Zur "Erweiterung der Heilkunst" – von Michaela Glöckler: Unterschied zwischen den Versionen

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[2] Zu Rudolf Steiners Verständnis der Anthroposophischen Medizin als einer im Gegensatz zur Schulmedizin, wahrhaft rationellen‘ Heilkunst siehe auch das Vorwort der ''„Erweiterten Heilkunst“''. Elemente für eine echte Ratio zusammenzutragen, wie sich aus der Diagnose die Therapie ergibt, war bereits Hauptanliegen im ersten Kursus für Mediziner im Jahr 1920 gewesen: Vgl. Steiners ''„Geisteswissenschaft und Medizin“'', GA 312.
[2] Zu Rudolf Steiners Verständnis der Anthroposophischen Medizin als einer im Gegensatz zur Schulmedizin, wahrhaft rationellen‘ Heilkunst siehe auch das Vorwort der ''„Erweiterten Heilkunst“''. Elemente für eine echte Ratio zusammenzutragen, wie sich aus der Diagnose die Therapie ergibt, war bereits Hauptanliegen im ersten Kursus für Mediziner im Jahr 1920 gewesen: Vgl. Steiners ''„Geisteswissenschaft und Medizin“'', GA 312.
== DIE KAPITEL I–VII: GRUNDLAGEN ZUM VERSTÄNDNIS DER GESUNDHEIT[1] ==
''Was zeichnet den gesundheitswissenschaftlichen Ansatz der Anthroposophischen Medizin aus?''
''Wie unterscheidet er sich von dem pathogenetischen Ansatz der naturwissenschaftlich basierten Schulmedizin?''
''Welche Reformen wünschte Rudolf Steiner bereits zu seinen Lebzeiten?''
=== ''Zukunftsweisender gesundheitswissenschaftlicher Ansatz der AM'' ===
Kapitel I–VII umfassen den gesundheitswissenschaftlichen Ansatz der Anthroposophischen Medizin. Unter ‚Volksgesundheit‘ verstand man am Anfang des 20. Jahrhunderts im Wesentlichen hygienische Maßnahmen, genügend Schlaf, gesunde Ernährung und Lebensführung.[2] Noch heute stellen Medizinstudenten und Ärzte immer wieder erstaunt fest, wie wenig sie darüber hinaus während ihres Studiums über die Entstehung von Gesundheit erfahren haben im Gegensatz zur Aufklärung über Krankheitsentstehung, d.h. Pathogenese.
Der pathogenetische Ansatz der naturwissenschaftlich basierten Medizin bzw. Schulmedizin hat gegenwärtig mit der molekulargenetischen Steuerungsebene eine gewisse Kulmination erreicht, die in Zukunft mithilfe der Digitalisierung noch weiter optimiert werden wird. Parallel zu dieser Entwicklung hat aber auch die Wissenschaft von den Nebenwirkungen der pathogenetisch fokussierten Therapie zugenommen.[3] Daher wird von naturwissenschaftlicher Seite argumentiert, dass ein Arzneimittel, das keinerlei Nebenwirkungen hat, auch nicht wirksam sein kann. Und alles Bestreben geht dahin, Nebenwirkungen bestmöglich zu minimieren bzw. durch den Einsatz anderer Arzneimittel zu kompensieren.
Diesem pathogenetisch orientierten Ansatz steht der gesundheitswissenschaftlich-salutogenetische gegenüber. Dieser hat seine Entwicklung und Kulmination noch vor sich. Er etabliert sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erst langsam in der akademischen Welt. Es ist jedoch zu hoffen, dass er dennoch in nicht allzu ferner Zeit die Mitte der Gesellschaft erreichen wird.
=== ''Paradigmenwechsel als politische und wirtschaftliche Herausforderung'' ===
Denn der Paradigmenwechsel der Umorientierung von der Verhütung von Krankheit zur Förderung von Gesundheit ist zwar proklamiert – ihn lebenspraktisch zu machen ist und bleibt aber die noch bestehende große soziale und politische und nicht zuletzt wirtschaftliche Herausforderung. Denn:
''Wie kann man an der Gesundheit verdienen?''
''Wer macht dafür Lobbyarbeit?''
''Und: Was braucht es alles zur auch gedanklich-konzeptionellen Neuausrichtung und Umstrukturierung der Ausbildung für die Gesundheitsberufe, insbesondere der Ärzteschaft?''
''„Wie weit man davon noch entfernt ist, hat auch das weltweit durchgreifende Corona-Pandemie-Management gezeigt, das ausschließlich pathogenetisch orientiert war. Salutogenetisch orientierte Auffassungen bezüglich Erkrankungsrisiken, Prävention und Therapie wurden auch in der medialen Berichterstattung konsequent ausgeblendet oder sogar lächerlich gemacht und bekämpft. Dabei konnten nicht zuletzt auch die anthroposophischen Krankenhäuser auf ihren Intensivstationen dank ihres integrativmedizinischen Vorgehens'' ''auch bei Schwerkranken erstaunlich gute Behandlungsergebnisse aufzeigen.“[4]''
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die fortschrittliche Medizin ebenso pathogenetisch orientiert, wie es der heutige Mainstream der Medizin immer noch ist. Im Mittelpunkt stand das neue Paradigma einer modernen Zellularpathologie, mit der Aussicht, immer mehr pathologische Prozesse diagnostisch bis auf die molekulare Ebene im Zellstoffwechsel zu erforschen.[5]
=== ''Rudolf Steiners Ruf nach Reformen in der Medizin'' ===
Demgegenüber eröffnete Steiner seinen ersten Kurs für Anthroposophische Medizin 1920 mit den Worten: ''„[…] es ist ja ziemlich selbstverständlich, daß von dem, was Sie wahrscheinlich alle erwarten von der Zukunft des medizinischen Lebens, nur ein sehr geringer Teil in diesem Kursus wird angedeutet werden können, denn Sie alle werden ja mit mir darinnen übereinstimmen, daß ein wirkliches, zukunftssicheres Arbeiten auf dem medizinischen Felde von einer Reform des medizinischen Studiums als solchem abhängt.''
''Man kann nicht mit dem, was man in einem Kursus mitteilen kann, eine solche Reform des medizinischen Studiums auch nur im Entferntesten anregen, höchstens in der Weise, daß in einer Anzahl von Menschen der Drang entsteht, mitzutun bei einer solchen Reform. […] Dasjenige, was in diesen Vorträgen beigebracht werden soll, das möchte ich erreichen dadurch, daß ich in einer Art von Programm verteile das zu Betrachtende in der folgenden Weise: Erstens möchte ich Ihnen geben einiges, das hinweist auf die Hindernisse, die im heutigen gebräuchlichen Studium bestehen gegen eine wirklich sachgemäße Erfassung des Krankheitswesens als solchem. Zweitens möchte ich dann andeuten, in welcher Richtung eine Erkenntnis des Menschen zu suchen ist, die eine wirkliche Grundlage für das medizinische Arbeiten abgeben kann. Drittens möchte ich auf die Möglichkeiten eines rationellen Heilwesens hinweisen durch die Erkenntnis der Beziehungen des Menschen zur übrigen Welt.“[6]''
Als viertes wünschte er sich Fragen aus dem Teilnehmerkreis, weil er seine Ausführungen ganz nach den Bedürfnissen der anwesenden Fachleute und Studierenden richten wollte.[7]
=== ''Entwicklung von ganzheitlichen Therapieformen'' ===
Seither haben sich auch andere an der ‚Ganzheit Mensch‘ und einem neuen Gesundheits- bzw. Krankheitsverständnis orientierte Therapieformen entwickelt – insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg. Beispielhaft seien
* die '''Gestalttherapie'''[8] genannt,
* ''Viktor Frankls (1905–1997)'' '''Logotherapie'''[9]
* und die '''humanistische Psychotherapie.'''
Die Kapitel I bis VII zeigen den methodischen Ansatz für einen solchen Paradigmenwechsel aus anthroposophischer Perspektive auf.
''Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[10]''
----[1] Hierbei handelt es sich um Kapitel aus dem Grundlagenwerk von Rudolf Steiner und Ita Wegman, ''Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst,'' GA 27.
[2] Siehe z. B. Steurer-Stuttgart (1919), Fuchs-Wolfring (1912), Dennig (1919).
[3] Vgl. Ammon (2001); Stolze (2014).
[4] Vgl. COVID-19: www.anthromedics.org/PRA-0939-DE; [6.1.2025].
[5] Vgl. Schipperges (1985).
[6] Rudolf Steiner, ''Geisteswissenschaft und Medizin,'' GA 312, S. 13.
[7] Ebenda, S. 14.
[8] Vgl. Boeckh (2015).
[9] Vgl. Frankl (2005).
[10] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

Version vom 15. Dezember 2025, 17:28 Uhr

Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/

DIE THEMENSCHWERPUNKTE VON „GRUNDLEGENDES FÜR EINE ERWEITERUNG DER HEILKUNST“

Wie ist dieses Grundlagenwerk der Anthroposophischen Medizin[1] aufgebaut?

Zur inneren Gliederung des Werkes

Das Buch hat vier thematische Schwerpunkte:

  1. Mensch und Makrokosmos – Kap. 1 bis 7
  2. Ursachen für Stoffwechselerkrankungen – Kap. 8 bis 12
  3. Therapie-Kapitel – Kap. 13 bis 18
  4. Wirkprinzipien von Arzneimitteln und Heileurythmie – Kap. 19 bis 21

In aller Kürze kann man sagen:

In den Kapiteln 1 bis 18 wird das „medizinische System“ skizziert, das als Grundlage einer „rationellen Diagnostik und Therapie“ dienen möchte.[2]

Die beiden Schlusskapitel geben dann Einblick in die Praxis und zeigen, wie sich naturwissenschaftliche Medizin und das medizinische System der Anthroposophie gegenseitig ergänzen und inspirieren können.

Ad1. Mensch und Makrokosmos – Kap. 1 bis 7

Hier werden die Grundlagen zum Verständnis der Gesundheit erörtert. Es wird das viergliedrige Menschenbild eingeführt in Form von vier regulierenden, ordnenden Kraftsystemen, die in ihrem Zusammenwirken die – funktionell dreigliedrige – menschliche Konstitution bilden. Auch wird das Verhältnis des gesunden Mikrokosmos Mensch zum Makrokosmos herausgearbeitet.

In den ersten fünf Kapiteln werden darüber hinaus die Grundlagen für ein spirituelles Substanz-Verständnis gelegt.

Im ersten Kapitel wird das Geheimnis des Merkurstabs enthüllt, indem auf die Bedeutung der Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedankenkräfte eingegangen wird.

Im zweiten Kapitel wird eingehend erläutert, wie Krankheit dadurch entstehen kann, dass der Mensch zwar geistig seelisch tätig ist, aber in Einseitigkeit und Irrtum verfällt.

Im dritten bis fünften Kapitel werden die mikrokosmische und makrokosmische Natur der menschlichen Wesensglieder und ihrer spezifischen Kräftekonfigurationen eingeführt. Es wird aber auch in zu Herzen gehender Weise geschildert, welchen Opfergang und welches Schicksal die Welt der irdisch gewordenen Substanzen dabei erfährt. Und wie dieser Opfergang der Substanzen seine Erlösung und Erfüllung findet, wenn die Substanz im Menschen „geisttragend“ werden kann. Wenn „geistgetragene Menschenseelen“ diesem Opfer zum Segen werden.

Im sechsten Kapitel wird dann das embryonale Bildegeschehen des menschlichen Körpers so dargestellt, dass man die physiologischen Prozesse des Wesensgliederwirkens denken lernen und sich für die verschiedenen Organbildungen anschaulich machen kann.

Im siebten Kapitel wird der entwicklungsoffene, in sich nicht abgeschlossene gesunde Gesamtorganismus geschildert und daran das Prinzip der Selbstkränkung und das Wesen der Selbstheilungskräfte verdeutlicht.

Ad 2. Ursachen für Stoffwechselerkrankungen – Kap. 8 bis 12

Die Kapitel acht bis zwölf behandeln die fünf Hauptursachen pathologischer Prozesse. Sie beschreiben die fünf zentralen Ursachen der Entstehung von Erkrankungen des Stoffwechsels. Diese werden anhand der Wirkweise von Zucker, Eiweiß, Fett, Harnsäure und Wärme anschaulich gemacht. Dabei werden auch die diese Stoffwechselprozesse regulierenden Wesensglieder in ihrem leiblich-seelischen Wirken anschaulich.

Ad 3. Therapie-Kapitel – Kap. 13 bis 18

Es folgen fünf Therapie-Kapitel, in denen die therapeutische Regulierung des Verhältnisses zwischen Ätherleib und Astralleib im Mittelpunkt steht, dann die regulierende Kraft der Ich-Organisation, dann die mögliche Schwächung der physisch-ätherischen Konstitution im Laufe des Älterwerdens, das Prinzip der Arzneimittelfindung und die Einführung in das Wesen der Substanzerkenntnis als Grundlage der Heilmittel-Erkenntnis.

Ad 4. Wirkprinzipien von Arzneimitteln und Heileurythmie – Kap. 19 bis 21

In den letzten drei Kapiteln des Buches werden charakteristische Krankheitsfälle und typische Heilmittel vorgestellt. Sie sind dem Wirkprinzip der Heileurythmie gewidmet, geben einen Einblick in die Praxis der Anthroposophischen Medizin anhand von neun individuellen Krankheitsfällen und nennen den Einsatz von Arzneimitteln, die bestimmten typischen Erkrankungen angepasst sind.

Die „Erweiterung der Heilkunst“ wurde bis heute bis auf wenige Anmerkungen und Hinweise zur Entstehung und Autorschaft unverändert nachgedruckt. Es hat über drei Generationen hinweg vielen Fachleuten auf dem Gebiet der Anthroposophischen Medizin die nötige Grundorientierung gegeben, um das akademisch erworbene Wissen auch unter spirituellen Gesichtspunkten anzuschauen und es so im Einzelfall praktisch anwendbar zu machen.

Dieses Werk stellt im Grunde einen Lehrgang dar, der – wie es Ita Wegman in ihrem damals nicht veröffentlichten Vorwort zu diesem Buch schreibt – jeden Arzt in die Lage versetzt, selbst die Krankheiten geistig anzuschauen, wenn er bereit ist, das „ganz richtige Lesen dieses Buches“ zu üben.

Vgl. „Raphael und die Mysterien von Krankheit und Heilung“, Medizinische Sektion am Goetheanum 2015


[1] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, GA 27, Dornach 1991.

[2] Zu Rudolf Steiners Verständnis der Anthroposophischen Medizin als einer im Gegensatz zur Schulmedizin, wahrhaft rationellen‘ Heilkunst siehe auch das Vorwort der „Erweiterten Heilkunst“. Elemente für eine echte Ratio zusammenzutragen, wie sich aus der Diagnose die Therapie ergibt, war bereits Hauptanliegen im ersten Kursus für Mediziner im Jahr 1920 gewesen: Vgl. Steiners „Geisteswissenschaft und Medizin“, GA 312.

DIE KAPITEL I–VII: GRUNDLAGEN ZUM VERSTÄNDNIS DER GESUNDHEIT[1]

Was zeichnet den gesundheitswissenschaftlichen Ansatz der Anthroposophischen Medizin aus?

Wie unterscheidet er sich von dem pathogenetischen Ansatz der naturwissenschaftlich basierten Schulmedizin?

Welche Reformen wünschte Rudolf Steiner bereits zu seinen Lebzeiten?

Zukunftsweisender gesundheitswissenschaftlicher Ansatz der AM

Kapitel I–VII umfassen den gesundheitswissenschaftlichen Ansatz der Anthroposophischen Medizin. Unter ‚Volksgesundheit‘ verstand man am Anfang des 20. Jahrhunderts im Wesentlichen hygienische Maßnahmen, genügend Schlaf, gesunde Ernährung und Lebensführung.[2] Noch heute stellen Medizinstudenten und Ärzte immer wieder erstaunt fest, wie wenig sie darüber hinaus während ihres Studiums über die Entstehung von Gesundheit erfahren haben im Gegensatz zur Aufklärung über Krankheitsentstehung, d.h. Pathogenese.

Der pathogenetische Ansatz der naturwissenschaftlich basierten Medizin bzw. Schulmedizin hat gegenwärtig mit der molekulargenetischen Steuerungsebene eine gewisse Kulmination erreicht, die in Zukunft mithilfe der Digitalisierung noch weiter optimiert werden wird. Parallel zu dieser Entwicklung hat aber auch die Wissenschaft von den Nebenwirkungen der pathogenetisch fokussierten Therapie zugenommen.[3] Daher wird von naturwissenschaftlicher Seite argumentiert, dass ein Arzneimittel, das keinerlei Nebenwirkungen hat, auch nicht wirksam sein kann. Und alles Bestreben geht dahin, Nebenwirkungen bestmöglich zu minimieren bzw. durch den Einsatz anderer Arzneimittel zu kompensieren.

Diesem pathogenetisch orientierten Ansatz steht der gesundheitswissenschaftlich-salutogenetische gegenüber. Dieser hat seine Entwicklung und Kulmination noch vor sich. Er etabliert sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erst langsam in der akademischen Welt. Es ist jedoch zu hoffen, dass er dennoch in nicht allzu ferner Zeit die Mitte der Gesellschaft erreichen wird.

Paradigmenwechsel als politische und wirtschaftliche Herausforderung

Denn der Paradigmenwechsel der Umorientierung von der Verhütung von Krankheit zur Förderung von Gesundheit ist zwar proklamiert – ihn lebenspraktisch zu machen ist und bleibt aber die noch bestehende große soziale und politische und nicht zuletzt wirtschaftliche Herausforderung. Denn:

Wie kann man an der Gesundheit verdienen?

Wer macht dafür Lobbyarbeit?

Und: Was braucht es alles zur auch gedanklich-konzeptionellen Neuausrichtung und Umstrukturierung der Ausbildung für die Gesundheitsberufe, insbesondere der Ärzteschaft?

„Wie weit man davon noch entfernt ist, hat auch das weltweit durchgreifende Corona-Pandemie-Management gezeigt, das ausschließlich pathogenetisch orientiert war. Salutogenetisch orientierte Auffassungen bezüglich Erkrankungsrisiken, Prävention und Therapie wurden auch in der medialen Berichterstattung konsequent ausgeblendet oder sogar lächerlich gemacht und bekämpft. Dabei konnten nicht zuletzt auch die anthroposophischen Krankenhäuser auf ihren Intensivstationen dank ihres integrativmedizinischen Vorgehens auch bei Schwerkranken erstaunlich gute Behandlungsergebnisse aufzeigen.“[4]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die fortschrittliche Medizin ebenso pathogenetisch orientiert, wie es der heutige Mainstream der Medizin immer noch ist. Im Mittelpunkt stand das neue Paradigma einer modernen Zellularpathologie, mit der Aussicht, immer mehr pathologische Prozesse diagnostisch bis auf die molekulare Ebene im Zellstoffwechsel zu erforschen.[5]

Rudolf Steiners Ruf nach Reformen in der Medizin

Demgegenüber eröffnete Steiner seinen ersten Kurs für Anthroposophische Medizin 1920 mit den Worten: „[…] es ist ja ziemlich selbstverständlich, daß von dem, was Sie wahrscheinlich alle erwarten von der Zukunft des medizinischen Lebens, nur ein sehr geringer Teil in diesem Kursus wird angedeutet werden können, denn Sie alle werden ja mit mir darinnen übereinstimmen, daß ein wirkliches, zukunftssicheres Arbeiten auf dem medizinischen Felde von einer Reform des medizinischen Studiums als solchem abhängt.

Man kann nicht mit dem, was man in einem Kursus mitteilen kann, eine solche Reform des medizinischen Studiums auch nur im Entferntesten anregen, höchstens in der Weise, daß in einer Anzahl von Menschen der Drang entsteht, mitzutun bei einer solchen Reform. […] Dasjenige, was in diesen Vorträgen beigebracht werden soll, das möchte ich erreichen dadurch, daß ich in einer Art von Programm verteile das zu Betrachtende in der folgenden Weise: Erstens möchte ich Ihnen geben einiges, das hinweist auf die Hindernisse, die im heutigen gebräuchlichen Studium bestehen gegen eine wirklich sachgemäße Erfassung des Krankheitswesens als solchem. Zweitens möchte ich dann andeuten, in welcher Richtung eine Erkenntnis des Menschen zu suchen ist, die eine wirkliche Grundlage für das medizinische Arbeiten abgeben kann. Drittens möchte ich auf die Möglichkeiten eines rationellen Heilwesens hinweisen durch die Erkenntnis der Beziehungen des Menschen zur übrigen Welt.“[6]

Als viertes wünschte er sich Fragen aus dem Teilnehmerkreis, weil er seine Ausführungen ganz nach den Bedürfnissen der anwesenden Fachleute und Studierenden richten wollte.[7]

Entwicklung von ganzheitlichen Therapieformen

Seither haben sich auch andere an der ‚Ganzheit Mensch‘ und einem neuen Gesundheits- bzw. Krankheitsverständnis orientierte Therapieformen entwickelt – insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg. Beispielhaft seien

  • die Gestalttherapie[8] genannt,
  • Viktor Frankls (1905–1997) Logotherapie[9]
  • und die humanistische Psychotherapie.

Die Kapitel I bis VII zeigen den methodischen Ansatz für einen solchen Paradigmenwechsel aus anthroposophischer Perspektive auf.

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[10]


[1] Hierbei handelt es sich um Kapitel aus dem Grundlagenwerk von Rudolf Steiner und Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27.

[2] Siehe z. B. Steurer-Stuttgart (1919), Fuchs-Wolfring (1912), Dennig (1919).

[3] Vgl. Ammon (2001); Stolze (2014).

[4] Vgl. COVID-19: www.anthromedics.org/PRA-0939-DE; [6.1.2025].

[5] Vgl. Schipperges (1985).

[6] Rudolf Steiner, Geisteswissenschaft und Medizin, GA 312, S. 13.

[7] Ebenda, S. 14.

[8] Vgl. Boeckh (2015).

[9] Vgl. Frankl (2005).

[10] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.