren Tätigkeiten des Menschen.“'''[1]'''''
Das Herz kann durch seine rhythmische Tätigkeit harmonisierend und ausgleichend wirken. Es kann vermitteln zwischen dem oberen Pol mit Sinnessphäre und Atmung und dem unteren Pol mit Stoffwechsel und Blutbildung. Das Herz ist auch sehr stark inneres Wahrnehmungsorgan für Geistig-Seelisches.
=== ''Reinen Herzens horchen'' ===
Das kommt uns in der Meditation sehr schön entgegen, in der darauf aufmerksam gemacht wird, dass der Mensch das Schöpferwort vernehmen kann'', „wenn er reinen Herzens horcht“'''[2]''''':
''Es hört der Mensch das Schöpfungswort''
''Wenn er reinen Herzens horcht''
''Wie Weltengeister durch die Seele''
''Sich musikalisch sinnvoll offenbaren.''
Auch in der folgenden Meditation wird dargestellt, dass man im Herzen erschauen kann, ''„wie Gottesdenken Geistesziele schafft“'':[3]
''Hohe Weltenrätsel erblickt,''
''Wer im Menschenherzen erschaut,''
''Wie Gottesdenken Geistesziele schafft.''
So zeigt sich immer wieder, dass das Herz ''„Mittelpunkt der ganzen menschlichen Organisation“''[4] ist und die physische Heilung dadurch gestärkt wird, dass der individuelle Mensch diese tief geistig-moralische Quelle in seinem Herzen für sich erlebbar machen kann, die ihm Ruhe und Frieden vermitteln möchte. Aus der inneren Ruhe heraus gewinnt der Mensch Sicherheit in seinen Handlungen.
''Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014''
----[1] Rudolf Steiner, ''Zweiter Vortrag'', Dornach, 22. März 1920. In: ''Geisteswissenschaft und Medizin'', GA 312, Dornach 1999, S. 37 f.
[2] Rudolf Steiner, ''Für Willy Conrad'', Köln, 29. Dezember 1912. In: ''Wahrspruchworte,'' GA 40, Dornach 1986, S. 269.
[3] Rudolf Steiner, ''Für Alfred Meebold'', in den Münchner Augusttagen 1913. In: ''Wahrspruchworte'', GA 40, Dornach 1998, S. 270.
[4] Vgl. Rudolf Steiner, ''Zweiter Vortrag'', Prag, 21. März 1911. In: ''Eine okkulte Physiologie'', GA 128, Dornach 1991, S. 29.
== HERZ UND IMMUNSYSTEM ==
''Wie beeinflusst das Herz unser Immunsystem?''
=== ''Gemeinsame Vorläuferzellen'' ===
Normalerweise assoziiert man das Herz nicht mit dem Immunsystem. Das Immunsystem entwickelt sich jedoch von Anfang an als integrierter Bestandteil des Blutes: Die Bildung von Blut, Blutgefäßen und Herz als Zentralorgan des Blutgefäßsystems sind von der frühen Embryonalentwicklung an eine Einheit. Sie haben gemeinsame Vorläuferzellen, die sogenannten Hämangioblasten, die sich bereits vor der Gastrulation am Ende der zweiten und zu Beginn der dritten Entwicklungswoche herausbilden. Von diesen Stammzellen für die Blutbildung stammen nicht nur die Zellen ab, die die Blutgefäße bilden – einschließlich der beiden Herzschläuche, aus denen das spätere Herzorgan hervorgeht – sondern auch die Blutzellen selbst:
* die roten Blutkörperchen '''(Erythrozyten)''' für den Sauerstofftransport
* und die sogenannten weißen immunkompetenten Zellen '''(Leukozyten)''' zum Schutz des Organismus vor schädigenden Einflüssen
Interessanterweise beginnt die Blut- und Blutgefäßbildung nahezu zeitgleich in den sogenannten embryonalen Hüllen – dem Dottersack, der Allantois, dem Haftstiel und dem Chorion. Sobald sich zu Beginn der dritten Woche die ersten Blutgefäße auf dem Dottersack und der Allantois differenziert haben, beginnt auch die Blut- und Blutgefäßbildung im Embryo selbst. Allerorten entstehen kleine Blutinseln, aus denen sich bald Gefäßabschnitte und beweglich bleibende Blutzellen herausdifferenzieren und sich sukzessive zu größeren Gefäßabschnitten verbinden, in denen sich das Blut bewegt. Der erste Anstoß zur Bildung des Herz-Kreislaufsystems kommt also aus dem Bereich der embryonalen Hüllen, die sich der Embryo ausbildet, bevor er darin selbst zu wachsen beginnt.
=== ''Gleichzeitige Entwicklung von Zentrum und Umkreis'' ===
Das verweist auf einen entscheidenden Zusammenhang als Urgeste alles Lebendigen: Ohne ein adäquates Milieu, ohne einen Umkreis, aus dem man und für den man lebt, ist Leben nicht möglich. So ist es nicht verwunderlich, dass der Embryo zunächst sein Milieu ausbildet, bevor er darin selbst zu reifen beginnt. Dieses Zusammenspiel von Zentrum und Peripherie liegt der Bildung des Herz-Kreislaufsystems von Anfang an archetypisch zugrunde. Beides entwickelt sich gleichzeitig aufeinander zu, keines kann ohne das andere sein. Im Folgenden möchte ich die Entwicklung von Kreislauf und Immunsystem in ihrer Verschränkung etwas detaillierter aufzeigen:
==== '''·''' 1. Monat ====
Schon der früh entwickelte ''Dottersackkreislauf'' unterstützt sogleich die Ernährungs- und Atmungsfunktion des Embryos aufgrund sensibler Wahrnehmungs- und Rückkoppelungs-Prozesse, die den jeweiligen Bedarf an Nährstoffen und Sauerstoff feststellen.
Um den 21. Tag herum bekommt dann auch die ''primitive Herzanlage'' unterhalb des Kopfes des Embryos Anschluss an die Blutgefäße, die sich im Embryo gebildet haben, und beginnt zu schlagen.[1] Neueste Forschungen haben diese umfassende Wahrnehmungsfunktion der Blutgefäßgewebe (Endothelien) für das sich in der Folge entwickelnde Herz-Kreislaufsystem gezeigt.[2] Daher kann auch, wer sich den Bildeprozess von Herz und Kreislauf vor Augen führt, im Herzen keine Pumpe sehen, sondern versteht es vielmehr als ein koordinierendes und impulsierendes Zentrum einer ebenfalls aktiv pulsierenden und ihm zuarbeitenden Peripherie.
Schon bei einem 26 Tage alten Embryo und dem frühembryonalen Kreislauf führen die nährstoffreichen Blutgefäße vom Chorion (Vorläufer der späteren Placenta) durch den Haftstiel (der späteren Nabelschnur) in den Embryo und von dort in den venösen Gefäßen das sauerstoffärmere Blut mit den Abbauprodukten zurück zum Chorion.
Dabei liegt die erstaunliche Tatsache vor, dass alle später sehr spezialisierten Zellen des Blutes, der Blutgefäße mit ihrer glatten Muskulatur und dem Herzen selbst mit seiner spezialisierten Herzmuskelstruktur ''eine'' gemeinsame Vorläuferzellart haben: die kardiovaskuläre Vorläuferzelle ''Hämangioblast'' genannt. Alle blutbildenden und Blutgefäße bildenden Zellen stammen von dieser omnipotenten Mesodermzelle ab. Die mesodermalen Zellen bilden das sogenannte mittlere Keimblatt, das in der dritten Woche der Embryonalentwicklung zwischen dem äußeren Keimblatt (Ektoderm) und dem inneren Keimblatt (Entoderm) entsteht.
==== '''·''' Ab 2. Monat ====
Ab dem 2. Monat steigt der Blutbedarf kontinuierlich an. Nach dem Chorion, als wichtigstem Ort der Blutbildung in den ersten Wochen, erfolgt jetzt die intensive Blutbildungstätigkeit zuerst in der Leber, die in der neunten Woche 10 % des gesamten Körpergewichtes des Embryos ausmacht. Später folgen dann die Milz und zuletzt das Knochenmark als Orte der Blutbildung sowie die sich entwickelnden Lymphknoten, während die Leber ihre Blutbildungstätigkeit einstellt. All diese Organe sind fähig, Blutstammzellen zu bilden als Vorläufer der roten Blutkörperchen und die Fülle an differenzierten immun-kompetenten weißen Zellen. Das Lymphsystem hat in diesem Zusammenhang insofern eine Sonderstellung, als es sich erst ab der fünften Woche herauszubilden beginnt, ungefähr zwei Wochen später als das Blutgefäßsystem, da Vorläuferzellen auf diese Funktionen hinorientiert sind.[3]
Das Herz-Kreislaufsystem ist das erste funktionierende Organsystem des Embryos, in dem bereits Ende der dritten Woche die Zirkulation des Blutes einsetzt und das Herz zu schlagen beginnt. Es begleitet als Organsystem die gesamte Embryonalentwicklung und entwickelt sich bis zuletzt in Resonanz mit diesem Geschehen weiter.
==== '''·''' Ab der Geburt ====
Den Schlusspunkt erreicht dieser Prozess nach der Geburt, wenn der fetale Kreislauf beendet wird und der an die Lungen und die Außenluft angeschlossene definitive Kreislauf beginnt. Kein Organ kann sich während der embryonalen und fetalen Entwicklung bilden und weiter ausreifen, wenn nicht Blutgefäße dort einwandern, die Wachstumsprozesse stimulieren und die notwendigen Nährstoffe und den Abtransport von Abbauprodukten sicherstellen können.
=== ''Fazit:'' ===
Dabei erfüllen das Blut- und das Lymphsystem als „flüssige Organsysteme“ folgende  Aufgaben:
# Die roten Blutkörperchen agieren zusammen mit den die Blutgefäße auskleidenden Zellen, den Gefäß-Endothelien, als '''„mobile Sensoren“''', die den Sauerstoffbedarf nicht nur in den Lungen, sondern im gesamten Organismus wahrnehmen und dadurch auch die Sauerstoffversorgung der Gewebe bedarfsgerecht regeln können.
# Die roten Blutkörperchen dienen dem '''Sauerstofftransport und der Kohlendioxidaufnahme'''.
# Die Blutflüssigkeit garantiert den Transport und die '''Verteilung der Nährstoffe'''.
# Die sogenannten weißen Blutzellen (Lymphozyten/20 bis 50% und Leukozyten) stehen im Dienst der '''Abwehr gegen Viren, Bakterien''' und Schadstoffe. Sie dienen zusammen mit anderen Barrierefunktionen des Körpers, wie zum Beispiel der Haut, ganz generell dem Schutz vor schädlichen Einflüssen.
''Vgl. M. Glöckler (Hrsg.), Th. Hardtmuth, Ch. Hueck, A. Neider (Hrsg.), H. Ramm, B. Ruf, „Corona und das Rätsel der Immunität. Ermutigende Gedanken, wissenschaftliche Einsichten und soziale Ideen zur Überwindung der Corona-Krise“, 2020 Akanthos Akademie e.V., Stuttgart''
----[1] Vgl. Keith L. Moore; Persaud, T.V.M.; Torchia, Mark G. (Hrsg.): ''Embryologie. Lehrbuch und Atlas der Entwicklungsgeschichte des Menschen.'' 3. Aufl. Schattauer, Stuttgart/New York 1990, S.69 ff.
[2]Vgl. Branko Furst: ''Autonomie der Blutbewegung. Ein neuer Blick auf Herz und Kreislauf.'' Salumed, Berlin 2020, (Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Heart and Circulation. An integrative Model. Edition 2. Springer Nature, Berlin 2020) S. 42.
[3] Siehe ebenda, S.116/17.
== DAS HERZ ALS LEBENS- UND LIEBESQUELLE ==
''Was ist die Aufgabe des Herzens?''
''Welche Herzensqualitäten gilt es zu entwickeln?''
=== ''Sprüche mit mantrischem Charakter'' ===
''„Die Sätze, über die wir meditieren, sind nicht Verstandessätze, die wir bloß begreifen sollen; ich kann nur immer wieder und wieder sagen: es sind Sätze, die leben, und mit denen wir selbst leben sollen, wie wir mit Kindern leben. Auch die Kinder kennen wir ja genau, und dennoch beschäftigen wir uns jeden Tag aufs Neue mit ihnen. So soll es mit unseren Meditationssätzen sein ... Denn nur dadurch wird die Meditation fruchtbar, daß man die zu meditierenden Gedanken auf sich in voller Ruhe einströmen läßt.“'' [1]
Sprüche mit mantrischem Charakter gehören zum Fundament des Lebens und des Arbeitens in der anthroposophischen Bewegung und in den durch sie inspirierten Tätigkeitsfeldern und Lebensbereichen. Im Folgenden haben wir aus der Fülle an Hinweisen und Meditationen zum Herzen und zur Herzfunktion einiges zusammengestellt, durch das zugleich auch die Stellung des Herzens deutlich wird als zentraler Ort der Meditation.
Im „''Anthroposophischen Seelenkalender''“[2] wird das Herz siebenmal angesprochen – allein das ist ein mantrischer Lehrgang zur Weckung und Entwicklung der Herzfunktion im Menschen, beginnend mitten in der Adventszeit, seinen zentralen Einschlag in der Weihnachtsstimmung empfangend und sich in der 1. bis 4. Januar-Woche fortsetzend, um in der Vorosterzeit, 2. bis 8. März, abzuschließen mit der vollbewussten Geburt der Liebefähigkeit im „Menschenherzen“, aus der Macht des Weltendenkens heraus:
''„Im Lichte, das aus Weltenhöhen''
''Der Seele machtvoll fließen will''
''Erscheine, lösend Seelenrätsel,''
''Des Weltendenkens Sicherheit''
''Versammelnd seiner Strahlen Macht                                                 ''
''Im Menschenherzen Liebe weckend.“ '''[3]'''''
=== ''Erwärmung des Herzens als evolutionäre Aufgabe'' ===
Die Erwärmung des Herzens ist eine evolutionäre Aufgabe für die jetzige Zeit und die Zukunft. Wenn wir uns dann die „''Gebete und Sprüche für Mütter und Kinder''“[4] anschauen, die auch in GA 40 zu finden sind, erleben wir einen erstaunlichen Reichtum an Sprüchen, in denen das Herz der Mittelpunkt ist. Von 34 Gebeten und Sprüchen, haben 19 „Herz“.
Das Herz als Lebens- und Liebesquelle spielt aber nicht nur in den Meditationen und Sprüchen, sondern auch in den von Rudolf Steiner gestifteten sozialen Formen der ''Anthroposophischen Gesellschaft'' und der ''Freien Hochschule für Geisteswissenschaft'' eine zentrale Rolle. Die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft wurden angeregt, sich in ihren Herzen mit der Grundsteinmeditation zu verbinden, ja, diese Meditation ''„in den Boden ihrer Herzen zu versenken“''. Rudolf Steiner knüpft hierbei im Rückblick an die Ur-Weihnacht der Zeitenwende an, um alles anthroposophisch-soziale Bemühen in das Licht und die Nachfolge Christi zu stellen:
''„Göttliches Licht,''
''Christus-Sonne,''
''Erwärme''
''Unsere Herzen;''
''Erleuchte''
''Unsere Häupter; …“'''[5]'''''
Von der Hochschule spricht Rudolf Steiner als dem ''„Herzen der theosophischen (anthroposophischen) Bewegung“''[6]. Er betont, dass man hier vereint sein möge in einem Geiste, zu dem Verstand und Intellekt keinen Zugang haben, sondern primär das Herz, ''„das begreifende und von Weisheit erfüllte Herz, das zugleich auch das liebende Herz ist“'''[7]'''.''
=== ''Kultur und Medizin des Herzens'' ===
Eine solcherart begründete Kultur des Herzens ist auch der Boden, auf dem die Medizinische Sektion der Freien Hochschule gebaut ist. Die jungen Mediziner entlässt er am Ende der beiden ''Jungmedizinerkurse'' mit den Worten:
''„Ich hoffe, daß das wieder beigetragen hat dazu, die Bande zwischen Ihren Seelen und dem Goetheanum noch enger, stärker zu machen, und daß Sie fühlen werden, daß schließlich gerade auf einem solchen konkreten Gebiete wie dem der Medizin, das Goetheanum Menschen findet, die in die Welt hinaustragen dasjenige, was hier gefunden werden kann. Sie werden zu einem richtigen Bewußtsein davon kommen, wenn Sie sich auch in Ihrem Fühlen als zum Goetheanum gehörend betrachten, und die Gedanken öfter an dasjenige richten, was vom Goetheanum eigentlich heute für die Welt und Zivilisationsentwickelung gewollt wird. Und so werden die Herzensbande, die Sie schließen können mit dem Goetheanum, etwas sein, was Ihnen gerade als Mediziner in einer tiefen Weise zu der Aufgabe helfen können wird, die Sie sich eigentlich gesetzt haben.“'''[8]'''''
=== ''… dass wir uns gefunden haben in unseren Herzen'' ===
In den Meditationen, die Rudolf Steiner gegeben hat, steht das Herz als besonderes Organ, als das ''„edelste Organ“,''[9] als der Einheitsgrund des ganzen Menschen vor uns. Es leuchtet auf als kraftspendendes, Mut spendendes Organ, das seine Kräfte aus dem geistig-seelischen Urquell zur Stärkung und Heilung in den physischen Leib senden kann. Überleiten zu den Meditationen möchten wir mit den Worten, die Rudolf Steiner an die Jugend richtet, am Ende des Jugendkurses. Auffallend ist, dass Rudolf Steiner in den letzten 29 Zeilen das Herz allein zehnmal erwähnt. Hier nur das Ende:
''„.... aus diesem Gefühl, aus dieser Empfindung heraus möchte ich heute Ihren Herzen den Abschiedsgruß sagen, indem ich Ihnen zurufe: Nehmen Sie das, was ich in Worte auszusprechen versuchte, so hin, als ob ich vor allem etwas in Ihre Herzen hätte dringen lassen wollen, was in Worten nicht ausgesprochen werden kann. Wenn sich die Herzen nur ein bisschen zusammengefunden haben mit dem, was hier als lebendiger Geist gemeint ist, dann ist, wenigstens zu einem Teile, erfüllt, was wir erreichen wollten, als wir hier zusammenkamen ... Die Hauptsache wird sein, dass wir uns gefunden haben in unseren Herzen. Dann wird auch einfließen das Geistige, das Michaelhafte, in unsere Herzen.“'''[10]'''''
''Vgl. Geleitwort zu „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage, 2014''
----[1] Rudolf Steiner, ''An Clara Smits in Düsseldorf''. Berlin, 28. Dezember 1903; ''An Doris und Franz Paulus in Stuttgart''. Zürich, 14. April 1904. In: ''Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914''. GA 264, Dornach 1996, S. 51 und 53.
[2] Vgl. Rudolf Steiner, ''Anthroposophischer Seelenkalender''. Das Herz wird hier in der 37., 38., 40., 41., 42., 43. und 48. Woche angesprochen. In: ''Wahrspruchworte.'' GA 40, Dornach 1998, S. 41, 42-44, 46.
[3] Ebenda, S. 46.
[4] Rudolf Steiner, ''Gebete und Sprüche für Mütter und Kinder''. In: ''Wahrspruchworte'', GA 40, Dornach 1991, S. 315-345.
[5] Rudolf Steiner, ''Grundsteinlegung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft am 25. Dezember 1923'', 10 Uhr vormittags. In: ''Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft 1923/1924'', GA 260, Dornach 1994, S. 66.
[6] Rudolf Steiner, ''An Frau Anna Wagner in Lugano'', Berlin, 2. Januar 1905. In: ''Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914'', GA 264, Dornach 1996, S. 90.
[7] Rudolf Steiner, ''Die Mission der theosophischen Bewegung. Vortrag zur Einweihung des Zweiges,'' Bielefeld, 3. November 1908, GA 264, a.a.O., S. 402.
[8] Rudolf Steiner, ''Osterkurs. Fünfter Vortrag'', Dornach, 25. April 1924. In: ''Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heilkunst,'' GA 316. Dornach 2008, S. 223.
[9] Rudolf Steiner, ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge'', Band 5, GA 239, Dornach 1985, S. 31.
[10] Rudolf Steiner'', Dreizehnter Vortrag'', Stuttgart, 15. Oktober 1922. In: ''Geistige Wirkenskräfte im Zusammenleben von alter und junger Generation. Pädagogischer Jugendkurs'', GA 217, Dornach 1988, S. 197.
== SCHULUNG DER „SECHS EIGENSCHAFTEN“[1] ==
''Welche Übungen helfen, das Herzchakra auszubilden?''
=== ''Ausbildung des Herzchakras'' ===
Der Schulungsweg der Anthroposophie hat seinen Ursprung und seinen Gipfel in der Ausbildung des Herzchakras, der Herzlotusblume, durch sechs Übungen, die so alltäglich sind, dass Rudolf Steiner sie auch ‚Nebenübungen’ nennt: Ich ersetze jetzt das Wort ‚Kontrolle’ durch ‚Wahrnehmung’:
# Nimm mit dem Herzen '''dein Denken''' wahr, ob wirklich du es bist, der hier denkt.
# Nimm mit dem Herzen '''deine Handlungsbereitschaft''' wahr, ob wirklich du es bist, der handeln will.
# Nimm mit dem Herzen '''dein Fühlen''' wahr, ob du wirklich fühlst, was du fühlen willst, und fühlen willst, was du fühlst.
Nach Vollzug dieser heiligen Dreigliederung ist das Herz an das Denken, Handeln und Fühlen wirklich angeschlossen.
In den drei nächsten Übungen geht es ganz ins Soziale hinein: Es geht als Viertes um Positivität, als Fünftes um Unbefangenheit und als Sechstes um das Ausbalancieren aller Übungen, also um ein inneres Gleichgewicht, mit dem Ziel, sich selbst und seiner Umwelt möglichst frei, offen, direkt, unverstellt, ehrlich und herzlich begegnen zu können.
Im Zentrum des anthroposophischen Schulungsweges steht die Ausbildung der Herzenssprache, der Herzenskultur, der herzlichen Wahrnehmung.
''Vgl. Vortrag „Vom Wesen der Heileurythmie als Herzorgan der Anthroposophischen Medizin“, 1. Weltkonferenz für Heileurythmie am Goetheanum, 30. Mai 2008''
----[1] Vergl. auch Rudolf Steiner, GA 10, ''Kap. „Über einige Wirkungen der Einweihung“.''
== NEBENÜBUNGEN FÜR DIE CHARAKTERSCHULUNG ==
''Wie lauten die sogenannten sechs Nebenübungen?''
''Welche Wirkung haben sie?''
=== ''Übungskanon für die seelische und geistige Entwicklung'' ===
Rudolf Steiner hat in seinem Selbsterziehungsbuch mit dem Titel ''„Wie erlangt man Erkenntnisse der Höheren Welten?“'''[1]''''' einen ganzen Übungskanon für die seelische und geistige Entwicklung aufgestellt. Besonders lohnend sind ganz elementare Grundübungen, die „die sechs Nebenübungen“ genannt werden. Steiner sagt über sie, dass sie der menschlichen Persönlichkeit Stärke und Sicherheit mit auf den Weg geben können. Man kann sich z.B. für jede dieser Übungen ein bis zwei Monate Zeit nehmen und damit arbeiten, bis man etwas vertraut damit geworden ist, bevor man zur nächsten übergeht. Dabei empfiehlt es sich, diese Übungen in den Tagesrückblick am Abend zu integrieren und sich die Frage vorzulegen, wie es einem mit der Übung ging, worauf man am nächsten Tag achten möchte etc.
==== 1. Folgerichtigkeit im Gedankenleben („Gedankenkontrolle“) ====
Man fragt sich:
''Wodurch wird mein Denken gelenkt?''
''Bin ich es wirklich selber, der denkt?''
''Was veranlasst mich, bestimmte Gedanken zu haben?''
''War wirklich ich es, die/der gedacht hat, oder habe ich nur jede Menge Informationen aufgenommen, ohne einen einzigen selbstständigen Gedanken daran zu knüpfen?''
Bewusstes Meditieren bedeutet ja in erster Linie selbst zu denken, geistig authentisch zu werden, sich wirklich selbst auf den Weg zu machen. Christian Morgenstern drückte es in einem seiner Gedichte so aus: ''„Die zur Wahrheit wandern, wandern allein...“''
Jeder kommt aus ganz eigenen Lebenszusammenhängen und Erfahrungen, hat seine eigene Biografie, seine eigene Art, wie er denken und sprechen gelernt hat. Auf dem eigenen Weg zur Wahrheit hinzufinden, macht den Menschen besonders und authentisch – aber es vereinzelt ihn auch, lässt ihn „allein wandern“.
Wenn sich aber viele auf den Weg zu sich selbst, zur Wahrheit machen, begegnen sie sich in dieser Wahrheitssuche und bilden zunehmend geistige Gemeinschaften. Das ist das Schönste und Kostbarste, was man erleben kann: die Liebe und Hinwendung zu einem anderen Menschen in der reinsten, der selbstlosesten Form – entzündet und genährt von dem echten Interesse an der Wahrheit, an dem, was wirklich ist. Diese Verbundenheit im Geist der Wahrheitssuche ist das Gegenteil der Abhängigkeit von einer Gruppe und ihren Meinungen.
Durch die erste der genannten Nebenübungen soll der Mensch unterscheiden lernen, ob er selbst denkt oder sich einer gängigen Meinung nur anschließt. Und insbesondere, ob er die dem Denken selber innewohnende Folgerichtigkeit und Logik entdecken und handhaben lernt.
==== 2. Autonomie und Folgerichtigkeit im Handeln („Handlungskontrolle“) ====
Hier gilt es, sich zu fragen:
''Wer bestimmt mein Handeln?''
''Bin ich in meinem stark außengesteuerten Leben, in dem ich von Verpflichtung zu Verpflichtung haste und kaum noch Spielraum habe für Eigenes, dennoch Herr meiner Handlungen?''
''Wenn nicht, wer bestimmt sie?''
Wenn jemand z.B. einer solchen Außensteuerung unterworfen ist, kann man sich fragen:
''Wie muss ich es angreifen, dass es mich nicht überfordert?''
''Was kann ich vielleicht doch abgeben oder ändern?''
''Und: Kann ich Motive finden, durch die die mir vielleicht nicht wesentlich erscheinenden, aber aufreibenden Tätigkeiten mir wichtig werden, meine „eigenen“, selbstgewollten werden?''
Als einmal ein Zen-Meister gefragt wurde – Wie kannst Du so viel leisten? Warum brauchst Du so wenig Schlaf? So wenig Nahrung? –, antwortete er: Das liegt daran: ''„Wenn ich liege, liege ich, wenn ich sitze, sitze ich, wenn ich stehe, stehe ich und wenn ich gehe, gehe ich.“'' Wenn ich es selber bin, der handelt, wenn ich mich identifizieren kann – dann sind die Handlungen unter meiner Führung und ich bin es, der sie verantwortet.
==== 3. Motivation und/oder die „Kontrolle der Gefühle“, ====
Als Kinderärztin, die jahrelang viele Kinder und Familien betreute, wurde ich einmal von einer Hausfrau und Mutter gefragt, ob ich ihr nicht einen Rat geben könnte in Bezug auf die leidige Hausarbeit, die für sie zu einer tödlichen Routine geworden wäre. Sie hätte nicht das Geld, diese Arbeiten an jemand anderen abzugeben und müsste sie deshalb selbst erledigen, würde aber viel lieber etwas anderes machen.
Ich riet ihr, sich zu überlegen, welche spezifisch menschlichen Qualitäten und Charaktereigenschaften sie sich erwerben würde, wenn sie sich vornähme, drei Jahre lang so gut und liebevoll, wie sie könnte, diese ungeliebte Arbeit zu erledigen. Denn beim Reinigen, Ordnen und Sorgen für Nahrung und Kleidung geht es nicht nur um archetypische Tätigkeiten zum Erhalt des Lebens, sondern auch um Urbilder zentraler Seelenübungen: um Reinigung/Läuterung/Katharsis, um die Fähigkeiten sich zu sammeln, innerlich Ordnung zu schaffen, über die eigenen Bedürfnisse hinaussehen zu können, sich für andere einzusetzen etc.
Ich riet ihr außerdem, die Situation nach drei Jahren neu anzuschauen und Bilanz zu ziehen, wie diese Übung sich auf die Entwicklung der Beteiligten ausgewirkt hat und inwieweit sich die genannten Qualitäten entwickeln konnten.
Wenn Sie eine solche Anregung aufgreifen, wird es Ihnen wahrscheinlich gehen wie dieser Frau:
* Sie werden viel weniger Zeit brauchen für dieselbe Arbeit.
* Sie werden sich in einen fröhlicheren Menschen verwandeln, weil sie wissen, warum Sie tun, was Sie tun.
* Sie werden sich nach der Arbeit nicht erschöpft fühlen, sondern gekräftigt.
Ihr ganzes Leben wird eine andere Qualität bekommen, weil das, was Sie denken und das, was Sie tun, plötzlich übereinstimmen.
Der größte Krafträuber ist unser Gespalten-Sein, wenn wir das eine denken und das andere tun. Dann erkaltet das Gefühlsleben und neigt zu Selbstmitleid und Sentimentalität.
Wir können uns bei dieser Übung immer wieder folgende Fragen stellen:
''Beherrsche ich meine Stimmungen?''
''Kann ich mich selbst „stimmen“?''
''Kann ich bestimmen, wie ich auf andere zugehe? Wie ich durch den Tag gehe?''
''Agiere ich oder reagiere ich in meinem Gefühl?''
Man kann sich dadurch selbst ganz neu als „Unternehmer“ im eigenen Seelenleben entdecken. Das kann total Spaß machen.
Es gibt noch drei weitere Übungen, die die sozialen Fähigkeiten schulen.
==== 4. Positivität oder die Fähigkeit aktiver Toleranz ====
Die vierte Übung ist eine echte Gesundungsübung. Es geht bei dieser Übung darum, zu merken, dass alles, was man tut, zwei Seiten hat. Denn es gibt nichts, was nicht zwei Seiten hätte. Wenn einem die negative Seite einer Sache sofort ins Auge springt, muss man die positive bewusst suchen. Umgekehrt, wenn einem das Positive sofort auffällt – das kommt ja manchmal auch vor –, ist es wichtig, sich den Schatten, die andere Seite davon, ebenfalls anzuschauen.
Wenn jemand z.B. eine Weiterbildung besucht, so ist dies positiv – es gibt jedoch sicher Menschen, die in dieser Zeit auf uns verzichten oder die uns vertreten müssen. Leben, Gesundheit und Mitmenschlichkeit werden gefördert, wenn wir lernen, immer auch das Positive zu sehen und es dadurch zu verstärken und so daran zu arbeiten, dass die Wirkung des Negativen abnimmt. Wir haben die Möglichkeit, am Schmerz zu erwachen, um es besser machen zu können und uns vom Positiven, von der Freude, Kraft geben zu lassen.
==== 5. Unbefangenheit – oder das Vertrauen in die Welt, in der wir leben ====
Die fünfte Übung ist die „Anti-Vorurteilsübung“. Auch wenn ich genau zu wissen meine, was mein Gegenüber sagen will, versuche ich geistesgegenwärtig zu bleiben und mich nicht von meinen vergangenen Erfahrungen und Erlebnissen beeinflussen zu lassen. Ich öffne mich, schaue den anderen an und selbst wenn er wirklich sagt, was ich erwartet habe, kann ich auf Folgendes achten:
''Wie hat er es gesagt?''
''Habe ich diesmal die Möglichkeit, noch einmal nachzufragen, damit er merkt, dass ich wirklich verstehen will, warum er gewisse Dinge ständig wiederholt?''
An diesem Punkt verändert sich etwas in der Beziehung. Vielleicht werden dadurch andere Entwicklungen möglich. Die Übung der Unbefangenheit gibt einer Beziehung neue Chancen und setzt neue Entwicklungsakzente. Durch diese Übung werden aber auch Sicherheiten, Bewährtes, zur Disposition gestellt.
Grundsätzlich gilt: Je tiefer mein Vertrauen in das Leben, die Entwicklung und „die Welt“, umso unbefangener kann ich sein, umso offener, neue Erfahrungen zu machen.
==== 6. Auf das Gleichgewicht unter diesen neuen Fähigkeiten achten ====
Die sechste Übung besteht darin, die fünf anderen Übungen situationsabhängig beherrschen und anwenden zu lernen. Das ist nochmals eine eigene Kunst, ist Lebenskunst: Das tun, was der Augenblick erfordert. Was das ist, kann ich vorher gar nicht wissen. Ob es das Richtige war, weiß ich meist erst hinterher. Auch ist es wichtig, dass sich nicht eine der neuen Fähigkeiten auf Kosten der anderen entwickelt.
''Vgl. Vortrag „Gesundheit und Lebensfreude im Alltag“, 25.11.2007''
----[1] Rudolf Steiner, ''Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?'', GA 10.
== ICH DENKE AN MEIN HERZ ==
''Inwiefern ist das Herz die Schwelle zwischen sinnlicher und über­sinn­licher Welt?''
''Welche Verbindung hat es zum ewigen Selbst?''
''Worin zeigt sich die Herzenstragekraft?''
=== ''Die Schwelle im Herzen'' ===
Die Besinnung auf das körperliche, seelische und geistige Herzerleben kann deutlich machen, dass im Herzen die geheimnisvolle Schwelle zwischen der physisch-sinnlichen und der über­sinn­lichen Welt zu finden ist. Das zeigt insbesondere die im Folgenden vorgestellte Herzmeditation.[1] Auch wenn man sich noch wenig oder gar nicht mit dem Thema Meditation beschäftigt hat, spürt man ihre orientierende Kraft und Wirksamkeit unmittelbar. Sie stammt aus einem der Notizbücher Rudolf Steiners:
''Ich denke an mein Herz''
''Es belebet mich''
''Es erwärmet mich''
''Ich vertraue fest''
''Auf das ewige Selbst''
''Das in mir wirket''
''Das mich trägt.''
Wer beginnt, mit dieser Wortmeditation zu arbeiten, merkt schnell, dass das Wort „Ich“ nicht zufälligerweise am Anfang steht. Doch nicht nur das, es wird auch unmittelbar an die Tätigkeit des Denkens appelliert. Wer an sein eigenes Herz denkt und sich klar macht, wie dieses treue Organ von der vierten Woche der Embryonalentwicklung an schlägt und uns dann durch unseren gesamten körperlich-seelisch-geistigen Werde-Prozess hindurch be­gleitet – durch Embryonalentwicklung, Geburt, Kindheit, Jugend, Alter bis hin zum Sterbe-Moment –, kann nicht anders, als eine gewisse Rührung zu empfinden über dieses rastlose Tätig-Sein, mit dem unser Herz uns in jeder Lebenslage beisteht: Es schlägt an den Höhepunkten unseres Lebens ebenso treu, wie in Zeiten der Verzweiflung an unseren Lebens-Tiefpunkten.
In den nächsten zwei Zeilen der Meditation werden wir an die zentrale Aufgabe der Herztätigkeit erinnert: die belebende Kreislauftätigkeit aufrechtzu­erhalten, um insbeson­dere über die Durchblutung aller Organe bis hin zu Peripherie, zu den Fingern und Fußspitzen, für die notwendige Durchwärmung des Körpers zu sorgen.
=== ''Quelle allen Vertrauens'' ===
Die erste der vier Zeilen, die dann folgen, beginnt wieder mit dem Wort „Ich“ – doch jetzt wird das Ich auf die Quelle allen Vertrauens verwiesen: das Vertrauen in ''ein ewiges Selbst''. Das griechische Wort „Pistis“, das im Evangelium des Neuen Testaments mit „Glaube“ übersetzt wird, heißt beides: Glaube und Vertrauen. Während uns das Wort Glaube mehr an die menschliche Willenskraft erinnert, da ein gläubiger Mensch sich in einem bestimmten Augenblick seines Lebens zum Glauben entschieden hat, verweist das Wort Vertrauen mehr auf Gefühl und Denken. Denn wer nicht vertraut, hat Zweifel an der Glaubwürdigkeit des anderen oder hat ein unsicheres oder gar gemischtes Gefühl, das ihn abhält Vertrauen zu fassen. In der Formulierung ''„Ich vertraue fest“'' kommen diese beiden Qualitäten des Glaubens und Vertrauens zusammen. Die Festigkeit des vom Willen ­gestützten Glaubens verbindet sich mit dem zukunftsoffenen Gefühl der Hoffnung und der Bereitschaft zu vertrauen.
Ob und in welcher Form es ein ewiges Selbst gibt, das mit unserem vergänglichen, körperlichen Selbst in Verbindung steht, gehört zu den zentralen Fragen menschlicher Selbsterkenntnis. Dieser Frage sind die beiden letzten Zeilen dieser Herzmeditation gewidmet. Was in mir wirkt und mich durch das Leben trägt, ist der Rhythmus des eigenen Herzens.
=== ''Herzenstragekraft'' ===
Diese Meditation kann aber auch der Besinnung auf den Ort der Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedanken-, Gefühls- und Willenskräfte dienen. Der Tragekraft der Mitte, der Tatsache, dass wir geistig-seelisch aus der Herzmitte geboren und getragen sind, kann man sich anhand von folgenden Überlegungen bewusst machen: Wir sind die Inkarnation dieser Geisteskräfte, auch Wesensglieder genannt. Sie bilden in einem ersten Schritt den Leib und tragen uns, leibfrei geworden, durch die Pforte des Herzens in die Welt unseres eigenen Denkens, Fühlens und Wollens.
Im Tode wird schließlich der ganze Leib zum Herzen, alle Kräfte verlassen ihn und der Leib zerfällt. Die seelisch-geistigen Kräfte unseres ewigen Selbst machen im nachtodlichen Leben weitere Metamorphosen durch, um die Leibbildung für das nächste Erdenleben vorzubereiten. Dabei ist die Herzenstragekraft führend. Und genau diese Tragekraft des Herzens ist auch das Fundament von Pädagogik und Medizin.
''Vgl. „Herzmeditation“, in: „Meditation in der Anthroposophischen Medizin“, 1. Kap., Berlin 2016 sowie „Raphael und die Mysterien von Krankheit und Heilung“, Medizinische Sektion am Goetheanum 2015''
----<sup>[1]</sup> Rudolf Steiner, ''Mantrische Sprüche. Seelenübungen II'', GA 268. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1999a, S. 181.
== HERZ, ICH UND KARMA ==
''Wie hängen Herz, Kosmos und Karma zusammen?''
=== ''Der Kosmos im Herzen'' ===
''„Von der Geschlechtsreife an schaltet sich auf dem Umwege durch den Astralleib die gesamte menschliche Tätigkeit in das Ätherherz ein, in dasjenige Organ, das aus den Abbildern der Sterne, aus den Abbildern des Kosmos geworden ist ... wenn Sie dieses alles betrachten, dann haben Sie den Zusammenschluß dessen, was der Mensch in der Welt tut, mit dem Kosmischen. Im Herzen haben Sie, insofern die ätherische Welt in Betracht kommt, einen zusamengezogenen Kosmos ... Das Ich folgt immer mehr und mehr, innig verbunden mit dem Blutkreislauf, dem Wege dieses Blutkreislaufes. So daß wiederum auf dem Umwege durch diese mit dem Blutkreislaufe laufenden Ich-Kräfte das Ich eingreift in dasjenige, was aus dem Zusammenschluß des ätherischen und des astralischen Herzens gebildet worden ist ...“''[1]
Der astralische Leib versammelt in sich nach und nach alles, was wir hier in unserem Erdenleben getan haben. Da sich aber auch das Ich mit allem verbindet, schreiben sich ihm ebenfalls die Absichten und Ideen ein, aus denen der Mensch seine Handlungen vollzieht. Hier erleben wir den Zusammenschluss von menschlichem Karma mit den Gesetzmäßigkeiten des Kosmos.[2]
Das Ich ist in allen Wärmeprozessen zu Hause, in die es unmittelbar eingreift. Bei allen wie auch immer gearteten Erwärmungsprozessen berühren sich das Geistig-Seelische und das Organische im Menschen, die Wärme erfasst und durchdringt den ganzen Menschen. Greift die Wärme des Organismus auf das Geistig-Seelische über, dann verwandelt sie sich in die innere Wärme des Mitgefühls und Interesses für die Mitmenschen.
''Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014''
----[1] Rudolf Steiner, ''Sechster Vortrag'', Dornach, 26. Mai 1922. In: ''Menschliches Seelenleben und Geistesstreben im Zusammenhange mit Welt- und Erdentwickelung'', GA 212, Dornach 1998, S. 123-125.
[2] Vgl. ebenda, S. 126.
== HERZENSWÄRME, LIEBE UND CHRISTUSGEGENWART ==
''Inwiefern hat das Herz Sonnenqualität?''
=== ''Sonnenbegabtes Herz'' ===
Das Herz wird auch dargestellt als ''sonnenbegabt'' und daher von ''Christus durchdrungen'' und (physisch durch die Blutzirkulation) auch als ''ich-begabt''. Was die Sonne für den Makrokosmos ist, ist das Herz für den Menschen, den Mikrokosmos. Die Kraft der Sonne ist von moralisch-religiöser Impuls-Substanz. – ''„... in unser Herz sind zunächst rein moralisch-religiöse Kräfte hineingeheimnist.“'''[1]''''' Wie die Sonne alles Sein hier auf der Erde belebt, so belebt das Herzsystem, das die kosmisch-planetarischen Rhythmen in Blutzirkulation und Atmungsprozess spiegelt, den Menschen. Das Herz ist das wunderbare Organ, das den Geist – den Sonnengeist – in menschliche Liebe und Wärme verwandelt und daher auch die Gewissensstimme in den Tiefen erlauschen kann. Die Sonnenwärme sammelt sich im Herzen und wird von da aus in den ganzen Menschen geschickt.
''Strahlende Menschenliebe,''
''Wärmender Sonnenglanz,''
''Ihr Seelenkleider Christi.''[2]
Das göttliche Wort im Menschen wird vom Herzen vermittelt:
''„Es hört der Mensch das Schöpfungswort“.'''[3]'''''
Und:
''Am Anfang war das Wort''
''Und das Wort war bei Gott''
''Und Gott war das Wort''
''Und das Wort wohnt in meinem Herzen.'''[4]'''''
''Im Urbeginn war das Wort''
''Und das Wort war bei Gott''
''So sei das Wort in mir''
''Und meine Seele bei dem Worte.'''[5]'''''
Im Herzen ist der Mensch mit dem tiefsten Quell seines Wesens verbunden. Viele Meditationen sprechen von Wärme, von dem Durchdrungen-Sein mit Liebe – ein Zustand, den wir im täglichen Leben hauptsächlich mit dem Herzen verbinden.
''Wärme der Sonne''
''Sammle ich im Herzen''
''Und lasse sie strömen''
''Durch alle Glieder.''[6]
Das Herz ist ein Wärme- und Liebesquell. Das ist auch für das ganze soziale Leben von zentraler Bedeutung, da es nur zu oft von Lieblosigkeit und Kälte geprägt ist. Liebe öffnet die Herzen der Mitmenschen: ''„Ein jedes Wesen, dem du deine Liebe schenkst, eröffnet dir sein Wesen, denn Lieblosigkeit ist ein Schleier, der sich vor die Dinge der Welt legt und sie verhüllt. – So viel du Liebe ausströmst, so viel Erkenntnis strömt dir zu.“'''[7]'''''
Diese ''„Seelenkleider Christi“'' sind die Qualitäten, die das Herz als Heilkraft auch in den physischen Körper schickt.
''Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014''
----[1] Rudolf Steiner, ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge'', Band 5, GA 239, Dornach 1985, S. 32.
[2] Rudolf Steiner, ''Mantrische Sprüche, Seelenübungen II'', GA 268, Dornach 1999, S. 194.
[3] Rudolf Steiner, ''Für Willy Conrad'', Köln, 29. Dezember 1912. In: ''Wahrspruchworte,'' GA 40, Dornach 1986, S. 269.
[4] ''Meditation KG IV. Fall Nr. 89'' (von Hilma Walter mitgeteilte Meditation). In: ''Meditative Anweisungen und Texte für Patienten von Rudolf Steiner''. Zusammengestellt für Ärzte. Ärztekollegium, Verein Klinisch-Therapeutisches Institut, Ita Wegman Klinik (Hrsg.). Selbstverlag. Arlesheim 1997.
[5] Rudolf Steiner, ''Seelenruhe''. In: ''Seelenübungen I'', GA 267, Dornach 2001, S. 255.
[6] ''Meditation A 7'' (von Margarete Kirchner-Bockholt mitgeteilte Meditation). In: ''Meditative Anweisungen und Texte für Patienten von Rudolf Steiner.'' Zusammengestellt für Ärzte. Ärztekollegium, Verein Klinisch-Therapeutisches Institut, Ita Wegman Klinik (Hrsg.). Selbstverlag. Arlesheim 1997.
[7] Rudolf Steiner, ''An Clara Smits in Düsseldorf''. Berlin, 28. Dezember 1903. In: ''Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914'', GA 264, Dornach 1996, S. 50.
== DAS SONNENHERZ ==
''Wie hängen Herz und Sonne zusammen?''
''Wie wird unser Herz zu einem Sonnenherzen?''
=== ''Zusammenhang von Herz und Sonne'' ===
Rudolf Steiner bezeichnet Wahrheit als Sonnenlicht fürs Herz:
''Der Sonne Licht kräftigt der Erde Schöpfung.''
''Der Wahrheit Sonnenlicht kräftigt das Menschenherz.'''[1]'''''
Wenn das Wort, der Logos, unser Herz erfüllt, wird es zum Sonnenherzen. Daher ist es nötig, die Grundstimmung der inneren Verehrung und Devotion gegenüber der Wahrheit und Erkenntnis zu erwecken.[2] Es geht darum zu lernen, das Wissen mit dem Herzen zu achten. Denn wahre Devotion entwickelt in uns eine Kraft,[3] die auf das Gedankenleben wirkt und dieses dahingehend stärkt, dass es sich lösen kann vom Bereich des Kopfes bzw. Gehirns. Das Herz, verbunden mit dem Sonnenlicht, ist erfüllt mit leuchtender Gedankenmacht. ''„Licht durchleuchte meine Seele in meinem Herzen.“'''[4]''''' ''„Die Herzen beginnen Gedanken zu haben.“'''[5]''''' Und: Michael ''„befreit die Gedanken aus dem Bereich des Kopfes; er macht ihnen den Weg zum Herzen frei.“'''[6]'''''
Das Herz muss immer mitdenken, wenn wir als ganzer Mensch in der Welt sein wollen. Wir sollen nicht bloß abstrakt in die Welt hineindenken. ''„Um das Kopfwissen in Herzenswissen umzuwandeln, brauchen wir viel länger, als um uns das Kopfwissen anzueignen“.'''[7]'''''
Und darum geht es in der Zukunft immer mehr: das Kopfwissen in Herzwissen umzuwandeln. In diesem Sinne plädiert Rudolf Steiner dafür, dass man in der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft vereint sein möge in einem Geiste, zu dem Verstand und Intellekt keinen Zugang haben, sondern primär das Herz, ''„das begreifende und von Weisheit erfüllte Herz, das zugleich auch das liebende Herz ist“'''[8]'''.''
''Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014''
----[1] Rudolf Steiner, ''Für Hedda Hummel'', In: ''Wahrspruchworte'', GA 40, Dornach 1986, S. 278.
[2] Vgl. Rudolf Steiner, ''Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?'', GA 10, Dornach 1992, S. 19.
[3] Vgl. ebenda, S. 20.
[4] Meditation Dg 6 (von Friedrich Husemann mitgeteilte Meditation). In: ''Meditative Anweisungen und Texte für Patienten von Rudolf Steiner''. Zusammengestellt für Ärzte. Ärztekollegium, Verein Klinisch-Therapeutisches Institut, Ita Wegman Klinik (Hrsg.). Selbstverlag. Arlesheim 1997.
[5] Rudolf Steiner, ''Im Anbruch des Michael-Zeitalters''. In: ''Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie, Das Michael-Mysterium''. GA 26. Dornach 1998, S. 62.
[6] Ebenda.
[7] Rudolf Steiner, ''Dreizehnter Vortrag'', Dornach, 12. Januar 1918. In: ''Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung'', GA 180, S. 236.
[8] Rudolf Steiner, ''Die Mission der theosophischen Bewegung. Vortrag zur Einweihung des Zweiges,'' Bielefeld, 3. November 1908, GA 264, a.a.O., S. 402.

Aktuelle Version vom 1. April 2025, 15:48 Uhr

Herz und Herzchakra – von Michaela Glöckler

Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/

DAS MENSCHLICHE HERZ

Wie funktioniert das menschliche Herz?

Was ist seine Fähigkeit und seine Aufgabe?

Zentralorgan des menschlichen Lebens

Das menschliche Herz ist nicht nur Zentrum des Kreislaufs und in seiner engen Zusammenarbeit mit der Lunge und der Atmungstätigkeit ein Zentralorgan des menschlichen Lebens überhaupt. Es ist auch der Ort, wo wir Freude, Mitleid, Liebe und „zu Herzen Gehendes“ empfinden. Hier können wir am unmittelbarsten erleben, wie auch etwas, das uns Freude macht, positiv, erleichternd auf die Herztätigkeit wirkt, seelischen Druck wegnimmt und entspannt. Heiterkeit und Daseinsfreude, wie wir sie beispielsweise beim Beobachten von Kindern erleben können, tun dem Herzen wohl. Umgekehrt können Stress, Angst, Hetze, negative Gefühle, emotionsreiche Konfliktsituationen Blutdruck und Herztätigkeit negativ beeinflussen.

Was das Herzorgan physisch auszeichnet, ist seine erstaunliche Autonomie. Es besitzt eine tatsächlich autonome Erregungsbildung und -leitung. Die Herz-Aktionen Systole (Kontraktion) und Diastole (Erschlaffung) werden nicht durch das Nervensystem impulsiert. Die Erregung, die zum Herzschlag führt, wird vielmehr selbstgesteuert, im sogenannten Sinusknoten im rechten Vorhof des Herzens, gebildet. Das Herz kann auch schlagen, wenn es von seiner nervösen Versorgung, die zusätzlich regulierend wirkt, abgeschnitten ist bzw. wenn diese aus irgendwelchen Gründen unterbrochen wurde.[1]

Ort der Gewissensstimme

Das Herz ist aber auch Ort der Gewissensstimme. So wie das physische Herz schlägt, kann auch das Gewissen schlagen, pochen oder auch klopfen. Damit erschließt sich zugleich auch die geistige Dimension des menschlichen Seelenlebens. Denn wenn das Gewissen schlägt, geht es nicht nur um Empfindung und Gefühl, sondern insbesondere darum, sich über etwas Rechenschaft abzulegen, mit sich zu Rate zu gehen oder auch – je nach spiritueller oder religiöser Orientierung – mit Gott, der eigenen Schicksalsführung, dem höheren Selbst, in eine sehr individuelle Zwiesprache zu treten. So kann gerade dieses Organ bzw. seine Tätigkeit wie ein Schlüssel sein, der uns verstehen lässt, in welcher Form und warum auch Meditation unmittelbar einen heilsamen Einfluss auf die Organphysiologie haben kann.[2]

Vgl. Herzmeditation, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016


[1] Branko Furst, The Heart and Circulation: An Integrative Model, Springer, London-Heidelberg-New York 2014.

[2] Peter Selg (Hrsg.), Das Menschliche Herz – Kardiologie in der Anthroposophischen Medizin, Verlag des Ita Wegman Instituts, 2014, S. 321 ff.

DAS HERZ ALS SINNESORGAN UND AUSSTRAHLUNGSORT DER VOKALE IN DER EURYTHMIE

Inwiefern kann das Herz als Sinnesorgan gesehen werden?

Was haben die Vokale konkret mit dem Herzen zu tun?

Hochkomplexes Sinnesorgan

Das Herz ist gemäß neuen physiologischen Erkenntnissen und auch gemäß Rudolf Steiners Hinweisen ein hochkomplexes und vielseitiges Sinnesorgan. Es nimmt nicht nur den Sauerstoffgehalt und die chemische Blutbeschaffenheit wahr, sondern auch die Blutmechanik und die Wärmeregulation mittels einer Fülle differenzierter Chemo- und Mechanorezeptoren, sowie Fühlern für den Durchblutungsgrad von Herz und Kreislauf.

Im Herzen finden wir aber auch hormonähnlich wirkende Substanzen, die den gesamten Stoffwechsel über das Herz abstimmen und damit die Nährstoffversorgung der Organe regeln. Das Herz ist außerdem eine Art zentrales Sinnesorgan für den Lebenszustand des Organismus und ist zuständig für die Koordination des Flüssigkeitshaushalts.

Bezug des Herzens zu den Vokalen

Der Bezug zu den Vokalen ergibt sich sowohl aus dem anatomischen Aufbau des Herzens – das etwa so groß ist, wie die zwei aneinander gelegten Fäuste beider Hände – als auch aus seiner Funktion:

  • Es ist geformt wie ein Becher, ein Kelch, ein A.
  • Seine Funktionsdynamik ergibt eine Vertikale, ein I: Bei jeder Kontraktion springt es in der Brust in die Vertikale. Dabei muss man sich vorstellen, dass es sich beim Springen in die Vertikale noch schraubenförmig verdreht – wie entlang den Schlangenumwindungen des Merkurstabs. Es tanzt so auf und ab, gleichsam spielerisch um sein Gleichgewicht bemüht.
  • Das E ist ihm wie eingepflanzt, indem sich die großen Arterienstämme – der zur Lunge führende Truncus pulmonalis und die den Körper versorgende große Schlagader, die Aorta, im Herzen kreuzen. Sie stellen dort sowohl ein anatomisches als auch funktionelles E dar.
  • Dem Herzen als Hohlorgan ist das O direkt eingeschrieben. Seine wundervolle Rundung, die sich nach jedem Herzschlag in der Diastole neu mit Blut füllt, ist ein archetypisch schönes O.
  • Betrachtet man jedoch den Gesamtaufbau des Herzens, so sieht man wie sich die Parallelität und Symmetrie dieses Organs während der Embryonalentwicklung aus einer zweischlauchigen Anlage durch Aneinanderlagern und Verdrehen zweier paralleler Gefäßabschnitte bildet – den sogenannten Herzschläuchen. Das Hohlorgan Herz mit seinen vier Kammern bildet sich aus einer symmetrisch-paarigen Anlage als ein besonders komplizierter, sich spiralig verdrehender Blutgefäßabschnitt. Es entsteht also aus der U-Geste heraus und behält den symmetrisch-parallelen Aufbau zeitlebens bei.

Es ist nicht nur so, dass die Vokale eurythmisch im Herzen ansetzen – das Herz IST klingender Vokalismus. Die vokalischen Urlaute sind dem Herzen anatomisch und physiologisch eingeschrieben und führen zur Verselbstung', indem sie als zentrale Strömungen des Ätherleibes den gesamten Blut- und Flüssigkeitsmenschen regulieren.

Herzrhythmen

Mit dem Herzen ist aber auch alles rhythmische und eurythmische Geschehen verbunden: Diese Rhythmen ergeben sich aus der genauen Koordination von Atem und Herzschlag: In unseren Gefäßabschnitten sind sämtliche Rhythmen vorhanden, die in der Afro-Amerikanischen Musik vorkommen, auch synkopische Rhythmen – alles ist dort in sich überlagernden Gefäßpulsen veranlagt und wird im Herzen synchronisiert.

Diese Synchronisation ergibt, dass drei Rhythmen vom Arzt wahrgenommen werden, wenn er das Herz auskultiert. Es sind dies – zusammen mit dem Atmungsrhythmus – die klassischen Tempi und Rhythmen der europäischen Musik.

Das Herz ergießt sein Blut in die Lunge über einen speziellen Kreislauf, der über den Truncus pulmonaris das gesamte Körperblut in die Lunge leitet und somit den Gesamt-Kreislauf erweitert. Wenn wir alle feinen Alveolen der Lunge aufsplitten würden, hätten wir einen See von 90 bis 100 m² Fläche, der mit jedem Atemzug belüftet wird – ein Blutsee, der sich der Umgebung öffnet, die über den Bronchialbaum wie eingestülpt ist in unsere Lungen, die so genannte 'Bluttafel', die sich als Riesenfläche der äußeren Luft der Atmung anbietet. Über die Atmung kann nun der Konsonantismus heranbranden, die Außenwelt, und dem Herzen begegnen. Diese wundervolle Atemaktivität, die wir über die Konsonanten noch verstärken können, indem wir uns ausdehnen und große Weiten über die Konsonanten heranholen, wird Herzens-Lungen-Schlag genannt: Er macht das Wesen des Menschen aus.

Vgl. Vortrag „Vom Wesen der Heileurythmie als Herzorgan der Anthroposophischen Medizin“, 1. Weltkonferenz für Heileurythmie am Goetheanum, 30. Mai 2008

DAS HERZ ALS RHYTHMISCH TÄTIGES ORGAN

Inwiefern verbindet das Herz den physischen Organismus mit dem äußeren Kosmos?

Von höheren Gewalten geordnet

Rudolf Steiner spricht von dem „wundervolle(n) Geheimnis, das da waltet zwischen Lunge und Herz – in dem innerlich wahrnehmbar ausgedrückt wird, wie die Weltenrhythmen, die durch Jahrtausende, durch Äonen wirken, in Puls- und Blutrhythmus hereinschlagen und Weltbeseelung im Menschen erwecken“.[1]

„Der physische Leib ist in hohem Maße dem Rhythmus unterworfen, dem die ganze äußere Natur unterworfen ist. Wie das Pflanzen- und Tierleben in seiner äußeren Form rhythmisch abläuft, so verläuft auch das Leben des physischen Körpers. Das Herz schlägt rhythmisch, die Lunge atmet rhythmisch und so weiter. Alles dies verläuft so rhythmisch, weil es geordnet ist von höheren Gewalten, von der Weisheit der Welt ...Wenn Sie das Herz betrachten, dieses wunderbare Organ mit dem regelmäßigen Schlag und seiner eingepflanzten Weisheit, und vergleichen es mit den Begierden und Leidenschaften des Astralleibes, die alle möglichen Aktionen gegen das Herz loslassen,…[2]

Schon die Tatsache, dass das Herz nie ermüdet, uns treu begleitet das ganze Leben hindurch, mit einem zuverlässigen Blutzirkulationsrhythmus, der mit dem Atemrhythmus in einer heilsamen ganzzahligen Korrelation steht, ist ein medizinisches Wunder.

Rhythmisches System und kosmische Zyklen

Es ist mit dem menschlichen Herzen so, dass wir sagen könnten: „An ihm hängt auf der einen Seite, der ganze menschliche innere Organismus und auf der anderen Seite ist der Mensch durch das Herz unmittelbar angeknüpft an den Rhythmus, an die Regsamkeit der äußeren Welt.“[3]

  • Legt man 18 Atemzüge und 72 Pulsschläge in Ruhe pro Minute zugrunde, so atmet der Mensch in 24 Stunden 25 920mal. Das entspricht der berühmten Zahl des Platonischen Jahres, die der Wanderung des Frühlingspunktes durch den Tierkreis entspricht bzw. der kompletten Rotationsbewegung der Erdachse.
  • Es entspricht diese Zahl dem System der 12 Zeitzyklen, in dem wir uns als Menschheit gegenwärtig entwickeln, bestehend aus fünf atlantischen und sieben nachatlantischen Kulturepochen, deren durchschnittliche Dauer einem platonischen Monat von 2160 Jahren entspricht.
  • Teilt man 25 960 durch 360, so bekommt man den Weltentag von 72 Jahren – das Sonnenmaß eines Erdenlebens.
  • Eine Weltenstunde beträgt 3 Jahre – die Zeitspanne, die Jesus lebte zwischen der Jordantaufe und dem Tod auf Golgatha: „seine Stunde“, die kommen und sich vollenden musste.

Der Mensch kann, wenn er „Geist-Besinnen“ übt, durch das spirituelle Erkenntnisorgan „Herz“ sich im eignen Ich mit „dem Welten-Ich“ vereinen. Die Heilkraft, die dadurch in die sich irdisch-manifestierenden Rhythmen einströmt, kann man in vielen Meditationen erleben. Man spürt, wie durch die rhythmischen Wiederholungen eine gesundende und stärkende Kraft fließt.

Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014


[1] Rudolf Steiner, Grundsteinlegung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft durch Rudolf Steiner, a.a.O., S. 62.

[2] Rudolf Steiner, Innere Entwicklung, Berlin, 7. Dezember 1905. In: Die Welträtsel und die Anthroposophie, GA 54, Dornach 1983, S. 216 f.

[3] Rudolf Steiner, Vierter Vortrag, Prag, 23. März 1911. In: Eine okkulte Physiologie, GA 128, Dornach 1991, S. 75.

DAS HERZ ALS WAHRNEHMUNGSORGAN UND ORT DER SEELENRUHE

Was ist das Herz?

Was vermag es, was ist seine Aufgabe?

Unterbewusstes Wahrnehmungsorgan

Das Herz ist ein empfindsames Wahrnehmungs- und Sinnesorgan, was bereits Rudolf Steiner erkannte: „Denn letzten Endes, was ist das Herz? Letzten Endes ist das Herz nämlich ein Sinnesorgan. Und wenn wir auch dasjenige, was die Sinnestätigkeit des Herzens ist, nicht unmittelbar im Bewußtsein haben, wenn es auch zu den unterbewußten Sinnestätigkeiten gehört, was im Herzen vorgeht, so ist deshalb doch das Herz dazu da, daß gewissermaßen die oberen Tätigkeiten wahrnehmen, empfinden können die unteren Tätigkeiten des Menschen.“[1]

Das Herz kann durch seine rhythmische Tätigkeit harmonisierend und ausgleichend wirken. Es kann vermitteln zwischen dem oberen Pol mit Sinnessphäre und Atmung und dem unteren Pol mit Stoffwechsel und Blutbildung. Das Herz ist auch sehr stark inneres Wahrnehmungsorgan für Geistig-Seelisches.

Reinen Herzens horchen

Das kommt uns in der Meditation sehr schön entgegen, in der darauf aufmerksam gemacht wird, dass der Mensch das Schöpferwort vernehmen kann, „wenn er reinen Herzens horcht“[2]:

Es hört der Mensch das Schöpfungswort

Wenn er reinen Herzens horcht

Wie Weltengeister durch die Seele

Sich musikalisch sinnvoll offenbaren.

Auch in der folgenden Meditation wird dargestellt, dass man im Herzen erschauen kann, „wie Gottesdenken Geistesziele schafft“:[3]

Hohe Weltenrätsel erblickt,

Wer im Menschenherzen erschaut,

Wie Gottesdenken Geistesziele schafft.

So zeigt sich immer wieder, dass das Herz „Mittelpunkt der ganzen menschlichen Organisation“[4] ist und die physische Heilung dadurch gestärkt wird, dass der individuelle Mensch diese tief geistig-moralische Quelle in seinem Herzen für sich erlebbar machen kann, die ihm Ruhe und Frieden vermitteln möchte. Aus der inneren Ruhe heraus gewinnt der Mensch Sicherheit in seinen Handlungen.

Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014


[1] Rudolf Steiner, Zweiter Vortrag, Dornach, 22. März 1920. In: Geisteswissenschaft und Medizin, GA 312, Dornach 1999, S. 37 f.

[2] Rudolf Steiner, Für Willy Conrad, Köln, 29. Dezember 1912. In: Wahrspruchworte, GA 40, Dornach 1986, S. 269.

[3] Rudolf Steiner, Für Alfred Meebold, in den Münchner Augusttagen 1913. In: Wahrspruchworte, GA 40, Dornach 1998, S. 270.

[4] Vgl. Rudolf Steiner, Zweiter Vortrag, Prag, 21. März 1911. In: Eine okkulte Physiologie, GA 128, Dornach 1991, S. 29.

HERZ UND IMMUNSYSTEM

Wie beeinflusst das Herz unser Immunsystem?

Gemeinsame Vorläuferzellen

Normalerweise assoziiert man das Herz nicht mit dem Immunsystem. Das Immunsystem entwickelt sich jedoch von Anfang an als integrierter Bestandteil des Blutes: Die Bildung von Blut, Blutgefäßen und Herz als Zentralorgan des Blutgefäßsystems sind von der frühen Embryonalentwicklung an eine Einheit. Sie haben gemeinsame Vorläuferzellen, die sogenannten Hämangioblasten, die sich bereits vor der Gastrulation am Ende der zweiten und zu Beginn der dritten Entwicklungswoche herausbilden. Von diesen Stammzellen für die Blutbildung stammen nicht nur die Zellen ab, die die Blutgefäße bilden – einschließlich der beiden Herzschläuche, aus denen das spätere Herzorgan hervorgeht – sondern auch die Blutzellen selbst:

  • die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) für den Sauerstofftransport
  • und die sogenannten weißen immunkompetenten Zellen (Leukozyten) zum Schutz des Organismus vor schädigenden Einflüssen

Interessanterweise beginnt die Blut- und Blutgefäßbildung nahezu zeitgleich in den sogenannten embryonalen Hüllen – dem Dottersack, der Allantois, dem Haftstiel und dem Chorion. Sobald sich zu Beginn der dritten Woche die ersten Blutgefäße auf dem Dottersack und der Allantois differenziert haben, beginnt auch die Blut- und Blutgefäßbildung im Embryo selbst. Allerorten entstehen kleine Blutinseln, aus denen sich bald Gefäßabschnitte und beweglich bleibende Blutzellen herausdifferenzieren und sich sukzessive zu größeren Gefäßabschnitten verbinden, in denen sich das Blut bewegt. Der erste Anstoß zur Bildung des Herz-Kreislaufsystems kommt also aus dem Bereich der embryonalen Hüllen, die sich der Embryo ausbildet, bevor er darin selbst zu wachsen beginnt.

Gleichzeitige Entwicklung von Zentrum und Umkreis

Das verweist auf einen entscheidenden Zusammenhang als Urgeste alles Lebendigen: Ohne ein adäquates Milieu, ohne einen Umkreis, aus dem man und für den man lebt, ist Leben nicht möglich. So ist es nicht verwunderlich, dass der Embryo zunächst sein Milieu ausbildet, bevor er darin selbst zu reifen beginnt. Dieses Zusammenspiel von Zentrum und Peripherie liegt der Bildung des Herz-Kreislaufsystems von Anfang an archetypisch zugrunde. Beides entwickelt sich gleichzeitig aufeinander zu, keines kann ohne das andere sein. Im Folgenden möchte ich die Entwicklung von Kreislauf und Immunsystem in ihrer Verschränkung etwas detaillierter aufzeigen:

· 1. Monat

Schon der früh entwickelte Dottersackkreislauf unterstützt sogleich die Ernährungs- und Atmungsfunktion des Embryos aufgrund sensibler Wahrnehmungs- und Rückkoppelungs-Prozesse, die den jeweiligen Bedarf an Nährstoffen und Sauerstoff feststellen.

Um den 21. Tag herum bekommt dann auch die primitive Herzanlage unterhalb des Kopfes des Embryos Anschluss an die Blutgefäße, die sich im Embryo gebildet haben, und beginnt zu schlagen.[1] Neueste Forschungen haben diese umfassende Wahrnehmungsfunktion der Blutgefäßgewebe (Endothelien) für das sich in der Folge entwickelnde Herz-Kreislaufsystem gezeigt.[2] Daher kann auch, wer sich den Bildeprozess von Herz und Kreislauf vor Augen führt, im Herzen keine Pumpe sehen, sondern versteht es vielmehr als ein koordinierendes und impulsierendes Zentrum einer ebenfalls aktiv pulsierenden und ihm zuarbeitenden Peripherie.

Schon bei einem 26 Tage alten Embryo und dem frühembryonalen Kreislauf führen die nährstoffreichen Blutgefäße vom Chorion (Vorläufer der späteren Placenta) durch den Haftstiel (der späteren Nabelschnur) in den Embryo und von dort in den venösen Gefäßen das sauerstoffärmere Blut mit den Abbauprodukten zurück zum Chorion.

Dabei liegt die erstaunliche Tatsache vor, dass alle später sehr spezialisierten Zellen des Blutes, der Blutgefäße mit ihrer glatten Muskulatur und dem Herzen selbst mit seiner spezialisierten Herzmuskelstruktur eine gemeinsame Vorläuferzellart haben: die kardiovaskuläre Vorläuferzelle Hämangioblast genannt. Alle blutbildenden und Blutgefäße bildenden Zellen stammen von dieser omnipotenten Mesodermzelle ab. Die mesodermalen Zellen bilden das sogenannte mittlere Keimblatt, das in der dritten Woche der Embryonalentwicklung zwischen dem äußeren Keimblatt (Ektoderm) und dem inneren Keimblatt (Entoderm) entsteht.

· Ab 2. Monat

Ab dem 2. Monat steigt der Blutbedarf kontinuierlich an. Nach dem Chorion, als wichtigstem Ort der Blutbildung in den ersten Wochen, erfolgt jetzt die intensive Blutbildungstätigkeit zuerst in der Leber, die in der neunten Woche 10 % des gesamten Körpergewichtes des Embryos ausmacht. Später folgen dann die Milz und zuletzt das Knochenmark als Orte der Blutbildung sowie die sich entwickelnden Lymphknoten, während die Leber ihre Blutbildungstätigkeit einstellt. All diese Organe sind fähig, Blutstammzellen zu bilden als Vorläufer der roten Blutkörperchen und die Fülle an differenzierten immun-kompetenten weißen Zellen. Das Lymphsystem hat in diesem Zusammenhang insofern eine Sonderstellung, als es sich erst ab der fünften Woche herauszubilden beginnt, ungefähr zwei Wochen später als das Blutgefäßsystem, da Vorläuferzellen auf diese Funktionen hinorientiert sind.[3]

Das Herz-Kreislaufsystem ist das erste funktionierende Organsystem des Embryos, in dem bereits Ende der dritten Woche die Zirkulation des Blutes einsetzt und das Herz zu schlagen beginnt. Es begleitet als Organsystem die gesamte Embryonalentwicklung und entwickelt sich bis zuletzt in Resonanz mit diesem Geschehen weiter.

· Ab der Geburt

Den Schlusspunkt erreicht dieser Prozess nach der Geburt, wenn der fetale Kreislauf beendet wird und der an die Lungen und die Außenluft angeschlossene definitive Kreislauf beginnt. Kein Organ kann sich während der embryonalen und fetalen Entwicklung bilden und weiter ausreifen, wenn nicht Blutgefäße dort einwandern, die Wachstumsprozesse stimulieren und die notwendigen Nährstoffe und den Abtransport von Abbauprodukten sicherstellen können.

Fazit:

Dabei erfüllen das Blut- und das Lymphsystem als „flüssige Organsysteme“ folgende  Aufgaben:

  1. Die roten Blutkörperchen agieren zusammen mit den die Blutgefäße auskleidenden Zellen, den Gefäß-Endothelien, als „mobile Sensoren“, die den Sauerstoffbedarf nicht nur in den Lungen, sondern im gesamten Organismus wahrnehmen und dadurch auch die Sauerstoffversorgung der Gewebe bedarfsgerecht regeln können.
  2. Die roten Blutkörperchen dienen dem Sauerstofftransport und der Kohlendioxidaufnahme.
  3. Die Blutflüssigkeit garantiert den Transport und die Verteilung der Nährstoffe.
  4. Die sogenannten weißen Blutzellen (Lymphozyten/20 bis 50% und Leukozyten) stehen im Dienst der Abwehr gegen Viren, Bakterien und Schadstoffe. Sie dienen zusammen mit anderen Barrierefunktionen des Körpers, wie zum Beispiel der Haut, ganz generell dem Schutz vor schädlichen Einflüssen.

Vgl. M. Glöckler (Hrsg.), Th. Hardtmuth, Ch. Hueck, A. Neider (Hrsg.), H. Ramm, B. Ruf, „Corona und das Rätsel der Immunität. Ermutigende Gedanken, wissenschaftliche Einsichten und soziale Ideen zur Überwindung der Corona-Krise“, 2020 Akanthos Akademie e.V., Stuttgart


[1] Vgl. Keith L. Moore; Persaud, T.V.M.; Torchia, Mark G. (Hrsg.): Embryologie. Lehrbuch und Atlas der Entwicklungsgeschichte des Menschen. 3. Aufl. Schattauer, Stuttgart/New York 1990, S.69 ff.

[2]Vgl. Branko Furst: Autonomie der Blutbewegung. Ein neuer Blick auf Herz und Kreislauf. Salumed, Berlin 2020, (Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Heart and Circulation. An integrative Model. Edition 2. Springer Nature, Berlin 2020) S. 42.

[3] Siehe ebenda, S.116/17.

DAS HERZ ALS LEBENS- UND LIEBESQUELLE

Was ist die Aufgabe des Herzens?

Welche Herzensqualitäten gilt es zu entwickeln?

Sprüche mit mantrischem Charakter

„Die Sätze, über die wir meditieren, sind nicht Verstandessätze, die wir bloß begreifen sollen; ich kann nur immer wieder und wieder sagen: es sind Sätze, die leben, und mit denen wir selbst leben sollen, wie wir mit Kindern leben. Auch die Kinder kennen wir ja genau, und dennoch beschäftigen wir uns jeden Tag aufs Neue mit ihnen. So soll es mit unseren Meditationssätzen sein ... Denn nur dadurch wird die Meditation fruchtbar, daß man die zu meditierenden Gedanken auf sich in voller Ruhe einströmen läßt.“ [1]

Sprüche mit mantrischem Charakter gehören zum Fundament des Lebens und des Arbeitens in der anthroposophischen Bewegung und in den durch sie inspirierten Tätigkeitsfeldern und Lebensbereichen. Im Folgenden haben wir aus der Fülle an Hinweisen und Meditationen zum Herzen und zur Herzfunktion einiges zusammengestellt, durch das zugleich auch die Stellung des Herzens deutlich wird als zentraler Ort der Meditation.

Im „Anthroposophischen Seelenkalender“[2] wird das Herz siebenmal angesprochen – allein das ist ein mantrischer Lehrgang zur Weckung und Entwicklung der Herzfunktion im Menschen, beginnend mitten in der Adventszeit, seinen zentralen Einschlag in der Weihnachtsstimmung empfangend und sich in der 1. bis 4. Januar-Woche fortsetzend, um in der Vorosterzeit, 2. bis 8. März, abzuschließen mit der vollbewussten Geburt der Liebefähigkeit im „Menschenherzen“, aus der Macht des Weltendenkens heraus:

„Im Lichte, das aus Weltenhöhen

Der Seele machtvoll fließen will

Erscheine, lösend Seelenrätsel,

Des Weltendenkens Sicherheit

Versammelnd seiner Strahlen Macht                                                 

Im Menschenherzen Liebe weckend.“ [3]

Erwärmung des Herzens als evolutionäre Aufgabe

Die Erwärmung des Herzens ist eine evolutionäre Aufgabe für die jetzige Zeit und die Zukunft. Wenn wir uns dann die „Gebete und Sprüche für Mütter und Kinder“[4] anschauen, die auch in GA 40 zu finden sind, erleben wir einen erstaunlichen Reichtum an Sprüchen, in denen das Herz der Mittelpunkt ist. Von 34 Gebeten und Sprüchen, haben 19 „Herz“.

Das Herz als Lebens- und Liebesquelle spielt aber nicht nur in den Meditationen und Sprüchen, sondern auch in den von Rudolf Steiner gestifteten sozialen Formen der Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft eine zentrale Rolle. Die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft wurden angeregt, sich in ihren Herzen mit der Grundsteinmeditation zu verbinden, ja, diese Meditation „in den Boden ihrer Herzen zu versenken“. Rudolf Steiner knüpft hierbei im Rückblick an die Ur-Weihnacht der Zeitenwende an, um alles anthroposophisch-soziale Bemühen in das Licht und die Nachfolge Christi zu stellen:

„Göttliches Licht,

Christus-Sonne,

Erwärme

Unsere Herzen;

Erleuchte

Unsere Häupter; …“[5]

Von der Hochschule spricht Rudolf Steiner als dem „Herzen der theosophischen (anthroposophischen) Bewegung“[6]. Er betont, dass man hier vereint sein möge in einem Geiste, zu dem Verstand und Intellekt keinen Zugang haben, sondern primär das Herz, „das begreifende und von Weisheit erfüllte Herz, das zugleich auch das liebende Herz ist“[7].

Kultur und Medizin des Herzens

Eine solcherart begründete Kultur des Herzens ist auch der Boden, auf dem die Medizinische Sektion der Freien Hochschule gebaut ist. Die jungen Mediziner entlässt er am Ende der beiden Jungmedizinerkurse mit den Worten:

„Ich hoffe, daß das wieder beigetragen hat dazu, die Bande zwischen Ihren Seelen und dem Goetheanum noch enger, stärker zu machen, und daß Sie fühlen werden, daß schließlich gerade auf einem solchen konkreten Gebiete wie dem der Medizin, das Goetheanum Menschen findet, die in die Welt hinaustragen dasjenige, was hier gefunden werden kann. Sie werden zu einem richtigen Bewußtsein davon kommen, wenn Sie sich auch in Ihrem Fühlen als zum Goetheanum gehörend betrachten, und die Gedanken öfter an dasjenige richten, was vom Goetheanum eigentlich heute für die Welt und Zivilisationsentwickelung gewollt wird. Und so werden die Herzensbande, die Sie schließen können mit dem Goetheanum, etwas sein, was Ihnen gerade als Mediziner in einer tiefen Weise zu der Aufgabe helfen können wird, die Sie sich eigentlich gesetzt haben.“[8]

… dass wir uns gefunden haben in unseren Herzen

In den Meditationen, die Rudolf Steiner gegeben hat, steht das Herz als besonderes Organ, als das „edelste Organ“,[9] als der Einheitsgrund des ganzen Menschen vor uns. Es leuchtet auf als kraftspendendes, Mut spendendes Organ, das seine Kräfte aus dem geistig-seelischen Urquell zur Stärkung und Heilung in den physischen Leib senden kann. Überleiten zu den Meditationen möchten wir mit den Worten, die Rudolf Steiner an die Jugend richtet, am Ende des Jugendkurses. Auffallend ist, dass Rudolf Steiner in den letzten 29 Zeilen das Herz allein zehnmal erwähnt. Hier nur das Ende:

„.... aus diesem Gefühl, aus dieser Empfindung heraus möchte ich heute Ihren Herzen den Abschiedsgruß sagen, indem ich Ihnen zurufe: Nehmen Sie das, was ich in Worte auszusprechen versuchte, so hin, als ob ich vor allem etwas in Ihre Herzen hätte dringen lassen wollen, was in Worten nicht ausgesprochen werden kann. Wenn sich die Herzen nur ein bisschen zusammengefunden haben mit dem, was hier als lebendiger Geist gemeint ist, dann ist, wenigstens zu einem Teile, erfüllt, was wir erreichen wollten, als wir hier zusammenkamen ... Die Hauptsache wird sein, dass wir uns gefunden haben in unseren Herzen. Dann wird auch einfließen das Geistige, das Michaelhafte, in unsere Herzen.“[10]

Vgl. Geleitwort zu „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage, 2014


[1] Rudolf Steiner, An Clara Smits in Düsseldorf. Berlin, 28. Dezember 1903; An Doris und Franz Paulus in Stuttgart. Zürich, 14. April 1904. In: Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914. GA 264, Dornach 1996, S. 51 und 53.

[2] Vgl. Rudolf Steiner, Anthroposophischer Seelenkalender. Das Herz wird hier in der 37., 38., 40., 41., 42., 43. und 48. Woche angesprochen. In: Wahrspruchworte. GA 40, Dornach 1998, S. 41, 42-44, 46.

[3] Ebenda, S. 46.

[4] Rudolf Steiner, Gebete und Sprüche für Mütter und Kinder. In: Wahrspruchworte, GA 40, Dornach 1991, S. 315-345.

[5] Rudolf Steiner, Grundsteinlegung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft am 25. Dezember 1923, 10 Uhr vormittags. In: Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft 1923/1924, GA 260, Dornach 1994, S. 66.

[6] Rudolf Steiner, An Frau Anna Wagner in Lugano, Berlin, 2. Januar 1905. In: Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914, GA 264, Dornach 1996, S. 90.

[7] Rudolf Steiner, Die Mission der theosophischen Bewegung. Vortrag zur Einweihung des Zweiges, Bielefeld, 3. November 1908, GA 264, a.a.O., S. 402.

[8] Rudolf Steiner, Osterkurs. Fünfter Vortrag, Dornach, 25. April 1924. In: Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heilkunst, GA 316. Dornach 2008, S. 223.

[9] Rudolf Steiner, Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge, Band 5, GA 239, Dornach 1985, S. 31.

[10] Rudolf Steiner, Dreizehnter Vortrag, Stuttgart, 15. Oktober 1922. In: Geistige Wirkenskräfte im Zusammenleben von alter und junger Generation. Pädagogischer Jugendkurs, GA 217, Dornach 1988, S. 197.

SCHULUNG DER „SECHS EIGENSCHAFTEN“[1]

Welche Übungen helfen, das Herzchakra auszubilden?

Ausbildung des Herzchakras

Der Schulungsweg der Anthroposophie hat seinen Ursprung und seinen Gipfel in der Ausbildung des Herzchakras, der Herzlotusblume, durch sechs Übungen, die so alltäglich sind, dass Rudolf Steiner sie auch ‚Nebenübungen’ nennt: Ich ersetze jetzt das Wort ‚Kontrolle’ durch ‚Wahrnehmung’:

  1. Nimm mit dem Herzen dein Denken wahr, ob wirklich du es bist, der hier denkt.
  2. Nimm mit dem Herzen deine Handlungsbereitschaft wahr, ob wirklich du es bist, der handeln will.
  3. Nimm mit dem Herzen dein Fühlen wahr, ob du wirklich fühlst, was du fühlen willst, und fühlen willst, was du fühlst.

Nach Vollzug dieser heiligen Dreigliederung ist das Herz an das Denken, Handeln und Fühlen wirklich angeschlossen.

In den drei nächsten Übungen geht es ganz ins Soziale hinein: Es geht als Viertes um Positivität, als Fünftes um Unbefangenheit und als Sechstes um das Ausbalancieren aller Übungen, also um ein inneres Gleichgewicht, mit dem Ziel, sich selbst und seiner Umwelt möglichst frei, offen, direkt, unverstellt, ehrlich und herzlich begegnen zu können.

Im Zentrum des anthroposophischen Schulungsweges steht die Ausbildung der Herzenssprache, der Herzenskultur, der herzlichen Wahrnehmung.

Vgl. Vortrag „Vom Wesen der Heileurythmie als Herzorgan der Anthroposophischen Medizin“, 1. Weltkonferenz für Heileurythmie am Goetheanum, 30. Mai 2008


[1] Vergl. auch Rudolf Steiner, GA 10, Kap. „Über einige Wirkungen der Einweihung“.

NEBENÜBUNGEN FÜR DIE CHARAKTERSCHULUNG

Wie lauten die sogenannten sechs Nebenübungen?

Welche Wirkung haben sie?

Übungskanon für die seelische und geistige Entwicklung

Rudolf Steiner hat in seinem Selbsterziehungsbuch mit dem Titel „Wie erlangt man Erkenntnisse der Höheren Welten?“[1] einen ganzen Übungskanon für die seelische und geistige Entwicklung aufgestellt. Besonders lohnend sind ganz elementare Grundübungen, die „die sechs Nebenübungen“ genannt werden. Steiner sagt über sie, dass sie der menschlichen Persönlichkeit Stärke und Sicherheit mit auf den Weg geben können. Man kann sich z.B. für jede dieser Übungen ein bis zwei Monate Zeit nehmen und damit arbeiten, bis man etwas vertraut damit geworden ist, bevor man zur nächsten übergeht. Dabei empfiehlt es sich, diese Übungen in den Tagesrückblick am Abend zu integrieren und sich die Frage vorzulegen, wie es einem mit der Übung ging, worauf man am nächsten Tag achten möchte etc.

1. Folgerichtigkeit im Gedankenleben („Gedankenkontrolle“)

Man fragt sich:

Wodurch wird mein Denken gelenkt?

Bin ich es wirklich selber, der denkt?

Was veranlasst mich, bestimmte Gedanken zu haben?

War wirklich ich es, die/der gedacht hat, oder habe ich nur jede Menge Informationen aufgenommen, ohne einen einzigen selbstständigen Gedanken daran zu knüpfen?

Bewusstes Meditieren bedeutet ja in erster Linie selbst zu denken, geistig authentisch zu werden, sich wirklich selbst auf den Weg zu machen. Christian Morgenstern drückte es in einem seiner Gedichte so aus: „Die zur Wahrheit wandern, wandern allein...“

Jeder kommt aus ganz eigenen Lebenszusammenhängen und Erfahrungen, hat seine eigene Biografie, seine eigene Art, wie er denken und sprechen gelernt hat. Auf dem eigenen Weg zur Wahrheit hinzufinden, macht den Menschen besonders und authentisch – aber es vereinzelt ihn auch, lässt ihn „allein wandern“.

Wenn sich aber viele auf den Weg zu sich selbst, zur Wahrheit machen, begegnen sie sich in dieser Wahrheitssuche und bilden zunehmend geistige Gemeinschaften. Das ist das Schönste und Kostbarste, was man erleben kann: die Liebe und Hinwendung zu einem anderen Menschen in der reinsten, der selbstlosesten Form – entzündet und genährt von dem echten Interesse an der Wahrheit, an dem, was wirklich ist. Diese Verbundenheit im Geist der Wahrheitssuche ist das Gegenteil der Abhängigkeit von einer Gruppe und ihren Meinungen.

Durch die erste der genannten Nebenübungen soll der Mensch unterscheiden lernen, ob er selbst denkt oder sich einer gängigen Meinung nur anschließt. Und insbesondere, ob er die dem Denken selber innewohnende Folgerichtigkeit und Logik entdecken und handhaben lernt.

2. Autonomie und Folgerichtigkeit im Handeln („Handlungskontrolle“)

Hier gilt es, sich zu fragen:

Wer bestimmt mein Handeln?

Bin ich in meinem stark außengesteuerten Leben, in dem ich von Verpflichtung zu Verpflichtung haste und kaum noch Spielraum habe für Eigenes, dennoch Herr meiner Handlungen?

Wenn nicht, wer bestimmt sie?

Wenn jemand z.B. einer solchen Außensteuerung unterworfen ist, kann man sich fragen:

Wie muss ich es angreifen, dass es mich nicht überfordert?

Was kann ich vielleicht doch abgeben oder ändern?

Und: Kann ich Motive finden, durch die die mir vielleicht nicht wesentlich erscheinenden, aber aufreibenden Tätigkeiten mir wichtig werden, meine „eigenen“, selbstgewollten werden?

Als einmal ein Zen-Meister gefragt wurde – Wie kannst Du so viel leisten? Warum brauchst Du so wenig Schlaf? So wenig Nahrung? –, antwortete er: Das liegt daran: „Wenn ich liege, liege ich, wenn ich sitze, sitze ich, wenn ich stehe, stehe ich und wenn ich gehe, gehe ich.“ Wenn ich es selber bin, der handelt, wenn ich mich identifizieren kann – dann sind die Handlungen unter meiner Führung und ich bin es, der sie verantwortet.

3. Motivation und/oder die „Kontrolle der Gefühle“,

Als Kinderärztin, die jahrelang viele Kinder und Familien betreute, wurde ich einmal von einer Hausfrau und Mutter gefragt, ob ich ihr nicht einen Rat geben könnte in Bezug auf die leidige Hausarbeit, die für sie zu einer tödlichen Routine geworden wäre. Sie hätte nicht das Geld, diese Arbeiten an jemand anderen abzugeben und müsste sie deshalb selbst erledigen, würde aber viel lieber etwas anderes machen.

Ich riet ihr, sich zu überlegen, welche spezifisch menschlichen Qualitäten und Charaktereigenschaften sie sich erwerben würde, wenn sie sich vornähme, drei Jahre lang so gut und liebevoll, wie sie könnte, diese ungeliebte Arbeit zu erledigen. Denn beim Reinigen, Ordnen und Sorgen für Nahrung und Kleidung geht es nicht nur um archetypische Tätigkeiten zum Erhalt des Lebens, sondern auch um Urbilder zentraler Seelenübungen: um Reinigung/Läuterung/Katharsis, um die Fähigkeiten sich zu sammeln, innerlich Ordnung zu schaffen, über die eigenen Bedürfnisse hinaussehen zu können, sich für andere einzusetzen etc.

Ich riet ihr außerdem, die Situation nach drei Jahren neu anzuschauen und Bilanz zu ziehen, wie diese Übung sich auf die Entwicklung der Beteiligten ausgewirkt hat und inwieweit sich die genannten Qualitäten entwickeln konnten.

Wenn Sie eine solche Anregung aufgreifen, wird es Ihnen wahrscheinlich gehen wie dieser Frau:

  • Sie werden viel weniger Zeit brauchen für dieselbe Arbeit.
  • Sie werden sich in einen fröhlicheren Menschen verwandeln, weil sie wissen, warum Sie tun, was Sie tun.
  • Sie werden sich nach der Arbeit nicht erschöpft fühlen, sondern gekräftigt.

Ihr ganzes Leben wird eine andere Qualität bekommen, weil das, was Sie denken und das, was Sie tun, plötzlich übereinstimmen.

Der größte Krafträuber ist unser Gespalten-Sein, wenn wir das eine denken und das andere tun. Dann erkaltet das Gefühlsleben und neigt zu Selbstmitleid und Sentimentalität.

Wir können uns bei dieser Übung immer wieder folgende Fragen stellen:

Beherrsche ich meine Stimmungen?

Kann ich mich selbst „stimmen“?

Kann ich bestimmen, wie ich auf andere zugehe? Wie ich durch den Tag gehe?

Agiere ich oder reagiere ich in meinem Gefühl?

Man kann sich dadurch selbst ganz neu als „Unternehmer“ im eigenen Seelenleben entdecken. Das kann total Spaß machen.

Es gibt noch drei weitere Übungen, die die sozialen Fähigkeiten schulen.

4. Positivität oder die Fähigkeit aktiver Toleranz

Die vierte Übung ist eine echte Gesundungsübung. Es geht bei dieser Übung darum, zu merken, dass alles, was man tut, zwei Seiten hat. Denn es gibt nichts, was nicht zwei Seiten hätte. Wenn einem die negative Seite einer Sache sofort ins Auge springt, muss man die positive bewusst suchen. Umgekehrt, wenn einem das Positive sofort auffällt – das kommt ja manchmal auch vor –, ist es wichtig, sich den Schatten, die andere Seite davon, ebenfalls anzuschauen.

Wenn jemand z.B. eine Weiterbildung besucht, so ist dies positiv – es gibt jedoch sicher Menschen, die in dieser Zeit auf uns verzichten oder die uns vertreten müssen. Leben, Gesundheit und Mitmenschlichkeit werden gefördert, wenn wir lernen, immer auch das Positive zu sehen und es dadurch zu verstärken und so daran zu arbeiten, dass die Wirkung des Negativen abnimmt. Wir haben die Möglichkeit, am Schmerz zu erwachen, um es besser machen zu können und uns vom Positiven, von der Freude, Kraft geben zu lassen.

5. Unbefangenheit – oder das Vertrauen in die Welt, in der wir leben

Die fünfte Übung ist die „Anti-Vorurteilsübung“. Auch wenn ich genau zu wissen meine, was mein Gegenüber sagen will, versuche ich geistesgegenwärtig zu bleiben und mich nicht von meinen vergangenen Erfahrungen und Erlebnissen beeinflussen zu lassen. Ich öffne mich, schaue den anderen an und selbst wenn er wirklich sagt, was ich erwartet habe, kann ich auf Folgendes achten:

Wie hat er es gesagt?

Habe ich diesmal die Möglichkeit, noch einmal nachzufragen, damit er merkt, dass ich wirklich verstehen will, warum er gewisse Dinge ständig wiederholt?

An diesem Punkt verändert sich etwas in der Beziehung. Vielleicht werden dadurch andere Entwicklungen möglich. Die Übung der Unbefangenheit gibt einer Beziehung neue Chancen und setzt neue Entwicklungsakzente. Durch diese Übung werden aber auch Sicherheiten, Bewährtes, zur Disposition gestellt.

Grundsätzlich gilt: Je tiefer mein Vertrauen in das Leben, die Entwicklung und „die Welt“, umso unbefangener kann ich sein, umso offener, neue Erfahrungen zu machen.

6. Auf das Gleichgewicht unter diesen neuen Fähigkeiten achten

Die sechste Übung besteht darin, die fünf anderen Übungen situationsabhängig beherrschen und anwenden zu lernen. Das ist nochmals eine eigene Kunst, ist Lebenskunst: Das tun, was der Augenblick erfordert. Was das ist, kann ich vorher gar nicht wissen. Ob es das Richtige war, weiß ich meist erst hinterher. Auch ist es wichtig, dass sich nicht eine der neuen Fähigkeiten auf Kosten der anderen entwickelt.

Vgl. Vortrag „Gesundheit und Lebensfreude im Alltag“, 25.11.2007


[1] Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, GA 10.

ICH DENKE AN MEIN HERZ

Inwiefern ist das Herz die Schwelle zwischen sinnlicher und über­sinn­licher Welt?

Welche Verbindung hat es zum ewigen Selbst?

Worin zeigt sich die Herzenstragekraft?

Die Schwelle im Herzen

Die Besinnung auf das körperliche, seelische und geistige Herzerleben kann deutlich machen, dass im Herzen die geheimnisvolle Schwelle zwischen der physisch-sinnlichen und der über­sinn­lichen Welt zu finden ist. Das zeigt insbesondere die im Folgenden vorgestellte Herzmeditation.[1] Auch wenn man sich noch wenig oder gar nicht mit dem Thema Meditation beschäftigt hat, spürt man ihre orientierende Kraft und Wirksamkeit unmittelbar. Sie stammt aus einem der Notizbücher Rudolf Steiners:

Ich denke an mein Herz

Es belebet mich

Es erwärmet mich

Ich vertraue fest

Auf das ewige Selbst

Das in mir wirket

Das mich trägt.

Wer beginnt, mit dieser Wortmeditation zu arbeiten, merkt schnell, dass das Wort „Ich“ nicht zufälligerweise am Anfang steht. Doch nicht nur das, es wird auch unmittelbar an die Tätigkeit des Denkens appelliert. Wer an sein eigenes Herz denkt und sich klar macht, wie dieses treue Organ von der vierten Woche der Embryonalentwicklung an schlägt und uns dann durch unseren gesamten körperlich-seelisch-geistigen Werde-Prozess hindurch be­gleitet – durch Embryonalentwicklung, Geburt, Kindheit, Jugend, Alter bis hin zum Sterbe-Moment –, kann nicht anders, als eine gewisse Rührung zu empfinden über dieses rastlose Tätig-Sein, mit dem unser Herz uns in jeder Lebenslage beisteht: Es schlägt an den Höhepunkten unseres Lebens ebenso treu, wie in Zeiten der Verzweiflung an unseren Lebens-Tiefpunkten.

In den nächsten zwei Zeilen der Meditation werden wir an die zentrale Aufgabe der Herztätigkeit erinnert: die belebende Kreislauftätigkeit aufrechtzu­erhalten, um insbeson­dere über die Durchblutung aller Organe bis hin zu Peripherie, zu den Fingern und Fußspitzen, für die notwendige Durchwärmung des Körpers zu sorgen.

Quelle allen Vertrauens

Die erste der vier Zeilen, die dann folgen, beginnt wieder mit dem Wort „Ich“ – doch jetzt wird das Ich auf die Quelle allen Vertrauens verwiesen: das Vertrauen in ein ewiges Selbst. Das griechische Wort „Pistis“, das im Evangelium des Neuen Testaments mit „Glaube“ übersetzt wird, heißt beides: Glaube und Vertrauen. Während uns das Wort Glaube mehr an die menschliche Willenskraft erinnert, da ein gläubiger Mensch sich in einem bestimmten Augenblick seines Lebens zum Glauben entschieden hat, verweist das Wort Vertrauen mehr auf Gefühl und Denken. Denn wer nicht vertraut, hat Zweifel an der Glaubwürdigkeit des anderen oder hat ein unsicheres oder gar gemischtes Gefühl, das ihn abhält Vertrauen zu fassen. In der Formulierung „Ich vertraue fest“ kommen diese beiden Qualitäten des Glaubens und Vertrauens zusammen. Die Festigkeit des vom Willen ­gestützten Glaubens verbindet sich mit dem zukunftsoffenen Gefühl der Hoffnung und der Bereitschaft zu vertrauen.

Ob und in welcher Form es ein ewiges Selbst gibt, das mit unserem vergänglichen, körperlichen Selbst in Verbindung steht, gehört zu den zentralen Fragen menschlicher Selbsterkenntnis. Dieser Frage sind die beiden letzten Zeilen dieser Herzmeditation gewidmet. Was in mir wirkt und mich durch das Leben trägt, ist der Rhythmus des eigenen Herzens.

Herzenstragekraft

Diese Meditation kann aber auch der Besinnung auf den Ort der Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedanken-, Gefühls- und Willenskräfte dienen. Der Tragekraft der Mitte, der Tatsache, dass wir geistig-seelisch aus der Herzmitte geboren und getragen sind, kann man sich anhand von folgenden Überlegungen bewusst machen: Wir sind die Inkarnation dieser Geisteskräfte, auch Wesensglieder genannt. Sie bilden in einem ersten Schritt den Leib und tragen uns, leibfrei geworden, durch die Pforte des Herzens in die Welt unseres eigenen Denkens, Fühlens und Wollens.

Im Tode wird schließlich der ganze Leib zum Herzen, alle Kräfte verlassen ihn und der Leib zerfällt. Die seelisch-geistigen Kräfte unseres ewigen Selbst machen im nachtodlichen Leben weitere Metamorphosen durch, um die Leibbildung für das nächste Erdenleben vorzubereiten. Dabei ist die Herzenstragekraft führend. Und genau diese Tragekraft des Herzens ist auch das Fundament von Pädagogik und Medizin.

Vgl. „Herzmeditation“, in: „Meditation in der Anthroposophischen Medizin“, 1. Kap., Berlin 2016 sowie „Raphael und die Mysterien von Krankheit und Heilung“, Medizinische Sektion am Goetheanum 2015


[1] Rudolf Steiner, Mantrische Sprüche. Seelenübungen II, GA 268. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1999a, S. 181.

HERZ, ICH UND KARMA

Wie hängen Herz, Kosmos und Karma zusammen?

Der Kosmos im Herzen

„Von der Geschlechtsreife an schaltet sich auf dem Umwege durch den Astralleib die gesamte menschliche Tätigkeit in das Ätherherz ein, in dasjenige Organ, das aus den Abbildern der Sterne, aus den Abbildern des Kosmos geworden ist ... wenn Sie dieses alles betrachten, dann haben Sie den Zusammenschluß dessen, was der Mensch in der Welt tut, mit dem Kosmischen. Im Herzen haben Sie, insofern die ätherische Welt in Betracht kommt, einen zusamengezogenen Kosmos ... Das Ich folgt immer mehr und mehr, innig verbunden mit dem Blutkreislauf, dem Wege dieses Blutkreislaufes. So daß wiederum auf dem Umwege durch diese mit dem Blutkreislaufe laufenden Ich-Kräfte das Ich eingreift in dasjenige, was aus dem Zusammenschluß des ätherischen und des astralischen Herzens gebildet worden ist ...“[1]

Der astralische Leib versammelt in sich nach und nach alles, was wir hier in unserem Erdenleben getan haben. Da sich aber auch das Ich mit allem verbindet, schreiben sich ihm ebenfalls die Absichten und Ideen ein, aus denen der Mensch seine Handlungen vollzieht. Hier erleben wir den Zusammenschluss von menschlichem Karma mit den Gesetzmäßigkeiten des Kosmos.[2]

Das Ich ist in allen Wärmeprozessen zu Hause, in die es unmittelbar eingreift. Bei allen wie auch immer gearteten Erwärmungsprozessen berühren sich das Geistig-Seelische und das Organische im Menschen, die Wärme erfasst und durchdringt den ganzen Menschen. Greift die Wärme des Organismus auf das Geistig-Seelische über, dann verwandelt sie sich in die innere Wärme des Mitgefühls und Interesses für die Mitmenschen.

Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014


[1] Rudolf Steiner, Sechster Vortrag, Dornach, 26. Mai 1922. In: Menschliches Seelenleben und Geistesstreben im Zusammenhange mit Welt- und Erdentwickelung, GA 212, Dornach 1998, S. 123-125.

[2] Vgl. ebenda, S. 126.

HERZENSWÄRME, LIEBE UND CHRISTUSGEGENWART

Inwiefern hat das Herz Sonnenqualität?

Sonnenbegabtes Herz

Das Herz wird auch dargestellt als sonnenbegabt und daher von Christus durchdrungen und (physisch durch die Blutzirkulation) auch als ich-begabt. Was die Sonne für den Makrokosmos ist, ist das Herz für den Menschen, den Mikrokosmos. Die Kraft der Sonne ist von moralisch-religiöser Impuls-Substanz. – „... in unser Herz sind zunächst rein moralisch-religiöse Kräfte hineingeheimnist.“[1] Wie die Sonne alles Sein hier auf der Erde belebt, so belebt das Herzsystem, das die kosmisch-planetarischen Rhythmen in Blutzirkulation und Atmungsprozess spiegelt, den Menschen. Das Herz ist das wunderbare Organ, das den Geist – den Sonnengeist – in menschliche Liebe und Wärme verwandelt und daher auch die Gewissensstimme in den Tiefen erlauschen kann. Die Sonnenwärme sammelt sich im Herzen und wird von da aus in den ganzen Menschen geschickt.

Strahlende Menschenliebe,

Wärmender Sonnenglanz,

Ihr Seelenkleider Christi.[2]

Das göttliche Wort im Menschen wird vom Herzen vermittelt:

„Es hört der Mensch das Schöpfungswort“.[3]

Und:

Am Anfang war das Wort

Und das Wort war bei Gott

Und Gott war das Wort

Und das Wort wohnt in meinem Herzen.[4]

Im Urbeginn war das Wort

Und das Wort war bei Gott

So sei das Wort in mir

Und meine Seele bei dem Worte.[5]

Im Herzen ist der Mensch mit dem tiefsten Quell seines Wesens verbunden. Viele Meditationen sprechen von Wärme, von dem Durchdrungen-Sein mit Liebe – ein Zustand, den wir im täglichen Leben hauptsächlich mit dem Herzen verbinden.

Wärme der Sonne

Sammle ich im Herzen

Und lasse sie strömen

Durch alle Glieder.[6]

Das Herz ist ein Wärme- und Liebesquell. Das ist auch für das ganze soziale Leben von zentraler Bedeutung, da es nur zu oft von Lieblosigkeit und Kälte geprägt ist. Liebe öffnet die Herzen der Mitmenschen: „Ein jedes Wesen, dem du deine Liebe schenkst, eröffnet dir sein Wesen, denn Lieblosigkeit ist ein Schleier, der sich vor die Dinge der Welt legt und sie verhüllt. – So viel du Liebe ausströmst, so viel Erkenntnis strömt dir zu.“[7]

Diese „Seelenkleider Christi“ sind die Qualitäten, die das Herz als Heilkraft auch in den physischen Körper schickt.

Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014


[1] Rudolf Steiner, Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge, Band 5, GA 239, Dornach 1985, S. 32.

[2] Rudolf Steiner, Mantrische Sprüche, Seelenübungen II, GA 268, Dornach 1999, S. 194.

[3] Rudolf Steiner, Für Willy Conrad, Köln, 29. Dezember 1912. In: Wahrspruchworte, GA 40, Dornach 1986, S. 269.

[4] Meditation KG IV. Fall Nr. 89 (von Hilma Walter mitgeteilte Meditation). In: Meditative Anweisungen und Texte für Patienten von Rudolf Steiner. Zusammengestellt für Ärzte. Ärztekollegium, Verein Klinisch-Therapeutisches Institut, Ita Wegman Klinik (Hrsg.). Selbstverlag. Arlesheim 1997.

[5] Rudolf Steiner, Seelenruhe. In: Seelenübungen I, GA 267, Dornach 2001, S. 255.

[6] Meditation A 7 (von Margarete Kirchner-Bockholt mitgeteilte Meditation). In: Meditative Anweisungen und Texte für Patienten von Rudolf Steiner. Zusammengestellt für Ärzte. Ärztekollegium, Verein Klinisch-Therapeutisches Institut, Ita Wegman Klinik (Hrsg.). Selbstverlag. Arlesheim 1997.

[7] Rudolf Steiner, An Clara Smits in Düsseldorf. Berlin, 28. Dezember 1903. In: Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914, GA 264, Dornach 1996, S. 50.

DAS SONNENHERZ

Wie hängen Herz und Sonne zusammen?

Wie wird unser Herz zu einem Sonnenherzen?

Zusammenhang von Herz und Sonne

Rudolf Steiner bezeichnet Wahrheit als Sonnenlicht fürs Herz:

Der Sonne Licht kräftigt der Erde Schöpfung.

Der Wahrheit Sonnenlicht kräftigt das Menschenherz.[1]

Wenn das Wort, der Logos, unser Herz erfüllt, wird es zum Sonnenherzen. Daher ist es nötig, die Grundstimmung der inneren Verehrung und Devotion gegenüber der Wahrheit und Erkenntnis zu erwecken.[2] Es geht darum zu lernen, das Wissen mit dem Herzen zu achten. Denn wahre Devotion entwickelt in uns eine Kraft,[3] die auf das Gedankenleben wirkt und dieses dahingehend stärkt, dass es sich lösen kann vom Bereich des Kopfes bzw. Gehirns. Das Herz, verbunden mit dem Sonnenlicht, ist erfüllt mit leuchtender Gedankenmacht. „Licht durchleuchte meine Seele in meinem Herzen.“[4] „Die Herzen beginnen Gedanken zu haben.“[5] Und: Michael „befreit die Gedanken aus dem Bereich des Kopfes; er macht ihnen den Weg zum Herzen frei.“[6]

Das Herz muss immer mitdenken, wenn wir als ganzer Mensch in der Welt sein wollen. Wir sollen nicht bloß abstrakt in die Welt hineindenken. „Um das Kopfwissen in Herzenswissen umzuwandeln, brauchen wir viel länger, als um uns das Kopfwissen anzueignen“.[7]

Und darum geht es in der Zukunft immer mehr: das Kopfwissen in Herzwissen umzuwandeln. In diesem Sinne plädiert Rudolf Steiner dafür, dass man in der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft vereint sein möge in einem Geiste, zu dem Verstand und Intellekt keinen Zugang haben, sondern primär das Herz, „das begreifende und von Weisheit erfüllte Herz, das zugleich auch das liebende Herz ist“[8].

Vgl. „Meditationen zur Herztätigkeit“, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage 2014


[1] Rudolf Steiner, Für Hedda Hummel, In: Wahrspruchworte, GA 40, Dornach 1986, S. 278.

[2] Vgl. Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, GA 10, Dornach 1992, S. 19.

[3] Vgl. ebenda, S. 20.

[4] Meditation Dg 6 (von Friedrich Husemann mitgeteilte Meditation). In: Meditative Anweisungen und Texte für Patienten von Rudolf Steiner. Zusammengestellt für Ärzte. Ärztekollegium, Verein Klinisch-Therapeutisches Institut, Ita Wegman Klinik (Hrsg.). Selbstverlag. Arlesheim 1997.

[5] Rudolf Steiner, Im Anbruch des Michael-Zeitalters. In: Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie, Das Michael-Mysterium. GA 26. Dornach 1998, S. 62.

[6] Ebenda.

[7] Rudolf Steiner, Dreizehnter Vortrag, Dornach, 12. Januar 1918. In: Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung, GA 180, S. 236.

[8] Rudolf Steiner, Die Mission der theosophischen Bewegung. Vortrag zur Einweihung des Zweiges, Bielefeld, 3. November 1908, GA 264, a.a.O., S. 402.