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Aktuelle Version vom 29. März 2025, 10:49 Uhr
Doppelnatur des Ätherischen – von Michaela Glöckler
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
WACHSTUMS- UND GEDANKENKRAFT
Was ist unter der Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedankenkräfte zu verstehen?
Wie wirkt sich die Art unseres Denkens auf die nächtliche Regeneration aus?
Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedankenkräfte
Rudolf Steiner und Ita Wegman beschreiben diese Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedankenkräfte in ihrem Buch „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen“[1] wie folgt:
„Diese im Ätherleibe wirksamen Kräfte betätigen sich im Beginne des menschlichen Erdenlebens – am deutlichsten während der Embryonalzeit – als Gestaltungs- und Wachstumskräfte. Im Verlaufe des Erdenlebens emanzipiert sich ein Teil dieser Kräfte von der Betätigung in Gestaltung und Wachstum und wird Denkkräfte, eben jene Kräfte, die für das gewöhnliche Bewusstsein die schattenhafte Gedankenwelt hervorbringen.
Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind. Im Gestalten und Wachsen des menschlichen Organismus offenbart sich ein Geistiges. Denn dieses Geistige erscheint dann im Lebensverlaufe als die geistige Denkkraft.
Und diese Denkkraft ist nur ein Teil der im Ätherischen webenden menschlichen Gestaltungs- und Wachstumskraft. Der andere Teil bleibt seiner im menschlichen Lebensbeginne innegehabten Aufgabe getreu. Nur weil der Mensch, wenn seine Gestaltung und sein Wachstum vorgerückt, das ist, bis zu einem gewissen Grade abgeschlossen sind, sich noch weiter entwickelt, kann das Ätherisch-Geistige, das im Organismus webt und lebt, im weiteren Leben als Denkkraft auftreten.
So offenbart sich der imaginativen geistigen Anschauung die bildsame (plastische) Kraft als ein Ätherisch-Geistiges von der einen Seite, das von der andern Seite als der Seeleninhalt des Denkens auftritt.“
Das Ich an der Schwelle von unbewusst zu bewusst
An der Schwelle vom unbewussten zum bewussten Gedankenleben steht das Ich mit seinen täglichen Lernprozessen und Überlegungen, durch die es sich seiner metamorphosierten Wachstums- und Bildekräfte, den Gedanken, bewusstwird, die zu allen Welterscheinungen in konkreter innerer Beziehung stehen. Gibt es doch keine Gesetzmäßigkeit, die nicht gedanklich erfassbar wäre und die nicht in irgendeiner Form am Werden und Aufbau – als Funktion oder Gestalt – des menschlichen Organismus beteiligt wäre.
Der ätherische Organismus erscheint bei Tage aufgespalten in ein bewusstes Gedanken- und ein unbewusstes Wachstumsleben, während der ganze Ätherleib bei Nacht wieder seiner regenerierenden, die Lebensprozesse des Organismus besorgenden Aufgabe hingegeben ist – allerdings jetzt unter dem Einfluss der Nachwirkungen der am Tage vollzogenen Gedankenprozesse:
- War das Ich bei Tage begeistert und durchwärmend im Gedankenorganismus tätig, wird sich das aufbauend und lebensfördernd auf das nächtliche Regenerationsleben auswirken.
- War das Denken bei Tage jedoch nüchtern, kühl und seelisch unbefriedigend oder rein an den äußeren Gegebenheiten des Lebens orientiert, hat dieses an der physischen Daseinswelt haftende Denken seine Verwandtschaft zu den Impulsen des Lebendigen, Beseelten und Geistigen verloren.[2]
Letzteres wirkt sich nun Nacht für Nacht beeinträchtigend auf die Vitalität des Organismus aus und kann je nach Schicksal, Konstitution und Lebensumständen zu dieser oder jener Krankheitsentstehung führen. Bei Tage arbeitet der Ätherleib zweigeteilt in einen Bildekräfte- und einen Gedankenleib. In der Nacht hingegen ist er einheitlich als Bildekräfteorganismus tätig.
Wirkung von reinem und von sinnesgebundenem Denken
Rudolf Steiner schildert die unterschiedliche Wirkung von Gedanken auf den Leib: von reinen Gedanken (wie zum Beispiel in der Mathematik) zum einen und von an die Sinneswahrnehmung gebundenen Gedanken zum anderen.
Es wird „ein ganz anderer Einfluß auf die menschliche Natur ausgeübt ... von den sogenannten sinnlichkeitsfreien und von den sinnlichkeitserfüllten Vorstellungen. Denken Sie sich einmal den Unterschied zwischen einem Menschen, der die Mathematik haßt und einem, der sie liebt. (...) Es ist... für das innerste Wesen des Menschen von großem Nutzen, in Vorstellungen zu leben, die man nicht anschauen kann; und ebenso ist es nützlich, in religiösen Vorstellungen zu leben, denn auch diese beziehen sich auf Dinge, die man eben nicht mit den Händen greifen kann, die sich nicht auf Äußeres, Materielles beziehen, die mit einem Wort sinnlichkeitsfrei sind. Das sind Dinge, die einst, wenn man wieder mehr auf das Spirituelle sehen wird, einen großen Einfluß auf pädagogische Prinzipien haben werden. (...) Einen Menschen, den Sie von Kindheit auf daran gewöhnt haben, in sinnlichen Vorstellungen zu leben, werden Sie, weil sein Nervensystem unter krankhaften Bedingungen lebt, nicht so leicht heilen können wie denjenigen, der von seiner Jugend auf an sinnlichkeitsfreie Vorstellungen gewöhnt ist. Je mehr Sie den Menschen daran gewöhnen, abgesehen von den Dingen zu denken, desto leichter wird es sein, ihn zu heilen.“[3]
Vgl. 6. Kapitel „Medizin an der Schwelle“, Verlag am Goetheanum 1993
[1] Rudolf Steiner; Ita Wegmann, Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. GA 27.
[2] Vgl. auch Rudolf Steiner, Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen, GA 202, 1988.
[3] Rudolf Steiner, Welt, Erde und Mensch, GA 105, 1983.
DIE METAMORPHOSE DER WACHSTUMSKRÄFTE IN GEDANKENKRÄFTE
Was ist unter der Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedankenkräfte gemeint?
Wann und wo vollzieht sich diese Verwandlung?
Denkkräfte sind verfeinerte Wachstumskräfte
„Diese im Ätherleibe wirksamen Kräfte betätigen sich im Beginne des menschlichen Erdenlebens – am deutlichsten während der Embryonalzeit – als Gestaltungs- und Wachstumskräfte. Im Verlaufe des Erdenlebens emanzipiert sich ein Teil dieser Kräfte von der Betätigung in Gestaltung und Wachstum und wird Denkkräfte, eben jene Kräfte, die für das gewöhnliche Bewusstsein die schattenhafte Gedankenwelt hervorbringen.
Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind. Im Gestalten und Wachsen des menschlichen Organismus offenbart sich ein Geistiges. Denn dieses Geistige erscheint dann im Lebensverlaufe als die geistige Denkkraft.
Und diese Denkkraft ist nur ein Teil der im Ätherischen webenden menschlichen Gestaltungs- und Wachstumskraft. Der andere Teil bleibt seiner im menschlichen Lebensbeginne innegehabten Aufgabe getreu. Nur weil der Mensch, wenn seine Gestaltung und sein Wachstum vorgerückt, das ist, bis zu einem gewissen Grade abgeschlossen sind, sich noch weiter entwickelt, kann das Ätherisch-Geistige, das im Organismus webt und lebt, im weiteren Leben als Denkkraft auftreten.
So offenbart sich der imaginativen geistigen Anschauung die bildsame (plastische) Kraft als ein Ätherisch-Geistiges von der einen Seite, das von der anderen Seite als der Seelen-Inhalt des Denkens auftritt.“[1]
Rudolf Steiner beschreibt weiter, wie sich auch Astralleib und Ich-Organisation entsprechend der Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedankenkräfte im Zuge von Wachstum und Entwicklung aus dem physischen Leib heraus „metamorphosieren“ und frei werden für die Seelentätigkeiten von Fühlen und Wollen. Sie tun dies „auf den Bahnen des Ätherischen“.
Ort der Herauslösung der Ätherkräfte
An welchem Ort aber kann diese Herauslösung stattfinden?
Es gibt nur ein Organ, in dem das strömende Blut als Träger der vier Ätherarten zum Stillstand kommt und der Ätherkraft dadurch die Möglichkeit gibt „zu sterben“, d.h. aus dem physischen Lebenszusammenhang herauszugehen: das Herz.
Am Ende der Diastole, in der sogenannten „Diastase“, tritt ein winziger Moment ein, in dem jede Fließeinheit des strömenden Blutes zum vollständigen Stillstand kommt, bevor die Austreibungsphase der systolischen Herzbewegung beginnt. Unser bewusstes Seelenleben wird sozusagen aus dem Herzensgrund heraus geboren,[2], [3] am Gehirn reflektiert und dann mehr oder weniger frei, bewusst und „herzlich“ gehandhabt. Das „Denken mit dem Herzen“ hat diesen besonderen physiologischen Bezug: Wenn das, was gedacht wird, „zu Herzen“ geht und von dort herzlich weiterwirkt.
Vgl. „Raphael und die Mysterien von Krankheit und Heilung“, Medizinische Sektion am Goetheanum 2015
[1] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. GA 27, Dornach 1991, S. 12-13.
[2] Medizinische Sektion am Goetheanum (Hrsg.), Meditationen zur Herztätigkeit gegeben von Rudolf Steiner. Dornach 2014.
[3] Christoph Rubens, Peter Selg (Hrsg.), Das menschliche Herz, Kardiologie in der Anthroposophischen Medizin, Arlesheim 2014.
GEGENSEITIGE BEEINFLUSSUNG VON GEDANKEN- UND KÖRPERLEBEN
Was ist mit Doppelnatur des Ätherischen gemeint?
Und welchen Einfluss haben unsere Gedanken auf unsere Lebensprozesse, auf unseren Stoffwechsel und unser Immunsystem?
Was geschieht beim Denken und was beim Verdauen?
Wirkdynamik der Doppelnatur des Ätherischen
Unsere Lebens- wie auch unsere Gedankentätigkeit verdanken wir den ätherischen Kräften unseres Organismus, auch Ätherleib genannt. Die polare Wirkdynamik des Ätherischen zeigt sich
- in den unbewussten Lebensprozessen köperbezogener Lebenstätigkeit einerseits
- und den bewussten Denkprozessen leibfreier Gedankenkompetenz andererseits.
Das lässt sich mit der Metamorphose von Lebenskräften in Denkkräfte erklären, wie ich sie im Folgenden darstellen möchte:
Am Ende der Diastole kommt unser Blut Herzschlag für Herzschlag für Sekundenbruchteile zum Stillstand. Aus den Erythrozyten und den Kraftzusammenhängen des Blutes, die von Milz und Leber abgebaut wurden, lösen sich nun Kräfte von Ich-Organisation, Astralleib und Ätherleib aus dem Kreislaufsystem heraus, werden leibfrei und verwandeln sich in unser Denkvermögen, das sich an unserem Gehirn reflektiert. Der Sauerstoff, den wir einatmen, sorgt dafür, wenn er zum Herzen gelangt, dass nicht das ganze Blut ätherisch wird. Die abgebauten Lebenskräfte werden jedoch Herzschlag für Herzschlag leibfrei. Dazu gehören auch all die Kräfte im Blut, die in jungen Jahren dem Wachstum dienen und später als solche nicht mehr gebraucht werden. Sie lösen sich nach und nach auf diese Weise aus dem alternden Organismus.
Durch diese Kräfte entfalten wir
- über unsere Ich-Organisation den Willen zu denken,
- mithilfe unseres Astralleibes ein Gefühl für unsere Gedanken
- und aus unserem Ätherleib die „Substanz“, mit der wir denken.
Die Kräfte, die unseren Gedankenorganismus bilden, sind uns bewusst – ganz im Gegensatz zum unbewussten Wirken der Wesensglieder im Körper beim Stoffwechsel. Es handelt sich aber um dieselben Kräfte.
Zusammenhang zwischen Denken bei Tag und Regeneration bei Nacht
In der Nacht spalten wir uns nicht auf in ein bewusstes und ein unbewusstes Leben. Vielmehr begibt sich der Ätherleib beim Einschlafen ganz und gar hinein in unseren physischen Leib zur Regeneration insbesondere des Nervensystems, während der Astralleib und die Ich-Organisation das Nerven-Sinnes-System verlassen. Solange dieser Zustand währt, schlafen wir.
Die Art jedoch, wie wir tagsüber gedacht haben, behindert oder fördert nachts im Schlaf die Regeneration unseres Organismus. Zu den erschütterndsten Ausführungen für uns Ärzte im „Pastoral-Medizinischer Kurs“[1] gehört die hier sinngemäß wiedergegebene Aussage Rudolf Steiners: „Die meisten Menschen denken, sie schlafen sich gesund – die wenigsten wissen, dass sie sich auch oft krank schlafen.“ Mit anderen Worten: Wir werden nachts physiologisch beeinflusst von unseren Irrtümern und unseren Problemen, von unserem nicht lebens- und wahrheitsgemäßen Denken.
Wechselwirkung zwischen Stoffwechsel und Denken
Auch folgende Zusammenhänge zwischen Stoffwechsel und Denken betreffen uns zutiefst :
- Der körpergebundene Ätherleib baut auf uns nicht bewusste Weise über den Stoffwechsel unseren Leib auf und arbeitet dabei ganz immunsystemorientiert und auf unser biologisches Ego fixiert, ist also ganz auf unseren unverwechselbaren, individuellen, persönlichen Organismus hin ausgerichtet – das hält uns gesund.
- Der leibfreie Ätherleib arbeitet in Form unseres bewussten Denkens polar dazu: Unser Denken sollte sich so sehr an der Wahrheit orientieren, dass man die eigenen persönlichen Standpunkte den Tatsachen der Wahrheit und ihren Gesetzen selbstverständlich unterordnet – das hält uns ebenfalls gesund.
Die mittelalterlichen Alchemisten kannten dieses polare Wirkgeheimnis und nannten es Opfer der Natur – sacrificium naturae und Opfer des Intellektes – sacrificium intellectus.
1. Opfer der Natur – sacrificium naturae
„Sacrificium naturae“ nennt man die Tatsache, dass die Stoffe aus den Naturreichen über die Verdauung in menschliche Substanz verwandelt werden. Die Nahrung wird dabei in ihre kleinstmöglichen Bestandteile zerlegt. Sie opfert sich gleichsam ganz und gar an den Menschen hin unter totalem Verzicht auf ihre Eigenheit. Nur dadurch kann der Mensch aus diesen Nahrungsstoffen sein ganz individuelles Körpereiweiß aufbauen, seine spezifische biologische Identität bilden. An die Stelle der Natur tritt sozusagen der Mensch: Die Natur lässt sich von den Lebens- bzw. Stoffwechselprozessen verwandeln in menschliche Substanz.
2. Opfer des Intellektes – sacrificium intellectus
Umgekehrt verhält es sich mit der Denktätigkeit. Wollen wir die Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten oder andere Menschen verstehen, müssen wir bereit sein, Irrtümer zu überwinden, einseitige Standpunkte und persönliche Meinungen aufzugeben, bis wir wirklich verstehen, was ein anderer Mensch meint und sagen möchte. Oder welchen Regeln die Mathematik und die Naturgesetze folgen, wie die Logik arbeitet. Dazu ist es nötig, alles Selbstbezogene, Eigene zu überwinden, die eigenen Sinneswahrnehmungen und Erkenntnismöglichkeiten ganz in den Dienst des Erkennens und Verstehens der Dinge und Vorgänge dieser Welt zu stellen, d.h. das eigene Denken „hinzuopfern“.
„Sacrificium intellectus“, bedeutet demnach, dass der Mensch, indem er die Welt denkt, sich selbst geistig verwandelt, indem er sich in seinem Denken zunehmend der Erkenntnis der Wahrheit annähert und im höchsten Sinne des Wortes Altruismus übt, diese wunderbare Qualität, die mit dem Begriff „Selbstlosigkeit“ umschrieben wird. Zur Selbstlosigkeit ist man fähig, wenn man in seinem Selbst so stark und gefestigt ist, dass man sich selbst loslassen kann, ohne Angst sich zu verlieren, wenn man von sich absehen kann.
Goethe sagte: Man lernt nur kennen, was man liebt. Oder: Wenn man etwas wirklich verstehen will, muss sich die Art der Betrachtung der Art des zu Betrachtenden angleichen: Der Mensch wird beim Erkennen zur Welt, muss sich in das verwandeln, was er verstehen möchte, muss sich dem ähnlich machen. Nur durch diese Selbsterfahrung am anderen, an diesem Anders-werden-Können, kommt man der Wahrheit näher.
Vgl. Vom Sinn der … Krankheiten, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016
[1] Rudolf Steiner, Das Zusammenwirken von Ärzten und Seelsorgern. Pastoral-Medizinischer Kurs, GA 318.
WIRKEN DES ÄTHERLEIBES BEI TAG UND BEI NACHT
Was ist mit Ätherleib gemeint?
Welche unterschiedlichen Kompetenzen hat er?
Wie wirkt er bei Tag und wie bei Nacht?
Wie ermöglicht er zusammen mit Astralleib und Ich unser Seelenleben?
Allgemeines zum Wirken des Ätherischen
Rudolf Steiner bezeichnet den individuell organisierten Gesamtzusammenhang von Denk- und Lebens- bzw. Stoffwechseltätigkeit als Ätherleib. Das griechische Wort aether/Aether steht für den durchsonnten blauen Himmel und macht dadurch deutlich, dass Sonne und Leben zusammengehören. Ist doch das Leben auf der Erde maßgeblich durch die Sonne und ihre 24-Stunden-Tag-und-Nacht-Rhythmik bestimmt. Die Pflanzen brauchen dieses Himmelslicht, um ihre ätherische Lebenstätigkeit auf der Erde vollziehen zu können: Ohne Sonnenlicht gäbe es keine Chlorophyllbildung, durch die die Pflanzen grün werden und ihren Aufbaustoffwechsel bewerkstelligen könnten, indem sie Kohlensäure/CO2 aufnehmen und den für Mensch und Tier lebensnotwendigen Sauerstoff/O2 abgeben.
Beim Menschen wirkt der Ätherleib deutlich unabhängiger von der Sonneneinstrahlung als bei den Pflanzen. Dennoch sehen wir an der vom Sonnenlicht abhängigen Bildung von Vitamin D3 sowie an der Synchronisierung unserer 24-Stunden-Biorhythmik mit dem Sonnenstand der Zeitzone, in der wir leben, dass auch unser individuelles Menschenleben angeschlossen und mitgetragen ist von dem umfassenden Lebenszusammenhang dieser Welt und ihren Gesetzen.
1. Ätherleib-Tätigkeit bei Tag
Tagsüber arbeitet der Ätherleib polar:
· Einerseits wirkt er in den Stoffwechselprozessen des Leibes und seiner Organe,
· andererseits außerkörperlich in der Denk- und Sinnestätigkeit.
Zwischen beiden besteht ein inniger Zusammenhang, worauf im Folgenden näher eingegangen werden soll.
Parameter der Denktätigkeit
Ein Teil der Kräfte von Ich-Organisation, Astralleib und Ätherleib verlassen im Herzen gegen Ende der Diastole, wenn das Blut für einen Moment, für Bruchteile von Sekunden, zum Stillstand kommt, unseren Körper, wobei der Sauerstoff, den wir einatmen und zum Herzen führen, dafür sorgt, dass nicht das ganze Blut ätherisch wird, sondern dass die ätherischen Kräfte sich nur aus den Erythrozyten und den Kraftzusammenhängen des Blutes lösen, die von Milz und Leber abgebaut wurden. Diese Lebenskräfte werden Herzschlag für Herzschlag leibfrei. Aber auch all die Kräfte im Blut, die in Kindheit und Jugend dem Wachstum dienten, und für die weitere Entwicklung als solche nicht mehr gebraucht werden, lösen sich nach und nach auf diese Weise aus dem heranreifenden Organismus heraus: Sie werden leibfrei, verwandeln sich und reflektieren sich an unserem Gehirn als unser Denken. Geisteswissenschaftlich gesehen ist der Denkprozess ein auf der untersten Ebene leibgestützter Äther-Reflektionsprozess.
Unser Denken erleben wir seinem Wesen nach wie ein inneres Licht, eine innere Sonne – wodurch sich die Verwandtschaft zu allem Ätherischen offenbart. Wenn uns „ein Licht aufgeht“, d.h., wenn wir plötzlich etwas verstehen, erleben wir dies als erhellend, ein Thema wird durchsichtig für uns, wir „durchschauen“ es, es wird leicht – wie Gedanken eben sind.
Leibfreies Denken, Fühlen und Wollen
Auf den Schwingen des Ätherischen lösen sich im Zuge der körperlichen Entwicklung auch die differenzierenden Kräfte des Astralleibes (vor allem nach dem 2. Jahrsiebt) und die integrierenden Kräfte der Ich-Organisation (vor allem nach dem 3. Jahrsiebt) sukzessive heraus, sobald sie ihre jeweiligen Aufgaben erfüllt haben, und werden frei für die seelisch-geistige Arbeit: Als unsere Seelenkräfte von Denken, Fühlen und Wollen sind sie lebenslang bei Tage außerkörperlich tätig und bleiben es auch bis zum Tode. Durch diese leibfrei gewordenen Kräfte entfalten wir aber auch
- ·dank der Ich-Kräfte den Willen zu denken,
- dank der astralen Kräfte ein Gefühl für unsere Gedanken
- und dank der ätherischen Kräfte die „Substanz“, mit der wir denken.
Die Gedanken sind unserm Bewusstsein zugänglich – ganz im Gegensatz zur unbewussten Stoffwechseltätigkeit der Wesensglieder.
2. Ätherleib-Tätigkeit bei Nacht
Im Schlaf erlischt das bewusst erlebte Gedankenlicht. Wir versinken in Bewusstlosigkeit. Das kommt dadurch zustande, dass sich auch der Teil des Ätherleibes, der bei Tage leibfrei ist als wachbewusstes Denkvermögen, wieder mit dem Leib verbindet. D.h. der Ätherleib begibt sich zur Gänze hinein in unseren physischen Leib – zur Regeneration insbesondere des Nervensystems. Das erklärt, warum die Art, wie wir tagsüber gedacht haben, die nächtliche Regeneration der Lebenskräfte unseres Organismus behindert oder fördert. Dafür kommt es verstärkt zu Aufbautätigkeit und Regeneration insbesondere im Bereich des Nervensystems und der Sinnesorgane. Dadurch regenerieren sich diese Organsysteme, die im Wachzustand durch die außerkörperliche Tätigkeit des Denkens besonders strapaziert werden: Den Abbauprozessen des Tages werden aufbauende Prozesse entgegengesetzt.
Kindlicher Schlaf
Anders beim Kind: Hier wirken Ich-Organisation und AL auch noch herein, weil sie nachts gar nicht wegkönnen – aus dem einfachen Grund, weil sich diese Wesensglieder noch gar nicht vom Leib emanzipiert haben. Kinder müssen also über die Ich-Organisation und den Astralleib auf dem Umweg über die Sinne, über das Erleben im Leib, in einer Art angeregt werden, dass sich ihre Erfahrungen nachts, wenn der gesamte Ätherleib im physischen Organismus eintaucht, um regenerierend und leibbildend zu wirken, in positiver Weise in den Leib einprägen. Alles, was ein Kind an Leib und Seele erlebt, wirkt sich bei ihm noch stärker aus auf die Wachstums-, Reifungs- und Entwicklungsprozesse als beim Erwachsenen. Das heißt, wir sind als Erzieher und Lehrer durch die Art, wie wir uns bei Tage verhalten, die Mitgestalter am Leibe des Kindes in der Nacht.
Nächtliche Anbindung von Astralleib und Ich
Was machen nun Astralleib und Ich des Erwachsenen, die sein Tagesbewusstsein ausmachen, in der Nacht?
· Regeneration an den Urbildern
Astralleib und Ich-Organisation verlassen beim Schlafen den Leib und suchen einerseits den Bezug zum Kosmos, um sich an den gesundenden Urbildern aus den Sternen- und Planetensphären neu zu orientieren und sich von dem zu erholen, was sie erleiden, wenn sie unseren „kleinkarierten“ Alltagsgedanken ausgesetzt sind. Am Morgen kehren sie zurück und tauchen wieder ein in den leibfreien Anteil des Ätherleibs, sodass wir dann fühlen und wollen können, was wir denken. Astralleib und Ich als leibfreies Fühlen und Wollen bleiben ab den Geburtsmomenten, in denen sie sich erstmals aus der physisch-irdischen Konstitution herauslösen, zeitlebens außerkörperlich.
· Erleben der Wahrheit des anderen
Andererseits sind Astralleib und Ich-Organisation aber auch verbunden mit all den Menschen, mit denen wir am Tage zu tun hatten: In der Nacht tauchen Astralleib und Ich ein in den anderen und erleben die Ereignisse aus seiner Warte. Wenn man also am Tage jemanden hart angefasst hat oder ihm unfreundlich begegnet ist, erlebt man in der Nacht, wie sich das für den anderen angefühlt hat. Man erlebt dann die andere Seite der „gemeinsamen Wahrheit“.
So gesehen haben Ärzte, Pflegende, aber auch Lehrer und Erzieher einen brisanten Beruf, weil sie jede Nacht jeden Gedanken, jedes Gefühl und jede Handlung unbewusst noch einmal erleben – diesmal aus der Sicht der Menschen, die sie pflegen, unterrichten und erziehen – und empfinden jetzt deren Wahrheit. Das zu wissen, kann unsere Haltung und die Anforderungen an uns selbst verändern: Wir können uns von vornherein dafür zu interessieren beginnen, wie der andere etwas erlebt, und müssen damit nicht warten, bis es Nacht wird.
Vgl. Körperleben und Gedankenleben, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016
DENKTÄTIGKEIT UND LEBENSTÄTIGKEIT IM KONTEXT VON KRANKHEIT UND GESUNDHEIT
Wie hängen Denktätigkeit und Lebenstätigkeit zusammen?
Inwiefern entsprechen sie sich, inwiefern sind sie einander entgegengesetzt?
Welchen Einfluss haben sie auf Gesundheit und Krankheit?
Identische Kräfte
Vor dem Hintergrund des Gesetzes der Metamorphose der Wachstums- und Regenerationskräfte in Gedankentätigkeit rücken Erziehung und Heilung nahe zusammen.
Was wir seelisch als Lerntrieb erleben, was sich bis zur Lernbegierde steigern kann und das Ich zur höchsten Wachheit aufruft, sind genau dieselben Kräfte, die zunächst unbewusst im Leib als Trieb- und Begierdekräfte wirksam sind: Wir verdanken ihnen also einerseits unser Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungsvermögen und andererseits – nach ihrer Metamorphose in Gedankenkräfte – die Möglichkeit zur spirituellen Selbsterhaltung durch die Suche nach unserer geistigen Identität. Der Unterschied ist,
· dass dem körperlichen Wirken dieser Kräfte durch ihr Eingebunden-Sein in den natürlichen Entwicklungszusammenhang die Arbeitsrichtung klar vorgegeben ist.
· Die Gedankenkräfte sind jedoch nach ihrer Metamorphose vom Naturdasein emanzipiert. Der Mensch ist frei zu entscheiden, wie er mit ihnen umgeht, ist demnach auch frei zu entscheiden, ob er sie überhaupt in den Dienst der Wahrheitsfindung und der Suche nach Sinnzusammenhängen stellt.
Entgegengesetzte Wirkrichtungen
Denktätigkeit und Lebenstätigkeit des Organismus bilden eine reale Polarität im Sinne entgegengesetzter Wirkrichtungen:
- Wirken die Lebenskräfte auf körperlicher Ebene am Aufbau und der Erhaltung des menschlichen Körpers, sind sie in egoistischer Weise auf die Erhaltung und Pflege des eigenen Leibes ausgerichtet, der sich, um gesund zu bleiben, gegen alles verteidigen muss, was ihm fremd ist und nicht zu ihm gehört.
- Werden die Wachstumskräfte frei für das Denken, wirken sie in umgekehrter Richtung: Ein gesunder Geist, ein gesundes Denken, ist auf die Welt, das Leben und die Mitmenschen ausgerichtet und erhebt das eigene Selbst nicht zum Maß aller Dinge und die eigene Meinung nicht zur Richtschnur für Richtig und Falsch.
So wie der Leib zu seiner Gesunderhaltung der Pflege und der Einhaltung elementarer hygienischer Regeln bedarf, so ist das Denken, der Geist, zu seiner Gesundung bzw. Gesunderhaltung im Sinne geistiger Hygiene auf die Pflege von Menschen- und Weltinteresse angewiesen. Dann wirkt der Schlaf in ganz anderem Maße gesundend, als er es tut, wenn das Denken sich auf egozentrische Weise überwiegend mit den eigenen Angelegenheiten befasst. Der Mikrokosmos des Leibes braucht im Schlaf die Anregung und Erfrischung seitens des großen Weltzusammenhanges, dem er seinen Aufbau verdankt. Findet der Mensch bei Tage im Denken nun keinen Anschluss an diesen großen Zusammenhang, wirkt sich das insofern auf den physischen Organismus aus, als der Teil des Ätherleibes, der sich bei Tage als leibfrei tätige Gedankenkraft vom Organismus emanzipiert, bei Nacht an der Regeneration des Leibes beteiligt ist. Die „verkehrte“ Orientierung wirkt sich auf zweierlei Weise negativ und schwächend aus:
- Ein rein leiborientiertes Denken, das nur der eigenen Selbsterhaltung dient, stellt einerseits eine Kränkung für das Gedankenleben dar.
- Andererseits übernimmt der Körper des Nachts die bei Tage nicht genutzte umweltorientierte Wirkrichtung des Denkens, was zur Abwehrschwäche und zur Erkrankung des Körpers führt.
Wir sehen, eines bedingt das andere.[1]
Krankheit als Ungleichgewicht aufgefasst
Auf der Grundlage dieser Zusammenhänge lässt sich Krankheit als ein Ungleichgewicht auffassen, das nicht nur äußere, sondern auch innere Ursachen hat. Es ist wie bei einer Waage: Hebt sich die eine Schale, neigt sich die andere. Zum Ausgleich für den pathologischen Egoismus im Denken, beginnt der Leib an irgendeiner Stelle entsprechend polar altruistisch zu werden.
So wird verständlich, warum egoistisches Denken auf Dauer krank macht: Wirkt die polare Natur des ätherischen Organismus nicht in Richtung Gesundheit – selbstorientiert auf leiblicher Ebene und weltorientiert auf gedanklicher Ebene –, sondern wird sie ins Pathologische verkehrt, führt das auf geistiger Ebene zum Egoismus und auf leiblicher Ebene zur Hingabe an die Gesetzmäßigkeiten der Welt – und damit zur Krankheit. Der Körper verliert an Integrität und Egoität, er wird „selbstloser“, seine Selbstheilungskraft und Immunität werden schwächer.
Ebenso wirkt Egoismus im Gedankenleben geistig kränkend. Wer den größten Teil seiner Zeit und Kraft darauf verwendet, sich nicht mit sich selbst zu beschäftigen, sondern sich einer sinnvollen Arbeit oder Aufgabe zu widmen, braucht weniger Schlaf, ist erfrischter und fühlt sich gesünder. Kreist man dagegen ständig um sich selbst, erlebt man das nach einer gewissen Zeit – wenn diese Beschäftigung zu keiner Neuorientierung führt – als zunehmende Kränkung bis dahin, dass Schlafstörungen oder andere Krankheitssymptome auftreten und man sich morgens wie zerschlagen fühlt. Egoistische Tendenzen im Gedankenleben bzw. geistige Trägheit und Bequemlichkeit belasten die Selbstheilungskräfte. Je nachdem, wie stark die Selbstheilungskräfte veranlagt sind, tritt die Krankheit schon in diesem Leben oder in dem folgenden oder nächstfolgenden Erdenleben in Erscheinung.
Wahrheit und Gesundheit
Wir sehen, Wahrheit und Gesundheit entsprechen einander: Das wahrheitsgemäße Denken zeichnet sich dadurch aus, dass alles zusammenstimmt, dass ein Gedanke mit der Wirklichkeit übereinstimmt. In gleicher Weise herrscht Gesundheit im Leib, wenn der Ätherleib das Immunsystem dadurch stärkt, dass das Gedankenleben und die Lebenskräfte ihrer Bestimmung gemäß zur Wirksamkeit kommen und zusammenwirken. Aus diesem Grund spielt die Wahrheitsfrage eine so überaus entscheidende Rolle im Umgang mit Kindern. Denn diese sollen nicht nur den Unterschied von Wahr und Unwahr und Gut und Böse kennenlernen, sondern auch möglichst gesund in das Erwachsenenleben eintreten. Je mehr wir uns bemühen, im Umgang mit ihnen wahrhaftig zu sein, umso mehr pflegen wir nicht nur ihr Gedankenleben, sondern auch ihre Lebenskräfte und damit ihre Gesundheit.
Der Lehrplan der Waldorfschule orientiert sich an dem sich von Jahr zu Jahr verändernden Verhältnis von Wachstums- und Gedankenkräften und gibt altersgerechte Hilfen, wie das geistig-seelisch-leibliche Gefüge durch Lernprozesse genau die Anregungen bekommt, die der Heranwachsende für seine Entwicklung braucht. Waldorfpädagogik wird vielfach dargestellt als „Erziehung zur Freiheit“. Dahinter verbirgt sich für die heutige Zeit, in der Verlogenheit alle Lebensbereiche durchzieht, das viel entscheidendere Ziel: Erziehung zur Wahrhaftigkeit.
Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 4. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997
[1] Vgl. Stefan Leber, Der Schlaf und seine Bedeutung. Stuttgart 1996.
ZUR IDENTITÄT VON WACHSTUMS-, REGENERATIONS- UND GEDANKENKRAFT
Inwiefern lässt sich die Identität von Wachstums- und Gedankenkraft feststellen?
Welche Rückschlüsse ergeben sich daraus für Pädagogik und Medizin?
Gegenseitige körperliche und geistige Beeinflussung
Wer damit beginnt, den inneren Zusammenhang der Wachstums- und Regenerationskräfte des Organismus mit den entsprechenden Vorgängen in seinem Gedankenleben zu studieren, wird dieser Entsprechung auf Schritt und Tritt begegnen.
· Verdauung – körperlich und gedanklich
Auf der Seite der Verdauung haben wir die Fähigkeit, die Nahrungsmittel zu zerstören und z.B. das Eiweiß bis zu den einzelnen Aminosäuren hin zu hydrolysieren bzw. aufzulösen. Dieses Gemisch aus Aminosäuren geht dann ins Blut und wird im gesamten Organismus für den Aufbau des körpereigenen Eiweiß verwendet.
Auf der anderen Seite haben wir im Bereich unserer Denktätigkeit die bis ins einzelne gehende analytisch-zergliedernde Aktivität und entsprechend der Aufbautätigkeit im Organismus die Fähigkeit, Dinge zusammenschauen zu können und synthetisch zu denken.
· Immunsystem – körperlich und gedanklich
Alles Fremde wird dank der körpereigenen Abwehr ausgeschlossen und abgestoßen; hin und wieder sind auch allergische Reaktionen zu beobachten.
Dasselbe ergibt sich für unser Gedankenleben. Viele Gedanken weisen wir von vornherein ab und sagen, das interessiert mich nicht, damit setze ich mich überhaupt nicht auseinander. Auf andere Gedanken oder Äußerungen von Menschen reagieren wir allergisch mit bestimmten Gegengedanken und Gegenargumenten – hier wird ein „gedankliches Immunsystem“ wirksam.
· Dogmatismus – körperlich und gedanklich
Wieder ein anderes Beispiel ist das dogmatische Denken. Eine Lebensansicht wird als dogmatisch bezeichnet, wenn jemand dabei Werte vertritt, die er selbst nicht ganz verstanden hat. Jeder Gedanke, der sich nicht selbstverständlich mit dem übrigen Denken in Beziehung bringen lässt, sondern ein in sich abgeschlossenes Eigenleben führt, entspricht auf der körperlichen Seite Ablagerungen und Steinbildungen. Es handelt sich dabei um Strukturen, die nicht in das Leben des gesamten Organismus integriert sind.
· Heilung – körperlich und gedanklich
Jeder kennt das im wahrsten Sinne des Wortes Erlösende, wenn man plötzlich von einem Menschen verstanden wird, der einen bisher nicht verstehen konnte.
Auf körperlicher Ebene findet Heilung statt, wenn es gelingt, einen isolierten Prozess wieder in den Funktionszusammenhang des Organismus einzugliedern.
Entsprechungen erforschen
So betrachtet erweisen sich das körperliche Leben und das Gedankenleben als zwei Erfahrungsfelder, die es in ihren Entsprechungen zu erforschen gilt:
- Im leiblichen Substanzgeschehen wirken die Naturgesetze und gedanklichen Möglichkeiten gleichsam im „Bruttozustand“.
- Dieselben Gesetze wirken im menschlichen Denken, losgelöst von der Arbeit an der Substanz, rein geistig erfahrbar, sozusagen im „Nettozustand“.
Vgl. Kapitel „Zusammenhänge der menschlichen Denktätigkeit“, Elternsprechstunde, Verlag Urachhaus, Stuttgart
DAS GEHEIMNIS DER KÖRPEREIGENEN ABWEHR
Warum kann eine idealistische Lebenseinstellung sich so positiv auf die körpereigene Abwehr, also auf einen biologischen Vorgang, auswirken?
Und umgekehrt, woher kommt es, dass Menschen, die in einer Trauer- oder Stresssituation oder im Zustand der Unzufriedenheit dem Leben eher kritisch und skeptisch gegenüberstehen, eine Herabminderung der körpereigenen Abwehr erfahren?
Was das Immunsystem stärkt
Idealistische, engagiert-religiös gestimmte Menschen haben ein besseres Immunsystem, eine bessere körpereigene Abwehr als verunsicherte, innerlich haltlose Menschen. Das ist zwar schon von jeher bekannt (auch in den Zeiten der großen Seuchen waren die Ängstlichen diejenigen, die leichter von der Krankheit dahingerafft wurden als die Mutigen). Inzwischen wurde dieses Phänomen jedoch auch in der psychosomatischen Medizin wissenschaftlich erforscht. Die Frage ist nur, inwiefern idealistisches Denken und körpereigene Abwehr konkret miteinander zusammenhängen.
Jeder Mensch erlebt, dass er, wenn er sich begeistert, rote Backen und warme Füße hat, weil dann das Blut besser zirkuliert. Man weiß auch, dass eine Mutter ihre grippekranke Familie pflegen kann, ohne sich selbst anzustecken.
Wie lässt sich das erklären?
Diese Frage wird weitgehend durch das Forschungsergebnis Rudolf Steiners beantwortet, das er folgendermaßen formuliert: „Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind.“[1] Hier wird also gesagt, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen den Lebens-, Wachstums- und Regenerationskräften des Organismus entsprechen.
Gedanken sind demnach nicht nur das in allen Erscheinungen Wirksame, sondern können auch – stoffbefreit – das Geistig-Wesenhafte im Menschen offenbaren. Der Mensch ist so gebaut, dass dasjenige, was naturgesetzlich und überhaupt gesetzlich in ihm wirkt, nicht nur in seinem körperlichen Funktionieren aufgeht, sondern dass er dieses in Form von Gedanken zur Verfügung hat in dem Maße, wie das körperliche Wachstum zum Abschluss kommt. Dadurch kann er sich ein Leben lang geistig „wachstumsfähig“ d.h. lernfähig erhalten.
Wichtige Unterschiede zwischen Mensch und Tier
Bei den Tieren ist das anders, weil hier die Wachstumskraft nahezu ganz in der körperlichen Verwirklichung aufgeht, nachdem sie geschlechtsreif geworden sind. Deshalb besitzen sie später nur noch wenig oder gar keine Lernfähigkeit mehr. Dafür kommt eine instinktgebundene Weisheitsfülle in ihrem Körper und in ihrem seelischen Verhalten in so vollkommener Weise zum Ausdruck, dass wir als Menschen nur bewundernd auf ihre immer vollendete Daseinsverwirklichung hinblicken können. Dies zeigt sich bis hin zu der letzten Schwanzfeder eines arktischen Vogels, der bei einer Temperatur von - 40° Celsius noch eine Körpertemperatur von + 400 aufrechterhalten kann und sein Leben sinnvoll eingebettet in den Naturzusammenhang verbringt. Er braucht nicht über seine Zukunftsentwicklung nachzudenken oder an seiner gegenwärtigen zu zweifeln. Bei den Tieren ist die Weisheit instinkt- und organgebunden und äußert sich in entsprechenden arteigenen Verhaltensweisen.
Der Mensch hingegen verfügt über Hände, denen man nicht ansehen kann, ob sie im nächsten Augenblick einen Dolch erheben oder aber den Nebenmenschen liebevoll streicheln wollen. Er hat einen weitgehend ungeprägten, unspezialisierten Organismus. Nicht einmal im Erhalten seines körperlichen Gleichgewichtszustandes ist er stabil. Auch diesen muss er sich ständig durch eigene Aktivität erwerben und aufrechterhalten. Z.B. Wenn die Konzentration nachlässt und wir müde sind, stolpern wir leichter und haben mehr Mühe, im Gleichgewicht zu bleiben.
Gedanken und Gefühle aufgrund von Überschusskräften
Als Ausgleich für diesen Mangel an leibgebundener Weisheit steht uns jedoch ein Überschuss an Seelen- und Geistesleben in Form handhabbarer Gefühle, Willensimpulse und Gedanken zur Verfügung – das erlaubt ein freies Spiel an Möglichkeiten. Der Mensch verfügt „zur Hälfte“ über eine naturgegebene Weisheit, weswegen wir zum Glück die Arbeit unseres Magens und unseres Darms nicht bewusst beaufsichtigen müssen.
Auf der anderen Seite hat er jedoch ein etwa ebenso großes Potential an gedanklicher Betätigungsmöglichkeit zur freien Verfügung und bezahlt dies mit einem Körper, der weniger instinktsicher ist, dem angeborene, weisheitsvoll tätige Verhaltensmuster weitestgehend fehlen. Deswegen kann der Mensch aber auch seine Bewusstseinsentwicklung fortsetzen, nachdem die körperliche Entwicklung abgeschlossen ist. Er kann Idealen nachstreben, sich verwandeln, die Kultur verändern.
Er kann aber auch krank werden, wenn er lange genug Dinge gedacht hat, die nicht mit der Harmonie seines im Körper verankerten Gesetzesgefüges übereinstimmen, das heißt, die nicht menschengemäß sind. Jede Lüge, jede Unwahrhaftigkeit widerspricht der weisheitsvollen Ordnung seines Organismus. Ein unklares Gedankenleben muss sich demnach auf die Dauer kränkend auf diesen auswirken. Ebenso kann man sich durch anhaltende Emotionen kränken. Zehrende Sorgen können „an die Nieren“ gehen, andere Probleme laden sich auf Leber oder Galle ab. Immer wieder ist man erstaunt darüber, wie groß der Einfluss des Gedanken- und Gefühlslebens auf die Regenerationskraft des Organismus ist.
Vgl. Kapitel „Zusammenhänge der menschlichen Denktätigkeit“, Elternsprechstunde, Verlag Urachhaus, Stuttgart
[1] Rudolf Steiner, Ita Wegmann, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, GA 27.
KÖRPERLEBEN UND GEDANKENLEBEN – DAS EWIGE IM MENSCHEN
Wie lässt sich die gegenseitige Beeinflussung von Körperprozessen und Gedankentätigkeit erklären?
Gemeinsamer Ursprung von Lebens- und Gedankenprozessen
Es gehört zu den großen Entdeckungen Rudolf Steiners, dass er den Zusammenhang von Lebens- und Gedankentätigkeit erkannt hat: dass die Kräfte, die unser Denken ermöglichen, zugleich die Kräfte sind, die den Lebensprozessen des Körpers zugrunde liegen. Rudolf Steiner bezeichnet den individuell organisierten Gesamtzusammenhang von Denk- und Lebenstätigkeit als Ätherleib. In seinem gemeinsam mit der Ärztin Ita Wegman (1876-1943) verfassten Buch „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“ konkretisiert Steiner diesen Zusammenhang:
„Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind. Im Gestalten und Wachsen des menschlichen Organismus offenbart sich ein Geistiges. Denn dieses Geistige erscheint dann im Lebensverlaufe als die geistige Denkkraft.“[1]
Die Kräfte, die der von der Embryonalentwicklung an zu beobachtenden Lebenstätigkeit zugrunde liegen, emanzipieren sich laut Steiner fortwährend im Laufe von Wachstum und Entwicklung und treten dann als leibfreies selbstgesteuertes Gedankenleben zutage.
Übereinstimmende Prozessqualitäten
Wer die menschliche Denktätigkeit mit der Lebenstätigkeit vergleicht, kann die innere Kongruenz bzw. die Identität dieser Wirkbereiche unschwer feststellen und ist verblüfft über die Stimmigkeit dieser Annahme Steiners. Die Prozessqualitäten, die man an lebendigen Organismen beobachten kann, stimmen mit den Prozessqualitäten menschlicher Denktätigkeit komplett überein. Das soll im Folgenden aufgezeigt werden.
· Lebensfunktionen und Denken
Zu den zentralen Lebensfunktionen gehören Nahrungsaufnahme und Verdauungstätigkeit. Entsprechend können wir Gedanken aufnehmen und sie verarbeiten, d.h. geistig verdauen. Dabei kommt es immer auf zwei grundlegende Prozesse an: die Zerstörung der Nahrung in die Nahrungsbestandteile und den Aufbau von körpereigener Substanz aus diesen. Entsprechend hat das Denken die Fähigkeit, Inhalte kritisch zu zergliedern, sprich: sie zu analysieren, um aus den so gewonnenen Elementen neue Gedanken zu bilden, also synthetisch aufbauend tätig zu sein.
· Atemtätigkeit und Denken
Physiologisch zeigt sich die Funktionsdynamik der Atmung im Gegensatz von Ein- und Ausatmung. Das spiegelt sich besonders im Denken von Jugendlichen, deren Lungensystem gerade in diesem Alter wichtige Wachstums- und Reifungsschritte vollendet und ihnen somit die freiwerdenden Kräfte als neue Denkfähigkeit des sogenannten dialektischen Denkens – des Denkens in Gegensätzen – zutage treten.
Die grundlegenden Einsichten des deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) basieren auf der Dialektik im Denken. Aus dem Urgegensatz von Sein und Nichtsein und dem dazwischen vermittelnden Werden und Vergehen realisiert sich nicht nur die sichtbare Welt, sondern vollzieht sich auch die Denktätigkeit:
Wie will ich z.B. etwas Kleines denken, wenn ich nicht auch das Große kenne?
Mensch und Geist
Verfolgt man die Entwicklung der menschlichen Denktätigkeit von der Geburt bis zum Ende der Wachstumsperiode, so wird deutlich, wie kongruent sich ihre Reifungsschritte mit Wachstum und Entwicklung der Organe vollziehen.[2]
Der idealistische Philosoph, Arzt und Dichter Friedrich Schiller (1759-1805) lässt seinen Wallenstein sagen: Es ist der Geist, der sich den Körper baut.[3]
Wolfgang von Goethe hingegen schrieb in seinem Gedicht „Vermächtnis“[4]:
Kein Wesen kann zu nichts zerfallen!
Das Ew‘ge regt sich fort in allen.
Am Sein erhalte dich beglückt!
Das Sein ist ewig; denn Gesetze
Bewahren die lebend‘gen Schätze,
Aus welchen sich das All geschmückt.
Der Gedanke Steiners, dass Körperleben und Gedankenleben in Wahrheit dieselbe Quelle haben, dass ewiges Leben im Geist und vergängliches Leben im Körper zwischen Geburt und Tod eins sind, war auch Novalis bewusst (1772-1801), der schrieb: „Wenn ein Geist stirbt, wird er Mensch. Wenn ein Mensch stirbt, wird er Geist.“[5]
Vgl. Körperleben und Gedankenleben, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016
[1] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, GA 27. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1991, S. 12.
[2] Michaela Glöckler, Erkenntnisgewinn durch praktischen Umgang mit anthroposophischen Forschungsergebnissen am Beispiel des Doppelaspektes der ätherischen Organisation des Menschen. In: Karl-Martin Dietz, Barbara Messmer: Grenzen erweitern – Wirklichkeit erfahren. Perspektiven anthroposophischer Forschung. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1998, S. 235-259.
[3] Friedrich Schiller, Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht. Wallensteins Tod III, 13. Insel Verlag, Frankfurt a. M. 1984.
[4] J. W. v. Goethe, Gedichte und Epen I. Goethes Werke, Hamburger Ausgabe, Band IX, Verlag C.H. Beck, München 1998, S. 369.
[5] Novalis (Friedrich von Hardenberg), Dichtungen und Fragmente, Reclam Verlag, Stuttgart 1989.
KÖRPERGEBUNDENES LEBEN UND LEIBFREIES DENKEN
Wie hängen Leben und Denken zusammen?
Was ist mit leibgebunden und was mit leibfreien Ätherkräften gemeint?
Inwiefern bedingen sie einander?
Grandioses Forschungsergebnis
Rudolf Steiner kam zu dem grandiosen Forschungsergebnis, dass der Mensch den leibfrei gewordenen Wachstumskräften sein Denken und den leibgebundenen sein Leben verdankt; dass unserem Gedankenleben und unserem Körperleben ein und dieselben Lebenskräfte zugrunde liegen – mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen:
- Unsere Gedanken schenken uns ewiges Leben.
- Unseren Körperprozessen verdanken wir das vergängliche Leben.
Nacht für Nacht, Tag für Tag, Jahr für Jahr verlässt ein Teil unserer Regenerationskraft unseren Körper, wird leibfrei, und lässt uns dabei physisch immer hässlicher, aber geistig immer schöner werden. Was den Körper verlässt, sind die nicht mehr benötigten Wachstumskräfte, die fortan unserem Denken zur Verfügung stehen. Das heißt, wir denken mit denjenigen der ätherischen Kräfte, die von ihrer Wachstums-, Entwicklungs- und „Junghalte-Arbeit“ (Regeneration) befreit wurden. Darauf beruht das Wachstums-, Entwicklungs-, Gestaltungs- und Verwandlungspotential, sprich: die Kreativität unseres Gedankenlebens.
· Solange die ätherischen Kräfte im menschlichen Organismus gebunden sind, müssen sie den Bauplan der Natur erfüllen.
· Als Gedankenkräfte sind sie frei von dieser Naturgebundenheit.
Wir können sie – wenn wir seelisch-geistig gesund sind – frei handhaben. Wir fühlen uns dagegen geistig behindert oder psychisch krank, wenn wir unsere Gedanken nicht frei handhaben können, sondern von Zwangsgedanken oder -visionen heimgesucht werden, z.B. wenn unkontrolliert Bilder auftreten oder wir bestimmte Gedanken oder Vorstellungen nicht loslassen können.
Die Metamorphose der Wesensglieder in Denken, Fühlen und Wollen
Durch die Inkarnation tauchen wir in die Vergänglichkeit ein. Aber unser Denken, das ab dem 3. Lebensjahr als Ich-Bewusstsein aufleuchtet und immer weiter wächst, trägt uns schließlich auch über die Todesschwelle in das ewige Leben hinein, weil es bereits während des Erdenlebens ewiges Leben IST.
Rudolf Steiner spricht davon, dass alle Wesensglieder eine solche Metamorphose vollziehen als Voraussetzung für unser Denken, Fühlen und Wollen:
- Wir denken mit den umgewandelten leibfrei gewordenen ätherischen Kräften.
- Wir fühlen mit den vom Körper frei gewordenen Differenzierungskräften unseres Astralleibes.
- Wir wollen (handeln) mit den vom physischen Leib frei gewordenen Kräften unserer Ich-Organisation.
Nichts anderes ist die Quinta Essenzia: Sie ist unsere seelisch-geistige Essenz, die wir im Zuge des Alterns aus unseren ätherischen, astralen und ichhaften Kräften heraus gebären als unser rein geistiges Leben. Auf diesem Prinzip beruht alle Heilung, aber auch alles Krankmachende. Rudolf Steiner sieht im Materialismus unserer Zeit die schlimmste Krankheit, der man verfallen kann, weil man sich dadurch von seinem spirituellen Ursprung abschneidet. Und das ist vom Geistigen her gesehen der Anfang allen Übels.
Vgl. Vortrag anlässlich des Jubiläums des 100. Geburtstags von Werner Junge, Okt. 2012
ÄTHERLEIB UND MERKURSTAB
Inwiefern ist der Merkurstab als offene Lemniskate ein Abbild des Ätherischen?
Welche Eigenschaften hat die offene Lemniskate, was symbolisiert sie?
Was sagt sie über das Wesen der Ätherischen aus?
Das Ätherische als offenen Lemniskate
Auffallend an der offenen Lemniskate ist ihre Dreigliedrigkeit. Es gibt:
- einen unteren geschlossenen Bereich
- den Kreuzungspunkt
- und einen dritten, nach oben hin offenen, Bereich.
Das Zeichen des Ätherischen ist die aufgerichtete nach oben hin offene Lemniskate. Der Ätherleib orientiert sich am Ich, am aufgerichteten Menschen, was durch den Stab symbolisiert wird. Insofern ist der Merkurstab das Abbild der aufgerichteten am Ich orientierten Persönlichkeit.
· Die offene Lemniskate als Symbol der Liebe
Rudolf Steiner kam im Rahmen eines Besuchs der Waldorfschule in Stuttgart in die 5. Klasse. Die Kinder übten Freihandgeometrie, Geometrie ohne Zirkel und Lineal. Er stellt ihnen die Aufgabe, die geometrische Form für die Liebe zu malen. Sie malten daraufhin alle möglichen spannenden Dinge. Zuletzt ging Rudolf Steiner an die Tafel und sagte: „Jetzt zeige ich euch, welche Form mir dazu eingefallen ist.“ Er malte eine offene Lemniskate.
Ein Aspekt des Merkurstabs ist also, dass er das Symbol für Liebe ist. Man kann Liebe nicht adäquater, ganzheitlicher und menschlicher zum Ausdruck bringen. Sie durchströmt den ganzen Menschen, drückt sich aber in den verschiedenen Bereichen auf sehr unterschiedliche Weise aus.
· Die offene Lemniskate als Schwelle
Ein zweiter Aspekt hat mit der Eigentümlichkeit der Form der offenen Lemniskate zu tun. Sie ist ganz und gar symmetrisch, doch kommt, was unten innen ist, im oberen Bereich nach außen. Die Lemniskate symbolisiert die Tatsache, dass es eine Schwelle gibt, an der sich alles umkehrt: Wir stehen vor dem Geheimnis, dass etwas, das hier innen ist, nach dem Kreuzungspunkt nach außen kommt. Und etwas, das hier draußen ist, kommt, wenn es diesen Punkt bzw. diese Schwelle überschreitet, nach innen. In beiden Fällen findet eine Begegnung mit dem Hüter der Schwelle statt – einmal bewusst, einmal unbewusst. Mit dieser Charakteristik der offenen Lemniskate lässt sich auch die physisch-geistige Doppelnatur des Ätherischen erklären.
Das Herz als Organ ist mit seinen vier Kammern ebenfalls lemniskatisch gebaut. Seine Form bildet sich aus dem fließenden Strömen des Blutes heraus. Das ganze Blutgefäßsystem ist lemniskatisch organisiert. Der Ätherleib bildet diese Eigenart des Herzens am getreuesten ab. Er ist dadurch in der Lage, alle Polaritäten und alle Regionen des Körpers zu verbinden, einander anzugleichen und zu integrieren.
Vgl. Vortrag „Die Gesetzmäßigkeiten des Merkurstabs“ vom 25.09.2007
STIMMIGKEIT ALS KRITERIUM DES ÄTHERISCHEN
Inwiefern ist die Stimmigkeit in den Lebens- und Denkprozessen ein Schlüssel zum Verständnis des Ätherischen?
Welche tieferen Zusammenhänge lassen sich daraus ableiten?
Stimmigkeit als Schlüssel erkennen
Rudolf Steiner erkannte im Rahmen der Erforschung der menschlichen Natur in Gesundheit und Krankheit den Aspekt der Stimmigkeit als einen Schlüssel zu einem spirituellen Verständnis derselben.
- Aufeinander abgestimmte Lebensprozesse
Wir alle wissen, dass die biologischen Lebensprozesse komplexen Wirkmechanismen folgen, dass alle Rhythmen und alle Vorgänge kohärent miteinander vernetzt und fein aufeinander abgestimmt sind. Das betrifft auch das instinktive Zusammenspiel von Muskeln und Nerven als Voraussetzung für unsere Bewegungskompetenz. Diese Lebensprozesse unseres Körpers laufen vollkommen unbewusst ab. Wir freuen uns unseres Lebens, aber wir stecken nicht drin in diesen komplizierten Vorgängen, d.h. wir spüren sie nicht einmal, sind uns ihrer nicht bewusst.
Erst wenn wir krank werden, wenn „irgendetwas nicht mehr stimmt“ gehen wir zum Arzt,– d.h., das Gefühl krank zu sein, setzen wir gleich mit dem Gefühl, dass etwas nicht stimmt.
- In sich stimmige Gedankenprozesse
Diesen Begriff des „Stimmens“ benutzen wir aber auch, wenn es um unser Denken geht. Dort lassen sich dieselben unglaublich intelligent aufeinander bezogenen Wirkmechanismen wiederfinden. Wir fragen uns z.B.:
Stimmt das, was jemand sagt? Ist es wirklich wahr?
Stimmt das Ergebnis einer Rechnung oder stimmt es nicht?
Stimmt dieser oder jener Gedankengang?
Bewusste und unbewusste ätherische Prozesse
Wir kennen dieses Gefühl für Stimmigkeit von der Erfahrung her aus beiden Lebensbereichen. Rudolf Steiner konnte das Phänomen der Stimmigkeit jedoch in noch tieferer Weise durchschauen. Er folgerte daraus, dass unserem bewussten Gedankenleben und unserem unbewussten Körperleben dieselben ätherischen Kräfte zugrunde liegen.
Erst wenn wir das Leben als ein kosmisch-irdisches Geschehen auffassen, das denselben Rhythmen folgt und dieselben Energien braucht wie der Kosmos, können wir diese Zusammenhänge begreifen: dass in unserem Denken genau dieselbe kosmische Weisheit wirkt, die lebensspendend und -erhaltend in unserem Körper waltet – einmal auf unbewusste, einmal auf bewusste Art und Weise.
Rudolf Steiners spirituell-somatisches Paradigma lautet demnach: Der Mensch denkt mit denselben Kräften, mit deren Hilfe sein Körper am Leben erhalten wird, wächst, sich heilt, sich reguliert und regeneriert. Er forderte uns Ärzte auf, das ganze Leben und die ganze Entwicklung unter diesem Aspekt der kosmisch-ätherischen Stimmigkeit anzuschauen.
Vgl. Vortrag „Schicksalswürde und spirituelles Begreifen der Demenz“ gehalten in Filderstadt am 19.2.2010