Natur und Kosmos

Aus Geistesforschung
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Natur und Kosmos – von Michaela Glöckler

Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/

CHARAKTERISTIKA UND KONZEPTE VON LEBEN

Kann man Leben aus der Zusammensetzung seiner Bestandteile heraus erklären?

Welche unterschiedlichen Sichtweisen über die Entstehung von Leben gibt es?

Inwiefern ist es möglich, die ätherische Organisation als einen ganzheitlich wirkenden Gesetzeszusammenhang zu verstehen?

Unterschiedliche Sichtweisen, wie Leben entsteht

· Sicht der Vitalisten

Vitalisten wie Paracelsus (1493/94–1541), Georg Ernst Stahl (1659–1734), Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840) oder Hans Driesch (1867–1941) vertraten die Auffassung, dass die physischen Stoffe durch besondere Kräfte zu den Erscheinungen des Lebendigen gestaltet werden.[1] Die Art und Wirkungsweise solcher Lebenskräfte blieb aber meist spekulativ und weitgehend unklar.

· Reduktionistisch-mechanistische Sicht

Seit es 1828 dem deutschen Chemiker Friedrich Wöhler (1800–1882) gelungen war, in seinem Labor Harnstoff künstlich herzustellen, schien für viele Naturwissenschaftler erwiesen, dass Leben letztlich doch ‚machbar‘ und aus seinen materiellen Bestandteilen heraus herstell- und erklärbar sein müsse.

Steiner sah es als eine ‚verkehrte‘ Gewohnheit an, sich die Entstehung von Welt und Leben aus Atomen zusammengesetzt zu denken, anstatt – umgekehrt – die Welterscheinungen aus einem weisheitsvollen Erscheinungszusammenhang heraus zu begreifen, in den sich die Teile sinnvoll integrieren. Dazu musste man sich bemühen, von dem Ganzen in die Teile hinein zu denken.

Den Menschen fällt es schwer, von der seit vier bis fünf Jahrhunderten gepflegten Denkgewohnheit, von den Teilen auf das Ganze zu schließen, loszukommen.[2] Diese reduktionistisch-mechanistische Auffassung des Lebendigen dominierte auch noch im 20. Jahrhundert, der zufolge man Organismen als genetisch programmierte ‚Überlebensmaschi-nen‘[3] ansah.

· Leben als sich selbst organisierendes System gesehen

Seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts etablieren sich jedoch zunehmend Sichtweisen, die die komplexen Lebenszusammenhänge als sich selbst organisierende Systeme auffassen.[4] Dabei werden die Phänomene lebender Organismen zwar präzise beschrieben, aber es bleibt doch letztlich unklar, wodurch diese Komplexität des Organischen bewirkt wird, wer oder was dieses „Selbst“ ist, welches sich da organisiert.

· Leben als in sich bestehende Ganzheit gesehen

Anhand des Phänomens des Todes im Unterschied zum Schlaf verdeutlichen die Autoren, dass Leben eine in sich bestehende Ganzheit darstellt – ebenso wie der Erfahrungsraum des Bewusstseins eine ist:

  • In einem toten Organismus folgen die Stoffe anderen Gesetzen
  • als sie es im Lebenszusammenhang eines schlafenden Organismus tun.

Entsprechend haben die Stoffe im toten Organismus eine andere Funktion als im lebenden – obwohl es sich um dieselben Stoffe handelt.[5]

Zusammenwirken ätherischer Kräfte mit stofflichen Elementen im Menschen

Rudolf Steiner und Ita Wegman entwickeln in Kapitel III von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“[6] eine Begrifflichkeit der ätherischen Organisation als einem ganzheitlich wirkenden Gesetzeszusammenhang. Sie beschreiben insbesondere das Zusammenwirken differenzierter ätherischer Kräfte mit den stofflichen Elementen des Organismus. Im Fokus steht dabei die Rolle der stofflichen Träger derjenigen Prozesse, durch die sich Leben physisch sichtbar manifestieren kann.

Dieses Geschehen beginnt mit der fundamentalen Tatsache, dass bei der Verdauung der Nahrungsmittel im menschlichen Organismus die Eigenheit der aufgenommenen Nahrungsmittel überwunden werden muss, damit sich die darin enthaltenen Stoffe für eine bestimmte Zeit den Gesetzmäßigkeiten des sich ernährenden neuen Organismus einfügen können.[7]

In Abs. 4 formulieren die Autoren die Frage: „Was macht das als Wasserstoff Erscheinende im Organismus durch?“[8] Bereits die Fragestellung zeigt, dass die Autoren davon ausgehen, dass Wasserstoff nach seiner Aufnahme in den Organismus und bevor er wieder ausgeschieden wird, als ‚Dienstleister‘ daran mitwirkt, die Lebenserscheinungen des Organismus physisch sichtbar zu machen.

Leben ist mehr als die Summe seiner Bestandteile

Gemäß dieser Auffassung können Stoffe Lebenserscheinungen zwar offenbaren, diese jedoch nicht konstituieren bzw. hervorbringen. Dies festzuhalten, ist den Autoren wichtig im Zusammenhang mit ihrer Auseinandersetzung mit dem Physiologen Emil Heinrich Du Bois-Reymond (1818–1896), der durch seine Reden auch in der Öffentlichkeit bekannt wurde.

  • Was Rudolf Steiner an Du Bois-Reymond hochschätzte, war die Tatsache, dass dieser die Schwelle zwischen dem sinnlich Erfahrbaren und dem nicht über die Sinne zugänglichen, übersinnlichen Bewusstseinsinhalt klar erkannte und keine Behauptungen oder Hypothesen unterstützte, die das Bewusstsein generell als Ergebnis stofflicher Wirkungen zu erklären versuchen.
  • Was er jedoch zurückwies, war Du Bois-Reymonds Annahme, dass man zwar nicht das Bewusstsein, wohl aber die Lebenserscheinungen aus den stofflichen Zusammensetzungen erklären könne.

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[9]


[1] Vgl. Toepfer (2011).

[2] Rudolf Steiner, Die Kunst des Erziehens aus dem Erfassen der Menschenwesenheit, GA 311, 85.

[3] Dawkins (1978).

[4] Eine ausgezeichnete Übersicht findet sich in Rosslenbroich (2023).

[5] Vgl. FN 2 Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27, Kap. III: „Nicht um eine solche Fortsetzung der Wirkung, die man an dem Stoffe außerhalb des menschlichen Organismus beobachtet, handelt es sich, sondern um deren Überwindung.“

[6] Ebenda.

[7] Ebenda.

[8] Ebenda, S. 18.

[9] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

BIORHYTHMEN UND WASSERKREISLAUF ALS LEBENSGRUNDLAGEN

Was versteht man unter Biorhythmen?

Wie wirken sich diese auf den Menschen aus?

Inwiefern ist Wasser Ausdruck des Ätherischen?

Sonne und Planeten als Rhythmusgeber

Die biologischen Zeitprozesse – die sogenannten Biorhythmen – haben eine besondere Bedeutung für den Menschen. Die Autonomie und Integration dieser zeitlichen Rhythmen spielen im heutigen Verständnis des Organismus eine wesentliche Rolle.[1]

Der Begriff der rhythmisch geordneten Biosphäre fand bereits im 19. Jahrhundert Eingang in fachliche Kreise. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts ist er zunehmend populär geworden. Die Biosphäre macht unsere Erde im Sonnensystem einzigartig. Sie erstreckt sich von etwa 5km unter der Erdoberfläche bis an den unteren Rand der Mesosphäre und umgibt die Erde bis zu einer Höhe von gut 60.000 km. In dieser Sphäre um die Erde ‚lässt sich leben‘, lassen sich Lebewesen und Lebenserscheinungen nachweisen.

In der Tat sind es aber die Sonne und ihre Planeten, die ein System von Biorhythmen bilden, von denen diese ausgehen. Wir kennen sie auch als ‚innere Uhr‘. Ohne die Sonne – und wie Rudolf Steiner und Ita Wegman im Kapitel III von „Grundlegendes für eine Erneuerung der Heilkunst“ ergänzen:[2] Ohne die das Sonnenlicht nicht nur reflektierenden, sondern auch modifizierenden Himmelskörper mit den ihnen eigenen Rhythmen – wäre die Vielfalt des Lebens auf der Erde nicht möglich.

Es gibt inzwischen eine breit ausgearbeitete Solar- und Lunarbiologie – einschließlich der modernen Schlafforschung, die viel zu deren Kenntnis und gesundheitlichen Bedeutung beigetragen hat. Ein führender Forscher und Pionier auf diesem Gebiet war der Physiologe Gunther Hildebrandt (1924–1999).[3]

Einseitiges versus ganzheitliches Interesse

Wenn man Leben nur mit Vererbung, Fortpflanzung und Genetik assoziiert, wird damit der makrokosmische Zusammenhang ausgeblendet, der für die Erscheinungen des Lebens unabdingbar ist. Zudem macht dieser Tatbestand bewusst, dass sich das wissenschaftliche Interesse in einseitiger Weise der Manipulierbarkeit lebender Organismen zugewandt hat, indem man die stofflichen Trägersubstanzen des Lebens in ihrer Wirkungsweise zu modifizieren trachtet.

Demgegenüber steht in der Anthroposophie das Erkenntnisinteresse am gesamten Lebenszusammenhang im Zentrum der Bemühungen, um Leben und Gesundheit ganzheitlich zu fördern.

Wasser als Inbegriff selbstloser Hingabe

Dabei spielt auch die Erforschung der Wasserqualität eine wichtige Rolle.[4] Beim Studium der Aufgabe des Wassers in der Natur und als Ermöglicher aller Zirkulationsvorgänge in lebendigen Organismen, begegnet einem urbildlich das moralische Ideal selbstloser Hingabe, was letztlich auch die Erscheinungen des Lebens kennzeichnet.

Denn wenn ein Lebewesen stirbt, verdunstet das in ihm noch vorhandene Wasser und kehrt zurück in den großen Wasserkreislauf, der zwischen den Ozeanen und der Erdatmosphäre fortwährend geschieht. Das infolge der Sonnenwärme überwiegend an den Oberflächen der Ozeane verdunstende Wasser kühlt in den höher gelegenen Luftschichten ab, kondensiert und bildet Wolken, deren Tröpfchen dann zu Tropfen zusammenfließen, um ab einer kritischen Größe und genügend Gewicht wieder auf die Erde herunter zu regnen. Dort gelangen sie größtenteils über das Grundwasser wieder in Flüsse, Seen und Meere zurück und allen Lebewesen ihr jeweils besonderes Dasein ermöglichen.

  • Die physisch-mineralische Welt ermöglicht individuellen Schwerpunkt, Eigensein und Eigenform.
  • Der ätherischen Welt verdanken wir soziale Verbundenheit, das Voneinander-, Miteinander- und Füreinander-leben-Können.[5]

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[6]


[1] Vgl. Rosslenbroich (2023), 182–95.

[2] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27, Kap. III.

[3] Hildebrandt habilitierte sich 1959 – Anregungen Rudolf Steiners aufgreifend (vgl. GA 107) – über Die rhythmische Funktionsordnung von Puls und Atmung für das Fach Humanphysiologie und Balneologie und leitete 1959 bis 1964 die Balneologische Forschungsstelle Bad Orb, bevor er Direktor des neu gegründeten Instituts für Arbeitsphysiologie und Rehabilitationsforschung an der Universität Marburg wurde. Gemeinsam mit dem Ordinarius Herbert Hensel (1920–1983) baute er in Marburg den Sonderforschungsbereich Adaptation und Rehabilitation auf und war von 1967 bis 1969 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation sowie Gründungspräsident der Europäischen Gesellschaft für Chronobiologie (1985–1987). Hildebrandt war Ehrenmitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählten die Chronobiologie und Chronomedizin. Zudem schlug er eine ‚therapeutische Physiologie‘ vor, die im Unterschied zur Pathophysiologie Prozesse beschreibt, die zur Gesundung, zur Hygiogenese, führen.

[4] Etwa im Institut für Strömungsforschung in Herrischried, siehe https://stroemungsinstitut.de.

[5] In der neueren Zeit wird das Prinzip, dass die Erde Merkmale einer Lebendigkeit aufweist, unter dem Begriff ‚Gaia‘ diskutiert. James Lovelock hatte den Begriff in den 1970er Jahren zum ersten Mal vorgestellt und stieß zunächst auf viel Widerstand in der Wissenschaft. Mit zunehmenden Kenntnissen und Daten hat sich das inzwischen aber gerändert, so dass diese Auffassung von vielen Wissenschaftlern ernst genommen wird. Vgl. Lovelock (2000), Lenton und Latour (2018), 1066–1068, ferner Pelluchon (2021) sowie A. Schad (2023).

[6] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

DEM LEBEN DIENENDE HAUPTELEMENTE

Welche sind die auf der Erde vorkommenden lebensnotwendigen Hauptelemente?

Wie dienen sie dem Leben?

Was sind die vier Ätherarten und welche Aufgabe haben sie?

Hauptelemente des Lebenden und ihre Aufgabe

In Kapitel III von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“[1] werden die vier natürlicherweise auf der Erde vorkommenden Elemente genannt, die den Lebenserscheinungen dienen: Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff.

· Kohlenstoff – Gerüstsubstanz aller Lebewesen

Kohlenstoff ist das strukturgebende zentrale Element der sogenannten Kohlenstoffchemie, d.h. der gesamten organischen Chemie. Er ist die Gerüstsubstanz aller Lebewesen und die Kohlenhydrate, d. h. die Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoff-Verbindungen, sind in jeder organischen Substanz nachweisbar.

Die großen Kohlelagerstätten und fossilen Energieträger entstammen erstorbenem Leben. Durch ihre Brennbarkeit und das damit verbundene Freiwerden von Licht und Wärme machen sie sichtbar, dass sich die lebende Substanz nur unter Aufnahme von Licht (Photosynthese) und Wärme aus dem Kosmos hat bilden können.

· Sauerstoff – häufigstes Element der festen Erdkruste

Sauerstoff ist mit gut 47 % das häufigste Element der festen Erdkruste mit ihren vielfältigen Gesteinsbildungen. Man findet ihn in den meisten Mineralien sowie in den Granit- und Kalkgebirgen.

· Stickstoff – Hauptelement der Lufthülle der Erde

Stickstoff ist mit etwa 80 % das Hauptelement der Lufthülle der Erde. Sein Anteil an der Pflanzenwelt ist gegenüber seinem Vorkommen in tierischer und menschlicher Eiweiß-Substanz gering – wenn man von den Knöllchenbakterien der Leguminosen absieht, die den Stickstoff aus der Luft über komplexe schwermetallhaltige Enzymsysteme in Aminosäuren einbauen können.

· Wasserstoff – Element größter Leichte und Wärmekapazität

In Abs. 4 von Kapitel III fragen die Autoren ganz gezielt:

Was macht das als Wasserstoff Erscheinende im Organismus durch?

Wie erscheint er außerhalb der lebendigen Organismen?

Wasserstoff nimmt im periodischen System der Elemente, das nach deren Atomgewicht angeordnet ist, eine Sonderstellung ein. Er ist so leicht, dass er sich der Gravitationskraft der Erde entzieht. Seine Heimat ist der Weltraum, indem er 75 Gewichtsprozent ausmacht, neben 25 % Helium. Die meisten Sterne bestehen aus Wasserstoff-Helium-Gemischen.[2] Auch besitzt der Wasserstoff die größte Wärmekapazität aller Elemente. Gegenüber Wasser (spezifische Wärme von 1, 0) kann er 3 bis 4 mal mehr Wärme aufnehmen bzw. abgeben als Wasser, weswegen Wolff in seiner Biochemie schreibt, dass er eigentlich Feuerstoff heißen müsste, da er so gesehen aus inkorporierter Wärme besteht.[3] Hauptcharakteristikum des Wasserstoffs ist aber seine nahezu vollständige Schwerelosigkeit, seine ‚Leichte‘. Und eben dies macht seine Verwandtschaft mit den ätherischen Leichte-Kräften aus. Er dient im Organismus der Überwindung der Erdenschwere und bewirkt dadurch, dass sich die Gesetzmäßigkeiten des mineralisch-physischen Leibes den belebenden ätherischen Kräften fügen können.

Leben und Leichte des Ätherischen

In seinem Buch „Mensch und Materie“ widmet Ernst Lehrs dem Thema ‚Leichte‘ als Gegenpol zur Schwere ein Kapitel.[4] Darin macht er auch auf die Tatsache aufmerksam, dass der Tod eine sekundäre Erscheinung des Lebens ist: nur ein lebendiger Organismus kann sterben – Leben steht also an erster Stelle, weswegen Totes aus Lebendem hervorgeht und nicht umgekehrt Leben aus toten Bausteinen konstruiert werden kann.

Auch wenn selbstverständlich organische Moleküle synthetisiert werden können, entsteht dadurch trotzdem noch lange kein eigenständiger Lebenszusammenhang. Lebendige Organismen haben ihre eigene Gesetzlichkeit, die nicht an die Schwerkraft gebunden ist, sondern an den Auftrieb, die Leichte-Kraft, für die Steiner den Ausdruck ätherische Kraft gewählt hat.

Ätherarten und Aggregatszustände

Im „Landwirtschaftlichen Kurs“ charakterisiert Steiner die eiweißbildenden Elemente als Träger des Lebens[5] – da das Geistige bei allem, was wir auf der Erde haben, „immer physische Träger haben muss“,[6] um sich sichtbar manifestieren zu können. Damit wird nur angedeutet, was in der „Geheimwissenschaft“ ausführlich geschildert wird: Die Entstehung von vier verschiedenen ätherischen Qualitäten im Zusammenhang mit den Aggregatzuständen der physischen Stofflichkeit:

  • Lebensäther, der feste Stoffe beleben kann,
  • chemischer Äther, der die flüssigen Stoffe regelt,
  • Lichtäther, der die gasförmigen durchdringt,
  • Wärmeäther, der das Ganze beherrscht.

Alle vier Ätherarten wirken – ausgehend von der Sonne – auf die Erde ein.

Diese Andeutungen zeigen, wie entscheidend zum Verständnis auch dieses dritten Kapitels einerseits gute Kenntnisse der Biochemie sind und andererseits ebenso gediegene Kenntnisse einer geisteswissenschaftlichen Chemie und Biochemie, wie sie Rudolf Steiner nicht nur im „Landwirtschaftlichen Kurs“, sondern auch in vielen anderen Vortragszusammenhängen – sowie in seiner „Geheimwissenschaft“ –, veranlagt hat.[7]

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[8]


[1] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27.

[2] Vgl. Trueb (1996), 19.

[3] Vgl. Wolff (2013), 28f.

[4] Vgl. Lehrs (1987), 169–182.

[5] Vgl. GA 327, insbesondere 52–66.

[6] Ebd., 56.

[7] Inzwischen ist eine reiche Literatur zum Ätherischen erschienen. Hier sei insbesondere auf die Darstellungen von Ernst Marti (1903–1985) und Otto Wolff hingewiesen. Marti bekam als junger Arzt von Ita Wegman den Auftrag, das Ätherische zu lehren. Eine Aufgabe, der er neben seiner ärztlichen Arbeit zeitlebens treu geblieben ist. Vgl. Marti (2014) und Wolffs Charakterisierung der Leben tragenden Substanzen in: Wolff (2013), 19–70.

[8] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

GRUNDLEGENDES ZU DEN FORMGEBENDEN KRÄFTEN

Welche Kräfte geben den Pflanzen ihre Form?

Nach welchen Zahlengesetzen differenzieren sich die Blätter?

Wie hängt der große Makrokosmos aus Sonne, Planeten und Fixsternen mit den Erscheinungen auf der Erde zusammen?

Suche nach den Meistern der Formgebung

Diesen Fragen können wir uns annähern, wenn man ernst nimmt, was Paracelsus, der erste große neuzeitliche Arzt, sagte: Wer eine Pflanze verzehrt, isst das ganze Weltall. In der genetischen Forschung der letzten 40 Jahre wurde immer nach dem Gen gesucht, das für die Gesamtgestalt verantwortlich ist bzw. das die Gestaltbildung steuert. Man hat es nicht gefunden. Was man aber gefunden hat, waren Regulator-Gene für bestimmte Teilaspekte. Um es bildlich auszudrücken: Man hat die Orchesterspieler gefunden, aber nicht den Dirigenten, die Mitarbeiter der Fabrik, aber nicht den Chef.

Insofern beschäftigen wir uns mit einem enorm relevanten Thema, wenn wir uns fragen:

Wo sind die Gestaltbilder, die Vorbilder für die Gestaltbildungen von Pflanze, Tier und Mensch?

Wo kommen die formgebenden Konzepte her?

Was wir an den Pflanzen in der Natur sehen können, sind ganz bestimmte Formen und Gesten. Formen haben eine Physiognomie, haben einen Ausdruck. Wir versuchen durch die goetheanistische Betrachtung an die Instanz heranzukommen, die den Pflanzen diesen Ausdruck gibt.

Im „Kursus für Heileurythmie“[1] sagt Rudolf Steiner: „Jede Form ist zur Ruhe gekommene Bewegung.“ Denn eine Form muss sich ja erst bilden und erscheint als solche erst, wenn sie sich aus der Bewegung heraus fertig gebildet hat. Nach den bildenden und gestaltenden Prozessen, den „Meistern der Formgebung“ zu fragen, fand Goethe so faszinierend, dass er ein Meister der Beobachtung von Bildungs- und Umbildungs- bzw. Metamorphose-Prozessen wurde.

Entsprechung von Pflanze und Weltall

Wenn Paracelsus nun sagt, dass man mit dem Verzehr einer Pflanze das ganze Weltall mit aufnimmt, so lebt in dieser Aussage ein ganz tiefes Prozessverständnis.

Die Tierkreisbilder, u.a. der Wassermann, die Waage, die Fische, die wir alle kennen, entstanden in früheren Zeiten, indem man bestimmte Sternbilder mit Linien verband. Man könnte aber auch ganz andere Formen darin sehen, wenn man will und wenn man andere Verbindungen herstellt. Es lassen sich die unterschiedlichsten Form- und Gestaltprinzipien dabei finden: z.B. ganz runde Formen, die meist Corona genannt werden; Formen mit und andere ohne Mittelpunkt.

Ich las vor langer Zeit in einem Vortrag von Rudolf Steiner, dass es auf der Erde keine Form gibt, die man nicht auch am Himmel als Sternkonfiguration finden könnte. Ich verbrachte daraufhin meine Sommerferien mit meinem Mann zusammen im Gebirge, um dieser Aussage auf den Grund zu gehen – zum Glück hatten wir schönes Wetter. Wir schauten uns tagsüber alle möglichen Formen an, Stühle, Tische, runde Fenster, aber auch unsere Organe und andere Körperteile, und schauten, ob wir sie nachts am Firmament wiederfanden. Wir suchten nach Entsprechungen zwischen dem Makrokosmos, dem Mikrokosmos und dem „Mezzokosmos Natur“.

Vgl. Ausführungen vom IPMT in Santiago di Chile 2010


[1] Rudolf Steiner, Kursus für Heileurythmie, GA 315.

DAS ÄTHERISCHE DER WELT KENNENLERNEN

Wie kann man das Lebendige in der Welt, das Ätherische, näher kennenlernen?

Wie lässt sich das Ätherische in seinem Wirken studieren?

Welche weiterführenden Werke kann man dazu finden?

Formen des Lebendigen

In den letzten 100 Jahren ist sehr viel zum Verständnis der ätherischen Kräfte erarbeitet worden. Hermann Poppelbaum (1891–1979), der spätere Leiter der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum, hatte schon 1924 eine Studie veröffentlicht mit dem Titel „Der Bildekräfteleib der Lebewesen als Gegenstand wissenschaftlicher Erfahrung“. Darin fasst er die Ergebnisse seiner Forschung so zusammen:

„Der Organismus ist keine Summe aneinandergefügter Bausteine, sondern ein sinnvolles Ganzes ineinandergefügter Glieder. Die Kluft zwischen Lebendigem und Unbelebtem wird an ihm sichtbar. Es gilt zu erfassen, wie sich hier zwei Welten gegenüberstehen. Auf der einen Seite die Welt der einander verdrängenden, sich gegeneinander abschließenden, undurchdring-lichen, unbelebten Gegenstände – auf der anderen Seite die Welt der einander durch-dringenden, durcheinander hindurchwirkenden Formen des Lebendigen. Dort Zentralkräfte, hier Universalkräfte. Dort Mechanismen, hier Organismen. Dort Fertiges, hier Werdendes. Dort nur Irdisches, hier Kosmisches. Dort Totes, hier Lebendiges.“[1]

Belege für ätherisches Wirken suchen

Belege für das Wirken des Ätherischen finden sich laut Rudolf Steiner

  • in der Faktenfülle naturwissenschaftlicher Forschung, wie z.B. in der Embryologie und Botanik,
  • aber auch in der Philosophie,
  • der projektiven Geometrie,
  • der übenden Selbsterfahrung
  • und der künstlerischen Tätigkeit, durch die zuvor Unsichtbares kreativ sichtbar gemacht werden kann.

Das zeigt, dass es unterschiedliche Zugänge gibt, über die man sich schrittweise mit dem Wirken des Ätherischen vertraut machen kann. Im Folgenden sei auf einige davon näher eingegangen.

1. Schritt: Das Ätherische als Phänomen wahrnehmen

„Das Ätherische“ wird von Rudolf Steiner als Terminus für die Wachstums- und Gedankenkräfte eingeführt „im Einklange mit älteren instinktiven Ahnungen dieser Welt“. Dieser Begriff hat gegenwärtig keinen Erkenntniswert, weil er für das moderne Bewusstsein keinen Realitätsbezug mehr herstellen kann.

Wer sich jedoch die Wortbedeutung klarmacht, dass αἰθήρ im Griechischen Himmel heißt, – αἰθρια Himmelsglanz, heiterer Himmel, freier Himmel und αἰθήριος luftig, ‚ätherisch’ – dem erscheint diese Namensgebung einleuchtend. Man ‚sieht’ förmlich den Äther, wenn man den die Erde umgebenden blauen Himmelsraum anschaut. Auch die peripherisch angreifenden ätherischen Kräfte und Gesetzmäßigkeiten, die mit dem Licht und der Wärme auf die Erde einstrahlen, finden dadurch eine adäquate Namensgebung.

Ohne die durchsonnte Luft, die das Himmelsblau zur Erscheinung bringt, wäre Leben auf der Erde nicht möglich. Denn die Pflanzen leben von der Sonnenenergie, die sich durch die Lufthülle der Erde so abmildert, dass Lebendiges auf der Erde gedeihen kann.

2. Schritt: Doppelnatur des Ätherischen als Arbeitshypothese nehmen

Im 1. Kapitel des Grundlagenwerkes zur Anthroposophischen Medizin „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“[2], das von Rudolf Steiner und Ita Wegman gemeinsam verfasst wurde, sprechen die Autoren von der Metamorphose der Ätherkräfte von Wachstumskräften in Gedankenkräfte, die unserem Denkvermögen zugrunde liegt.

Man hat nun die Möglichkeit, die gemeinsame ätherische Quelle von Lebens- und Denktätig-keit im Menschen zunächst – so wie andere Ergebnisse aus Steiners Forschung auch – als Arbeitshypothese zu nehmen und auf die Suche zu gehen nach möglichen Belegen für diese Hypothese.

3. Schritt: Das Ätherische in der Realität der Gedanken finden

Wer sich noch kein zureichendes Verständnis vom Wesen der ätherischen Kräfte erworben hat, sodass er oder sie diese Welt noch nicht in ihrer voll inhaltlichen Lebendigkeit zu erleben vermag, kann sich schrittweise eine von Gewissheit begleitete Anschauung selbst erarbeiten - indem er oder sie den spirituellen Schulungsweg beschreitet und sich so selbst von der Realität und Macht der Gedanken im eigenen Leben überzeugt.

Einen guten Einstieg bietet das Selbstschulungsbuch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“.[3]

4. Schritt: Werke zur Natur des Ätherischen studieren

In dem Sammelband „Erscheinungsformen des Ätherischen“[4] sowie der umfangreichen goetheanistischen Literatur von Biologen wie Friedrich Kipp, Wolfgang Schad, Ernst Michael Kranich, Andreas Suchantke, Thomas Göbel, Bernd Rosslenbroich wurden Aspekte des Ätherischen auf den Gebieten der Botanik, der Zoologie, und Kosmologie weiter vertieft.[5]

In dem von Thomas Göbel eigens zu dem Zweck goetheanistischer Forschung begründeten „Carl Gustav-Carus-Institut“ sowie am Lehrstuhl für Evolutionsbiologie und Morphologie an der UW/H sind eine Vielzahl weiterer Publikationen und Einzeluntersuchungen erschienen.

Auf dem Gebiet der Projektiven Geometrie waren dies insbesondere Steiners Zeitgenosse George Adams (1894–1963) mit seinem Werk „Strahlende Weltgestaltung“ und seine Schülerin Olive Whicher (1910–2006) sowie der Schweizer Mathematiker Louis Locher-Ernst (1906–1962), die mit ihren Publikationen die mathematisch-geometrische Grundlage für die peripherisch angreifenden ätherischen Kräften geschaffen haben.[6]

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[7]


[1] Vgl. Poppelbaum [1924].

[2] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27.

[3] Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, GA 10.                    

[4] Hrsg. von Jochen Bockemühl.

[5] Siehe auch Heusser u. a. [2016] u. Rosslenbroich [2023].

[6] vgl. dazu Whicher (1970) u. Locher-Ernst (2021).

[7] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

WIRKEN DES ÄTHERISCHEN AUF DIE PFLANZE UND IM MENSCHEN

Wie wirkt das Ätherische in der Pflanze?

Wie wirkt es im Menschen?

Worin besteht der entscheidende Unterschied?

Unterschiedliche Wirkweisen des Lebendigen

Rudolf Steiner und Ita Wegman nehmen in Kapitel III von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“[1] insbesondere in den Absätzen 5 sowie 11 und 12 auf das Leben des Menschen im Unterschied zur Pflanze Bezug.

· Wirken des Ätherischen auf die Pflanze

Der Sonnenäther kann in der Nacht nicht auf die Pflanze wirken, da die einzelne Pflanze über keinen eigenen ätherischen Organismus verfügt. Dafür kommen die physischen Kräfte verstärkt zur Wirksamkeit. Das ist ein für das Pflanzenleben notwendiges rhythmisches Geschehen.

Rudolf Steiner bemerkt dazu im Landwirtschaftlichen Kurs: „Das ist die Aufgabe, dass man das Pflanzenwesen so ansehen lernt, dass jede Pflanzenart hineingestellt erscheint in einen Gesamtorganismus der Pflanzenwelt, wie das einzelne menschliche Organ in den gesamten Organismus des Menschen hereingestellt erscheint. Man muss die einzelnen Pflanzen als Teile eines Ganzen ansehen können.“ [2]

·  Wirken des Ätherischen im Menschen

Beim Menschen dagegen hört die Wirkung des Ätherischen während der Nacht nicht auf, weil er einen eigenen, individualisierten ätherischen Organismus besitzt. Dadurch ist der Mensch ätherisch in gewisser Weise vom Makrokosmos emanzipiert.

Für den menschlichen ätherischen Organismus gilt zudem, dass eine „Kraft, die eigentlich ursprünglich kosmisch ist, zur auf die Erde einstrahlenden Wirkung bestimmt“[3] bei ihm aus Lunge oder Leber heraus wirkt. Die ursprünglich kosmische Kraft hat hier „eine Metamorphose ihrer Richtung vollzogen“[4]. Die Richtung ist nun nicht mehr kosmisch-irdisch orientiert wie bei der Pflanze. Vielmehr hebt sie sich aus dieser Orientierung heraus, wobei wiederum Rhythmen eine tragende Rolle spielen.

Man kann deshalb sagen, dass der Mensch das Ätherische in einer individualisierten Art in sich trägt. So wie er das Physische seines physischen Leibes und seiner Leibesorgane in Form der individualisierten Gestalt „bei sich“ trägt, ebenso hat er seinen besonderen Ätherleib. Im Schlafe bleibt dieser Ätherleib mit dem physischen Leibe verbunden und erhält ihn so am Leben; nur im Tode löst sich der Ätherleib ganz vom physischen Leib.[5]

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[6]


[1] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27.

[2] Rudolf Steiner, Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft. Landwirtschaftlicher Kursus, GA 327, S. 68.

[3] Siehe FN 1, s. 22,

[4] Ebenda.                                                                                                                                                               

[5] Ebenda.

[6] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

PFLANZLICHER UND TIERISCHER BZW. MENSCHLICHER STOFFWECHSEL

Was ist kennzeichnend für den pflanzlichen Stoffwechsel?

Was zeichnet den tierischen und menschlichen Stoffwechsel aus?

Wie greifen die beiden Stoffwechselarten sich ergänzend ineinander?

Ineinandergreifen von Auf- und Abbau bei Pflanze, Tier und Mensch

Die tierische Natur zeigt das ‚Wesenhafte‘ des Astralischen durch ihre Äußerungsmöglichkeiten in Form von Bewegung, Bewusstsein, verschiedenen Lautäußerungen und vor allem durch die ganze Skala der Gefühle und Empfindungen, angeregt durch die Sinnestätigkeit.

·  Stoffwechsel der Pflanze

Die Pflanze baut dank ihrer Assimilations-Atmung und den daraus resultierenden anabolen Aufbaustoffwechsel ein Kohlenstoffgerüst auf. Alle pflanzlichen Gestaltungen bis hin zur Stamm- und Rindenbildung von Bäumen, die auch Jahrhunderte alt werden können, entstammen diesem anabolen Stoffaufbaugeschehen.

Hauptbestandteile der Pflanzen sind Zucker, Stärke und Zellulose. Der belebende Sauerstoff, den sie ausatmen, wird von Tier und Mensch aufgenommen.

·  Stoffwechsel von Tier und Mensch

Tier und Mensch haben ein flüchtiges Kohlenstoffgerüst. Bei ihnen sind Abbau und Aufbau in fortwährender Wechselwirkung im Rhythmus der Ein- und Ausatmung. D.h. Aufbau und Abbau können sich so die Waage halten. Dabei überwiegt in der Nacht der Aufbau, bei Tag der Abbau.

Hauptbestandteil der menschlichen und tierischen Konstitution ist das Eiweiß.[1] Das Kohlendioxid, das Tier und Mensch in Folge der Abbautätigkeit ausatmen, dient der Pflanze wiederum zum Aufbau ihrer Gerüstsubstanz.

Gestörter Rhythmus zwischen Auf- und Abbau

  • Die gegenwärtige ökologische Krise zeigt, in welchem Ausmaß der Rhythmus zwischen Aufbau und Abbau im Mensch-Natur-Zusammenhang im Großen gestört werden kann.
  • Im Kleinen zeigen sich derartige Störungen durch individuelle Krankheitsprozesse.

Das Durchschauen dieser Zusammenhänge kann auch aus dieser Sicht motivieren, das Mögliche zur Gesundung der Krankheitsprozesse im Mensch-Erde-Zusammenhang zu tun.[2]

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[3]


[1] Im Eiweißaufbau waltet die ätherische Wirksamkeit vor – im Dienst der astralischen Organisation. Im Abbaugeschehen hingegen die astralische Wirksamkeit und die Erscheinungen des Bewusstseins. Mehr dazu wird in Kapitel IX von Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27 ausgeführt.

[2] Vgl. hierzu Klett (2021); Hurter und Wittich (2020).

[3] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

VOM WESEN DES EMPFINDENDEN ORGANISMUS (ASTRALLEIB)

Was unterscheidet Pflanze und Tier?

Was ist unter irdischen und was unter kosmischen Einflüssen zu verstehen?

Wie wirken sie auf Pflanze, Tier und Mensch?

Inwiefern ist die astralische Organisation aus der physischen herausgehoben?

Vom lebendigen zum empfindenden Organismus

Im Zentrum des vierten Kapitels von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“[1] steht der ‚Astralleib‘ als Träger der menschlichen (und der tierischen) Empfindungen. Das Astralische ist ebenfalls ein ganzheitlich wirksames Kräftesystem, welches den lebendigen zum empfindenden Organismus umgestaltet und dadurch auch das Stoffwechselgeschehen grundlegend verändert.

  • Was in der ätherischen Organisation unbewusstes Leben ist, und damit selbstlose Hingabe an die Kräfte der irdischen und kosmischen Umgebung,
  • kann durch das Astralische bewusstwerden und so zu einem individuellen Erleben, der Empfindung, führen.

Rätselhafte Sinnesempfindung

In der gegenwärtigen naturwissenschaftlich orientierten Medizin wird die Empfindung primär neurophysiologisch und neuropsychologisch definiert. Auf dem Gebiet der Sinnesphysiologie gilt sie gemäß dem Reiz/Reaktionsprinzip als Elementarvorgang, als primär gegeben.

In Abweichung von diesem Trend sah Herbert Hensel die Sinnesphysiologie nicht nur als Eintrittstor in das Feld vielfältiger Phänomene im Bereich der Sinneswahrnehmungen an, sondern als eigenständiges Gebiet der Naturwissenschaft und als geeignet, neue Grundlagen für epistemologisches Denken zu bilden.[2]

Wer sich mit der Wahrnehmung des Menschen befasst, wird in einen Bereich geführt, der vor und zwischen allen positiven Wissenschaften liegt. Die Sinneslehre als autonome Wissenschaft ist ein Niemandsland zwischen den etablierten Disziplinen. Gerade dadurch ist sie berufen, bei einer Neubesinnung auf die Grundlagen der Wissenschaften mitzuwirken und neue Erkenntniswege zu bahnen.[3]

Aus dem Physischen herausgehobene astralische Organisation

In Kapitel IV wird das astralische Kräftesystem (der Astralleib) in seinem Verhältnis zum Ätherischen und Physischen als aus diesen Kräftesystemen ‚herausgehoben‘ beschrieben.[4]

Am pflanzlichen Atmungsorgan – dem flächenhaften Blatt – zeigt sich im Laufe des Tag-Nacht-Rhythmus das Zusammenspiel der physischen und ätherischen Kräfte. Charakteristisch für die tierische und menschliche Organbildung sind dagegen die Prozesse der

  • Einstülpung,
  • Organ-Abfaltung
  • und Ausstülpung.

Sie sind astralischer Natur und beginnen bereits in der frühen Embryonalentwicklung mit der sogenannten Gastrulation und Neurulation. Dadurch entstehen Innenräume und Berühr- und Begegnungsflächen, die für die weitere Zell- und Organdifferenzierung entscheidend sind. Wer dieses komplexe und großteils gleichzeitig verlaufende Organbildungsgeschehen ‚steuert‘, ist bisher nicht bekannt.

Rudolf Steiner und Ita Wegman beschreiben diesen aufeinander bezogenen Kräftebereich bereits in Kapitel I des genannten Werkes als den astralischen.

  • Die Pflanzensubstanz überlässt sich ganz der Betätigung der aus- und einstrahlenden Außenkräfte des Ätherischen.
  • Die tierische (und die menschliche) Substanzbildung zeigt dagegen, dass sie Wirkungen unterliegt, die sie von diesen Kräften unabhängig macht.[5]

Induktionsvorgänge: Induktor und Indukt

Gut erforscht sind jedoch die sogenannten Induktionsvorgänge, d.h. man weiß, welche Gewebe zu welchem Zeitpunkt durch die gegenseitige Berührung das Auswandern bestimmter Zellen oder durch das Aussenden bestimmter Signalstoffe die Bildung eines Organs veranlagen, stimulieren oder vollenden helfen. Meist sind mehrere Faktoren dieser Art an der Organbildung beteiligt. Inzwischen gilt auch als gesichertes Wissen, dass die Induktionsprozesse vom umliegenden Gewebe, also von der Peripherie her, gesteuert werden und nicht zentral vom genetischen Apparat:

„Gegenwärtig weisen die meisten Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass weniger der genetische Apparat selbst, als vielmehr die unmittelbare Umgebung einschließlich der benachbarten Gewebe, diese Entscheidung, was sich wann differenziert und entwickelt, maßgeblich bestimmen. So erscheint die für die normale Funktion eines Organs notwendige hochdifferenzierte Struktur durch die exakte Koordination der Bildungsprozesse einzelner ihrer Bauelemente während der Embryonalentwicklung sowie durch die Interaktionen von Einzelfaktoren erreicht zu werden. Das induzierende Gewebe nennt man Induktor und das induzierte Gewebe Indukt. Dabei haben Experimente insbesondere bei der Bildung des Auges gezeigt, dass das Indukt sehr spezifisch sein muss, der Induktor jedoch deutlich unspezifischer sein kann; entscheidend ist jedoch der richtige Zeitpunkt in der Begegnung zwischen Induktor und Indukt für die Bildung eines gesunden Organs am richtigen Ort im Zusammenhang mit den zeitgleich sich bildenden Organen an anderen Orten. Drei Prozesse laufen so zeitlich präzise aufeinander abgestimmt ab: die Proliferation (Zellwachstum), die Differenzierung von Zellen und Organen, und die Induktion und damit auch Integration der einzelnen Bildungen in das Ganze.“[6]

Der Inspiration unmittelbar zugänglich

Die astralischen Kräfte sind der inspirierten Erkenntnis unmittelbar zugänglich: „Spricht man aber von ‚astralischer Welt‘, so geht man in Gemäßheit dessen, was das inspirierte Bewusstsein beobachtet, von den Wirkungen aus dem Weltumfang zu bestimmten Geist-Wesenheiten über, die in diesen Wirkungen sich offenbaren, wie in den von der Erde ausgehenden Kräften sich die Erdenstoffe offenbaren. Man spricht von aus den Weltenfernen wirkenden konkreten Geist-Wesenheiten, wie man beim sinnlichen Anblick des nächtlichen Himmels von Sternen und Sternbildern spricht. Daher der Ausdruck ‚astralische Welt‘.[7], [8]

Ergänzend dazu heißt es in Kapitel IV:

„Die ausstrahlenden Kräfte sind die irdischen, die einstrahlenden diejenigen des Welt-Umkreises der Erde; in den ‚astralischen‘ ist etwas vorhanden, das den beiden Kräftearten übergeordnet ist. Dies macht die Erde selbst erst zum Weltenkörper, zum ‚Stern‘ (astrum). Durch die physischen Kräfte sondert sie sich aus dem Weltall heraus, durch die ätherischen lässt sie dieses auf sich wirken; durch die ‚astralischen‘ Kräfte wird sie eine selbständige Individualität im Weltall.“[9]

Ineinandergreifen von Physischem, Ätherischem und Astralischem

In diesem Kontext wird verständlich, warum die Überschrift des IV. Kapitels „Vom Wesen des empfindenden Organismus“ lautet. Tiere offenbaren eigenständig Wesenhaftes durch Empfindung, Bewegung, Intentionalität. Doch geht es den Autoren nicht nur darum, die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Mineral, Pflanze und Tier dem Einfluss der verschiedenen Kräftewirkungen zuzuschreiben. Vielmehr ist der Blick wieder auf die Erdenstofflichkeit gerichtet, die sich unter dem Einfluss des dritten Kräftebereiches gegenüber der Pflanzensubstanz noch einmal grundlegend ändert und dadurch zum Träger der Empfindung werden kann.

Durch die Dominanz der astralischen Kräfte wird auch die Wirkungsweise der physischen und ätherischen Kräfte modifiziert. Beide Kräftebereiche sind den astralischen Kräften untergeordnet, wodurch es zu den Phänomenen

  • Tod (vorherrschende physische Kräfte),
  • Schlaf (vorherrschende ätherische Kräfte),
  • Wachen (vorherrschende astralische Kräfte) kommt.

Während des Lebens wird der physische Leib des Tieres (und des Menschen) durch den Ätherleib daran gehindert, sich soweit mineralisierend und verhärtend zu betätigen, dass der Tod die Folge wäre. Entsprechend braucht der Ätherleib immer wieder Perioden, in denen er die Todesprozesse im physischen Leib kompensieren kann. Dafür muss er sich den astralischen Kräften so weit entziehen, dass Schlaf eintreten kann und der Astralleib für eine Zeit seiner Wirkmacht als Träger individuellen Bewusstseins und individueller Wesensäußerung enthoben wird.

Musikalische Natur des Astralischen

So wie die ätherischen Kräfte plastisch-bildnerisch tätig sind, so sind die astralischen Kräfte im weitesten Sinne musikalischer Natur. Sie wirken über die Gesetze der Differenzierung, Intervallbildung, Polarisierung, der Dissonanz, Konsonanz und Resonanz.

  • Sie finden sich in reiner Form in den Zahlengesetzen, die in Chemie und Biochemie beim Binden und Lösen der Stoffe walten.
  • Aber auch – wie seit dem Altertum bekannt – in den Zahlengesetzen, die die Bewegungen der Sterne beherrschen, so wie dies von den Pythagoräern als Weltharmonik angesehen wurde und später dann von Kepler detaillierter ausgearbeitet worden ist.[10], [11]
  • Dass Klänge eine differenzierende Wirkung auf Stoffe ausüben können, kann auch durch Experimente im Stil der Cladni’schen Klangfiguren anschaulich gemacht werden.

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[12]


[1] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27, Kap. IV.

[2] Vgl. hierzu die Würdigung des Lebenswerkes von Herbert Hensel durch Gunther Hildebrandt (1983), 281f.

[3] Hensel (1989), 45–69. Herbert Hensel war nicht nur ein international renommierter Sinnesphysiologe, sondern auch Anthroposoph. Sein Urteil über Steiners Beitrag zur Wissenschaft ist auch im Kontext der EH hilfreich: „Die Bedeutung der Anthroposophie für die empirischen Wissenschaften liegt vor allem darin, daß sie Anregungen gibt und neue Fragestellungen aufwirft, die dann von der empirischen Forschung aufgegriffen und selbstständig bearbeitet werden können. Das bedeutet keine Beschränkung der geistigen Freiheit des Forschers, da er die Antworten auf die Fragen durch eigene Arbeit finden muß.“ Hensel (1989), 70–77.

[4] Vgl. FN 1, S. 24: „Man hat im tierischen Organismus einen Kräftebereich, der gegenüber dem von der Erde ausstrahlenden und in sie einstrahlenden unabhängig ist.“

[5] Vgl. FN 1, Kapitel IV, Abs. 3.

[6] Vgl. Moore (2013), 15, 76, 559.

[7] Vgl. FN 1, S. 8.

[8] ‚aster‘ heißt sowohl in der griechischen als auch in der lateinischen Sprache: Stern.

[9] Vgl. FN 1, S. 25.

[10] Noch Goethe erwähnt „der Brudersphären Wettgesang“ zu Beginn des Faust im Prolog im Himmel. Siehe auch Livio (2023).

[11] Vgl. A. Husemann (2024).

[12] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

DREIHEIT DER ORGANGLIEDERUNG DES TIERISCHEN (UND MENSCHLICHEN) ORGANISMUS

Welche unterschiedlichen Organsysteme bilden welche Organe?

Welche Besonderheit weist jede Organisation auf?

Gibt es Beispiele für die Herausgehobenheit des Astralischen?

Menschlich-tierische Organsysteme und deren Organe

In den letzten drei Absätzen des vierten Kapitels von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“[1] schildern die Autoren die Dreiheit der Organgliederung des tierischen Organismus wie folgt:

· Organe des Physischen

„Die physische Organisation bildet Organe, die durch die ätherische und astralische Organisation hindurchgegangen, die aber wieder auf dem Rückwege zu deren Bereich sind. Ganz angekommen in deren Bereich können sie nicht sein; denn das müsste den Tod des Organismus zur Folge haben.“[2]

Hier handelt es sich um diejenigen Organe, welche die tierische (und die menschliche) Gesamtgestalt bestimmen und stützen, wie z.B. alles Horn- und Hufartige, Fell- und Haut, sowie Schalen und Knochen.

· Organe des Ätherischen

„Der ätherische Organismus bildet Organe, die durch die astralische Organisation hindurchgegangen sind, die aber sich dieser immer wieder zu entziehen streben; sie haben in sich die Kraft zur Dumpfheit des Schlafes; sie neigen dazu, das bloß vegetative Leben zu entfalten.“[3]

Hier handelt es sich insbesondere um die Verdauungs- und Drüsenorgane.

· Organe des Astralischen

„Der astralische Organismus bildet Organe, die das vegetative Leben sich entfremden. Sie können nur bestehen, wenn dieses vegetative Leben sie selbst immer wieder ergreift. [. . .] Es muss ein rhythmisches Wechselwirken des tierischen und pflanzlichen in diesen Organen stattfinden. Das bedingt die Wechselzustände von Schlafen und Wachen.“[4]

Diese Funktionsweise ist charakteristisch für die Nerven-Sinnesorgane. Sie brauchen für ihre Regeneration die vorübergehende Ausschaltung der astralischen Kräfte-Wirkung. Aus der Schlafforschung ist schon lange bekannt, dass diese Organe insbesondere den REM-Schlaf brauchen, um zu regenerieren. Während der übrige Organismus mit Schlafentzug gut zurechtkommt und primär auf Nahrungsaufnahme und Phasen physischer Ruhe angewiesen ist, ist die Gesundheit des Nervensystems und der Sinnesorgane von ausreichendem Schlaf abhängig.[5]

„Im Schlafen sind auch die Organe der astralischen Kräfte in der Dumpfheit des pflanzlichen Lebens. Sie üben da keine Wirkung auf das ätherische und physische Gebiet.“[6]

Dem Physischen und Ätherischen enthobenes Astralisches

Damit kommt ein weiteres Charakteristikum zum Verständnis der ätherischen Kräfte hinzu: Immer, wenn Leben abgelähmt bzw. zurückgedrängt wird, kommt bewusstes Erleben zustande. Es entsteht dadurch ein (seelischer) Innenraum, in dem etwas bewusstwerden kann.[7]

Grundlage dafür, dass die tierische Substanz Träger der Empfindung sein kann, ist der Tatbestand, dass hier „etwas von dem Substanziellen ganz aus dem Bereiche der beiden Kräftegebiete [der physischen und ätherischen Kräfte, M.G.] herausgezogen“ werden kann.[8] „Es entstehen Organbildungen, die im Bereiche der beiden Kräftegebiete verbleiben, und solche, die sich aus ihnen herausheben.“[9]

· Beispiel zentrales Nervensystem

Äußerlich sichtbar wird dies an der Tatsache, dass das zentrale Nervensystem vom Gehirnwasser umgeben ist, und durch dieses ‚Schwimmen‘ im Liquor erheblich an Eigengewicht verliert (es wiegt so intern nur ca. 30 Gramm anstatt 1300).

· Beispiel sensorischer Hörvorgang

Bei der Ohrbildung geht dieser Prozess so weit, dass der sensorische Hörvorgang ganz der Schwere und damit den physischen Kräften enthoben ist. Hammer, Amboss und Steigbügel – die Gehörknöchelchen – werden nur durch die Schallwellen in der Luft in Bewegung gesetzt. Die beiden Ohrmuskeln M. tensor tympani und M. stapedius haben rein regulative Funktion, da die von der Luft getragene Tonschwingung die Gehörknöchelchen in ihren Gelenken bewegt.[10]

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[11]


[1] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27, Kap. IV.

[2] Vgl. FN 1, S. 26f.

[3] Vgl. FN 1, S. 27.

[4] Ebenda.

[5] Vgl. Horne (1988), 310–314.

[6] Siehe FN 1.

[7] Vgl. hierzu Steiners Darstellung in VS, 11–45.

[8] Vgl. FN 1, S. 24.

[9] Ebenda.

[10] Vgl. A. Husemann (2024).

[11] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

WIRKEN DER SUBSTANZSTRÖME IN PFLANZE, TIER UND MENSCH

Wie lässt sich das Wirken der Substanzströme in Pflanze, Tier und Mensch beschreiben?

Was bewirkt jeweils der Einfluss des Ätherischen, Astralischen und der Ich-Organisation?

Wie wirkt die Ich-Organisation im Wachzustand und wie wirkt sich das auf den Schlaf des Menschen aus?

An den jeweiligen Organismus angepasste Substanzströme

Die zweite Hälfte des fünften Kapitels von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“[1] fokussiert sich in Fortsetzung der Kapitel III und IV darauf, wie sich die drei Substanzströme – in Pflanze, Tier und Mensch – im Hinblick auf die unterschiedlichen Organbildungen ausnehmen.

In der Pflanze gibt es nur den einen Substanzstrom vom Toten (Physischen) ins Lebendige (Ätherische) und von dort durch das absterbende Leben wieder zum Toten.

Im tierischen Organismus ist die astralische Organisation für die Gesamtgestalt verantwortlich, weswegen sich dort der Substanzstrom über das Wirken im Ätherischen hinaus in dreifacher Weise an der Organbildung beteiligt:

  • vorzugsweise stützende Organe, die Skelett, Bindegewebe und Muskulatur bilden,
  • dann die Leben tragenden Organe des Verdauungs- und Drüsenapparats
  • und die Bewusstsein tragenden Organe des Nerven-Sinnes-Systems.

Beim Menschen kommt der Substanzstrom über das Wirken im Astralischen hinaus noch in den Bereich der Ich-Organisation, wo er nun die Befähigung erfährt, ‚Geist tragend‘ zu werden.

Damit wird aber auch deutlich, dass die weiteren Entwicklungsstufen der Menschwerdung sich nicht mehr im Physischen abspielen können, sondern im Bereich der übersinnlich-selbstbestimmten seelisch-geistigen Weiterentwicklung.

Der Mensch als Ergebnis der Ich-Organisation

Aus diesem vierten Gestaltungsprozess heraus, der den Gesetzmäßigkeiten der Ich-Organisation unterliegt, wird die menschliche Konstitution bis „in die kleinsten Teile seiner Substanz hinein“ zu einem „Ergebnis dieser Ich-Organisation“ gemacht.[2] Dadurch erfährt sie ihre durchgreifend die Naturprozesse ‚aufhaltende‘ Konfiguration.

Im 12. Vortrag des Grundkurses zur Begründung der Waldorfschule fasste Steiner diesen Sachverhalt so zusammen: „Der Leib des Menschen wird auf keine andere Weise erklärlich, als indem man zuerst seine Vorgänge, seine Prozesse kennt, indem man weiß, daß der Mensch in sich auflösen muß das Mineral, in sich umkehren muß das Pflanzenreich, über sich hinausführen muß, das heißt, vergeistigen muß das Tierreich. Und alles dasjenige, was der Lehrer wissen soll über die Leibesentwicklung, das hat zur Grundlage eine solche anthropologische, anthroposophische Betrachtung, wie ich sie hier mit Ihnen angestellt habe.“[3]

Es wird desweiteren geschildert, wie die von den astralischen Kräften beherrschte „empfindende Substanz und diejenige, welche den selbstbewussten Geist tragen kann“,[4] im Wachzustand aus dem Gesamtorganismus herausgehoben werden.

Dadurch wird die Metamorphose der Wesensgliedertätigkeiten in die Leibfreiheit des geistig-seelischen Lebens und Erlebens möglich, wie bereits in Kap. II, Abs. 9 dargestellt: „Die Ich-Organisation lebt sich seelisch frei im Denken dar. Daher können astralische und Ich-Organisation im Wachzustand ‚von außen‘ abbauend wirken, so dass die Substanzbildung durch das bewusste und selbstbewusste Leben des Menschen unmittelbar beeinflusst wird. Damit nimmt Steiner Erkenntnisse der molekularen Genetik voraus, die inzwischen die modifizierenden Einflussfaktoren seitens der Umwelt und in Folge mentaler Einflussfaktoren kennt, die selbst auf das Erbgut in den Zellen ausgeübt werden können.“[5]

Ich-Tätigkeit beim Wachzustand und beim Schlafen

Da im Schlaf Empfindung und Selbstbewusstsein erlöschen und auf den schlafenden Menschen nur die von der Erde ausstrahlenden und auf sie einstrahlenden Kräfte wirken, kommt jetzt zur Geltung, was die Substanz während des Wachens an Gestaltungsimpulsen von der astralischen und Ich-Organisation aufgenommen hat. D. h. was sich psychosomatisch vom seelischen Erleben und der geistigen Tätigkeit aus konstitutionell manifestiert hat. Dies nennen die Autoren die substanziellen Reste der astralischen und Ich-Organisation, die während des Schlafes fortwirken und ihren Einfluss auf das Regenerations- und Substanzbildungsgeschehen geltend machen.

  • Wach lebt der Mensch in einer Betätigung, welche ihn mit der Außenwelt durch seinen astralischen Leib und durch seine Ich-Organisation in Verbindung setzt.
  • Schlafend leben sein physischer und sein ätherischer Organismus von dem, was die Reste dieser beiden Organisationen substanziell geworden sind.[6]

Zwischen Schlafen und Wachen – dem Erlöschen von Bewusstsein und autonomen Handlungsweisen und deren tagwacher Präsenz – steht die ätherische Organisation vermittelnd darinnen. Ihr wichtigster stofflicher Träger ist der belebende Sauerstoff.[7] Nimmt seine Wirkung überhand, so herrscht die ‚schlafbewusste‘ Lebenstätigkeit vor. Tritt sie zurück, tritt das Wachbewusstsein auf. Die ätherische Organisation stützt sich in diesem zentralen ‚Leben tragenden Rhythmus‘ der Atmung auf den Sauerstoff, als dessen wichtigster Träger.[8]

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[9]


[1] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27.

[2] „Bis in die kleinsten Teile seiner Substanz hinein ist der Mensch in seiner Gestaltung ein Ergebnis dieser Ich-Organisation.“ FN 1, S. 29.[2]

[3] Rudolf Steiner, Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik, GA 293, 192f.

[4] Siehe FN 1, S. 31.

[5] Vgl. Rosslenbroich (2023).

[6] Siehe FN 1, S. 32.

[7] Vgl. Rudolf Steiner, „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft. Landwirtschaftlicher Kursus“, GA 327, S. 57–60.

[8] Vgl. ebd., S. 57.

[9] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

IMPULSE DER STERNENWEGE AUF DIE PFLANZEN

Inwiefern hängen Pflanzenwelt und Kosmos zusammen?

Welche kosmischen Grundgesten des Wachstums gibt es?

Frage nach der Bedeutung der Sternenwege

In der Anthroposophie wird den Sternenwegen eine ganz bestimmte Bedeutung beigemessen. Die Astronomen früherer Zeiten fragten sich:

Wieso macht die Venus diese Form?

Wieso macht der Merkur das Hexagramm?

Und warum kreisen diese beiden Planeten als Abend- und Morgensterne immer so dicht um die Sonne wie Trabanten? (Oder wie Ministranten?)

Das System Erde-Sonne mit Merkur und Venus ist ein kleiner, in sich geschlossener wunderschöner Raum. Mars, Jupiter und Saturn erinnern schon an Fixsterne, weil sie sich so weit draußen befinden. Diese Planeten sind weit entfernt, sie bewegen sich im sogenannten außersolaren Raum.

Wachstumsebenen der Pflanzen

Rudolf Steiner skizzierte ein Pflanzenbild, in das er auch die Planeten einzeichnete. Darin kann man drei verschiedene Wachstumsebenen oder -räume erkennen:

  • Zum einen haben wir den Mond, an dem sich die Wurzeln orientieren, wenn sie sich wie absondern vom Kosmos und in die Erde hineinwachsen. Das gelingt ihnen mithilfe der Mondenkräfte in den Wurzeln, die die Geste des Mondes nachmachen.
  • Ein weiteres Element ist die Erdoberfläche.
  • Dann haben wir die Sonne, an der sich jede Spross-Bildung nach oben hin orientiert.

Nun befinden sich aber Merkur und Venus sehr nahe bei der Sonne. Der Merkur geht, wie vorhin dargestellt, sehr rasch um die Sonne und wird für ein paar Tage mal rechts und mal links davon sichtbar.

Pflanzen imitieren Planetenimpulse

Die Wuchsdynamik einer Pflanze ergibt sich aus ihrem Bestreben, das makrokosmische Bewegungssystem der Planeten in ihrem kleinen mikrokosmischen Organismus zu imitieren.

- Auswirkung des Merkurimpulses auf Pflanzen

Es liegt nahe, dass der Merkurimpuls sich auf das Blatt auswirkt, das dem Stängel am nächsten ist. Den Beweis oder die Evidenz für diese Korrespondenz kann man am schönsten an den Tulpen und Narzissen ablesen. Die Tulpen haben ja keine echten Blüten: Bei den Tulpen färben sich die Kelchblätter und werden zur Blüte, allerdings zu einer unreifen Blüte. Diese elementaren, unreifen Blütenformen sind dem Blatt noch sehr nahe verwandt. In ihnen finden wir den Aufbau des Hexagramms exakt wieder: 2 x 3 Blütenblätter – drei innere und drei äußere. Der Merkurimpuls ist also ein Blatt- und Blütenimpuls an der Grenze zwischen Blatt und Blüte.

Bei der Iris ist es so, dass drei Blütenblätter sich nach unten neigen und drei nach oben. Das sind die exaktesten Merkur-Blüten. Der Botaniker Wolfgang Schad hat herausgefunden, dass in Israel, im Heiligen Land, die größte Artenvielfalt der Iris zu finden ist. Es gibt einen berühmten Satz aus der mittelalterlichen Alchemie: „Christus verus mercurius est.“ Christus ist der wahre Merkur. Es hat mich sehr berührt, dass die Merkurblume Iris gerade in Seinem Land die größte Artenvielfalt aufweist.

- Auswirkung des Venusimpulses auf Pflanzen

Die Venus gestaltet z.B. ihre fünf Umläufe oder Schleifen so, dass sie mit der Vollendung jedes Venusjahres einen Punkt des Pentagramms berührt. Das war für die Astronomen aller Zeiten ein Wunder.

Der Impuls der Venus wirkt sich weniger auf den zentral gelegenen Blattbereich aus, sondern vielmehr auf die Blüten. Die Venus selbst bewegt sich nicht so nah an der Sonne (deren Impulse sich primär auf den Stamm oder Stängel auswirken), deswegen hat sie mit dem Archetyp der reifen Blüte zu tun, mit der Fünf.

- Auswirkung des Marsimpulses auf Pflanzen

Es gibt ein Blütenorgan, das nicht in der Blüte bleibt, sondern wegfliegt – der Pollen. Das schafft er mithilfe von Wind und Insekten. Das entspricht der Geste des Mars: ganz hinauszugehen (aus dem innersolaren Raum), ganz woandershin.

Der Mars braucht zwei Jahre, um die Erde zu umkreisen. Er macht nur alle zwei Jahre eine Schleife, immer dann, wenn er der Erde am nächsten ist. Im Jahr darauf bewegt er sich weit in den außersolaren Raum hinein, nähert sich dem Jupiter, weit weg von Sonne und Erde. Wenn er sich der Erde wieder nähert, kommt er ihr so nahe, dass er in den Raum zwischen Venus und Merkur eintritt, dort „mitmischt“ und seine Schleife macht, um im nächsten Jahr wieder weit hinaus zu gehen aus diesem System.

Die Geste des Verstäubens, des Weit-Hinausgehens, wird von den so genannten zweijährigen Pflanzen nachgemacht. Sie bilden im ersten Jahr eine Rosette aus Blättern ganz nahe bei der Erde, bilden auch eine starke Wurzel. Erst im zweiten Jahr wachsen sie 2-3 m hoch und bilden einen Spross und Blüten wie ein kleiner Baum. So ahmen sie den Mars-Rhythmus nach.

- Auswirkung des Jupiterimpulses auf Pflanzen

Jupiter braucht 12 Jahre, um einmal durch den ganzen Tierkreis und damit einmal um die Erde herum zu wandern. Deswegen kann er die Reifeprozesse eines ganzen Jahres begleiten und zusammenfassen und kann das Sonnenlicht und das, was die Pflanzen in einem ganzen Jahr erleben, von einem Punkt aus wiederspiegeln.

Wir dürfen eines nicht vergessen: Die Planeten selbst können nicht leuchten. Bei dem Licht, das sie auf die Erde aussenden, handelt es sich um reflektiertes Sonnenlicht. Aber alle werfen das Licht anders zurück. In Bezug auf Jupiter handelt es sich um die Qualität des Zusammenfassens und der Übersicht, aber auch des Reifen-Lassens, des Geduld-Habens. Deswegen wurde Jupiter immer auch Weisheit und Geduld, die für alle Reifungsprozesse nötig sind, zugesprochen.

Wenn man ein konkretes Pflanzen-Beispiel dafür sucht, hilft es sich zu fragen:

Welche Reifungsprozesse einer Pflanze sind mit einem Jahr abgeschlossen?

Welche Bäume wechseln ihre Blätter jedes Jahr?

Allen Reifungsprozessen, die ein Jahr dauern, liegt der Jupiterprozess zugrunde: Die Reifung der Früchte hängt demnach mit Jupiter zusammen. Bei Bäumen, die ihre Blätter behalten, ist der Jupitereinfluss nicht so stark, da überwiegt der Saturnprozess.

- Auswirkung des Saturnimpulses auf Pflanzen

Der Saturn braucht ca. 30 Jahre, um die Erde zu umrunden. Das ist eine ganze Generation. Er steht für die Qualität der Dauer.

Was an den Pflanzen, auch an den Bäumen, hat Dauer?

In welchem Stadium bleibt ihre Form erhalten, bleibt stabil – die Pflanze stirbt nicht, wächst auch nicht, überdauert einfach?

Das Dauerhafteste an einer Pflanze sind die Samen. Pflanzen ahmen mit der Samenbildung den Saturnprozess nach. Manche Samen können, wenn sie nicht mit Wasser in Berührung kommen, Jahrhunderte halten.

Diese Ausführungen zeigen: Die Qualitäten, die man den Planeten zugesprochen hat, kann man alle auch anhand der Phänomene in der Natur wahrnehmen. Wir stehen vor der Aufgabe, sie an den Pflanzen zu entdecken.

Vgl. Ausführungen vom IPMT in Santiago di Chile 2010

LEBENSVORGÄNGE UND KOSMISCHE RHYTHMEN

Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Lebensvorgängen und dem Kosmos?

Und wie hängen Leben und Denken zusammen?

Die Lebensvorgänge und -rhythmen studieren

Um die Lebensvorgänge verstehen zu können, muss man einen Gesichtspunkt einneh­men, der über das einzelne Menschenleben weit hinausreicht und alle Interak­tionen als Teil dieses Lebens begreift. In der anthroposophischen Menschenkunde spre­chen wir vom System der Lebenskräfte, der Selbstregulation, der Vitalität, vom ätheri­schen Organis­mus, der uns lebensfähig macht. Dieser Lebenskräfteorganismus ist ein sich selbst regu­lie­rendes, in sich rückgekoppeltes, ständig in Bewegung befindliches, um Gleichgewicht ringendes, zirkulierendes wunderbares System.

Rudolf Steiner hat dieses Leben genau erforscht. Als der Chemiker Rudolf Hauschka, der Begründer der Wala, ihn fragte, was denn Leben sei, antwortete er, Hauschka möge die Rhythmen studieren, denn Rhythmus trägt Leben.

In der heutigen Biologie weiß man bereits, dass man alle Lebensvorgänge auf bestimmte Rhythmen zurückführen kann. Alles oszilliert und folgt bestimmten Rhythmen. Eine innere Uhr reguliert nicht nur den individuellen Organismus, sondern synchronisiert auch die individuellen Lebewesen untereinander, auch Dank Sonne, Mond und Sternen. Alle Lebensvorgänge sind abgestimmt auf den planetarischen und solaren Umraum, verlaufen synchron damit.

Leben braucht einen Umraum

Diese wunderbaren Biorhythmen zeigen, dass das Leben einen Umkreis braucht, dass Leben überhaupt nicht möglich wäre ohne einen Umraum, der aufgrund von geordneten Rhythmen, aber auch durch den ständigen Austausch rhythmischer Art in Ernährung und Atmung in Bewegung gehalten wird. Er verbindet das individuelle Men­schenleben mit dem Leben aller Menschen auf unserem Planeten, hält aber auch die Beziehung mit dem Leben unseres ganzen Kosmos aufrecht.

Nicht nur das biologische Leben jedes einzelnen Menschen ist so weit gespannt. Denken Sie daran, wie gerne wir uns in die Sonne legen. Als Folge entwickelt sich mithilfe eines komplizierten Stoffwechsels zwischen Leber, Niere, Haut und Knochen das Vitamin D und stabilisiert unsere Knochen. Die Sonne, die das alles veranlasst, ist 150 Millionen Kilo­meter entfernt. Und von ihr ist unser Knochenbau abhängig, so wie auch der grüne Pflan­zen­farbstoff, das Chlorophyll, und all unsere Nahrung.

Die Weitung des Bewusstseins bis in diese Dimensionen ist ganz entscheidend, wenn man überhaupt anfangen will, die Lebensdimension zu begreifen.

Stimmiges in Körperleben und Gedankenleben

Es gibt aber auch noch einen anderen Aspekt, den Rudolf Steiner erforschte und der wie ein Schlüssel ist für ein spirituelles Begreifen der menschlichen Natur in Gesundheit und Krankheit: Rudolf Steiner stellte fest, dass dieselben komplexen Wirkmöglichkeiten, die das biologische Leben bestimmen, diese Kohärenz aller Rhythmen und aller Vorgänge, die miteinander vernetzt sind, sodass sie alle zusammenstimmen, dass dieselben un­glaub­lich intelligent aufeinander bezogenen Verhaltensweisen sich auch in unserem Den­ken wiederfinden lassen. Wir gehen z.B. zum Arzt, weil „irgendetwas nicht stimmt“ – das Gefühl krank zu sein, setzen wir gleich mit dem Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Diesen Begriff des „Stimmens“ benutzen wir meist nur im Bereich des Denkens:

Stimmt die Lösung meiner Rechnung?

Stimmt, was ich errechnet habe oder stimmt es nicht?

Stimmt, was du gesagt hast?

Ist es wirklich wahr?

Diesen Ausdruck des „Stimmens“ benutzen wir aber auch, um unseren Lebenszustand zu beschreiben.

Übereinstimmung von Körper- und Gedankenleben

Diesen Zusammenhang zwischen Denken und Leben, den wir aus der Erfahrung gut kennen, hat Rudolf Steiner genau durchschaut. Er stellte fest, dass unserem Gedankenleben und unserem Körperleben dieselben ätherischen Kräfte zugrunde liegen. Sein spirituell-somatisches Paradigma lautet: Der Mensch denkt mit denselben Kräften, mit denen der Körper lebt, wächst, sich heilt, sich reguliert.

  • Unser Körperleben verläuft vollkommen unbewusst. Wir freuen uns unseres Lebens, aber wir wissen im Grunde nichts von diesen komplizierten Vorgängen – außer wenn wir krank werden und merken, dass irgendetwas nicht mehr stimmt.
  • Wenn wir das Leben als ein kosmisch-irdisches Geschehen auffassen, das den­selben Rhythmen folgt und dieselben Energien braucht wie der Kosmos, können wir begreifen, dass auch in unserem Gedankenleben dieselbe Weisheit wirkt, die lebens­spendend und -erhaltend in unserem Körper und im Kosmos waltet – aber auf bewusste Art und Weise.

Rudolf Steiner forderte uns Ärzte nun auf, alle Lebensvorgänge und die ganze Ent­wicklung unter diesem Aspekt anzuschauen.

Vgl. Vortrag „Schicksalswürde und spirituelles Begreifen der Demenz“ gehalten in Filder­stadt am 19.2.2010

ZUSAMMENFASSUNG DER KOSMISCHEN QUALITÄTEN

Welche Qualitäten werden den Planeten zugeschrieben?

Qualitäten der Planeten als Impulse

Im Folgenden werden die einzelnen Planetenqualitäten zusammengefasst, damit man sie in einem größeren Zusammenhang sehen kann:

  • das Bewahrende, Umfassende, Erhaltende des Saturn.
  • das Weisheitsvolle, Reife des Jupiter.
  • das Aggressive, Aktive, Spannungen Überwindende des Mars.
  • das Liebesstrahlend-Menschliche, das „Humanum“, der Venus.
  • das mit dem Merkur zusammenhängende heilende Ineinander-Klingen von Makrokosmos und Mikrokosmos, die sich im Hexagramm sowie auch im Menschen durchdringen: ein mikrokosmisches dunkles, schweres, irdisches Dreieck und ein leichtes, bewusstes, himmlisches Dreieck.
  • das Sich-Absondernde, Reflektierende, sich einen Eigenraum Schaffende, sich mit der Erde Verbindende des Mondes: Der Mond sendet nur monochromatisches Licht aus, keine Mischung an Wellenlängen, nur eine bestimmte Wellenlänge. Er nimmt sich etwas ganz Eigenes heraus und strahlt ein eigentümlich kaltes Licht zur Erde zurück.
  • Alle anderen Planeten machen es wie die Sonne, die alles mit ihrem Licht so beleuchtet, dass es reflektiert werden kann.

Völker, die an Sonnengötter glaubten, hatten es leichter, das Christentum anzunehmen: Anstatt an die äußere glaubten sie jetzt an die innere Sonne.

Warum hat man in der Sonne immer eine kosmische Imagination des Christus gesehen?

Es ist naheliegend, Sonne und Christus in Verbindung zu bringen, weil die Sonne ihr Licht aussendet, es hinschenkt wie Christus sich selbst. Jeder Planet reflektiert das Sonnenlicht auf seine Art – wie auch wir Menschen aufgerufen sind, das Christuslicht in unserem Leben auf individuelle Art und Weise zu widerspiegeln.

Vgl. Ausführungen vom IPMT in Santiago di Chile 2010

DIE KEPLER‘SCHEN GESETZE

Wie lauten die Kepler'schen Gesetze?

Was sagen sie über das Lebendige aus?

Wie Kepler die Kepler‘schen Gesetze fand

Kepler, der erste neuzeitliche große Astronom, war zutiefst davon überzeugt, dass das Leben aus dem Planetensystem, aus dem Weltall, kommt. Er war tief religiös, katholisch. Es bereitete ihm deshalb größte Schmerzen, als er mithilfe seines Freundes Tyche Brahe herausfand, dass die Planetenbahnen keine vollkommenen Kreise sind. Denn er dachte noch so wie Aristoteles, Gott, der das Weltall geschaffen hat, könne sich nur durch die vollkommenste Form offenbaren, durch den Kreis. Die Erkenntnis, dass alle Planetenbahnen zwar kreisähnlich sind, aber mathematisch gesehen Ellipsen und keine Kreise, löste bei ihm eine Glaubenskrise aus – er verfiel in eine Depression. Er schrieb in sein Tagebuch: „Als ich das erkannte, da weinte ich.“

- Das erste Kepler‘sche Gesetz – Planetenbahnen sind Ellipsen  

Es besagt, dass alle Planetenbahnen Ellipsen sind, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht.

- Das zweite Kepler‘sche Gesetz – das Planetensystem pulsiert

Bei weiteren jahrelangen Forschungen entdeckten Kepler und sein Freund das zweite Kepler‘sche Gesetz: Es besagt, dass eine Beziehung besteht zwischen der Umlaufgeschwindigkeit „T1“ und den jeweiligen Flächen, die der sogenannte Paarstrahl (die Linie vom Brennpunkt zur Peripherie) überstreift.

Die Venus braucht eine bestimmte Zeit, um diesen Bogen am Himmel zu machen. Wenn man jetzt die Umlaufgeschwindigkeit misst, die der Planet von hier bis dort braucht, und mit der Fläche vergleicht, die der Paarstrahl überstreicht, ergibt sich eine exakte Korrelation zwischen den beiden.

Kepler hatte an allen Planeten jahrelange astronomische Beobachtungen und Messungen vorgenommen, um zu diesen Messwerten zu kommen. Man könnte jetzt meinen, die Venus liefe immer mit derselben Geschwindigkeit entlang der Ellipse um die Sonne. Das macht sie aber nicht, denn an manchen Stellen muss sie schneller laufen, damit „T1“ gleich groß ist wie „T2“ und an anderen langsamer.

Das hat Kepler total begeistert. Was aber sah er darin? Er sah, dass das Planetensystem pulsiert, dass ihm ein Rhythmus zugrunde liegt. Dass dieser Rhythmus in keinem Moment exakt derselbe ist. Das aber ist das Urphänomen des Lebens. Kein Atemzug ist gleich lang wie der andere. Kein Pulsschlag ist genauso wie der vorige. Es gibt immer feine Modifikationen und trotzdem liegt allem eine Regelmäßigkeit zugrunde, folgt alles einem Gesetz. Kepler merkte plötzlich, dass das ganze Planetensystem atmet, dass es die Gesetze des Lebens in sich trägt. Es ist nicht nur Rhythmusgeber für alle biologischen Rhythmen, diese Rhythmen klingen auch zusammen, sie atmen und schaffen die unterschiedlichsten harmonischen Verhältnisse.

- Das dritte Kepler‘sche Gesetz – Planeten stehen in Wechselwirkung zueinander

Das dritte Kepler‘sche Gesetz formulierte Kepler folgendermaßen: „Die Kuben über den großen Halbachsen der Ellipsen (bei einer Ellipse gibt es eine kleine und eine große Halbachse) zweier Planeten (egal welche, es gilt für alle, es folgt immer demselben Gesetz) verhalten sich wie die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten.“

Wie kommt Zeit im Quadrat zustande?

Wir nehmen als Beispiel jetzt Venus und Merkur. Ich könnte aber auch Saturn und Mars nehmen. Der große Kubus der Venus-Umlaufbahn im Verhältnis zum Kubus der Umlaufbahn des Merkur entspricht dem Verhältnis der Umlaufzeit der Venus im Quadrat und der Umlaufzeit des Merkur im Quadrat. Die Zeit im Quadrat – und das hat Kepler herausgefunden – kommt dadurch zustande, dass die Umlaufzeit der Venus im Verhältnis zu Umlaufzeit des Merkur proportional ist zur Umlaufzeit des Merkur im Verhältnis zu Umlaufzeit der Venus. Aus diesem Verhältnis ergibt sich die Zeit im Quadrat. Denn man muss, um einen Bruch durch einen anderen Bruch zu teilen, den einen Bruch mit dem Kehrwert des anderen multiplizieren:

Tv x Tv = Tv²

Tm x Tm = Tm²

Was sagt uns das?

Was ist das für ein Phänomen?

Es ist das Ur-Phänomen des Lebendigen! Warum? Weil im Leben jede Funktion mit der anderen in einer Wechselwirkung steht. Es gibt keine Einbahnstraße, alles verläuft zyklisch und kehrt immer wieder zurück.

Der Kosmos ist keine Maschine

Als Kepler dieses Gesetz der gegenseitigen Korrespondenz und Resonanz, diese konsequenten Wechselverhältnisse, diese Ordnung zwischen allen Planeten, entdeckte, schrieb er in sein Tagebuch:[1] „Jetzt geriet ich in heilige Raserei.“ Er war total begeistert, weil er daran merkte, dass der Kosmos keine Maschine ist, kein leerer, bizarrer Raum, in dem ausschließlich Hitze und Kälte herrschen – das stimmt alles auch, ist ein physischer Aspekt davon –, dass aber die Gesetze, die dort „oben“ walten, dieselben Gesetze sind, die wir hier unter anderen Bedingungen als Gesetze des Lebens kennen; dass der Makrokosmos in seiner Ordnung den Gesetzen des Lebens folgt.

Er erkannte, dass es musikalische Gesetze sind, dass Harmonie waltet im Leben und im Kosmos und dass das Planetensystem zwischen dem Fixsternenhimmel und der Erde rhythmisch pulsiert in einer Weise, dass sich dadurch die festen Figuren und Gestalten, wie Orion und andere, der Erde so vermitteln, dass auf der Erde Figuren und Gestalten entstehen. Leben schafft immer Formen, Ausdrucksformen.

Das Wunderbare daran ist, dass das Leben nie sich selbst darstellt. Es erbringt eine selbstlose Dienstleistung. Anderes drückt sich dadurch aus. Die Gesetze des Lebens stehen allen Lebewesen zur Verfügung. Die verschiedensten Formen, Prinzipien und Wesen dürfen sich dadurch ausdrücken. Wir alle haben ein wunderbares gemeinsames Erbgut, das die Verwandtschaft aller Lebewesen offenbart, weil wie alles Lebendige mit dem gleichen Planetensystem um die Erde in Resonanz sind.

Vgl. Ausführungen vom IPMT in Santiago di Chile 2010


[1] Jahresnotizen, die Kepler wie eine Art Tagebuch führte.

QUANTITÄT, QUALITÄT UND NATURGESETZE

Wie lassen Naturgesetze sich qualitativ betrachten?

Warum ist das überhaupt möglich?

Unterschied zwischen Quantität und Qualität

Es ist wichtig, sich den Unterschied zwischen Quantität und Qualität deutlich zu machen:

  • Quantität braucht einen gewissen Raum, ist gebunden an Maßeinheiten und Messinstrumente.
  • Qualität ist an ganz bestimmte qualitative Charakteristika gebunden.

Es gibt eine Wissenschaft, die zwischen Quantität und Qualität vermittelt – die Mathematik und die Geometrie. Denn alles Quantitative muss sich in Zahlen ausdrücken lassen. Das Credo der Naturwissenschaft ist: „Natura est scriba in lingua mathematica.“ Das ist wahr. Selbst Pflanzen lassen sich über Zahlen erfassen und einordnen.

Qualität dagegen lässt sich über Bilder, schöne Kompositionen, mithilfe von Punkten und Linien erfassen und charakterisieren.

Naturgesetze qualitativ betrachten

Das Schöne ist nun, dass man Naturgesetze auch qualitativ betrachten kann. Warum geht das? Weil die Mathematik und die Geometrie eine reine Gedankensprache sind. Ein naiver Mensch würde sagen, das hier ist ein Punkt. Es ist genau genommen aber eine große asymmetrische Ansammlung von Kreidestaub an der Tafel. Ein mathematischer Punkt hat keine räumliche Ausdehnung. Er befindet sich außerhalb des Räumlichen, obwohl er den Raum beherrscht. Das hier ist doch kein Kreis, es ist eine mögliche unvollkommene Nachbildung des Begriffes „Kreis“, dessen Größe gar keine Rolle spielt, bei dem es um den Kreis an sich geht.

Ob ich nun sage, ich mache einen Kreis mit dem Radius von hier bis zum Sirius, oder einen Kreis, der nur bis zum Mond geht, spielt für den Kreis an sich keine Rolle – er bleibt immer derselbe Kreis. Er hat die Qualität „vollkommen rund und in sich geschlossen“. Diese Qualität können die kleinsten Dinge haben, kann eine Zelle haben, aber auch die Sonne am Firmament, der Regenbogen. Wer das zu begreifen beginnt, merkt, wie er in die Wirklichkeit eintritt, wie er eine echte Beziehung zur Wirklichkeit bekommt.

Mit den Augen der Quantität gesehen, bemisst man alles von außen, z.B. wenn man ein Kilo Zucker abwiegt.

Über die Qualität mit der Welt in Beziehung treten

Wenn ich den Blick auf die Qualität richte, trete ich in die Dinge ein, nehme ich eine echte Beziehung zur Welt auf. Denn ich trage all diese Qualitäten, die draußen zu finden sind, auch in mir: Der runde Kopf, die runden Augenhöhlen repräsentieren diese Rundheit, wenn auch in unvollkommener Weise: Die Augenhöhlen versuchen nur rund zu sein. Die Iris kann es schon etwas besser. Und die Linse kann es noch ein bisschen besser, weil sie sich zusätzlich bewegen kann. Am Vollkommensten sind diese Qualitäten aber in meinem Denken, weil ich die Formen an sich denken kann.

Wir haben alle Musik und jedes Instrument „intus“, können quasi alle in unserer Vorstellung Klavierspielen, können die Musik erklingen hören und uns daran erfreuen. Diese Erfahrung wurde Resonanz-Phänomen genannt.

Platon drückte es so aus: Alles Erkennen ist ein Wiedererinnern an etwas, das man in sich trägt. Schon Erstklässler wissen intuitiv, dass sie alles wissen, dass sie den Lehrer nur brauchen, um bemerken zu können, was sie schon alles wissen. Manche Menschen, die erstmals über Anthroposophie lesen, sagen: Das weiß ich doch alles schon. Das kommt mir so normal vor. Eine Frau sagte mir einmal: „Ich fing plötzlich zu weinen an, weil da etwas stand, wonach ich mich immer sehnte, von dem ich wusste, dass es das geben müsste – aber ich hätte es mir nicht in dieser Weise klarmachen, hätte es nicht so ausdrücken können.“

Manchmal lesen wir etwas und uns wird ganz warm dabei. Wieder andere Themen und Phänomene, die auf uns zukommen, bleiben ganz an der Oberfläche, weil unser Wissen zu tief schläft und nicht in Resonanz gehen kann. Wir tragen das Wissen der ganzen Menschheit in den Knochen. Es ist in uns, in unserem Ätherleib. Nur weniges davon bildet sich in unserem Körper und in unserem bewussten Seelenleben ab, sodass wir es bemerken. Das Meiste bleibt jedoch unbewusst.

Auch deshalb ist es eine wunderbare Übung, sich Naturgesetze in ihrer Qualität bewusst zu machen. Dahinter steht aber die Idee, dass das Leben, die Phänomene des Lebens, mit den Rhythmen und Bewegungen der Planeten korrespondiert, dass Leben und Planeten etwas miteinander zu tun haben.

Vgl. Ausführungen vom IPMT in Santiago di Chile 2010

DIE FIBONACCI-FOLGE IN DER NATUR

Inwiefern bildet die Fibonacci-Folge Naturzusammenhänge ab?

Der Mathematiker Leonardo Fibonacci (*1170 +1240) entdeckte wichtige Zusammenhänge, als er beobachtete, nach welchem Muster Kaninchen sich vermehren: wie schnell ihre Anzahl wuchs, wenn ein Pärchen anfing Junge zu bekommen und diese wieder Junge bekamen usw. So kam er auf die sogenannte Fibonacci-Folge.[1] Welche Naturgesetzmäßigkeiten mithilfe dieser Folge abgebildet werden können, möchte ich im Folgenden erläutern.

Was durch die Fibonacci-Folge abgebildet werden kann

· Phyllotaxis und Fibonacci-Folge

Man erkannte, dass diese Folge eine inhärente Entwicklungsgesetzmäßigkeit abbildet, wie sie zum Beispiel – mit wenigen Ausnahmen – der Phyllotaxis, der Blattfolge der Pflanzen, zugrunde liegt. Pflanzen haben ja zwei Entwicklungsrichtungen, die Vertikale und die Spirale:

  • In der Spirale zeigt sich die bewegliche Sonnenspur über die unterschiedlich spiralförmig angeordneten Blattstellungen.
  • Im Stängel bzw. Stamm, wird die Vertikale aufgebaut.

Schiller äußerte Goethe gegenüber, dass der Mensch bewusst eine Gedanken- und Willensgeste machen müsse, welche die Pflanze unbewusst macht: sich einerseits zwischen Himmel und Erde vertikal zu orientieren und sich andererseits selbst aus eigenem Wollen, in Freiheit, der Umwelt und den Dingen gegenüber zu positionieren: „Was die Pflanze ist, sei du es wollend". So verstand Schiller den Entwicklungsgedanken.

Wer die Phyllotaxis kennt, findet dort all die Gesetze, die Fibonacci entdeckte, wieder:

  • 3 zu 8: in 3 Umdrehungen acht Blattstellungen – das macht zum Beispiel der Aconit
  • 2 zu 5: in 2 Umdrehungen fünf Blattstellungen – das machen die Rosengewächse

Und so kann man in der Natur überall schauen, in welchem Verhältnis die Blattstellungen zueinanderstehen.

· Goldener Schnitt und Fibonacci-Folge

Fibonacci entdeckte aber auch noch Folgendes: Wenn man die Zahlen der Fibonacci-Folge[2] zueinander ins Verhältnis setzt – 0:1, 1:2, 2:3, 3:5, 5:8 und immer so weiter – bekommt man den Major des „Goldenen Schnitts“[3] heraus. Diese „Goldene Proportion“, bestehend aus Minor und Major, nach der die gesamte Entwicklung, nicht nur die der Pflanzen, sondern vor allem auch des Menschen, hinneigt, gründet auf der Fibonacci-Folge.

Auch wir Menschen sind nach dieser berühmten Goldenen Proportion durchorganisiert. Im Goldenen Schnitt verhält sich der Major zum Ganzen wie der Minor zum Major. Natürlich wird der Goldene Schnitt im Lebendigen nie so perfekt erreicht, wie dies in der Geometrie möglich ist. Die Forschung belegt, vor allem in Bezug auf Frauen (Beispiel Venus von Milo): Je schöner proportioniert wir sie empfinden, umso näher sind ihre Proportionen dem Goldenen Schnitt.

Nun gibt es noch ein weiteres Gesetz: Wenn man die Zahlen der Fibonacci-Folge so miteinander in Beziehung setzt, dass man eine Zahl auslässt – 1:3, 2:5, 3:8, … – geht das in Richtung Goldener Schnitt im Quadrat (²). Das Ergebnis ist dann etwas kleiner als der Minor.

Lässt man nun zwei Zahlen aus – 1:5, 2:8, 3:13, … – erhält man den Goldenen Schnitt hoch drei (³). Das Ergebnis wird immer kleiner, verglichen mit dem Ausgangsverhältnis. Das aber ist genau die Gesetzmäßigkeit, die beim Potenzieren vorliegt: Die Substanz, die rhythmisiert wird, schwindet immer mehr. Mit jeder Rhythmisierungsstufe wird sie weniger.

· Fibonacci-Folge und die Wirkkraft der Homöopathie

Nun kann man noch weitergehen. Mein Mann, Georg Glöckler, hat die Gesetzmäßigkeit der Fibonacci-Folge zum Beispiel für Zahlenfolgen ausgerechnet, beginnend mit der Zahl Pi und der Zahl 5. Oder er nahm  (Wurzel aus acht) und eine weitere Zahl. Diese Zahlen muss man jeweils zusammenzählen, dann bekommt man die nächste. Dann zählt man diese wiederum zusammen und bekommt wieder die nächste und sofort. Er hat das für zig Zahlen durchgeführt und gemerkt: Ganz gleich, wovon man ausgeht, wenn man diesem Gesetz folgt, gebiert eines das Nächste. Diese Geste des Vereinigens und des Gebärens des Nächsten setzt sich so fort, dass am Ende dieses Prozesses die Ausgangszahlen gar nicht mehr wichtig sind. Das heißt, vollkommen unabhängig von den Ausgangsdaten geht das Ergebnis immer auf den Goldenen Schnitt zu.

Das ist der einzige rein mathematisch fassbare Prozess, durch den man zeigen und damit bestätigen kann, dass der Prozess an sich stärker wirksam ist als die Ausgangszahl. Denn die Ausgangszahl setzt sich nicht durch – sie ist im Endergebnis gar nicht mehr enthalten. Der Prozess hingegen wird immer stärker.

Georg Glöckler meint daher, dass man diesen mathematisch darstellbaren Prozess auch nutzen könne, um die Wirksamkeit der Homöopathie zu erklären, bei der die die Ausgangssubstanz ja auch bei jeder Potenzstufe geringer werde, bis sie ganz verschwindet. Natürlich brauchen wir auch das Experimentieren mit kleinsten Dosen – doch sollten wir auch dieser mathematischen Spur einmal nachgehen, um die Homöopathie auch auf mathematischem Wege wissenschaftlich zu legitimieren. Wenn gesagt wird: „Da ist doch gar keine Substanz mehr drin!“, sagen wir: „Das stimmt, ab einer D15 ist das in etwa so. Gerade aber, weil nichts mehr drin ist, ist die Potenz so wirksam. Denn jetzt wirkt nur noch der Prozess selbst.“ Es ist doch wunderbar, dass man das auf diesem Wege nachvollziehbar zeigen kann.

Das ist Raphael, mathematisch gefasst. Aber es stimmt auch mit Blick auf die gesamte Menschheitsentwicklung, weil die Vollendung des Menschlichen in diese Richtung geht: hin zur Goldenen Proportion, zum „Pentagramm Mensch“.

Vgl. Vortrag „Vom Zusammenwirken der Erzengel Michael und Raphael“ an der JK 2017


[1] Definition der Fibonacci-Folge: Es handelt sich dabei um eine unendliche Zahlenfolge, bei der jede Zahl die Summe der beiden vorherigen Zahlen ist. Sie beginnt in der Regel mit den Zahlen 0 und 1. Formel: F ( n ) = F ( n − 1 ) + F ( n − 2 ) mit F ( 0 ) = 0 und F ( 1 ) = 1 .

[2] 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, usw.

[3] Als Goldener Schnitt (alternative Schreibweise goldener Schnitt; lateinisch: sectio aurea, proportio divina) wird das Teilungsverhältnis einer Strecke oder einer anderen Größe bezeichnet, bei der das Verhältnis des Ganzen zu seinem größeren Teil (auch Major genannt) dem Verhältnis des größeren zum kleineren Teil (dem Minor) entspricht (https://de.wikipedia.org/wiki/Goldener Schnitt, 26.01.2017).

ZWEI ARTEN DES WURZELWACHSTUMS

Wie unterscheidet sich heliotropes und geotropes Wachstum?

Was drücken die beiden Wachstumsgesten aus?

Schöpfungsdramatik in der Botanik

In der Botanik spiegelt sich ein Stück Schöpfungsdramatik wider, das sich über Millionen von Jahren hinzog – gleichsam ein Gespräch zwischen Erde und Sonne. Das kann man entdecken, wenn man mit dem Herzen mehr zwischen den Zeilen ein Botanik-Buch liest. Das zeigt sich vor allem am Wurzelwachstum der Pflanzen.

Die Wurzeln entstehen auf ganz unterschiedliche Weise in unterschiedlichster Ausformung. Aber bei allen ist zwischen dem grünen Spross und der Wurzel am Übergang zum Wurzelstock eine scharfe, wie mit einem Lineal gezogene Linie zu sehen, zwischen dem, was nach oben und dem, was nach unten wächst. Diese ganz exakt gezeichnete, scharfe Grenze wird vom Mond bewirkt.

Es ist spannend zu schauen, wie die Pflanzen, insbesondere die Gräser, diese „Mondengrenze“ gestalten, von der aus sie nach oben und nach unten wachsen.

· Wurzelwachstum bei einkeimblättrigen Pflanzen – heliotrop

Bei den einkeimblättrigen Pflanzen entstehen zuerst eine kleine Primärwurzel und ein Spross. Diese Wurzel wird aber von der Pflanze wieder aufgelöst und verschwindet. Stattdessen wachsen aus dem Spross neu – „geotrop“ – die eigentlichen Wurzeln. Man nennt sie „sprossgebürtig“, aus dem Spross geboren, nicht wirklich aus der Wurzel. Das trifft auf die Palmen und die Gräser zu, also auf die einfachen, archetypischen Pflanzen.

Sie müssen noch üben, die Verbindung mit der Erde zu halten. Sie lösen ihre erste Verbindung mit der Erde über die Wurzel wieder auf, als würden sie sagen: „Ah, die Sonne und der Kosmos sind viel schöner!“ Die Sonne aber antwortet: „Ihr braucht etwas, um euch unten festzuhalten, sonst habt ihr auch nichts von mir. Daraufhin bilden sie in einem zweiten Schritt unter Mithilfe des Himmels aus dem Spross die Wurzel – das ist die eine Geste.

· Wurzelwachstum bei zweikeimblättrigen Pflanzen – geotrop

Bei den Zweikeimblättrigen (Dikotyledonen) entstehen anfangs auch Spross und Wurzel. Diese Wurzel ist bereits der Ansatz für die wirkliche Wurzel. D.h. sie wissen von Anfang an ganz genau, dass das eine nach unten und das andere nach oben wachsen soll. Das ist eine völlig andere Geste: eine Kompetenz, die sich später entwickelt hat, die sie als reifere Pflanzen auszeichnet.

Wenn man diese schaffende Intelligenz erkennt und in der Lage ist, sie mitzuerleben, entwickelt sich nach und nach die Empfindungsfähigkeit, die Ausdruck einer ganz reinen, überpersönlichen Empathie mit der Natur und allem Lebendigen ist.

Der Geotropismus und der Heliotropismus bei den ein- und zweikeimblättrigen Pflanzen bringen ins Bild, dass es kein Leben auf der Erde gäbe ohne die Fähigkeit, sich nach oben und nach unten aufzuschließen und sich dann dahingehend zu orientieren. Diesen Ur-Lebensgesten verdanken wir alles Dasein. Und in genau diesem Spannungsfeld zwischen Oben und Unten kann sich etwas Einmaliges, Kreatives, Individuelles entwickeln.

Vgl. Ausführungen vom IPMT in Santiago di Chile 2010

SUBSTANZVERSTÄNDNIS DER ANTHROPOSOPHIE

Worauf gründet das Substanzverständnis der Anthroposophie?

Dienender Charakter der Substanz

Christliche Spiritualität ist zugleich allgemeinmenschliche Spiritualität und die Spiritualität in den Naturerscheinungen. Das Substanzverständnis der Anthroposophie, wie es im 1. Kapitel des Grundlagenwerkes der Anthroposophischen Medizin erörtert wird,[1] beruht auf dieser Grundlage. Die Erdensubstanz – im christlichen Bekenntnis symbolisiert durch Brot und Wein – ist nach diesem Verständnis nicht nur die physische Grundlage für die Erd- und Menschheits-entwicklung. Vielmehr zeigt sich ihr zutiefst christlicher Charakter daran, dass sie dient:

  • im mineralischen Zustand den Todesprozessen,
  • in der Pflanzenwelt den Lebensprozessen,
  • in der tierischen Natur den seelischen Äußerungen und der Bewegungsfähigkeit.
  • Im Menschen aber wird sie „Geist tragend“.[2]

Vor diesem Hintergrund sind dann Sätze in dem genannten Werk wie der folgende zu verstehen: „[…] dann wird man durch Einfügung eines Erdenstoffes in den menschlichen Organismus oder durch Behandlung mit einer Erdentätigkeit bewirken können, dass die höheren Glieder der Menschenwesenheit sich ungehindert entfalten können, oder auch, dass die Erdenstofflichkeit an dem Zugefügten die nötige Unterstützung findet, um auf den Weg zu kommen, auf dem sie Grundlage wird für irdisches Wirken des Geistigen.“[3]

Spirituelle Chemie und Physik der Zukunft

In der Schrift „Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit“[4] präzisiert Rudolf Steiner diesen Aspekt auch noch im Hinblick auf die Entwicklung der Substantialität der Erde: „Künftig werden Chemiker und Physiker kommen, welche Chemie und Physik nicht so lehren, wie man sie heute lehrt [...] sondern welche lehren werden: ‚Die Materie ist aufgebaut in dem Sinne, wie der Christus sie nach und nach angeordnet hat!‘ – Man wird den Christus bis in die Gesetze der Chemie und Physik hinein finden. Eine spirituelle Chemie, eine spirituelle Physik ist das, was in der Zukunft kommen wird. Heute erscheint das ganz gewiß vielen Leuten als eine Träumerei oder Schlimmeres. Aber was oft die Vernunft der kommenden Zeiten ist, das ist für die vorhergehenden Torheit.“[5]

Die Substanzen zeigen in der Art ihrer Darstellung in der „Erweiterung der Heilkunst“ einen durchweg selbstlos dienenden Charakter. Indem sie sich den im ersten Kapitel beschriebenen vier Kräftebereichen unterordnen, bringen sie alle Naturerscheinungen in die Sichtbarkeit und dienen so der Mineral-, Pflanzen-, Tier- und Menschenwelt zu deren jeweiliger Manifestation.[6] Diese selbstlos dienende Haltung wird auch auf dem anthroposophischen Schulungsweg geübt und gibt der anthroposophischen Pharmazie und Medizin ihren spirituellen Charakter.

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[7]


[1] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, GA 27, Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1991.

[2] Vgl. Harlan, (2008).

[3] Siehe FN1, S. 12.

[4] Rudolf Steiner, Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, GA 15.

[5] Ebenda, S. 46.

[6] Christian Morgenstern (1871–1914) hat diesem „dienenden“ Geschehen sein Gedicht Fußwaschung gewidmet.

[7] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

ZUR GEISTIGKEIT VON MATERIE UND SUBSTANZ

Was sagt Rudolf Steiner zu Materie und Substanz?

Inwiefern unterscheidet sich seine Auffassung von Materie von der wissenschaftlich anerkannten Version?

Warum kann und darf es keine Beweisführung im Hinblick auf die Existenz des Geistigen geben?

Materie aus anthroposophischer Sicht

Um über den Substanzbegriff aus anthroposophischer Sicht sprechen zu können, möchte ich folgende Kernthesen und Begrifflichkeiten, auf denen Rudolf Steiner aufbaute, erläutern.

1. Materie als geronnenes Licht gesehen

In dem Vortrag „Die Offenbarungen des Karma“[1] betrachtet Rudolf Steiner Materie als geronnenes Licht.

2. Aristoteles Materiebegriff

Die Philosophie des Thomas v. Aquin befasste sich mit dem Materiebegriff von Aristoteles. Aristoteles bezeichnete dasjenige mit „Materie“, was vom reinen Denken übrigbleibt, wenn man die Intelligenz und alles die Materie Gestaltende, also jedes intelligente Movens, herausnimmt; wenn kein Gedankeninhalt, keine Funktion und keine Gesetzmäßigkeit mehr darin enthalten sind. Materie ist demnach das gänzlich Amorphe des Denkens an sich.

Dieser Aspekt offenbart sich uns, wenn wir uns klarmachen, was dem Verstand als Gesetzmäßigkeit hinsichtlich der materiellen Offenbarung zugänglich ist und was bleibt, wenn das alles herausgenommen wird.

3. Der Mensch als Ort, in dem Materie neu entsteht

Der Mensch ist der einzige Ort im Weltall, an dem neue Materie im Sinne des oben Ausgeführten entsteht. Am „Ort Mensch“ wird Materie nicht nur verstoffwechselt – sprich: das verarbeitet, was zugeführt wurde –, sondern im Menschen entsteht gänzlich neue Materie.

Das ist die Keimsubstanz für ein zukünftiges materielles Dasein, aber auch die Quelle für neue Substanzen – damit befasst sich das „Hauschka-Experiment“: Hauschka war der Erste, der zu beweisen versuchte, was Steiner sagte: dass der Mensch so mit der materiellen Umgebung verbunden ist, dass er bestimmte Stoffe ersetzt, die in seiner Umgebung fehlen. Das versuchte er am Beispiel des Stickstoffs nachzuweisen.

Der Geist darf sich nicht beweisen lassen

Die Frage nach diesem Nullpunkt als Umschlagpunkt kann man gedanklich gut verstehen, wenn man Rudolf Steiner folgt. Das im Experiment beweisen zu wollen, ist eine der Grenzfragen, die ich persönlich als sehr herausfordernd erlebe:

Ist eine solche Art der Beweisführung nicht schon etwas, wozu jeder sich in Freiheit entschließen muss?

Die nur gelingt, weil ich das zu Beweisende aus freien Stücken denke?

In 1. Kapitel von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst"[2] heißt es, es gäbe diese Beweise als Brücke zum Geistigen nicht, damit die Selbstbestimmung des Menschen gewahrt würde. Wenn mit wissenschaftlichen Methoden bewiesen werden könnte, dass der Mensch Geist ist, wäre die Freiheit nicht mehr vorhanden, den Geist zu verleugnen und zu sagen: Ich bin nicht Geist! Die Verleugnungsmöglichkeit als Ausdruck unserer Freiheit würde unter erdrückenden Beweisen verschwinden.

Einheit von Wesen und Substanz

Aus Achtung vor dieser Freiheit, das Geistige zu bejahen oder zu verleugnen, müssen wir uns fragen:

Ist es überhaupt berechtigt, den geistigen Aspekt des anthroposophischen Menschenbildes von der Wissenschaft anerkannt zu bekommen?

Das oben Gesagte zeigt auf, warum die Frage nach dem Geist und nach dem geistigen Aspekt von Materie keine wissenschaftliche Fragestellung sein kann und darf. Es ist mir wichtig, auch auf diesen Aspekt des Themas hinzuweisen.

Gemäß den aristotelischen Kategorien sind Wesen und Substanz kategorial eins und nicht getrennt. Das ist altes, vorwissenschaftliches Mysterien-Wissen.

Vgl. Ausführungen bei der IKAM-Klausur im Januar 2010


[1] Rudolf Steiner, Die Offenbarungen des Karma, GA 120.

[2] Rudolf Steiner; Ita Wegmann, Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, GA 27.

ASPEKTE EINER ANTHROPOSOPHISCHEN SUBSTANZKUNDE

Was ist unter einer geisteswissenschaftlich erweiterten Biochemie zu verstehen?

Inwiefern verhilft dieser Ansatz dazu, Materie als ‚geronnenes Licht‘ zu begreifen?

Wie lässt sich die Wirksamkeit des Potenzierens berechnen?

Welche Aspekte hinsichtlich der Qualitäten einer Substanz kommen dabei zum Tragen?

Phänomenologische ‚Kolisko’sche Chemie’

Der Arzt und ehemalige ärztliche Direktor der Weleda Deutschland, Otto Wolff (1921–2003), hat es unternommen, die anthroposophische Substanzkunde in Form einer geisteswissen-schaftlich erweiterten Biochemie[1] darzustellen.[2] Er hat diese Publikation dem Wiener Arzt Eugen Kolisko (1893–1939) gewidmet, den Rudolf Steiner bei Begründung der Waldorfschule in Stuttgart für die schulärztliche Tätigkeit dorthin berufen hatte.

Kolisko wurde von Rudolf Steiner hochgeschätzt – in mehreren Vorträgen würdigte er ihn und die von ihm an der Waldorfschule unterrichtete phänomenologische ‚Kolisko’sche Chemie’. Wenn man die Chemie aus dem Erscheinungszusammenhang der Phänomene ableitet, die beim Verbrennen, Titrieren, Analysieren und Synthetisieren von Stoffen auftreten, können durch eine solche Art der Betrachtung der Stoffeswelt Natur- und Geisteswissenschaft in sich gegenseitig beleuchtender Weise zusammenfinden.

Anthroposophische Kosmogonie

So betrachtet, wird auch die anthroposophische Kosmogonie dem Verständnis direkt zugänglich. Bei einer Verbrennung werden Licht und Wärme frei, was unmittelbar anschaulich macht, dass das Verbrannte ursprünglich aus dieser Welt von Licht und Wärme hervorgegangen sein muss. Materie hat demnach

  • ihren Ursprung in Wärme und Licht
  • und wird in der Folge zu ‚flüssigem Licht‘
  • und verdichtet sich zuletzt zu festem ‚kondensierten Licht’ und inkorporierter Wärme.

Dadurch wird konkret nachvollziehbar, dass die Stoffe dieser Erde jeweils in ihrem eigenen Bereich durch die folgenden vier Gesetzeszusammenhänge in sehr unterschiedlicher Weise zur Erscheinung gebracht werden, also durch:

  1. Thermodynamik,
  2. Aerodynamik,
  3. Hydrodynamik
  4. und Mechanik.

Auch wird die Thematik der Qualität von Stoffen verständlicher, wenn man begreift, dass Substanzen im Lebenszusammenhang einer Pflanze – und damit von deren Lebensgesetzen aufgebaut – eine andere Qualität haben müssen, als wenn dieselbe Stoffzusammensetzung aus dem chemischen Labor kommt. Denn die Substanz, bzw. der Stoff, wird jeweils von der Qualität geprägt, die von den Kräften bzw. Gesetzmäßigkeiten herrührt, in deren Dienst er entstanden ist. Dieser Gesichtspunkt spielt auch bei der anthroposophischen Diätetik und Ernährungslehre eine wichtige Rolle.

Gesetzmäßigkeiten des Potenzierungsprozesses

Dieser Grundsatz lässt sich auch auf das Phänomen des Potenzierens in der Homöopathie und in der anthroposophischen Arzneimittelherstellung übertragen. Auch hier muss man die Gesetzmäßigkeiten begreifen, die einem solchen Potenzierungsprozess zugrunde liegen.

Georg Glöckler (1933–2019), der ehemalige Leiter der Mathematisch-Astronomischen Sektion am Goetheanum, hat einen mathematischen Ansatz zur Berechnung des Potenzierungsprozesses gefunden. Leider war es ihm zu seinen Lebzeiten nicht mehr möglich, diesen Ansatz mit daran interessierten Pharmazeuten weiter auszuarbeiten und bezüglich der anthroposophischen Arzneimittelherstellung zu konkretisieren.[3] Das Studium der Fibonacci-Zahlen war für Glöckler eine Brücke zum mathematischen Verständnis des ‚Homöopathisierens’. Denn die Fibonacci-Zahlen zeigen in ihrer rhythmischen Folge ausnahmslos, dass der Prozess „stärker ist, als die Ausgangs-Zahl“.[4]

In der Homöopathie wird durch den rhythmisch gegliederten Potenzierungsvorgang bei der stufenweisen Potenzierung ebenfalls eine Verstärkung und Modulierung der Wirkung der potenzierten Substanz gegenüber der jeweiligen Ausgangssubstanz hervorgerufen. Während die Ausgangssubstanz bei jedem Potenzierungsschritt weniger wird, bis sie stofflich nicht mehr nachweisbar ist, tritt die rein prozessuale Kraftwirkung, die zum Wesen dieser Substanz gehört, immer deutlicher hervor und teilt sich dem flüssigen oder festen Medium, in dem die Potenzierung vorgenommen wird, mit.[5]

Den aktuellen Stand der empirischen präklinischen und klinischen Forschung zur Wirksamkeit potenzierter Substanzen und den daraus resultierenden Perspektiven haben Jürg Lehmann und Stefan Baumgartner unter Berücksichtigung des anthroposophischen Substanz- und Prozessbegriffs, dargestellt – ausgehend von der Tatsache, dass in den letzten Jahren statistisch hochsignifikante Wirkungen von potenzierten Substanzen beobachtet wurden.[6]

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 2025[7]


[1] Wolff (2013).

[2] Wolffs 1998 erstmals erschienenes Werk wurde 2013 von der Ärztin und Schülerin Wolffs, Daphne von Boch, unter Mitarbeit weiterer Fachleute, für eine 2. Auflage überarbeitet. Es ist zu hoffen, dass dieser Ansatz von der nächsten Generation anthroposophischer Ärzte und Pharmazeuten weiterverfolgt und dem jeweils neuesten Stand biochemischer Forschung angepasst wird. Vor ihm hatte dies der Chemiker und spätere Wala-Begründer, Rudolf Hauschka (1891–1969), in seiner Substanzlehre unternommen – jedoch mehr in phänomenologisch-qualitativer Hinsicht (vgl. Hauschka [2007]).

[3] Siehe www.vomwesenderzahlen.org. Georg Glöckler unterschied drei Wesensmerkmale des Mathematischen: einmal das Wesen einer Zahl, sozusagen ihre Individualität, dann ihre Rhythmengestalt und ihren Mengencharakter. Zu seinen Forschungen zur Rhythmengestalt der Zahlen vgl. z.B. „Rekursive Erzeugung der Pythagoräischen Quadrupel nach Georg Glöckler“. Zwölf Dokumente mit Einführungen und Kommentaren von A. Häberlein, zu beziehen: ahaebgmx.de.

[4] (ebd.)

[5] Was die empirische Forschung zum Wirksamkeitsnachweis ‚kleinster Entitäten’ anbetrifft, so haben sich seit den Pionierarbeiten von Lili Kolisko (1889–1976) und Alla Selawry (1913–1992) Methodik und Wissen seither deutlich erweitert. Es sei an dieser Stelle auch noch einmal auf die Zeitschrift „Der Merkurstab“ hingewiesen, die zusammen mit ihrer Vorgänger-Zeitschrift Beiträge zu einer Erweiterung der Heilkunst wesentliche Betrachtungen zum anthroposophischen Homöopathie-Verständnis sowie zahlreiche Substanzbetrachtungen beinhaltet. Im Bereich der konventionellen Forschung besteht nicht nur geringes Interesse, die Wirksamkeit homöopathischer Substanzen zu prüfen. Im Gegenteil; es wird sogar aktiv dagegen opponiert, indem gesagt wird, dass es unverantwortlich sei, für derart unwissenschaftliche Forschungsthemen Geld auszugeben.

[6] Vgl. Lehmann und Baumgartner (2023), S. 352–359. Siehe auch Baars u. a. (2022). Anthroposophische Arzneimittel werden gemäß der guten Herstellungspraxis und den nationalen Arzneimittelvorschriften gefertigt und haben einen ausgezeichneten Sicherheitsstatus; die verfügbaren Belege deuten auf einen klinischen Nutzen hin. 2023 hat Harald Hamre ein systematisches Studien-Review publiziert, das die Überlegenheit homöopathi-scher Arzneimittel gegenüber Placebo signifikant belegt: Siehe Hamre u. a. (2023), S. 191.

[7] In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

KORRESPONDENZ ZWISCHEN KNOCHENBAU UND INTERVALLEN

Was haben unsere Knochen und die Intervalle gemeinsam?

Wie zeigen sich die Korrespondenzen des einen mit dem anderen?

Intervalle und Knochen

Die Intervalle von der Prim bis zur Oktave lassen sich unterschiedlichen Knochen unseres Körpers zuordnen. Rudolf Steiner sagt dazu, dass unser Schlüsselbein so gebaut ist wie die Prim: Seine Form schwingt gleich der Prim hinaus und kehrt zu sich selbst zurück. Das entspricht einer Sinusschwingung. Das Nach-außen-Schwingen des Schlüsselbeins und die Fähigkeit, in sich selbst zurückzukehren, ist das zugrundeliegende Prinzip der Prim.

Dabei ist zu beobachten: Wenn der erste Ton erklungen ist, nach außen schwingt und zu sich selbst zurückkehrt, klingt der zweite Ton qualitativ anders, obwohl es sich es um denselben Ton handelt. Wenn Menschen Angst haben und ganz verkrampft sind, schwingt nichts. Erst wenn sie in der Lage sind sich zu öffnen, können sie nach außen schwingen und wieder zu sich zurückkehren. Das kennzeichnet die Offenheit, die zu einem gesunden Gefühlsleben beiträgt.

  • Die Prim bildet sich ab im Schlüsselbein
  • Die Sekund entspricht dem Oberarm,
  • die Terz dem Unterarm,
  • die Quart verdichtet sich in den Handwurzelknochen,
  • die Quint bildet sich in den plötzlich fünfstrahligen Handknochen ab, etwas wird wie zusammenfasst,
  • die Sext geht auf in den Fingerknochen
  • und fliegt davon in der Septim.
  • Die Oktave ist wie eine Umstülpung, die den Anfangston auf einer höheren Ebene neu gebiert. Es ist derselbe Ton auf einem anderen Niveau.

Physiologisch nach innen gehen durch Eurythmie

Wenn man sich in der Eurythmie gemäß den Intervallen bewegt, kann man eine Evidenzerfahrung machen und die Qualitäten der Intervalle in Bewegung und Geste wiederfinden, ja mehr noch: Indem wir die Intervalle eurythmisch nachvollziehen, ergreifen wir unsere Knochen von innen, gehen einen Weg nach innen – nicht seelisch, sondern auf physiologischer Ebene. Man kann seelisch nach innen gehen, in der Eurythmie geht man aber physiologisch nach innen und erzeugt auf dieser Ebene eine Wirkung.

Um zu einem Evidenzerlebnis zu kommen, ist es hilfreich, sich die Gedanken bewusstmachen, die diesem Vorgang zugrundeliegen.

Vgl. Ausführungen vom IPMT in Santiago di Chile 2010