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Konfliktfähigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Geistesforschung
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= Konfliktfähigkeit – von Michaela Glöckler =
= Konfliktfähigkeit – von Michaela Glöckler =
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von [[Michaela Glöckler]]; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von [[Michaela Glöckler]]; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
== ERZIEHUNG ZUR KONFLIKTFÄHIGKEIT ==
''Wie lassen sich Konflikte zwischen Eltern bzw. Erziehern und Kindern konstruktiv bewältigen?''
''Welche Rolle spielt dabei die Erziehung?''
''Wie kann eine Erziehung zur Konfliktfähigkeit aussehen?''
=== ''Handlungsspielraum geben'' ===
In dem Moment, in dem das Kind laufen lernt, kann es auch etwas tun, weil es jetzt die Hände frei hat. Zwischen ihm und der Mutter entstehen spannungsreiche Momente, wenn das Kind etwas unternimmt und die Mutter Sorge hat, es könnte etwas passieren. Will man dem Kind Spielraum geben für die Erprobung seines Willens, ohne seine Intentionen ständig umzulenken oder zu unterbinden, so gibt es nur eins: die Umgebung des Kindes so zu gestalten, dass es seinem Entdeckungs- und Tätigkeitsdrang voll nachkommen kann.
Wer als Kind Handlungsfreiheit erlebte, weil er die Möglichkeit hatte, unbegrenzt nachahmen zu dürfen, entwickelt viel Selbstvertrauen als Voraussetzung für ein gesundes Selbstbewusstsein. Er hat die Möglichkeit, Erfahrungen zu machen, erlebt Missgeschick und Erfolg und fühlt sich immer als der Akteur, der die Sache wieder von Neuem beginnt oder weiterführt.
=== ''Sinnvolle Regelungen treffen'' ===
Auf der anderen Seite muss das Kind lernen, die Grenzen zu achten, wenn seine Intentionen diejenigen der Familie bzw. des sozialen Umkreises stören: Wenn es weiterspielen möchte, obwohl es bereits Essenszeit ist, wenn es gerade dort tobt, wo man sich unterhalten will, oder wenn es abends nicht ins Bett will. Hier sind all die Stellen im Laufe des Tages gemeint, bei denen es um das Aufrechterhalten guter Gewohnheiten und sinnvoller Regelungen geht. Durch die Bewegungsfreiheit fühlt sich das Kind bestätigt in seiner Persönlichkeit. Genauso wichtig ist es aber, dass es auch die Bereiche zu achten lernt, in denen es nötig ist, sich in eine Gemeinschaft und einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Stimmt das Gleichgewicht zwischen beiden Polen, werden sie einander unterstützen. Ist das nicht der Fall, können daraus Konflikte entstehen:
* '''Fehlen Grenzen''', lernt das Kind nicht, die Bedürfnisse anderer Menschen wahrzunehmen,
* '''Sind die Grenzen zu zahlreich''', entwickelt es einen Hass auf Kontrollpersonen oder die Gemeinschaft, weil diese es hindern zu tun, was es gerne möchte.
Begriffe wie „soziales Verhalten“ und „Rücksichtnahme“ können so zu „Schimpfworten“ anstatt zu Wegweisern für die Entwicklung werden. Gelingt es jedoch, ein häusliches Klima herzustellen, in dem sich jeder mit seinen Intentionen und Bedürfnissen wahrgenommen und berücksichtigt fühlt, wachsen auch die Kompromissbereitschaft und die Bereitschaft zum Verzicht zugunsten der Intentionen eines anderen. Wer sich ständig benachteiligt erlebt oder sich immer unterordnen muss, wird diese Bereitschaft weniger entwickeln.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Erziehung zur Konfliktbewältigung ist die Tatsache, dass das Kind von klein auf lernt, seine individuellen Bedürfnisse in Einklang bringen zu müssen mit denen seiner Umgebung. Wer darüber hinaus in der Schulzeit die Möglichkeit hatte, Versagenszustände, Erfolge, Neid- und Eifersuchtskonflikte durchzustehen und aus Fehlern zu lernen, der bringt gute Voraussetzungen mit, um Konflikte im späteren Leben konstruktiv zu bewältigen.
=== ''Konfliktfähigkeit und Schule'' ===
In der Schule ist es im Einzelfall oft schwer, das obengenannte Gleichgewicht herzustellen. Denn jedes Kind lebt in seinem eigenen zu ihm gehörigen und sich immer deutlicher herausbildenden Schicksalsumkreis. Das kann man besonders deutlich erleben, wenn Schüler in die erste Klasse kommen und innerhalb weniger Tage Zuneigung oder Abneigung gegenüber anderen entwickeln, Freundschaften und Feindschaften entstehen. Das wird durch das Wesen der Kinder selbst bewirkt und der Lehrer steht oft völlig machtlos daneben. Meistens bleibt ihm nur die Möglichkeit, besonders belastete Kinder gut im Auge zu behalten und alles zu tun, um ihnen Erlebnisse zu vermitteln, bei denen auch sie etwas gelten und eine Stärkung ihres Selbstbewusstseins erfahren. Auch die sogenannten „stillen“ Kinder verdienen besondere Aufmerksamkeit. Es ist nicht immer das Richtige, mit allen Mitteln zu versuchen, sie aus ihrer Reserve zu locken. Vielmehr sollte man zuerst prüfen, ob sich das Kind in seinem Stillsein wohl fühlt und den Windschatten der lauten Klasse genießt, oder ob es sich unterdrückt und benachteiligt erlebt.
Ein reiches Arbeitsfeld für Lehrer sind die Schicksalskonstellationen von Kindern, deren Zuhause von Konflikten, Ablehnung oder auch Einsamkeit geprägt ist. Die großartige Aufgabe besteht darin, für diese Kinder in der Schule einen Ausgleich zu schaffen. Oft haben gerade sie viel vor für das spätere Leben. Man sollte sich deshalb vor falschem Mitleid hüten, wenn Kinder es unterschiedlich schwer in Elternhaus und Schule haben. Bringt doch jedes Kind in Form seines Schicksalsumkreises gerade die Lernbedingungen mit, die ihm helfen zu erwerben, was es für sein Leben braucht. So lehrt die Erfahrung, dass gerade Kinder, die im Schulalter sehr beliebt waren und in der Gruppe gern gesehen waren, später im Leben nicht immer die Durchsetzungsfähigen und Erfolgreichen sind (obwohl das natürlich auch sein kann). Oft sind diejenigen, die durch schwierige Erfahrungen gegangen sind, die gelernt haben, auf sich selbst gestellt zu sein, später besonders gern gesehen, weil sie souverän im Leben stehen. Bei Kindern, die angepasst waren und kaum Probleme hatten, kann es hingegen später zu erschütternden Aufwacherlebnissen kommen, wenn die Dinge plötzlich nicht mehr „von selbst“ gehen, wie sie es gewohnt waren. Ihnen fällt es weitaus schwerer, selbständig Konflikte zu bewältigen.
=== ''Konfliktfähigkeit der Lehrer'' ===
Ein Lehrer, der Konflikte im Klassen- und Schulzusammenhang menschenwürdig – sprich: gewinnbringend für alle Beteiligten – zu lösen versteht, ist das wichtigste Erziehungsmittel für die spätere Konfliktfähigkeit der Schüler.
Um als Lehrer konfliktfähig zu werden, bedarf es einer bestimmten Lebenseinstellung: Man muss davon überzeugt sein, dass jeder von jedem lernen kann. Wer angesichts von Konflikten und Problemen nur nach dem Schuldigen fragt, hat sich diese Lebenseinstellung noch nicht erworben. Denn durch die Frage nach der Schuld distanziert sich der Betreffende vom Geschehen und realisiert nicht, dass er mit beteiligt ist. Viel wichtiger, als nach dem Schuldigen zu fragen, ist es zu verstehen, warum ein Problem überhaupt entstehen konnte und wie jemand in die Lage kam, „schuldig“ zu werden. Es geht nun darum herauszufinden, was die Gemeinschaft aus der Bearbeitung des Problems für einen Gewinn ziehen kann.
Je mehr sich Lehrer und Erzieher fragen, was jetzt gebraucht wird, damit die Entwicklung nach der einen oder anderen Richtung weitergehen kann, desto mehr stärken sie das entwicklungsförderliche Interesse. Es ist immer wieder beschämend zu merken, dass die meisten sozialen Konflikte aus Mangel an Interesse entstehen, bzw. dadurch, dass übergangene oder zurückgewiesene Bedürfnisse nicht rechtzeitig wahrgenommen wurden. Um hier vorbeugen zu lernen, sind Elternhaus und Schule ideale Übungsfelder für alle Beteiligten.
''Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 7. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997''
'''ABWÄGEN IM INTERESSENSKONFLIKT'''
''Wie kann man unterschiedliche Interessen „unter einen Hut kriegen“?''
''Welche Kriterien sind dabei hilfreich?''
'''''Ausloten von Interessenskonflikten'''''
Nachdem man die Zusammenhänge erkannt hat und die verschiedenen Problemfelder abgesteckt wurden, kommt als nächster wichtiger Schritt das Ausloten der verschiedenen Interessen, die miteinander in Konflikt geraten sind.
Das sei anhand eines Beispiels aus dem familiären Bereich demonstriert: Ein Ehepaar ist geschieden, man hat sich relativ gut geeinigt, einmal im Monat ist das Kind für ein Wochenende beim Vater, weitere Besuche finden während des Urlaubs und zu Weihnachten statt. Und nun geraten die verschiedenen Erziehungsstile und Auffassungen, was für das Kind gut oder schlecht ist, miteinander in Konflikt. Ein Problem, unter dem das Kind schon litt, als die Eltern noch beieinander waren, findet auf andere Art jetzt seine Fortsetzung. Das Kind liebt beide Eltern und kommt begeistert vom Vater nach Hause, wagt aber kaum zu erzählen, was es alles im Fernsehen sehen durfte, weil es weiß, dass Mama das nicht mag. Der Interessenkonflikt liegt hier in der Konstellation Vater/Mutter, Kind/Fernsehen. Die Mutter ist dagegen, der Vater dafür – und das Kind?
'''''Das Kind zwischen den Fronten'''''
''Ist es dafür, wenn es begeistert erzählt, was es alles sehen durfte?''
Man kann fast sicher sein, dass es für beides ist, weil es beide Eltern liebt. Es spürt auch die Sorge und den Ernst der Mutter, warum sie sich ablehnend verhält. In diesem Fall hat sich ihr geschiedener Mann durchgesetzt und lässt das Kind fernsehen, auch wenn er genau weiß, dass seine Frau dagegen ist. Warum?
''Möchte er dem Kind nur eine Freude machen?''
''Weiß er nicht, was er sonst mit dem Kind anfangen soll?''
''Möchte er sich auf diese Art an seiner Frau rächen oder seine Macht und Selbständigkeit demonstrieren?''
Das sind Fragen, die sich die Mutter jetzt neu stellen muss. Es hat keinen Sinn, diesbezügliche Gespräche mit ihrem Mann wieder aufzunehmen. Schon zu oft hatten sie sich seinerzeit deswegen gestritten. Auch muss sie sich eingestehen, dass es ihr Konflikt ist, wohingegen Vater und Kind eigentlich kein Problem damit haben. So muss sie also selbst überlegen, was sie zur Konfliktlösung beitragen kann. Und nun gilt es, die verschiedenen Interessen im Zusammenhang zu sehen und gegeneinander abzuwägen:
''Was hat ihr ehemaliger Mann davon, wenn das Kind bei ihm fernsehen darf?''
Es liegt auf der Hand, dass es ihm Spaß macht, mit dem Kind auf diese Weise etwas Lustiges oder Interessantes anzuschauen, noch dazu etwas, was es eigentlich „nicht darf“, wodurch der Wert noch gesteigert wird. Auch weiß sie, dass er dem Kind gegenüber während der Sendung immer auch Kommentare abgibt und das eine oder andere erklärt, sodass sich während des Fernsehkonsums auch auf der menschlichen Ebene etwas abspielt. Und das ist im Grunde etwas Gutes. Daran anknüpfend könnte sie ihren geschiedenen Mann fragen, ob er konsequent, wenn er mit dem Kind ferngesehen hat, hinterher auch noch ein wenig über das Gesehene mit ihm spricht.
Das könnte, vor allem wenn das Kind älter wird, ein annehmbarer Kompromiss sein, indem das nur passive Konsumieren der Sendungen in ein aktiveres Aufnehmen umgewandelt wird. Und das Kind? Es möchte es beiden Eltern recht machen, liebt aber die Fernsehstündchen mit dem Papa, und überdies muss es jetzt auch noch die Scheidung der Eltern verkraften.
'''''Kompromissfindung als Erziehung zur Konfliktbewältigung'''''
Je deutlicher sich die Eltern das alles vor Augen führen, umso mehr werden sie nicht nur die Notwendigkeit empfinden, dass dieser Konflikt gelöst werden sollte, sondern sie werden auch eine Möglichkeit dafür sehen. Denn eines wird ihnen immer klarer werden: Für das Kind ist es schädlicher, das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen den Eltern zu erleben, als einmal im Monat fernzusehen! Jetzt, wo die Eltern nicht mehr zusammenwohnen, ist der Konsum ohnehin reduziert und nicht mehr ein tägliches Vergnügen. Und es wäre doch furchtbar, wenn das Kind seiner Mutter nicht erzählen könnte, was es beim Papa sehen und erleben durfte, um sie als Mutter nicht zu ärgern oder zu verletzen. Abgesehen davon ist das Erinnern von Fernsehinhalten gar nicht so einfach – diese Inhalte werden erstaunlich schnell vergessen. Also ist auch das Nacherzählen eine gute Übung für das Gedächtnis.
Nachdem die Eltern all diese Faktoren bedacht und gegeneinander abgewogen haben, entschließen sie sich, den Konfliktpunkt „Fernsehen“ beizulegen. Für das Kind, das diesen Wandel im Umgang mit dem Problem bei den Eltern miterlebt, ist diese Erfahrung zugleich ein Stück Erziehung zur Konfliktbewältigung.
Zum anderen ist das Ganze aber auch ein Beispiel dafür, dass die Bereitschaft zur Selbsterziehung eine unabdingbare Voraussetzung für jegliche Konfliktbewältigung ist. Das Beispiel kann auch deutlich machen, dass ein guter Teil des Konflikts „im Innern“ bewältigt werden muss. Jeder an einem Konflikt Beteiligte kann seine „Macht“ zur Verschärfung oder zur Linderung der Problematik einsetzen.
'''''Nächtliche Beratung mit den Konfliktpartnern'''''
In den Nächten, in denen scheinbar Pause ist und „nichts geschieht“, passiert doch mehr als wir meinen: In der Nacht erleben wir die Ereignisse des Tages noch einmal, aber jetzt von der Perspektive der anderen aus gesehen. Rudolf Steiner schildert aus seiner Geistesforschung heraus sehr anschaulich, dass wir nachts ''„in den Armen unserer Feinde“'' liegen und mit ihnen beraten, was getan werden könnte, um Konflikte friedlich beizulegen. Allerdings geschieht diese Beratung nicht vom egozentrischen Alltagsbewusstsein aus, sondern vom altruistischen Engelbewusstsein aus, dem sich auch die Beurteilung der höheren Hierarchien und letztlich „Gottes“ mitteilt.
Das klingt unwahrscheinlich, weil die Auseinandersetzungen am Tage meist unvermindert heftig weitergehen. Manchmal kommt aber auch ganz unverhofft ein guter Einfall, der der Sache eine positive Wendung gibt. Man hat den Schlaf schon seit alters her „den kleinen Bruder des Todes“ genannt. Was nach dem Tode in der Zeit der sogenannten Seelenläuterung geschieht – bildhaft auch „Fegefeuer“ genannt –, während der alles auf Erden seelisch Durchlebte noch einmal durchlaufen wird, nur jetzt so, wie die ''anderen'' die Ereignisse mit uns erlebt haben, geschieht jede Nacht im Kleinen – allerdings sind wir uns dessen meist nicht bewusst.
Gehen wir nun mit der Frage in die Nacht, wie wir uns in einer Konfliktsituation konstruktiv verhalten können, und sind wir auch für andere Gesichtspunkte offen, so können wir unter Umständen mit neuen Einsichten aufwachen oder sie während des Tages in Form von „Einfällen“ bekommen, die aus solchen „nächtlichen Beratungen“ stammen. Auf diese Weise können schon hier und jetzt, und nicht erst nach dem Tode, Konflikte aufgearbeitet bzw. beigelegt werden.
''Stefan Leber'' hat die Forschungsergebnisse Rudolf Steiners mit den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Schlafforschung in Zusammenhang gebracht und so eine sehr erhellende Arbeit zur Dimension des Schlafes und seiner Bedeutung für das soziale Leben geleistet.[1]
''Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997''
----[1] Vgl. Stefan Leber, ''Der Schlaf und seine Bedeutung.'' Freies Geistesleben, Stuttgart 1996.
== ABWÄGEN IM INTERESSENSKONFLIKT ==
''Wie kann man unterschiedliche Interessen „unter einen Hut kriegen“?''
''Welche Kriterien sind dabei hilfreich?''
=== ''Ausloten von Interessenskonflikten'' ===
Nachdem man die Zusammenhänge erkannt hat und die verschiedenen Problemfelder abgesteckt wurden, kommt als nächster wichtiger Schritt das Ausloten der verschiedenen Interessen, die miteinander in Konflikt geraten sind.
Das sei anhand eines Beispiels aus dem familiären Bereich demonstriert: Ein Ehepaar ist geschieden, man hat sich relativ gut geeinigt, einmal im Monat ist das Kind für ein Wochenende beim Vater, weitere Besuche finden während des Urlaubs und zu Weihnachten statt. Und nun geraten die verschiedenen Erziehungsstile und Auffassungen, was für das Kind gut oder schlecht ist, miteinander in Konflikt. Ein Problem, unter dem das Kind schon litt, als die Eltern noch beieinander waren, findet auf andere Art jetzt seine Fortsetzung. Das Kind liebt beide Eltern und kommt begeistert vom Vater nach Hause, wagt aber kaum zu erzählen, was es alles im Fernsehen sehen durfte, weil es weiß, dass Mama das nicht mag. Der Interessenkonflikt liegt hier in der Konstellation Vater/Mutter, Kind/Fernsehen. Die Mutter ist dagegen, der Vater dafür – und das Kind?
=== ''Das Kind zwischen den Fronten'' ===
''Ist es dafür, wenn es begeistert erzählt, was es alles sehen durfte?''
Man kann fast sicher sein, dass es für beides ist, weil es beide Eltern liebt. Es spürt auch die Sorge und den Ernst der Mutter, warum sie sich ablehnend verhält. In diesem Fall hat sich ihr geschiedener Mann durchgesetzt und lässt das Kind fernsehen, auch wenn er genau weiß, dass seine Frau dagegen ist. Warum?
''Möchte er dem Kind nur eine Freude machen?''
''Weiß er nicht, was er sonst mit dem Kind anfangen soll?''
''Möchte er sich auf diese Art an seiner Frau rächen oder seine Macht und Selbständigkeit demonstrieren?''
Das sind Fragen, die sich die Mutter jetzt neu stellen muss. Es hat keinen Sinn, diesbezügliche Gespräche mit ihrem Mann wieder aufzunehmen. Schon zu oft hatten sie sich seinerzeit deswegen gestritten. Auch muss sie sich eingestehen, dass es ihr Konflikt ist, wohingegen Vater und Kind eigentlich kein Problem damit haben. So muss sie also selbst überlegen, was sie zur Konfliktlösung beitragen kann. Und nun gilt es, die verschiedenen Interessen im Zusammenhang zu sehen und gegeneinander abzuwägen:
''Was hat ihr ehemaliger Mann davon, wenn das Kind bei ihm fernsehen darf?''
Es liegt auf der Hand, dass es ihm Spaß macht, mit dem Kind auf diese Weise etwas Lustiges oder Interessantes anzuschauen, noch dazu etwas, was es eigentlich „nicht darf“, wodurch der Wert noch gesteigert wird. Auch weiß sie, dass er dem Kind gegenüber während der Sendung immer auch Kommentare abgibt und das eine oder andere erklärt, sodass sich während des Fernsehkonsums auch auf der menschlichen Ebene etwas abspielt. Und das ist im Grunde etwas Gutes. Daran anknüpfend könnte sie ihren geschiedenen Mann fragen, ob er konsequent, wenn er mit dem Kind ferngesehen hat, hinterher auch noch ein wenig über das Gesehene mit ihm spricht.
Das könnte, vor allem wenn das Kind älter wird, ein annehmbarer Kompromiss sein, indem das nur passive Konsumieren der Sendungen in ein aktiveres Aufnehmen umgewandelt wird. Und das Kind? Es möchte es beiden Eltern recht machen, liebt aber die Fernsehstündchen mit dem Papa, und überdies muss es jetzt auch noch die Scheidung der Eltern verkraften.
=== ''Kompromissfindung als Erziehung zur Konfliktbewältigung'' ===
Je deutlicher sich die Eltern das alles vor Augen führen, umso mehr werden sie nicht nur die Notwendigkeit empfinden, dass dieser Konflikt gelöst werden sollte, sondern sie werden auch eine Möglichkeit dafür sehen. Denn eines wird ihnen immer klarer werden: Für das Kind ist es schädlicher, das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen den Eltern zu erleben, als einmal im Monat fernzusehen! Jetzt, wo die Eltern nicht mehr zusammenwohnen, ist der Konsum ohnehin reduziert und nicht mehr ein tägliches Vergnügen. Und es wäre doch furchtbar, wenn das Kind seiner Mutter nicht erzählen könnte, was es beim Papa sehen und erleben durfte, um sie als Mutter nicht zu ärgern oder zu verletzen. Abgesehen davon ist das Erinnern von Fernsehinhalten gar nicht so einfach – diese Inhalte werden erstaunlich schnell vergessen. Also ist auch das Nacherzählen eine gute Übung für das Gedächtnis.
Nachdem die Eltern all diese Faktoren bedacht und gegeneinander abgewogen haben, entschließen sie sich, den Konfliktpunkt „Fernsehen“ beizulegen. Für das Kind, das diesen Wandel im Umgang mit dem Problem bei den Eltern miterlebt, ist diese Erfahrung zugleich ein Stück Erziehung zur Konfliktbewältigung.
Zum anderen ist das Ganze aber auch ein Beispiel dafür, dass die Bereitschaft zur Selbsterziehung eine unabdingbare Voraussetzung für jegliche Konfliktbewältigung ist. Das Beispiel kann auch deutlich machen, dass ein guter Teil des Konflikts „im Innern“ bewältigt werden muss. Jeder an einem Konflikt Beteiligte kann seine „Macht“ zur Verschärfung oder zur Linderung der Problematik einsetzen.
=== ''Nächtliche Beratung mit den Konfliktpartnern'' ===
In den Nächten, in denen scheinbar Pause ist und „nichts geschieht“, passiert doch mehr als wir meinen: In der Nacht erleben wir die Ereignisse des Tages noch einmal, aber jetzt von der Perspektive der anderen aus gesehen. Rudolf Steiner schildert aus seiner Geistesforschung heraus sehr anschaulich, dass wir nachts ''„in den Armen unserer Feinde“'' liegen und mit ihnen beraten, was getan werden könnte, um Konflikte friedlich beizulegen. Allerdings geschieht diese Beratung nicht vom egozentrischen Alltagsbewusstsein aus, sondern vom altruistischen Engelbewusstsein aus, dem sich auch die Beurteilung der höheren Hierarchien und letztlich „Gottes“ mitteilt.
Das klingt unwahrscheinlich, weil die Auseinandersetzungen am Tage meist unvermindert heftig weitergehen. Manchmal kommt aber auch ganz unverhofft ein guter Einfall, der der Sache eine positive Wendung gibt. Man hat den Schlaf schon seit alters her „den kleinen Bruder des Todes“ genannt. Was nach dem Tode in der Zeit der sogenannten Seelenläuterung geschieht – bildhaft auch „Fegefeuer“ genannt –, während der alles auf Erden seelisch Durchlebte noch einmal durchlaufen wird, nur jetzt so, wie die ''anderen'' die Ereignisse mit uns erlebt haben, geschieht jede Nacht im Kleinen – allerdings sind wir uns dessen meist nicht bewusst.
Gehen wir nun mit der Frage in die Nacht, wie wir uns in einer Konfliktsituation konstruktiv verhalten können, und sind wir auch für andere Gesichtspunkte offen, so können wir unter Umständen mit neuen Einsichten aufwachen oder sie während des Tages in Form von „Einfällen“ bekommen, die aus solchen „nächtlichen Beratungen“ stammen. Auf diese Weise können schon hier und jetzt, und nicht erst nach dem Tode, Konflikte aufgearbeitet bzw. beigelegt werden.
''Stefan Leber'' hat die Forschungsergebnisse Rudolf Steiners mit den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Schlafforschung in Zusammenhang gebracht und so eine sehr erhellende Arbeit zur Dimension des Schlafes und seiner Bedeutung für das soziale Leben geleistet.[1]
''Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997''
----[1] Vgl. Stefan Leber, ''Der Schlaf und seine Bedeutung.'' Freies Geistesleben, Stuttgart 1996.
== DIE GEWISSENSSTIMME ==
''Was ist unsere Gewissensstimme?''
''Welcher Instanz entspringt sie?''
''Wie können wir lernen auf sie zu hören?''
Erziehung zur Konfliktfähigkeit ist identisch mit einer Erziehung, die zum Ziel hat, das Ich des Kindes, insbesondere aber seinen Persönlichkeitskern, anzusprechen und dessen Fähigkeiten zur Wirksamkeit zu bringen. Damit ist das Höhere im Menschen angesprochen, das sich uns zeigt, wenn wir auf unsere Gewissensstimme hören.
=== ''Worte Novalis über das menschliche Gewissen'' ===
Die treffendsten Worte, die bisher über das menschliche Gewissen gesagt wurden, stammen von ''Novalis''. In seinem Roman ''„Heinrich von Ofterdingen“'' schildert er ein Gespräch zwischen dem Arzt Sylvester und Heinrich über das menschliche Gewissen. Heinrich fragt:
„‚''Wann wird es doch‘, sagte Heinrich, ‚gar keiner Schrecken, keiner Schmerzen, keiner Not und keines Übels mehr im Weltall bedürfen?‘''
''‚Wenn es nur EINE Kraft gibt – die Kraft des Gewissens. Wenn die Natur züchtig und sittlich geworden ist. Es gibt nur EINE Ursache des Übels – die allgemeine Schwäche, und diese Schwäche ist nichts als geringe sittliche Empfänglichkeit und Mangel an Reiz der Freiheit.‘''
''‚Macht mir doch die Natur des Gewissens begreiflich.‘''
''‚Wenn ich das könnte, so wäre ich Gott, denn indem man das Gewissen begreift, entsteht es. [...]‘''
''‚[...] das Gewissen erscheint in jeder ernsten Vollendung, in jeder gebildeten Wahrheit. Jede durch Nachdenken zu einem Weltbild umgearbeitete Neigung und Fertigkeit wird zu einer Erscheinung, zu einer Verwandlung des Gewissens. Alle Bildung führt zu dem, was man nicht anders, wie Freiheit nennen kann, ohnerachtet damit nicht ein bloßer Begriff, sondern der schaffende Grund alles Daseins bezeichnet werden soll. Diese Freiheit ist Meisterschaft. Der Meister übt freie Gewalt nach Absicht und in bestimmter und überdachter Reihenfolge aus. Die Gegenstände seiner Kunst sind sein und stehn in seinem Belieben, und er wird von ihnen nicht gefesselt oder gehemmt. Und gerade diese allumfassende Freiheit, Meisterschaft oder Herrschaft ist das Wesen, der Trieb des Gewissens. In ihm offenbart sich die heilige Eigentümlichkeit, das unmittelbare Schaffen der Persönlichkeit, und jede Handlung des Meisters ist zugleich Kundwerdung der hohen, einfachen, unverwickelten Welt Gottes Wort. [...]‘''
''‚Allerdings ist das Gewissen der eingeborene Mittler jedes Menschen. Er vertritt die Stelle Gottes auf Erden, und ist daher so Vielen das Höchste und Letzte. Aber wie entfernt man die bisherige Wissenschaft, die man Tugend- oder Sittenlehre nannte, von der reinen Gestalt dieses erhabenen, weitumfassenden persönlichen Gedankens? Das Gewissen ist der Menschen eigenstes Wesen in voller Verklärung, der himmlische Urmensch. Es ist nicht dies und jenes, es gebietet nicht in allgemeinen Sprüchen, es besteht nicht aus einzelnen Tugenden. Es gibt nur EINE Tugend – den reinen, ernsten Willen, der im Augenblick der Entscheidung unmittelbar sich entschließt und wählt. In lebendiger, eigentümlicher Unteilbarkeit bewohnt es und beseelt es das zärtliche Sinnbild des menschlichen Körpers und vermag alle geistigen Gliedmaßen in die wahrhafteste Tätigkeit zu versetzen.‘“[1]''
Nun gibt es viele Menschen, die über eine Gewissensstimme, wie sie hier von ''Novalis'' geschildert wird, gar nicht verfügen. Vielmehr klagen sie darüber, dass sie oft ein „schlechtes Gewissen“ haben, das bei bestimmten Entscheidungsprozessen im Alltag eher störend ist als nützlich. Sie erleben es nicht als von ihrem Höheren Ich inspiriert, sondern eher als Reminiszenz autoritärer Diktionen aus Kindheit und Schulzeit: Alles Mögliche war verboten – auf diese Weise wurde ihnen ein schlechtes Gewissen „gemacht“. Mit solchen Konditionierungen darf die aus dem Höheren Ich inspirierte Gewissensstimme nicht verwechselt werden.
=== ''Entwicklung der Gewissensstimme aus dem Höheren Ich'' ===
Am besten lässt sich die eigene Gewissensstimme aus dem Höheren im Menschen heraus entwickeln, wenn man sich mit den drei Kernidealen des Ich befasst:
* '''Ehrlichkeit''' mit sich und anderen
* '''Liebe''' zu sich und anderen
* '''Freiheit''' für sich und andere.
Wenn ich meine zu fällende Entscheidung unter diesen Gesichtspunkten befrage, werden andere Kriterien meine Entscheidungsfindung beeinflussen, als wenn ich sie nur nach dem Sympathie-/Antipathie-Prinzip oder aus pragmatischen Gründen fälle:
''Wie sehen die Konsequenzen meiner Entscheidung aus, wenn ich sie ehrlich betrachte?''
''Wem zuliebe treffe ich diese Entscheidung?''
''Wessen Freiheit fördert sie? ''
Die Identifikation mit diesen Idealen kann zu einer Inspiration werden, die sich als „Gewissensstimme“ bemerkbar macht. Eine wichtige Voraussetzung, um andere ohne Gefahr für ihre Entwicklung führen zu können, ist gegeben, wenn man:
* durch die eigenständige '''Suche nach Wahrheit''' unabhängig und unbestechlich geworden ist
* durch die '''Schulung der Liebefähigkeit''' gelernt hat, die Wünsche und Interessen von anderen zu verstehen
* motiviert durch das '''Freiheitsideal''' die Intentionen und Impulse anderer ernstnimmt und berücksichtigt.
Damit hat man das Autonomieprinzip in sich selbst entdeckt.
''Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997''
----[1] Novalis (d.i. Friedrich von Hardenberg), ''Heinrich von Ofterdingen. Ein Roman.'' Der Morgen, Berlin 1986.
== FÜHRUNGSQUALITÄTEN UND KONFLIKTFÄHIGKEIT ==
''Inwiefern können Führungsqualitäten bei Konflikten hilfreich sein?''
=== ''Mehr als gutes Benehmen'' ===
Erziehung zur Verträglichkeit kann nicht nur darin bestehen, „gutes Benehmen“ zu lernen. Wer z.B. in der Wirtschaft tätig ist, muss auch Fähigkeiten erwerben, die es ihm ermöglichen, in schwierigen Situationen, wenn nötig, die Führung zu übernehmen. In den Führungsetagen großer Unternehmen gibt es ständig neue, offene, schwer lösbare konfliktträchtige Situationen, die mit einem großen Entscheidungsfindungsstress einhergehen. Manager können ihren Beruf nur ausüben, wenn sie selbst zur Konfliktbewältigung erzogen wurden, wenn sie schwierige offene Situationen aushalten und sich dabei so weit unter Kontrolle haben, dass sie noch Optimismus ausstrahlen können. (Nebenbei möchte ich gerne bemerken, dass der Beruf des Topmanagers bisweilen durchaus mit demjenigen einer Hausfrau zu vergleichen ist, die, je nach Größe des Haushalts und Umfang eigener Nebentätigkeiten genau das auch lernen und leisten muss.)
Alfred Herrhausen, ehemaliger Chef der Deutschen Bank, der im November 1989 vor seinem Haus von Terroristen ermordet wurde, schrieb dazu Folgendes'': „Die immer wieder angesprochenen Eigenschaften, die Manager und Unternehmer angeblich haben müssen, um erfolgreich zu sein, sind Klischees, die nur die halbe Wahrheit abbilden. Schöpferische Gestaltungsfähigkeit, Urteilskraft, Selbstvertrauen, vielseitiges Wissen, Entschlussfreude, Zähigkeit – Anforderungen, die man spontan mit der Rolle des Managers assoziiert – stellen selbstverständliche Voraussetzungen für diesen Beruf dar, aber sie machen ihn nicht aus. Es sind sehr vordergründige Paradigmata, mit denen man Oberflächenphänomene zutreffend beschreibt.“[1]''
=== ''Die alles entscheidende geistige Haltung'' ===
Herrhausen nennt diese erfolgversprechenden Verhaltensweisen „Oberflächenphänomene“. Hier spürt man den Kenner, der niemals behaupten würde, gutes Benehmen reiche schon, um erfolgreich zu sein. Vielmehr spricht er aus, dass es eben nur die Oberfläche betrifft und das Eigentliche, worauf es ankommt, nicht ersetzen kann. Auf dieses Eigentliche, Tieferliegende weist Herrhausen mit folgenden Worten hin: ''„… das Unsichtbare und Unwägbare, das die alles entscheidende geistige Haltung konstituiert, wird damit kaum erfasst.“''
Und weiter heißt es:
''„Jeder, der eine Top-Managementposition bezieht, nimmt im Vergleich zu seiner vorherigen Stellung in der betrieblichen Hierarchie nochmals einen tiefgreifenden Berufswechsel vor. Es ist nicht einfach eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit auf höherer Ebene, was hier erfolgt, sondern etwas spezifisch Neues. Dabei ändern sich nicht die Fähigkeiten, sondern die Verantwortungen, nicht die Problemstrukturen, sondern deren Wertigkeit, oftmals nicht der Kreis der Mitarbeiter, immer aber der soziale Bezug zu ihnen. An die Stelle der klar umrissenen betrieblichen Aufgabe tritt eine viel weniger präzise gesellschaftspolitische Mission.''
''Zu der Verantwortung kommt die Pflicht, das Unternehmen als ein umfassenderes System zu verstehen, zu dessen dynamischem Gleichgewicht man nur ohne Ressortegoismus beitragen kann. Dieser Pflicht wird nicht gerecht, wer in der Rolle des Nur-Technikers, Finanzmannes, Personalchefs verharrt. Auf der Ebene der obersten Unternehmensführung besteht eine fatale Solidarität derer, die für den Gesamterfolg gemeinschaftlich verantwortlich sind. Sie erfordert Teamverhalten anstelle von Konkurrenz, Toleranz statt eigensüchtiger Ambitionen, Gruppengeltung und nicht Einzelprestige.''
''Das ist in einem System, das Wettbewerb auch als Wettbewerb um individuelles Ansehen und um hierarchischen Vorrang impliziert, nicht einfach. Ganz oben sollen plötzlich das natürliche Unterscheidungsverlangen und der persönliche Ehrgeiz eingeschränkt und durch Integrationspflicht ersetzt werden – ein schwieriger, aber notwendiger psychologischer Sprung. Er macht die Spitzenposition nicht nur zu einer Würde, sondern auch zur Bürde, die innere Bescheidenheit verlangt, Anmaßung nicht verträgt.''“
Die angesprochene „alles entscheidende geistige Haltung“, verträgt keine Anmaßung und verlangt Integrationsfähigkeit und ein Verantwortungsbewusstsein, das eigene Interessen denen des gesamten Unternehmens unterordnen und dabei bescheiden bleiben kann. Herrhausen beschreibt damit eine wesentliche Qualität des Ich-Wesens des Menschen.
=== ''Das Ich als zweischneidiges Schwert'' ===
Die wichtigste Fähigkeit des menschlichen Ich ist, dass es integrierend wirkt – sprich einzelne Aspekte harmonisch ins Ganze einfügt – und sich mit sich selbst und gleichzeitig mit dem Menschheitsganzen identifizieren kann. Andererseits ist es undenkbar, dass man als Mensch das Ziel der vollständigen Integration und Harmonisierung je erreicht, da das Ich sich erst nach und nach in unausgesetzten Lernprozessen seiner selbst bewusst wird. Entwicklung wird immer begleitet von der Möglichkeit, zu irren und zu versagen.
Das Ich verfügt über die fundamentale Eigenschaft, „Ja“ und „Nein“ sagen, trennen und verbinden zu können. Es kann unterscheiden und integrieren, ist also ein „zweischneidiges Schwert“, das einerseits ganz auf sich selbst gestellt ist und andererseits in der Lage ist, sich mit Welt und Mensch zu verbinden. Im Evangelium werden deshalb beide Eigenschaften dem Christus zugeschrieben. Als Förderer der Ich-Werdung des Menschen muss er sagen: ''„Ich bringe Trennung“'' (von Luther mit „Zwietracht“ übersetzt), gleichzeitig bringt er auch Frieden.
Herrhausen führt weiter aus'': „Das so oft beschworene Wort ‚Im Mittelpunkt des Betriebes steht der Mensch‘ stimmt eben nicht in dem Sinne einer spannungsfreien Zweckgemeinschaft. Betriebe sind das Spielfeld von sozialen Prozessen, in denen keine Harmonie herrscht, weil unsere Gesellschaft nun einmal kein Harmonieverein ist.“''
Unsere Gesellschaft lebt im Spannungsfeld der Ich-Entwicklung in Form von Selbstfindung – „Trennung“ – und sozialer Integration – „Frieden“.
Das Fazit der Betrachtung von Alfred Herrhausen ist, dass wir, wenn wir den Anspruch haben, Erziehung zur Konfliktbewältigung zu leisten, durch die Oberfläche hindurch an den Kern der menschlichen Persönlichkeit herankommen müssen, an die spezifischen Fähigkeiten des Ich:
* Konflikte auszuhalten,
* Lösungsansätze aus der Gesamtwahrnehmung des Problems zu suchen,
* den Mut zu haben, sie auf den Weg zu bringen.
Führung, die nicht primär der Selbstdarstellung dient, sondern die Aufgabe wahrnimmt, um die es geht, wird immer konstruktiv wirken. Allem voran gilt es das Unbehagen zu überwinden, überhaupt eine Führungsaufgabe zu ergreifen. Denn Dank und Anerkennung sind dabei selten zu ernten. Die Erwartung des Umfeldes, dass die Sache klappt, ist hoch und schon kleine Fehler werden mit Kritik geahndet.
Viel Wahres liegt in dem Spruch: ''„Man gebe die Macht denen, die sie nicht wünschen.“'' Wer nicht führen will – dazu aber fähig ist –, ist auch dafür geeignet. Für ihn wird Führung zur anspruchslosen Dienstleistung, um derentwillen er persönliche Unannehmlichkeiten in Kauf nimmt. Er muss seine Selbstwahrnehmung auch dahingehend schulen, wahrnehmen zu können, ob er der Sache noch dient oder ob die Verantwortung in andere Hände abgegeben werden sollte.
''Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997''
----[1] Alfred Herrhausen, ''Denken, Ordnen, Gestalten.'' Siedler, München 1990; Neuaufl. 2004. Alfred Herrhausen war Vorstandssprecher bei der Deutschen Bank und ein international anerkannter Topmanager des Bankwesens. Nach seinem Tod ist aus dem umfangreichen Nachlass und aus Reden, die er gehalten hatte, dieses Buch zusammengestellt worden.
== SELBSTSICHERHEIT UND KONFLIKTFÄHIGKEIT ==
''Wie gehen wir im Alltag miteinander um?''
''Wie „loben“ und „tadeln“ wir uns in Gedanken, Gefühlen und Worten?''
''Was können wir durch mehr Wachheit, Sorgfalt und Ehrlichkeit auf diesem Gebiet zur Stabilisierung der sozialen Verhältnisse beitragen?''
''Wie wirkt sich Selbstsicherheit im Umgang mit Konflikten aus?''
''Wie wird Selbstsicherheit veranlagt und gefördert?''
Selbstsicherheit und Zuversicht sind wichtige Eigenschaften bei der Konfliktbewältigung. Sie werden entwickelt und gefördert durch sachgerechten Umgang mit Lob und Tadel. Das kindliche Selbstbewusstsein wird geschwächt, wenn es im Laufe eines Tages mehr getadelt als gelobt wird.
=== ''Lob muss Tadel ausgleichen oder überwiegen'' ===
In der kinderärztlichen oder schulärztlichen Sprechstunde kommt es immer wieder vor, dass ein „schwieriges Kind“ vorgestellt wird und man genauestens erfährt, wo überall die Probleme sitzen. Fragt man dann nach den Fähigkeiten und Möglichkeiten dieses Kindes, nach dem, was es an Positivem bieten kann, herrscht meist erst einmal Schweigen. Die positiven Eigenschaften eines schwierigen Kindes leben oft längst nicht so lebhaft im Bewusstsein der Eltern und Erzieher wie die Probleme, an denen man sich täglich sorgt und reibt. Man muss sich nur einmal in die Lage eines solchen Kindes hineinversetzen: Kein Erwachsener würde eine derartige Situation über längere Zeit ertragen. Er würde entweder den Arbeitsplatz wechseln oder ausziehen – je nachdem, wo ihm solch ein Psychostress zugemutet wird. Ein Kind kann jedoch nicht davonlaufen – es kann nur verhaltensauffällig werden, immer mehr provozieren, um deutlich zu machen, dass hier etwas nicht stimmt.
Beim Umgang mit Lob und Tadel gibt es eine goldene Regel, die unbedingt zu berücksichtigen ist: Wenn man an einem Kind etwas kritisiert, muss man auf der anderen Seite auch eine Fähigkeit hervorheben, über die man sich freut. Wenn man an einem Kind oder Schüler in der Schule nur drei positive Eigenschaften entdeckt, darf man auch nur drei negative tadeln – alle anderen muss man „übersehen“. Denn nur wenn Lob und Tadel im Gleichgewicht sind, ist die Voraussetzung geschaffen, dass die Freude und die Kraft, die durch das Lob hervorgerufen werden, ausreichen, um den Schmerz auszuhalten, der durch den Tadel entsteht. Es gibt aber auch Kinder – insbesondere aus belasteten Familien –, bei denen das nicht reicht: Bei ihnen muss der Tadel an einem Fehler aufgewogen werden mit dem Loben von mindestens drei lobenswerten Ereignissen oder Verhaltensweisen, um ihnen das Gefühl zu geben, dass es in Ordnung ist, so wie es ist.
Man muss sich als Erzieher in die Situation eines „schwierigen“ Kindes versetzen, muss in Gedanken neben ihm stehen und alles, was es erlebt, aus seinem Blickwinkel heraus betrachten. Oft wird sein Name zu Hause oder in der Schule zornig-emotional oder ermahnend gerufen.
''Wie würde man sich selbst fühlen, wenn man ständig widergespiegelt bekäme, dass man so, wie man ist, nicht annehmbar ist?''
Wird ein solches Kind z.B. morgens besonders lieb geweckt und das Zu-Bett-Gehen bewusster gestaltet und gelingt es zusätzlich, weniger zu ermahnen und manche Dinge schlicht zu übersehen, kann das bereits einiges zur Verbesserung der Situation beitragen. Wenn dieses Kind auch in der Schule fröhlich begrüßt und – egal, wie der Unterricht verlief, – auch wieder freundlich verabschiedet wird, kann es sich plötzlich entspannen und wird durch das ebenfalls viel bewusster gehandhabte Lob deutlich ruhiger und sicherer.
=== ''Geschwister als Konfliktpartner'' ===
Begegnet man Menschen, die eine gute Frustrationstoleranz haben und in schwierigen Situationen die Ruhe bewahren können, stammen diese häufig aus einer größeren Familie. Geschwister, mit denen man gemeinsam die verschiedensten Konflikte zu durchleben und bewältigen gelernt hat, sind eine wesentliche Unterstützung bei der Erziehung zur Konfliktbewältigung.
Besonders wertvoll ist die Gewohnheit, Streit nicht mit in die Nacht zu nehmen. Dann gewöhnt man sich daran, Konflikte bis zum Abend so weit beizulegen, dass man sich friedlich gute Nacht sagen kann. Es genügt oft am Abend vor dem Schlafengehen kurz zu fragen:
''Was war heute besonders schlimm?''
''Seid ihr euch inzwischen wieder gut?''
An die Antwort schließt sich vielleicht das eine oder andere Gespräch an. Man merkt es Kindern an, ob wahr ist, was sie sagen. Wenn es nicht wahr ist, kann man gemeinsam überlegen, was getan werden muss, damit Verstehen und Versöhnung herbeigeführt werden können.
So wichtig es ist, dass Eltern solche Prozesse begleiten, so wichtig ist es auch, dass sie in die kindlichen bzw. geschwisterlichen Konflikte nicht richtend eingreifen – umso mehr lernen die Kinder selbst daraus.
''Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997''

Aktuelle Version vom 3. April 2025, 18:36 Uhr

Konfliktfähigkeit – von Michaela Glöckler

Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/

ERZIEHUNG ZUR KONFLIKTFÄHIGKEIT

Wie lassen sich Konflikte zwischen Eltern bzw. Erziehern und Kindern konstruktiv bewältigen?

Welche Rolle spielt dabei die Erziehung?

Wie kann eine Erziehung zur Konfliktfähigkeit aussehen?

Handlungsspielraum geben

In dem Moment, in dem das Kind laufen lernt, kann es auch etwas tun, weil es jetzt die Hände frei hat. Zwischen ihm und der Mutter entstehen spannungsreiche Momente, wenn das Kind etwas unternimmt und die Mutter Sorge hat, es könnte etwas passieren. Will man dem Kind Spielraum geben für die Erprobung seines Willens, ohne seine Intentionen ständig umzulenken oder zu unterbinden, so gibt es nur eins: die Umgebung des Kindes so zu gestalten, dass es seinem Entdeckungs- und Tätigkeitsdrang voll nachkommen kann.

Wer als Kind Handlungsfreiheit erlebte, weil er die Möglichkeit hatte, unbegrenzt nachahmen zu dürfen, entwickelt viel Selbstvertrauen als Voraussetzung für ein gesundes Selbstbewusstsein. Er hat die Möglichkeit, Erfahrungen zu machen, erlebt Missgeschick und Erfolg und fühlt sich immer als der Akteur, der die Sache wieder von Neuem beginnt oder weiterführt.

Sinnvolle Regelungen treffen

Auf der anderen Seite muss das Kind lernen, die Grenzen zu achten, wenn seine Intentionen diejenigen der Familie bzw. des sozialen Umkreises stören: Wenn es weiterspielen möchte, obwohl es bereits Essenszeit ist, wenn es gerade dort tobt, wo man sich unterhalten will, oder wenn es abends nicht ins Bett will. Hier sind all die Stellen im Laufe des Tages gemeint, bei denen es um das Aufrechterhalten guter Gewohnheiten und sinnvoller Regelungen geht. Durch die Bewegungsfreiheit fühlt sich das Kind bestätigt in seiner Persönlichkeit. Genauso wichtig ist es aber, dass es auch die Bereiche zu achten lernt, in denen es nötig ist, sich in eine Gemeinschaft und einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Stimmt das Gleichgewicht zwischen beiden Polen, werden sie einander unterstützen. Ist das nicht der Fall, können daraus Konflikte entstehen:

  • Fehlen Grenzen, lernt das Kind nicht, die Bedürfnisse anderer Menschen wahrzunehmen,
  • Sind die Grenzen zu zahlreich, entwickelt es einen Hass auf Kontrollpersonen oder die Gemeinschaft, weil diese es hindern zu tun, was es gerne möchte.

Begriffe wie „soziales Verhalten“ und „Rücksichtnahme“ können so zu „Schimpfworten“ anstatt zu Wegweisern für die Entwicklung werden. Gelingt es jedoch, ein häusliches Klima herzustellen, in dem sich jeder mit seinen Intentionen und Bedürfnissen wahrgenommen und berücksichtigt fühlt, wachsen auch die Kompromissbereitschaft und die Bereitschaft zum Verzicht zugunsten der Intentionen eines anderen. Wer sich ständig benachteiligt erlebt oder sich immer unterordnen muss, wird diese Bereitschaft weniger entwickeln.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Erziehung zur Konfliktbewältigung ist die Tatsache, dass das Kind von klein auf lernt, seine individuellen Bedürfnisse in Einklang bringen zu müssen mit denen seiner Umgebung. Wer darüber hinaus in der Schulzeit die Möglichkeit hatte, Versagenszustände, Erfolge, Neid- und Eifersuchtskonflikte durchzustehen und aus Fehlern zu lernen, der bringt gute Voraussetzungen mit, um Konflikte im späteren Leben konstruktiv zu bewältigen.

Konfliktfähigkeit und Schule

In der Schule ist es im Einzelfall oft schwer, das obengenannte Gleichgewicht herzustellen. Denn jedes Kind lebt in seinem eigenen zu ihm gehörigen und sich immer deutlicher herausbildenden Schicksalsumkreis. Das kann man besonders deutlich erleben, wenn Schüler in die erste Klasse kommen und innerhalb weniger Tage Zuneigung oder Abneigung gegenüber anderen entwickeln, Freundschaften und Feindschaften entstehen. Das wird durch das Wesen der Kinder selbst bewirkt und der Lehrer steht oft völlig machtlos daneben. Meistens bleibt ihm nur die Möglichkeit, besonders belastete Kinder gut im Auge zu behalten und alles zu tun, um ihnen Erlebnisse zu vermitteln, bei denen auch sie etwas gelten und eine Stärkung ihres Selbstbewusstseins erfahren. Auch die sogenannten „stillen“ Kinder verdienen besondere Aufmerksamkeit. Es ist nicht immer das Richtige, mit allen Mitteln zu versuchen, sie aus ihrer Reserve zu locken. Vielmehr sollte man zuerst prüfen, ob sich das Kind in seinem Stillsein wohl fühlt und den Windschatten der lauten Klasse genießt, oder ob es sich unterdrückt und benachteiligt erlebt.

Ein reiches Arbeitsfeld für Lehrer sind die Schicksalskonstellationen von Kindern, deren Zuhause von Konflikten, Ablehnung oder auch Einsamkeit geprägt ist. Die großartige Aufgabe besteht darin, für diese Kinder in der Schule einen Ausgleich zu schaffen. Oft haben gerade sie viel vor für das spätere Leben. Man sollte sich deshalb vor falschem Mitleid hüten, wenn Kinder es unterschiedlich schwer in Elternhaus und Schule haben. Bringt doch jedes Kind in Form seines Schicksalsumkreises gerade die Lernbedingungen mit, die ihm helfen zu erwerben, was es für sein Leben braucht. So lehrt die Erfahrung, dass gerade Kinder, die im Schulalter sehr beliebt waren und in der Gruppe gern gesehen waren, später im Leben nicht immer die Durchsetzungsfähigen und Erfolgreichen sind (obwohl das natürlich auch sein kann). Oft sind diejenigen, die durch schwierige Erfahrungen gegangen sind, die gelernt haben, auf sich selbst gestellt zu sein, später besonders gern gesehen, weil sie souverän im Leben stehen. Bei Kindern, die angepasst waren und kaum Probleme hatten, kann es hingegen später zu erschütternden Aufwacherlebnissen kommen, wenn die Dinge plötzlich nicht mehr „von selbst“ gehen, wie sie es gewohnt waren. Ihnen fällt es weitaus schwerer, selbständig Konflikte zu bewältigen.

Konfliktfähigkeit der Lehrer

Ein Lehrer, der Konflikte im Klassen- und Schulzusammenhang menschenwürdig – sprich: gewinnbringend für alle Beteiligten – zu lösen versteht, ist das wichtigste Erziehungsmittel für die spätere Konfliktfähigkeit der Schüler.

Um als Lehrer konfliktfähig zu werden, bedarf es einer bestimmten Lebenseinstellung: Man muss davon überzeugt sein, dass jeder von jedem lernen kann. Wer angesichts von Konflikten und Problemen nur nach dem Schuldigen fragt, hat sich diese Lebenseinstellung noch nicht erworben. Denn durch die Frage nach der Schuld distanziert sich der Betreffende vom Geschehen und realisiert nicht, dass er mit beteiligt ist. Viel wichtiger, als nach dem Schuldigen zu fragen, ist es zu verstehen, warum ein Problem überhaupt entstehen konnte und wie jemand in die Lage kam, „schuldig“ zu werden. Es geht nun darum herauszufinden, was die Gemeinschaft aus der Bearbeitung des Problems für einen Gewinn ziehen kann.

Je mehr sich Lehrer und Erzieher fragen, was jetzt gebraucht wird, damit die Entwicklung nach der einen oder anderen Richtung weitergehen kann, desto mehr stärken sie das entwicklungsförderliche Interesse. Es ist immer wieder beschämend zu merken, dass die meisten sozialen Konflikte aus Mangel an Interesse entstehen, bzw. dadurch, dass übergangene oder zurückgewiesene Bedürfnisse nicht rechtzeitig wahrgenommen wurden. Um hier vorbeugen zu lernen, sind Elternhaus und Schule ideale Übungsfelder für alle Beteiligten.

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 7. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997


ABWÄGEN IM INTERESSENSKONFLIKT

Wie kann man unterschiedliche Interessen „unter einen Hut kriegen“?

Welche Kriterien sind dabei hilfreich?

Ausloten von Interessenskonflikten

Nachdem man die Zusammenhänge erkannt hat und die verschiedenen Problemfelder abgesteckt wurden, kommt als nächster wichtiger Schritt das Ausloten der verschiedenen Interessen, die miteinander in Konflikt geraten sind.

Das sei anhand eines Beispiels aus dem familiären Bereich demonstriert: Ein Ehepaar ist geschieden, man hat sich relativ gut geeinigt, einmal im Monat ist das Kind für ein Wochenende beim Vater, weitere Besuche finden während des Urlaubs und zu Weihnachten statt. Und nun geraten die verschiedenen Erziehungsstile und Auffassungen, was für das Kind gut oder schlecht ist, miteinander in Konflikt. Ein Problem, unter dem das Kind schon litt, als die Eltern noch beieinander waren, findet auf andere Art jetzt seine Fortsetzung. Das Kind liebt beide Eltern und kommt begeistert vom Vater nach Hause, wagt aber kaum zu erzählen, was es alles im Fernsehen sehen durfte, weil es weiß, dass Mama das nicht mag. Der Interessenkonflikt liegt hier in der Konstellation Vater/Mutter, Kind/Fernsehen. Die Mutter ist dagegen, der Vater dafür – und das Kind?

Das Kind zwischen den Fronten

Ist es dafür, wenn es begeistert erzählt, was es alles sehen durfte?

Man kann fast sicher sein, dass es für beides ist, weil es beide Eltern liebt. Es spürt auch die Sorge und den Ernst der Mutter, warum sie sich ablehnend verhält. In diesem Fall hat sich ihr geschiedener Mann durchgesetzt und lässt das Kind fernsehen, auch wenn er genau weiß, dass seine Frau dagegen ist. Warum?

Möchte er dem Kind nur eine Freude machen?

Weiß er nicht, was er sonst mit dem Kind anfangen soll?

Möchte er sich auf diese Art an seiner Frau rächen oder seine Macht und Selbständigkeit demonstrieren?

Das sind Fragen, die sich die Mutter jetzt neu stellen muss. Es hat keinen Sinn, diesbezügliche Gespräche mit ihrem Mann wieder aufzunehmen. Schon zu oft hatten sie sich seinerzeit deswegen gestritten. Auch muss sie sich eingestehen, dass es ihr Konflikt ist, wohingegen Vater und Kind eigentlich kein Problem damit haben. So muss sie also selbst überlegen, was sie zur Konfliktlösung beitragen kann. Und nun gilt es, die verschiedenen Interessen im Zusammenhang zu sehen und gegeneinander abzuwägen:

Was hat ihr ehemaliger Mann davon, wenn das Kind bei ihm fernsehen darf?

Es liegt auf der Hand, dass es ihm Spaß macht, mit dem Kind auf diese Weise etwas Lustiges oder Interessantes anzuschauen, noch dazu etwas, was es eigentlich „nicht darf“, wodurch der Wert noch gesteigert wird. Auch weiß sie, dass er dem Kind gegenüber während der Sendung immer auch Kommentare abgibt und das eine oder andere erklärt, sodass sich während des Fernsehkonsums auch auf der menschlichen Ebene etwas abspielt. Und das ist im Grunde etwas Gutes. Daran anknüpfend könnte sie ihren geschiedenen Mann fragen, ob er konsequent, wenn er mit dem Kind ferngesehen hat, hinterher auch noch ein wenig über das Gesehene mit ihm spricht.

Das könnte, vor allem wenn das Kind älter wird, ein annehmbarer Kompromiss sein, indem das nur passive Konsumieren der Sendungen in ein aktiveres Aufnehmen umgewandelt wird. Und das Kind? Es möchte es beiden Eltern recht machen, liebt aber die Fernsehstündchen mit dem Papa, und überdies muss es jetzt auch noch die Scheidung der Eltern verkraften.

Kompromissfindung als Erziehung zur Konfliktbewältigung

Je deutlicher sich die Eltern das alles vor Augen führen, umso mehr werden sie nicht nur die Notwendigkeit empfinden, dass dieser Konflikt gelöst werden sollte, sondern sie werden auch eine Möglichkeit dafür sehen. Denn eines wird ihnen immer klarer werden: Für das Kind ist es schädlicher, das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen den Eltern zu erleben, als einmal im Monat fernzusehen! Jetzt, wo die Eltern nicht mehr zusammenwohnen, ist der Konsum ohnehin reduziert und nicht mehr ein tägliches Vergnügen. Und es wäre doch furchtbar, wenn das Kind seiner Mutter nicht erzählen könnte, was es beim Papa sehen und erleben durfte, um sie als Mutter nicht zu ärgern oder zu verletzen. Abgesehen davon ist das Erinnern von Fernsehinhalten gar nicht so einfach – diese Inhalte werden erstaunlich schnell vergessen. Also ist auch das Nacherzählen eine gute Übung für das Gedächtnis.

Nachdem die Eltern all diese Faktoren bedacht und gegeneinander abgewogen haben, entschließen sie sich, den Konfliktpunkt „Fernsehen“ beizulegen. Für das Kind, das diesen Wandel im Umgang mit dem Problem bei den Eltern miterlebt, ist diese Erfahrung zugleich ein Stück Erziehung zur Konfliktbewältigung.

Zum anderen ist das Ganze aber auch ein Beispiel dafür, dass die Bereitschaft zur Selbsterziehung eine unabdingbare Voraussetzung für jegliche Konfliktbewältigung ist. Das Beispiel kann auch deutlich machen, dass ein guter Teil des Konflikts „im Innern“ bewältigt werden muss. Jeder an einem Konflikt Beteiligte kann seine „Macht“ zur Verschärfung oder zur Linderung der Problematik einsetzen.

Nächtliche Beratung mit den Konfliktpartnern

In den Nächten, in denen scheinbar Pause ist und „nichts geschieht“, passiert doch mehr als wir meinen: In der Nacht erleben wir die Ereignisse des Tages noch einmal, aber jetzt von der Perspektive der anderen aus gesehen. Rudolf Steiner schildert aus seiner Geistesforschung heraus sehr anschaulich, dass wir nachts „in den Armen unserer Feinde“ liegen und mit ihnen beraten, was getan werden könnte, um Konflikte friedlich beizulegen. Allerdings geschieht diese Beratung nicht vom egozentrischen Alltagsbewusstsein aus, sondern vom altruistischen Engelbewusstsein aus, dem sich auch die Beurteilung der höheren Hierarchien und letztlich „Gottes“ mitteilt.

Das klingt unwahrscheinlich, weil die Auseinandersetzungen am Tage meist unvermindert heftig weitergehen. Manchmal kommt aber auch ganz unverhofft ein guter Einfall, der der Sache eine positive Wendung gibt. Man hat den Schlaf schon seit alters her „den kleinen Bruder des Todes“ genannt. Was nach dem Tode in der Zeit der sogenannten Seelenläuterung geschieht – bildhaft auch „Fegefeuer“ genannt –, während der alles auf Erden seelisch Durchlebte noch einmal durchlaufen wird, nur jetzt so, wie die anderen die Ereignisse mit uns erlebt haben, geschieht jede Nacht im Kleinen – allerdings sind wir uns dessen meist nicht bewusst.

Gehen wir nun mit der Frage in die Nacht, wie wir uns in einer Konfliktsituation konstruktiv verhalten können, und sind wir auch für andere Gesichtspunkte offen, so können wir unter Umständen mit neuen Einsichten aufwachen oder sie während des Tages in Form von „Einfällen“ bekommen, die aus solchen „nächtlichen Beratungen“ stammen. Auf diese Weise können schon hier und jetzt, und nicht erst nach dem Tode, Konflikte aufgearbeitet bzw. beigelegt werden.

Stefan Leber hat die Forschungsergebnisse Rudolf Steiners mit den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Schlafforschung in Zusammenhang gebracht und so eine sehr erhellende Arbeit zur Dimension des Schlafes und seiner Bedeutung für das soziale Leben geleistet.[1]

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997


[1] Vgl. Stefan Leber, Der Schlaf und seine Bedeutung. Freies Geistesleben, Stuttgart 1996.

ABWÄGEN IM INTERESSENSKONFLIKT

Wie kann man unterschiedliche Interessen „unter einen Hut kriegen“?

Welche Kriterien sind dabei hilfreich?

Ausloten von Interessenskonflikten

Nachdem man die Zusammenhänge erkannt hat und die verschiedenen Problemfelder abgesteckt wurden, kommt als nächster wichtiger Schritt das Ausloten der verschiedenen Interessen, die miteinander in Konflikt geraten sind.

Das sei anhand eines Beispiels aus dem familiären Bereich demonstriert: Ein Ehepaar ist geschieden, man hat sich relativ gut geeinigt, einmal im Monat ist das Kind für ein Wochenende beim Vater, weitere Besuche finden während des Urlaubs und zu Weihnachten statt. Und nun geraten die verschiedenen Erziehungsstile und Auffassungen, was für das Kind gut oder schlecht ist, miteinander in Konflikt. Ein Problem, unter dem das Kind schon litt, als die Eltern noch beieinander waren, findet auf andere Art jetzt seine Fortsetzung. Das Kind liebt beide Eltern und kommt begeistert vom Vater nach Hause, wagt aber kaum zu erzählen, was es alles im Fernsehen sehen durfte, weil es weiß, dass Mama das nicht mag. Der Interessenkonflikt liegt hier in der Konstellation Vater/Mutter, Kind/Fernsehen. Die Mutter ist dagegen, der Vater dafür – und das Kind?

Das Kind zwischen den Fronten

Ist es dafür, wenn es begeistert erzählt, was es alles sehen durfte?

Man kann fast sicher sein, dass es für beides ist, weil es beide Eltern liebt. Es spürt auch die Sorge und den Ernst der Mutter, warum sie sich ablehnend verhält. In diesem Fall hat sich ihr geschiedener Mann durchgesetzt und lässt das Kind fernsehen, auch wenn er genau weiß, dass seine Frau dagegen ist. Warum?

Möchte er dem Kind nur eine Freude machen?

Weiß er nicht, was er sonst mit dem Kind anfangen soll?

Möchte er sich auf diese Art an seiner Frau rächen oder seine Macht und Selbständigkeit demonstrieren?

Das sind Fragen, die sich die Mutter jetzt neu stellen muss. Es hat keinen Sinn, diesbezügliche Gespräche mit ihrem Mann wieder aufzunehmen. Schon zu oft hatten sie sich seinerzeit deswegen gestritten. Auch muss sie sich eingestehen, dass es ihr Konflikt ist, wohingegen Vater und Kind eigentlich kein Problem damit haben. So muss sie also selbst überlegen, was sie zur Konfliktlösung beitragen kann. Und nun gilt es, die verschiedenen Interessen im Zusammenhang zu sehen und gegeneinander abzuwägen:

Was hat ihr ehemaliger Mann davon, wenn das Kind bei ihm fernsehen darf?

Es liegt auf der Hand, dass es ihm Spaß macht, mit dem Kind auf diese Weise etwas Lustiges oder Interessantes anzuschauen, noch dazu etwas, was es eigentlich „nicht darf“, wodurch der Wert noch gesteigert wird. Auch weiß sie, dass er dem Kind gegenüber während der Sendung immer auch Kommentare abgibt und das eine oder andere erklärt, sodass sich während des Fernsehkonsums auch auf der menschlichen Ebene etwas abspielt. Und das ist im Grunde etwas Gutes. Daran anknüpfend könnte sie ihren geschiedenen Mann fragen, ob er konsequent, wenn er mit dem Kind ferngesehen hat, hinterher auch noch ein wenig über das Gesehene mit ihm spricht.

Das könnte, vor allem wenn das Kind älter wird, ein annehmbarer Kompromiss sein, indem das nur passive Konsumieren der Sendungen in ein aktiveres Aufnehmen umgewandelt wird. Und das Kind? Es möchte es beiden Eltern recht machen, liebt aber die Fernsehstündchen mit dem Papa, und überdies muss es jetzt auch noch die Scheidung der Eltern verkraften.

Kompromissfindung als Erziehung zur Konfliktbewältigung

Je deutlicher sich die Eltern das alles vor Augen führen, umso mehr werden sie nicht nur die Notwendigkeit empfinden, dass dieser Konflikt gelöst werden sollte, sondern sie werden auch eine Möglichkeit dafür sehen. Denn eines wird ihnen immer klarer werden: Für das Kind ist es schädlicher, das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen den Eltern zu erleben, als einmal im Monat fernzusehen! Jetzt, wo die Eltern nicht mehr zusammenwohnen, ist der Konsum ohnehin reduziert und nicht mehr ein tägliches Vergnügen. Und es wäre doch furchtbar, wenn das Kind seiner Mutter nicht erzählen könnte, was es beim Papa sehen und erleben durfte, um sie als Mutter nicht zu ärgern oder zu verletzen. Abgesehen davon ist das Erinnern von Fernsehinhalten gar nicht so einfach – diese Inhalte werden erstaunlich schnell vergessen. Also ist auch das Nacherzählen eine gute Übung für das Gedächtnis.

Nachdem die Eltern all diese Faktoren bedacht und gegeneinander abgewogen haben, entschließen sie sich, den Konfliktpunkt „Fernsehen“ beizulegen. Für das Kind, das diesen Wandel im Umgang mit dem Problem bei den Eltern miterlebt, ist diese Erfahrung zugleich ein Stück Erziehung zur Konfliktbewältigung.

Zum anderen ist das Ganze aber auch ein Beispiel dafür, dass die Bereitschaft zur Selbsterziehung eine unabdingbare Voraussetzung für jegliche Konfliktbewältigung ist. Das Beispiel kann auch deutlich machen, dass ein guter Teil des Konflikts „im Innern“ bewältigt werden muss. Jeder an einem Konflikt Beteiligte kann seine „Macht“ zur Verschärfung oder zur Linderung der Problematik einsetzen.

Nächtliche Beratung mit den Konfliktpartnern

In den Nächten, in denen scheinbar Pause ist und „nichts geschieht“, passiert doch mehr als wir meinen: In der Nacht erleben wir die Ereignisse des Tages noch einmal, aber jetzt von der Perspektive der anderen aus gesehen. Rudolf Steiner schildert aus seiner Geistesforschung heraus sehr anschaulich, dass wir nachts „in den Armen unserer Feinde“ liegen und mit ihnen beraten, was getan werden könnte, um Konflikte friedlich beizulegen. Allerdings geschieht diese Beratung nicht vom egozentrischen Alltagsbewusstsein aus, sondern vom altruistischen Engelbewusstsein aus, dem sich auch die Beurteilung der höheren Hierarchien und letztlich „Gottes“ mitteilt.

Das klingt unwahrscheinlich, weil die Auseinandersetzungen am Tage meist unvermindert heftig weitergehen. Manchmal kommt aber auch ganz unverhofft ein guter Einfall, der der Sache eine positive Wendung gibt. Man hat den Schlaf schon seit alters her „den kleinen Bruder des Todes“ genannt. Was nach dem Tode in der Zeit der sogenannten Seelenläuterung geschieht – bildhaft auch „Fegefeuer“ genannt –, während der alles auf Erden seelisch Durchlebte noch einmal durchlaufen wird, nur jetzt so, wie die anderen die Ereignisse mit uns erlebt haben, geschieht jede Nacht im Kleinen – allerdings sind wir uns dessen meist nicht bewusst.

Gehen wir nun mit der Frage in die Nacht, wie wir uns in einer Konfliktsituation konstruktiv verhalten können, und sind wir auch für andere Gesichtspunkte offen, so können wir unter Umständen mit neuen Einsichten aufwachen oder sie während des Tages in Form von „Einfällen“ bekommen, die aus solchen „nächtlichen Beratungen“ stammen. Auf diese Weise können schon hier und jetzt, und nicht erst nach dem Tode, Konflikte aufgearbeitet bzw. beigelegt werden.

Stefan Leber hat die Forschungsergebnisse Rudolf Steiners mit den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Schlafforschung in Zusammenhang gebracht und so eine sehr erhellende Arbeit zur Dimension des Schlafes und seiner Bedeutung für das soziale Leben geleistet.[1]

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997


[1] Vgl. Stefan Leber, Der Schlaf und seine Bedeutung. Freies Geistesleben, Stuttgart 1996.

DIE GEWISSENSSTIMME

Was ist unsere Gewissensstimme?

Welcher Instanz entspringt sie?

Wie können wir lernen auf sie zu hören?

Erziehung zur Konfliktfähigkeit ist identisch mit einer Erziehung, die zum Ziel hat, das Ich des Kindes, insbesondere aber seinen Persönlichkeitskern, anzusprechen und dessen Fähigkeiten zur Wirksamkeit zu bringen. Damit ist das Höhere im Menschen angesprochen, das sich uns zeigt, wenn wir auf unsere Gewissensstimme hören.

Worte Novalis über das menschliche Gewissen

Die treffendsten Worte, die bisher über das menschliche Gewissen gesagt wurden, stammen von Novalis. In seinem Roman „Heinrich von Ofterdingen“ schildert er ein Gespräch zwischen dem Arzt Sylvester und Heinrich über das menschliche Gewissen. Heinrich fragt:

„‚Wann wird es doch‘, sagte Heinrich, ‚gar keiner Schrecken, keiner Schmerzen, keiner Not und keines Übels mehr im Weltall bedürfen?‘

‚Wenn es nur EINE Kraft gibt – die Kraft des Gewissens. Wenn die Natur züchtig und sittlich geworden ist. Es gibt nur EINE Ursache des Übels – die allgemeine Schwäche, und diese Schwäche ist nichts als geringe sittliche Empfänglichkeit und Mangel an Reiz der Freiheit.‘

‚Macht mir doch die Natur des Gewissens begreiflich.‘

‚Wenn ich das könnte, so wäre ich Gott, denn indem man das Gewissen begreift, entsteht es. [...]‘

‚[...] das Gewissen erscheint in jeder ernsten Vollendung, in jeder gebildeten Wahrheit. Jede durch Nachdenken zu einem Weltbild umgearbeitete Neigung und Fertigkeit wird zu einer Erscheinung, zu einer Verwandlung des Gewissens. Alle Bildung führt zu dem, was man nicht anders, wie Freiheit nennen kann, ohnerachtet damit nicht ein bloßer Begriff, sondern der schaffende Grund alles Daseins bezeichnet werden soll. Diese Freiheit ist Meisterschaft. Der Meister übt freie Gewalt nach Absicht und in bestimmter und überdachter Reihenfolge aus. Die Gegenstände seiner Kunst sind sein und stehn in seinem Belieben, und er wird von ihnen nicht gefesselt oder gehemmt. Und gerade diese allumfassende Freiheit, Meisterschaft oder Herrschaft ist das Wesen, der Trieb des Gewissens. In ihm offenbart sich die heilige Eigentümlichkeit, das unmittelbare Schaffen der Persönlichkeit, und jede Handlung des Meisters ist zugleich Kundwerdung der hohen, einfachen, unverwickelten Welt Gottes Wort. [...]‘

‚Allerdings ist das Gewissen der eingeborene Mittler jedes Menschen. Er vertritt die Stelle Gottes auf Erden, und ist daher so Vielen das Höchste und Letzte. Aber wie entfernt man die bisherige Wissenschaft, die man Tugend- oder Sittenlehre nannte, von der reinen Gestalt dieses erhabenen, weitumfassenden persönlichen Gedankens? Das Gewissen ist der Menschen eigenstes Wesen in voller Verklärung, der himmlische Urmensch. Es ist nicht dies und jenes, es gebietet nicht in allgemeinen Sprüchen, es besteht nicht aus einzelnen Tugenden. Es gibt nur EINE Tugend – den reinen, ernsten Willen, der im Augenblick der Entscheidung unmittelbar sich entschließt und wählt. In lebendiger, eigentümlicher Unteilbarkeit bewohnt es und beseelt es das zärtliche Sinnbild des menschlichen Körpers und vermag alle geistigen Gliedmaßen in die wahrhafteste Tätigkeit zu versetzen.‘“[1]

Nun gibt es viele Menschen, die über eine Gewissensstimme, wie sie hier von Novalis geschildert wird, gar nicht verfügen. Vielmehr klagen sie darüber, dass sie oft ein „schlechtes Gewissen“ haben, das bei bestimmten Entscheidungsprozessen im Alltag eher störend ist als nützlich. Sie erleben es nicht als von ihrem Höheren Ich inspiriert, sondern eher als Reminiszenz autoritärer Diktionen aus Kindheit und Schulzeit: Alles Mögliche war verboten – auf diese Weise wurde ihnen ein schlechtes Gewissen „gemacht“. Mit solchen Konditionierungen darf die aus dem Höheren Ich inspirierte Gewissensstimme nicht verwechselt werden.

Entwicklung der Gewissensstimme aus dem Höheren Ich

Am besten lässt sich die eigene Gewissensstimme aus dem Höheren im Menschen heraus entwickeln, wenn man sich mit den drei Kernidealen des Ich befasst:

  • Ehrlichkeit mit sich und anderen
  • Liebe zu sich und anderen
  • Freiheit für sich und andere.

Wenn ich meine zu fällende Entscheidung unter diesen Gesichtspunkten befrage, werden andere Kriterien meine Entscheidungsfindung beeinflussen, als wenn ich sie nur nach dem Sympathie-/Antipathie-Prinzip oder aus pragmatischen Gründen fälle:

Wie sehen die Konsequenzen meiner Entscheidung aus, wenn ich sie ehrlich betrachte?

Wem zuliebe treffe ich diese Entscheidung?

Wessen Freiheit fördert sie? 

Die Identifikation mit diesen Idealen kann zu einer Inspiration werden, die sich als „Gewissensstimme“ bemerkbar macht. Eine wichtige Voraussetzung, um andere ohne Gefahr für ihre Entwicklung führen zu können, ist gegeben, wenn man:

  • durch die eigenständige Suche nach Wahrheit unabhängig und unbestechlich geworden ist
  • durch die Schulung der Liebefähigkeit gelernt hat, die Wünsche und Interessen von anderen zu verstehen
  • motiviert durch das Freiheitsideal die Intentionen und Impulse anderer ernstnimmt und berücksichtigt.

Damit hat man das Autonomieprinzip in sich selbst entdeckt.

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997


[1] Novalis (d.i. Friedrich von Hardenberg), Heinrich von Ofterdingen. Ein Roman. Der Morgen, Berlin 1986.

FÜHRUNGSQUALITÄTEN UND KONFLIKTFÄHIGKEIT

Inwiefern können Führungsqualitäten bei Konflikten hilfreich sein?

Mehr als gutes Benehmen

Erziehung zur Verträglichkeit kann nicht nur darin bestehen, „gutes Benehmen“ zu lernen. Wer z.B. in der Wirtschaft tätig ist, muss auch Fähigkeiten erwerben, die es ihm ermöglichen, in schwierigen Situationen, wenn nötig, die Führung zu übernehmen. In den Führungsetagen großer Unternehmen gibt es ständig neue, offene, schwer lösbare konfliktträchtige Situationen, die mit einem großen Entscheidungsfindungsstress einhergehen. Manager können ihren Beruf nur ausüben, wenn sie selbst zur Konfliktbewältigung erzogen wurden, wenn sie schwierige offene Situationen aushalten und sich dabei so weit unter Kontrolle haben, dass sie noch Optimismus ausstrahlen können. (Nebenbei möchte ich gerne bemerken, dass der Beruf des Topmanagers bisweilen durchaus mit demjenigen einer Hausfrau zu vergleichen ist, die, je nach Größe des Haushalts und Umfang eigener Nebentätigkeiten genau das auch lernen und leisten muss.)

Alfred Herrhausen, ehemaliger Chef der Deutschen Bank, der im November 1989 vor seinem Haus von Terroristen ermordet wurde, schrieb dazu Folgendes: „Die immer wieder angesprochenen Eigenschaften, die Manager und Unternehmer angeblich haben müssen, um erfolgreich zu sein, sind Klischees, die nur die halbe Wahrheit abbilden. Schöpferische Gestaltungsfähigkeit, Urteilskraft, Selbstvertrauen, vielseitiges Wissen, Entschlussfreude, Zähigkeit – Anforderungen, die man spontan mit der Rolle des Managers assoziiert – stellen selbstverständliche Voraussetzungen für diesen Beruf dar, aber sie machen ihn nicht aus. Es sind sehr vordergründige Paradigmata, mit denen man Oberflächenphänomene zutreffend beschreibt.“[1]

Die alles entscheidende geistige Haltung

Herrhausen nennt diese erfolgversprechenden Verhaltensweisen „Oberflächenphänomene“. Hier spürt man den Kenner, der niemals behaupten würde, gutes Benehmen reiche schon, um erfolgreich zu sein. Vielmehr spricht er aus, dass es eben nur die Oberfläche betrifft und das Eigentliche, worauf es ankommt, nicht ersetzen kann. Auf dieses Eigentliche, Tieferliegende weist Herrhausen mit folgenden Worten hin: „… das Unsichtbare und Unwägbare, das die alles entscheidende geistige Haltung konstituiert, wird damit kaum erfasst.“

Und weiter heißt es:

„Jeder, der eine Top-Managementposition bezieht, nimmt im Vergleich zu seiner vorherigen Stellung in der betrieblichen Hierarchie nochmals einen tiefgreifenden Berufswechsel vor. Es ist nicht einfach eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit auf höherer Ebene, was hier erfolgt, sondern etwas spezifisch Neues. Dabei ändern sich nicht die Fähigkeiten, sondern die Verantwortungen, nicht die Problemstrukturen, sondern deren Wertigkeit, oftmals nicht der Kreis der Mitarbeiter, immer aber der soziale Bezug zu ihnen. An die Stelle der klar umrissenen betrieblichen Aufgabe tritt eine viel weniger präzise gesellschaftspolitische Mission.

Zu der Verantwortung kommt die Pflicht, das Unternehmen als ein umfassenderes System zu verstehen, zu dessen dynamischem Gleichgewicht man nur ohne Ressortegoismus beitragen kann. Dieser Pflicht wird nicht gerecht, wer in der Rolle des Nur-Technikers, Finanzmannes, Personalchefs verharrt. Auf der Ebene der obersten Unternehmensführung besteht eine fatale Solidarität derer, die für den Gesamterfolg gemeinschaftlich verantwortlich sind. Sie erfordert Teamverhalten anstelle von Konkurrenz, Toleranz statt eigensüchtiger Ambitionen, Gruppengeltung und nicht Einzelprestige.

Das ist in einem System, das Wettbewerb auch als Wettbewerb um individuelles Ansehen und um hierarchischen Vorrang impliziert, nicht einfach. Ganz oben sollen plötzlich das natürliche Unterscheidungsverlangen und der persönliche Ehrgeiz eingeschränkt und durch Integrationspflicht ersetzt werden – ein schwieriger, aber notwendiger psychologischer Sprung. Er macht die Spitzenposition nicht nur zu einer Würde, sondern auch zur Bürde, die innere Bescheidenheit verlangt, Anmaßung nicht verträgt.

Die angesprochene „alles entscheidende geistige Haltung“, verträgt keine Anmaßung und verlangt Integrationsfähigkeit und ein Verantwortungsbewusstsein, das eigene Interessen denen des gesamten Unternehmens unterordnen und dabei bescheiden bleiben kann. Herrhausen beschreibt damit eine wesentliche Qualität des Ich-Wesens des Menschen.

Das Ich als zweischneidiges Schwert

Die wichtigste Fähigkeit des menschlichen Ich ist, dass es integrierend wirkt – sprich einzelne Aspekte harmonisch ins Ganze einfügt – und sich mit sich selbst und gleichzeitig mit dem Menschheitsganzen identifizieren kann. Andererseits ist es undenkbar, dass man als Mensch das Ziel der vollständigen Integration und Harmonisierung je erreicht, da das Ich sich erst nach und nach in unausgesetzten Lernprozessen seiner selbst bewusst wird. Entwicklung wird immer begleitet von der Möglichkeit, zu irren und zu versagen.

Das Ich verfügt über die fundamentale Eigenschaft, „Ja“ und „Nein“ sagen, trennen und verbinden zu können. Es kann unterscheiden und integrieren, ist also ein „zweischneidiges Schwert“, das einerseits ganz auf sich selbst gestellt ist und andererseits in der Lage ist, sich mit Welt und Mensch zu verbinden. Im Evangelium werden deshalb beide Eigenschaften dem Christus zugeschrieben. Als Förderer der Ich-Werdung des Menschen muss er sagen: „Ich bringe Trennung“ (von Luther mit „Zwietracht“ übersetzt), gleichzeitig bringt er auch Frieden.

Herrhausen führt weiter aus: „Das so oft beschworene Wort ‚Im Mittelpunkt des Betriebes steht der Mensch‘ stimmt eben nicht in dem Sinne einer spannungsfreien Zweckgemeinschaft. Betriebe sind das Spielfeld von sozialen Prozessen, in denen keine Harmonie herrscht, weil unsere Gesellschaft nun einmal kein Harmonieverein ist.“

Unsere Gesellschaft lebt im Spannungsfeld der Ich-Entwicklung in Form von Selbstfindung – „Trennung“ – und sozialer Integration – „Frieden“.

Das Fazit der Betrachtung von Alfred Herrhausen ist, dass wir, wenn wir den Anspruch haben, Erziehung zur Konfliktbewältigung zu leisten, durch die Oberfläche hindurch an den Kern der menschlichen Persönlichkeit herankommen müssen, an die spezifischen Fähigkeiten des Ich:

  • Konflikte auszuhalten,
  • Lösungsansätze aus der Gesamtwahrnehmung des Problems zu suchen,
  • den Mut zu haben, sie auf den Weg zu bringen.

Führung, die nicht primär der Selbstdarstellung dient, sondern die Aufgabe wahrnimmt, um die es geht, wird immer konstruktiv wirken. Allem voran gilt es das Unbehagen zu überwinden, überhaupt eine Führungsaufgabe zu ergreifen. Denn Dank und Anerkennung sind dabei selten zu ernten. Die Erwartung des Umfeldes, dass die Sache klappt, ist hoch und schon kleine Fehler werden mit Kritik geahndet.

Viel Wahres liegt in dem Spruch: „Man gebe die Macht denen, die sie nicht wünschen.“ Wer nicht führen will – dazu aber fähig ist –, ist auch dafür geeignet. Für ihn wird Führung zur anspruchslosen Dienstleistung, um derentwillen er persönliche Unannehmlichkeiten in Kauf nimmt. Er muss seine Selbstwahrnehmung auch dahingehend schulen, wahrnehmen zu können, ob er der Sache noch dient oder ob die Verantwortung in andere Hände abgegeben werden sollte.

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997


[1] Alfred Herrhausen, Denken, Ordnen, Gestalten. Siedler, München 1990; Neuaufl. 2004. Alfred Herrhausen war Vorstandssprecher bei der Deutschen Bank und ein international anerkannter Topmanager des Bankwesens. Nach seinem Tod ist aus dem umfangreichen Nachlass und aus Reden, die er gehalten hatte, dieses Buch zusammengestellt worden.

SELBSTSICHERHEIT UND KONFLIKTFÄHIGKEIT

Wie gehen wir im Alltag miteinander um?

Wie „loben“ und „tadeln“ wir uns in Gedanken, Gefühlen und Worten?

Was können wir durch mehr Wachheit, Sorgfalt und Ehrlichkeit auf diesem Gebiet zur Stabilisierung der sozialen Verhältnisse beitragen?

Wie wirkt sich Selbstsicherheit im Umgang mit Konflikten aus?

Wie wird Selbstsicherheit veranlagt und gefördert?

Selbstsicherheit und Zuversicht sind wichtige Eigenschaften bei der Konfliktbewältigung. Sie werden entwickelt und gefördert durch sachgerechten Umgang mit Lob und Tadel. Das kindliche Selbstbewusstsein wird geschwächt, wenn es im Laufe eines Tages mehr getadelt als gelobt wird.

Lob muss Tadel ausgleichen oder überwiegen

In der kinderärztlichen oder schulärztlichen Sprechstunde kommt es immer wieder vor, dass ein „schwieriges Kind“ vorgestellt wird und man genauestens erfährt, wo überall die Probleme sitzen. Fragt man dann nach den Fähigkeiten und Möglichkeiten dieses Kindes, nach dem, was es an Positivem bieten kann, herrscht meist erst einmal Schweigen. Die positiven Eigenschaften eines schwierigen Kindes leben oft längst nicht so lebhaft im Bewusstsein der Eltern und Erzieher wie die Probleme, an denen man sich täglich sorgt und reibt. Man muss sich nur einmal in die Lage eines solchen Kindes hineinversetzen: Kein Erwachsener würde eine derartige Situation über längere Zeit ertragen. Er würde entweder den Arbeitsplatz wechseln oder ausziehen – je nachdem, wo ihm solch ein Psychostress zugemutet wird. Ein Kind kann jedoch nicht davonlaufen – es kann nur verhaltensauffällig werden, immer mehr provozieren, um deutlich zu machen, dass hier etwas nicht stimmt.

Beim Umgang mit Lob und Tadel gibt es eine goldene Regel, die unbedingt zu berücksichtigen ist: Wenn man an einem Kind etwas kritisiert, muss man auf der anderen Seite auch eine Fähigkeit hervorheben, über die man sich freut. Wenn man an einem Kind oder Schüler in der Schule nur drei positive Eigenschaften entdeckt, darf man auch nur drei negative tadeln – alle anderen muss man „übersehen“. Denn nur wenn Lob und Tadel im Gleichgewicht sind, ist die Voraussetzung geschaffen, dass die Freude und die Kraft, die durch das Lob hervorgerufen werden, ausreichen, um den Schmerz auszuhalten, der durch den Tadel entsteht. Es gibt aber auch Kinder – insbesondere aus belasteten Familien –, bei denen das nicht reicht: Bei ihnen muss der Tadel an einem Fehler aufgewogen werden mit dem Loben von mindestens drei lobenswerten Ereignissen oder Verhaltensweisen, um ihnen das Gefühl zu geben, dass es in Ordnung ist, so wie es ist.

Man muss sich als Erzieher in die Situation eines „schwierigen“ Kindes versetzen, muss in Gedanken neben ihm stehen und alles, was es erlebt, aus seinem Blickwinkel heraus betrachten. Oft wird sein Name zu Hause oder in der Schule zornig-emotional oder ermahnend gerufen.

Wie würde man sich selbst fühlen, wenn man ständig widergespiegelt bekäme, dass man so, wie man ist, nicht annehmbar ist?

Wird ein solches Kind z.B. morgens besonders lieb geweckt und das Zu-Bett-Gehen bewusster gestaltet und gelingt es zusätzlich, weniger zu ermahnen und manche Dinge schlicht zu übersehen, kann das bereits einiges zur Verbesserung der Situation beitragen. Wenn dieses Kind auch in der Schule fröhlich begrüßt und – egal, wie der Unterricht verlief, – auch wieder freundlich verabschiedet wird, kann es sich plötzlich entspannen und wird durch das ebenfalls viel bewusster gehandhabte Lob deutlich ruhiger und sicherer.

Geschwister als Konfliktpartner

Begegnet man Menschen, die eine gute Frustrationstoleranz haben und in schwierigen Situationen die Ruhe bewahren können, stammen diese häufig aus einer größeren Familie. Geschwister, mit denen man gemeinsam die verschiedensten Konflikte zu durchleben und bewältigen gelernt hat, sind eine wesentliche Unterstützung bei der Erziehung zur Konfliktbewältigung.

Besonders wertvoll ist die Gewohnheit, Streit nicht mit in die Nacht zu nehmen. Dann gewöhnt man sich daran, Konflikte bis zum Abend so weit beizulegen, dass man sich friedlich gute Nacht sagen kann. Es genügt oft am Abend vor dem Schlafengehen kurz zu fragen:

Was war heute besonders schlimm?

Seid ihr euch inzwischen wieder gut?

An die Antwort schließt sich vielleicht das eine oder andere Gespräch an. Man merkt es Kindern an, ob wahr ist, was sie sagen. Wenn es nicht wahr ist, kann man gemeinsam überlegen, was getan werden muss, damit Verstehen und Versöhnung herbeigeführt werden können.

So wichtig es ist, dass Eltern solche Prozesse begleiten, so wichtig ist es auch, dass sie in die kindlichen bzw. geschwisterlichen Konflikte nicht richtend eingreifen – umso mehr lernen die Kinder selbst daraus.

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997