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Waldorfpädagogik
Waldorfpädagogik – von Michaela Glöckler
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
IDEAL UND PRINZIPIEN DER WALDORFPÄDAGOGIK
Wie lassen sich die Prinzipien der Waldorfpädagogik auf den Punkt bringen?
Welche Anforderungen werden dabei an den Lehrer gestellt?
Herausfordernder Lehrerberuf
Das Ideal der Waldorfpädagogik darzustellen ist leicht, es umzusetzen ist schwer. Ich wage dies so zu formulieren, da ich selbst unterrichtend tätig war und weiß, dass der Lehrerberuf de facto der anstrengendste Beruf ist. Arzt zu werden, bringt auch Herausforderungen mit sich, doch von anderer Art. So habe ich vor Prüfungen oder Examen auf dem Gebiet der Medizin keine schlaflosen Nächte verbracht, vor einer ersten Epoche in einer neuen Klasse einer Waldorfschule dagegen wohl! Ich kannte als ungeübte Lehrerin – d.h. als Schulärztin, die hin und wieder eine Epoche gibt in Menschenkunde, Biologie, Chemie oder in Erster Hilfe und Gesundheitslehre – die Klassen noch nicht, nur einzelne Schüler. Ich memorierte die Namen der Schüler, ihre Sitzordnung, die „schwierigen Schüler“, auf die ich besonders achten sollte. Ich hatte Sorge, guten Kontakt zu allen zu bekommen, ihnen gerecht zu werden, mit dem Inhalt so einzusteigen, dass es die Klasse erfasst usw.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, eine authentische Haltung gegenüber den Idealen der Waldorfpädagogik zu entwickeln, um nicht den Gefahren eines falschen Idealismus zu erliegen.
Sich der Idee erlebend gegenüberstellen
Anhand von Wolfgang Schmidbauers Buch „Alles oder nichts" mit dem sprechenden Untertitel „Über die Destruktivität von Idealen"[1], wird einem das Problem eines falschen Idealismus rasch klar. Ideale entarten nur dann nicht zu einer destruktiven moralischen Forderung und führen in die Selbstüberschätzung und Selbstüberforderung, wenn man sie sich selbst erarbeitet hat, wenn sie das Konzept sind, nach dem man sein Leben und seine Arbeit ausrichtet. Ist das nicht der Fall, sollte man ehrlicherweise sagen: Das will ich nicht – und gehen. Man sollte dorthin gehen, wo man die Ideen und Ideale verwirklichen kann, die zu einem passen.
Rudolf Steiner sagte zur Frage des Idealismus und seiner möglichen Gefahr: „Jede Idee, die dir nicht zum Ideal wird, ertötet in deiner Seele eine Kraft; jede Idee, die aber zum Ideal wird, erschafft in dir Lebenskräfte.“[2] Am Ende der Philosophie der Freiheit heißt es: „Man muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen können, sonst gerät man unter ihre Knechtschaft.“[3] Ideale dagegen, mit denen man sich wirklich identifiziert, befeuern und geben Kraft.
Heilende Prinzipien
Doch obwohl mir bewusst ist, wie schwer es ist ein „guter Waldorflehrer“ zu werden, wage ich zu behaupten, dass die Waldorfschule eine ideale Inklusionsschule ist. Im Folgenden möchte ich die heilenden Prinzipien der Waldorfpädagogik, die Lehrern helfen können bei ihrer pädagogisch-therapeutischen Arbeit, aus meiner Sicht und Erfahrung näher ausführen.
· Charakterisieren statt definieren
Das Allerwichtigste ist das Charakterisieren anstelle des Definierens – egal, ob es um Lehrinhalte oder um die Beurteilung von Schülern geht. Es gibt Lehrer, bei denen sich die Schüler verurteilt fühlen wie auf dem Schafott. Bis in die Abiturklasse erlebte ich in meiner Schulzeit, dass bei Schülern an der Tafel Tränen flossen oder wenn sie vor der Klasse standen, weil sie sich verurteilt fühlten.
Völlig anders wirkt es, wenn ein Lehrer das Können und das Engagement eines Schülers charakterisiert, indem er den Prozess beschreibt und bereits den guten Ansatz lobt bzw. den Mut des Betreffenden an die Tafel zu kommen. Wenn er ihm darüber hinaus vermittelt – ‚Ich helfe Dir, ich unterstütze Dich‘ – ist schon viel gewonnen. Wenn das Kind trotzdem total blockiert ist oder ein Black-out hat, wird er das klar benennen und es eventuell später nochmals drannehmen. Durch die Art, wie der Lehrer damit umgeht, wie er den Prozess charakterisiert, wird das Kind nicht bloßgestellt, sondern als normal behandelt. Es erlebt, dass das alles im Leben vorkommen darf. Ein Kind muss lernen dürfen, mit Blockaden zurechtzukommen – die es ja bei Erwachsenen auch gibt. Durch das Charakterisieren bejaht der Lehrer all diese Prozesse, die Teil der Entwicklung sind.
Urteile sind Endstationen
Definitionen und Urteile sind dagegen immer „Endstationen“, das betrifft nicht nur den Lernprozess, sondern auch die Lerninhalte: Jeder Schüler kann selbst auf die Definitionen kommen, indem er die zugrunde liegenden Gesetze zu finden lernt – entweder mithilfe der vom Lehrer geschilderten Charakteristika oder anhand seiner eigenen Beobachtungen. Wer charakterisiert, beschreibt den (oft künstlerischen) Prozess, wer definiert, umreißt die wissenschaftliche Endstation. In Bezug auf den Unterrichtsprozess sollte man sich klarmachen: Vorgegebene Endstationen ermöglichen keine Weiterentwicklung. Ergebnisse müssen vom Schüler selbst gefunden werden, bevor man zum nächsten Thema weitergeht. Deswegen folgt der Unterricht schrittweise diesem Rhythmus:
1. Ein Experiment wird beobachtet und genau beschrieben.
Ich fand das mühsam in meiner Schulzeit, ich wollte sofort die dazugehörige Gesetzmäßigkeit erfahren. Einseitige Kinder, die Sackgassen lieben, reagieren allergisch auf all das Beschreiben, weil sie schnell zum nächsten Thema springen wollen. Doch genau wahrzunehmen und zu beobachten ist genauso wichtig, wie das Feststellen von Gesetzmäßigkeiten.
2. Am nächsten Tag darf der Schüler das zugrundeliegende Gesetz selbst entdecken und formulieren.
Das ist etwas sehr Spannendes und setzt in die Praxis um, was Rudolf Steiner behauptete: Alle Erziehung wäre Selbsterziehung und der Lehrer hätte nur die Aufgabe, das richtige Ambiente, die richtige Umgebung zu schaffen, damit sich das Kind in und an dieser Umgebung selbst so erzieht, wie es seinem Schicksal gemäß ist und wie es das auf bestmögliche Art und Weise vermag. Diesem Ideal folgt unsere Unterrichtsmethodik.
· Freudig aus Fehlern lernen
Eine solche Haltung bedeutet, dass der Lehrer sich über die Fehler des Schülers freuen kann, weil dieser an dem kleinen Schmerz, etwas nicht zu können, aufwacht und sich jetzt engagiert, es richtig zu lernen. Auch Lehrer sind nur Menschen mit Eitelkeiten. Deswegen müssen sie sich immer wieder vergegenwärtigen, dass es zu den Lehrertugenden gehört, Ehrfurcht gegenüber Wahrheit und Erkenntnis zu vermitteln und nicht vor dem eigenen Wissen. Lehrer sind nur deshalb Könner, weil etwas von der weltenschaffenden Wahrheit durch sie hindurch wirkt. Deshalb sollten sie mit ihrem angehäuften Wissen nicht angeben.
· Lernbegierde pflegen
In einem Morgenspruch sagt Rudolf Steiner: „… dass ich kann arbeitsam und lernbegierig sein.“ Lernbegierde ist nicht gleichzusetzen mit Ehrgeiz. Sie ist die Sehnsucht nach Entwicklung, die deutlich zu unterscheiden ist vom Ehrgeiz, der Angst macht und Konflikte hervorruft. Lernbegierde verbindet alle. Wenn in einer Klasse Ehrgeiz ausbricht, kommt es zu problematischen Verhaltensweisen: Einer sticht den anderen aus; man möchte mehr scheinen, als man ist; der Schein wird wichtiger als die Fähigkeit. Lernbegierde wirkt sich dagegen positiv auf die Klasse aus.
· Weltinteresse wecken
Eine weitere Aufgabe des Lehrers als Weltenbürger ist es, Weltinteresse zu wecken. Das ist wiederum eine Frage der Haltung: frei, offen, freilassend und neugierig zu sein. Von Rudolf Steiner wird berichtet, dass er einmal bei Eugen Kolisko im Chemieunterricht hospitierte, als dieser die Knallgasreaktion zeigte, die einen lauten Knall erzeugt. Rudolf Steiner soll so erschrocken sein, dass er vor Schreck aufgesprungen ist – weil er ganz in die Wahrnehmung versunken war wie ein neugieriger Schulbub und mehr erschrak als alle anderen.
· Gesundes Selbstvertrauen vorleben
Der Lehrer ist im Optimalfall ein vertikaler Mensch, der gesundes Selbstbewusstsein, Sicherheit, Kompetenz und Großzügigkeit ausstrahlt; der das Positive lobt und seine Schüler ermutigt, aus dem Negativen zu lernen.
Lehrertugenden stärken
Rudolf Steiner nannte vier Stärkungsmöglichkeiten der Lehrertugenden, für jedes Wesensglied eine:
1. Das Ich wird durch jede noch so kleine Aktion oder Initiative gestärkt.
2. Der Astralleib wird jedes Mal gestärkt, wenn wir Interesse für etwas aufbringen.
Rudolf Steiner sagte, der Lehrer möge ein Mensch sein, der für alles Weltliche und Menschliche Interesse hat. Das ist das Gegenteil von Aussprüchen wie: „Das gehört nicht hierher!“ Man kann sagen – „Darüber sprechen wir in der Pause“, – aber niemals: „Das ist nicht interessant!“. Es geht vielmehr darum, für all die interessanten Dinge den angemessenen Ort zu finden. Bekäme alles Platz im Unterricht, liefe der Lehrer Gefahr, von den Schülern abgelenkt zu werden von den eigentlichen Themen, die er unterrichten wollte.
3. Wahrhaftigkeit stärkt den Ätherleib.
Der Lehrer soll üben, in seinem Inneren keinen Kompromiss in Bezug auf die Wahrheit zu schließen. Im Äußeren ist es oft nötig, im Inneren darf es nicht sein.
4. Die beste Übung für den physischen Leib ist, nicht „sauer“ zu werden, die eigenen Aggressionen bzw. die eigene Bitterkeit beherrschen zu lernen.
Die natürliche Physiologie unseres Blutes beruht auf einem Säure-Basen-Gleichgewicht: Unser Blut soll weder alkalisch-bitter, noch angesäuert sein. Indem man das vom Seelischen her unterstützt, fördert man die Salz-Struktur, das Säure-Basen-Gleichgewicht des physischen Leibes.
Ich habe immer den Eindruck, die Worte – „Ihr seid das Salz der Erde“[4] – beziehen sich auf diese 4. Lehrertugend und sind eine Aufforderung, das elektrolytische Gleichgewicht in Blut und Interstitium zu unterstützen. „Nicht versauern!“,[5] sagte Rudolf Steiner auch. Es dürfe keinen „sauren“ Lehrer geben. Das ist natürlich ein hartes Wort und zugleich ein hoher Anspruch, der vor allem die Lehrer als Profis betrifft und nicht so sehr die Eltern.
Vgl. „Hilfen im Umgang mit Angst im Schulalter“, Vortrag auf der Schulärztetagung 2013
[1] Wolfgang Schmidbauer, Alles oder nichts. Über die Destruktivität von Idealen. Rowohlt, Reinbek 1987.
[2] Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? Kap. Bedingungen. GA 10. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1993.
[3] Rudolf Steiner, Die Philosophie der Freiheit. GA 4. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1995.
[4] Neues Testament, Matthäus 5, 13.
[5] Rudolf Steiner, Erziehungskunst. Methodisch-Didaktisches. GA 294, S. 193.
ALLGEMEINE GRÜNDE FÜR EINE WALDORFERZIEHUNG
Gibt es konkrete Kriterien für die Wahl einer Waldorfschule, die über die Vermittlung von Lerninhalten hinausgehen?
Positive Nebenwirkungen der Waldorfpädagogik
Wenn ich Elternabende zur Einschulung hielt und die Frage gestellt wurde, ob ein Kind auf die Waldorfschule gehen soll oder nicht, erwähnte ich diese Studie und setzte hinzu, dass es u.a. aus meiner Sicht drei wichtige Gründe gebe, Kinder auf die Waldorfschule zu schicken.
1. Gesundheitsvorsorge fürs Alter
Waldorferziehung stellt eine echte Gesundheitsvorsorge fürs Alter dar, die beste, die ich kenne. Sie ist eine Art Präventivmedizin für die zweite Lebenshälfte, bzw. für das letzte Lebensdrittel, in dem man heute ohnehin oft Gefahr läuft arbeitslos zu werden. Wird man auch noch krank, leidet man doppelt. Deshalb ist es eine echte Hilfe, wenn man früh gelernt hat, eine selbstbestimmte Haltung mit der damit einhergehenden Verantwortlichkeit und Initiativfreude zu entwickeln.
2. Abschwächung des materialistischen Einflusses
Waldorferziehung ist zudem ein Gegengewicht zur Tendenz, sich blind an die materialistische Kultur anzupassen. Das heranwachsende Kind hat es deshalb manchmal etwas schwerer im Leben, weil es nach anderen Gesichtspunkten handelt als üblich. Wer dieses Anders-Sein übersteht, hat oft Lust, sich zu engagieren, um an der heutigen Kultur etwas zu ändern.
Eltern allerdings, die wollen, dass ihre Kinder nirgends anecken, sollten sie nicht auf die Waldorfschule geben. Denn es kann Einsamkeit mit sich bringen, immer auch andere Gesichtspunkte zu sehen und einzubeziehen. Man hat auch weniger Gesprächspartner und benötigt ein ausgeprägtes Taktgefühl im Sozialen, damit man sich nicht überall wie ein Elefant im Porzellanladen benimmt, sondern sich so zurückzunehmen weiß, wie Rudolf Steiner es von seinen Schülern verlangte: Man solle über seine Gedanken und Ansichten nur sprechen, wenn man danach gefragt wird.
3. Erlangung einer überkonfessionellen Orientierung
Waldorfschüler lernen eine tolerante, überkonfessionelle Orientierung kennen, die ihnen die Möglichkeit gibt, sich später für die verschiedensten Philosophien und Religionen zu interessieren, weil sie von allem schon gehört haben und mit allen wesentlichen Strömungen Bekanntschaft schließen durften.
Solange man jung ist, hat man kein großes Interesse an Gesundheitsfragen. In der zweiten Lebenshälfte ist dieses Thema jedoch von großer Bedeutung – wenn man noch in der Lage dazu ist. Ich bin zunehmend dankbar dafür, dass ich in meiner Waldorfschulzeit wertvolle Gesundheits-Ressourcen veranlagen konnte für die zweite Lebenshälfte.
Vgl. Vortrag „Ursprung und Ziel von Gesundheit“ an der Tagung „Connect“, Dornach, April 2007
WALDORFPÄDAGOGIK ALS ERZIEHUNG ZUR FREIHEIT
Was sind die physiologisch-konstitutionellen Voraussetzungen für Freiheit?
Inwiefern ist Waldorfpädagogik Erziehung zur Freiheit?
Spezialisierung versus Freiheit
Alle Säugetiere haben, wenn sie noch klein sind, dieselben Formen und Anlagen wie wir Menschen. Diese gehen jedoch im Laufe der Entwicklung verloren. Was sagt uns das? Je spezialisierter die Gliedmaßen und Körperteile werden, umso weniger frei kann das Lebewesen sie handhaben. Das kann man gut an der Art sehen, wie sich die Tiere vom Menschen weg entwickeln, indem sie sich spezialisieren.
Nehmen wir zum Beispiel das Fluggelenk in seiner Anlage im Vergleich von Mensch und Tier:
- Das Fluggelenk entwickelt sich aus der Armanlage, ist hoch spezialisiert und ermöglicht es den Vögeln zu fliegen.
- Der Mensch dagegen kann mit seinen Armen zwar nicht fliegen, aber wir können dank des rundum beweglichen Schultergelenks mit unseren Armen und Händen Musik machen, können zeichnen und malen, können jemanden streicheln – wir sind frei zu wählen, wofür wir unsere Arme als Organe der Freiheit, der Möglichkeit zu vielem einsetzen wollen.
Waldorfpädagogik will Erziehung zur Freiheit sein. Das bedeutet konsequenterweise, in der frühen Kindheit bis hin zu den ersten Schuljahren, weitestgehend auf Spezialisierung zu verzichten. Je mehr das Kind die Möglichkeit bekommt, als „allgemein-menschliches Instrument“ ein breites Spektrum an Fähigkeiten zu veranlagen, umso vielseitiger und menschlicher, umso weniger körpergebunden und „tierisch“ im besten Sinn des Wortes, wird dann der erwachsene Mensch sein.
Entwicklungs- und Schicksalsexperten werden
In diesem Sinne sollten wir uns bemühen, Experten des physischen Leibes und der physischen Entwicklung zu werden. Die Schritte der Ich-Werdung ernst zu nehmen bedeutet, uns immer wieder neu das Mysterium der Inkarnation zu erarbeiten. Denn alle Kinder, alle Menschen, tragen die Weltgesetze als angeborene Kompetenz in sich: die Bildungsgesetze, die Schicksalsgesetze, aber auch die Gesetze eines höheren Wesenhaften, das mit anderen höheren Wesen immer in Verbindung ist und mit ihnen kommuniziert. Das kann sehr unterschiedlich aussehen. Deshalb haben wir es mit so unterschiedlichen Kindern zu tun, deren Selbstbewusstsein sich auf so unterschiedliche Art entwickelt.
Wir dürfen aber auch zu Schicksalsexperten werden. Ich empfehle immer, dass man in der Lehrer- bzw. Erzieher-Konferenz Passagen aus Vorträgen über Inkarnation und Karma liest, auch aus Steiners „Karmavorträgen“[1] und den wunderbaren „Vorträgen über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt“[2] – und wenn es nur 10-15 Minuten sind. Denn das ist die Welt, der die Ich-Werdung entspringt. Dort entscheidet sich ein Menschenwesen in der Weltenmitternachtsstunde des Daseins wieder auf die Erde zu kommen. Das ist die Welt, in der Wesen sich mit anderen Wesen verständigen: Unser Ich ist nicht nur mit den Menschen verbunden, denen wir im Leben begegnen, unser Ich ist auch mit den Verstorbenen, den Elementarwesen, den Engelhierarchien, der Gottheit und der Trinität verbunden, die unseren Leib trinitarisch bildet nach ihrem Abbild.
Wir sind dem Wesen nach Abbilder der Gottheit. Wenn wir die wunderbaren Schicksalsgesetze studieren, begreifen wir, dass das, was wir in einem Leben aufwenden an seelischer Mühe, Liebe, Freiheit, Wahrhaftigkeit, an Überwindung von Hass, Neid, Angst und Eitelkeit, sich im nächsten Leben niederschlägt in einem gesünderen Körperbau und einem harmonischeren Schicksalsumfeld. Wir dürfen Wesens- und Schicksalsexperten werden, wir dürfen bewusst Bürger zweier Welten werden und den Kindern geistig, seelisch, und physisch ein Zuhause bieten, egal, wo sie herkommen, egal, wo sie hingehen.
Vgl. Vortrag auf der Welterziehertagung, Dornach 2012
[1] Rudolf Steiner, Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge aus dem Jahre 1924. GA 235-238.
[2] Rudolf Steiner, Okkulte Betrachtungen über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt. GA 140.
JEDE ERZIEHUNG IST SELBSTERZIEHUNG
Nach welchen Bedingungen vollzieht sich Selbsterziehung?
Wovon hängt ab, womit ein Mensch in Resonanz geht, um sich weiterzuentwickeln?
Pädagogen schaffen Umgebung für Selbsterziehung des Kindes
Rudolf Steiner formuliert in seinem Basler Lehrerkurs, dass jede Erziehung im Grunde genommen Selbsterziehung sei.[1] Der Lehrer müsse nur eine möglichst günstige Umgebung schaffen, in der sich das Kind so erziehen kann, wie es sich nach seinem innersten Wesen erziehen muss.
An dem Muss habe ich mich zunächst gestoßen: Das Muss ist jedoch die karmische Prädisposition. Man hat nur das in seinem „seelisch-geistigen Resonanzboden“, was man sich im Laufe seiner Erdenleben errungen hat. So ist das Muss ein Ich-will(-nicht) aus früherer Zeit. Wenn jemanden große Altlasten in seinem Karma trägt, schwingt das mit.
Dennoch gibt es in jeder Seele auch einen „Goldgrund“ der aus Urzeiten stammt und mit dem sie in Resonanz gehen kann. Das heißt, jedes Kind ist zu einer feinen, rein menschlichen Ur-Resonanz fähig, auch wenn es mit größten karmischen Schwierigkeiten, Schicksalsbelastungen oder konstitutionellen Herausforderungen zu kämpfen hat. Wir gehen davon aus, dass dieser Goldgrund im Untergrund jeder Seele als Voraussetzung da ist, als eine Art Gottesgrund in jedem von uns. An ihn will die Waldorfpädagogik anschließen, will ihn in Schwingung versetzen und zur Kraftquelle werden lassen, sodass das betreffende Kind seine Biografie menschenwürdig gestalten kann.
Schlummernde Fähigkeiten zu höherer Erkenntnis
Das ist der zentrale Nerv, das eigentliche Anliegen der Waldorfpädagogik. Daher sollte auch am Anfang der Lehrerausbildung die Anforderung stehen, sich mit dem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?"[2] zu beschäftigen – gerade, weil es mit folgendem Satz beginnt: „Es schlummern in jedem Menschen Fähigkeiten, durch die er sich Erkenntnisse über höhere Welten erwerben kann."
Dass das wirklich so ist, davon konnte ich mich als Kinderärztin immer wieder überzeugen, denn ich hatte vor allem Babys und Kleinkinder in den ersten drei Lebensjahren zu untersuchen. Das ist das Lebensalter, in dem Erziehung von außen nicht greift. Die Kinder erziehen sich vielmehr selbst aus ihrem Gottesgrund heraus zu aufrechten, sprechenden und denkenden Wesen – und das ist bekanntlich die umfassendste Lernleistung des Kindes, an die sich in der weiteren Entwicklung alles andere anschließt.
Vgl. Vortrag auf der Welterziehertagung, Dornach 2012
[1] Rudolf Steiner, Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft. GA 301. Dornach 1991.
[2] Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? GA 10. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1993.
ERZIEHUNG ZUR SELBSTLOSIGKEIT DURCH WALDORFPÄDAGOGIK
Wie möchte Waldorfpädagogik einem Überhandnehmen des Egoismus gegensteuern?
Wie hängen Selbstlosigkeit und Selbstbewusstsein zusammen?
Selbstlosigkeit statt Egoismus fördern
Wir sollten als Pädagogen wissen, wie der Prozess der Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedanken-, Gefühls- und Willenskräfte begleitet werden muss, damit möglichst wenig an den Egoismus des Kindes appelliert, sondern vielmehr die Fähigkeit zu echter Selbstlosigkeit veranlagt wird.
Für mich ist die beeindruckendste Aussage Rudolf Steiners über die Waldorfpädagogik folgender Satz aus dem 1. Vortrag der „Allgemeinen Menschenkunde“[1]: „Wir beginnen hiermit mit einer Pädagogik, die nicht auf den Egoismus baut.“ Damit meint Steiner eine Pädagogik, die nicht den Ehrgeiz stimuliert, sondern auf den Altruismus baut, die eine Erziehung zur Selbstlosigkeit praktiziert.
Wer den Grundsteinspruch der Waldorfpädagogik[2] unter diesem Aspekt liest, kann verstehen, warum Rudolf Steiner, der eine überkonfessionelle, rein menschliche Erziehung veranlagt, an dieser Stelle ein göttliches Wesen nennt – den Christus. Nach der Schilderung der Ideale und Ziele kommen folgende Worte: „Dies wollen sie (alle diejenigen, die die Schule machen: die Lehrer, der Schulvorstand, einige Eltern) bekennen in Christi Namen, in reinen Absichten, mit gutem Willen.“
Christliche Qualitäten aufsuchen
Wird in Asien eine Waldorfschule gegründet und dieser Spruch übersetzt, muss man auch übersetzen, was z.B. in Thailand „in Christi Namen“ heißt, was der Bezug zu Buddha ist und zu Qualitäten, die dem Wesen des Christus entsprechen. Dieses Wesen lebt überall, die Frage ist nur, wie der Weg dahin jeweils aussieht.
Ich sage das hier, weil Christus
- nicht nur „der Lehrer der Menschenliebe“ ist, wie es in der Kinderhandlung[3] heißt;
- auch „der Spender der Daseinsfreuden“
- bzw. „der Tröster im Daseinsleiden“ ist, wie es in der Jugendfeier[4] heißt;
- aber auch derjenige ist, der, wie es in der Opferfeier[5] heißt, uns die Möglichkeit gibt, dass wir „Christi Geist empfangen“ dürfen.
Der Egoismus muss geopfert werden, wenn das wahre Menschen-Ich Einlass finden soll. Wer sich entsprechend vorbereitet, wer also seinen Egoismus opfert und das niedere Ego in der Gewalt hat, darf ihn empfangen, kann sich dem Höheren gegenüber öffnen. Das Selbstbewusstsein wird dann zur Schale für das wahre Ich.
Schule der Selbstlosigkeit
Deswegen sagte Rudolf Steiner 1913 in dem Zyklus „Vorstufen zum Mysterium von Golgatha“[6] über den Christus: „Christus hat eine Schule, die große Schule der Selbstlosigkeit.“ Davon ist die Waldorfschule nur ein kleines Abbild. Die Waldorfpädagogik versucht Selbstlosigkeit zu veranlagen, indem sie den Kindern hilft, in drei Schritten ein starkes Selbstbewusstsein zu entwickeln:
1. Entwicklung von körperlicher Stärke
Wenn ein Kind ohne traumatisierende Verletzungen durch das erste Jahrsiebt kommt, fühlt es sich körperlich stark. Diese Stärke bildet die Grundlage für ein gesundes Selbstbewusstsein.
2. Entwicklung von seelischer Stärke
Wenn ein Kind nun durch die emotionale Begleitung von Eltern und Lehrer im zweiten Jahrsiebt Weltliebe entwickelt und gute Taten zu schätzen lernt bzw. zornig über böse Handlungen sein kann, d.h. wenn es ein weltbezogenes Gefühlsleben entwickelt, erwachsen daraus ein starkes Selbstbewusstsein und großer seelischer Mut. Das Kind will dann etwas im Positiven verändern, will mitarbeiten an der Weltgestaltung, mitmachen im Weltgeschehen.
3. Entwicklung von geistiger Stärke
Im dritten Jahrsiebt kommt es zum entscheidenden dritten Schritt, zu dem die folgende Frage hinführt:
Wie können wir Jugendlichen helfen, ein so starkes Selbstbewusstsein zu entwickeln, dass sie keine Angst haben müssen, es je wieder zu verlieren?
Das Aufflammen von Selbstbewusstsein markiert einen echten Endpunkt der Entwicklung: das Ende der körperlichen Reifung. Es ist zugleich ein Zeichen von Mündigkeit. Wer körperlich, seelisch und geistig zu sich selbst aufgewacht ist und ein Bewusstsein seiner selbst erworben hat, weiß, wer er als denkender, fühlender und tätiger Mensch ist. Er hat auf der Erde alles über das eigene Selbst gelernt, was es darüber zu erfahren gibt. Fortan kann dieses Selbst der Stärkung des Selbstbewusstseins anderer dienen: Das ist eine Dienstleistung an der Menschheit im Sinne einer Mitarbeit bei der allgemeinen Entwicklung von menschlichem Selbstbewusstsein.
Das Selbst wird paradoxerweise umso stärker, je mehr man sich um andere kümmert. Wenn man nur an sich selbst denkt, geschieht das Gegenteil, wird man dadurch schwächer. Nur wer kein Selbstbewusstsein hat, wer sich ständig als Opfer fühlt und den Eindruck hat, etwas zu verpassen oder ausgenützt zu werden, erlebt es als Schwächung, sich um andere zu kümmern. Er verfügt von vornherein über ein schwaches Selbstbewusstsein und ist nicht in der Lage, selbstbestimmt zu arbeiten und sich freiwillig für andere einzusetzen. Ein starkes Selbstbewusstsein ist durchaus mit Altruismus vereinbar – beides bedingt sich sogar gegenseitig.
Vgl. „Ängste im Jugendalter und ihre Überwindung“, Vortrag auf der Schulärztetagung 2013
[1] Rudolf Steiner, Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik. GA 293.
[2] Grundsteinspruch für die Freie Waldorfschule Stuttgart: „Es walte, was Geisteskraft in Liebe …“. In: Ritualtexte für die Feiern des freien christlichen Religionsunterrichts. GA 269, S. 167.
[3] In: Rudolf Steiner, Ritualtexte für die Feiern des freien christlichen Religionsunterrichts. GA 269.
[4] Ebenda.
[5] Ebenda.
[6] Rudolf Steiner, Vorstufen zum Mysterium von Golgatha. GA 152.
SALUTOGENETISCHE WALDORFPÄDAGOGIK
Inwiefern kann Waldorfpädagogik salutogenetisch genannt werden?
Was sind die signifikanten Ergebnisse der unten genannten Studie über Waldorfabsolventen?
Welche Gründe sprechen demnach für eine Waldorferziehung?
Studie über ehemalige Waldorfschüler
Nach dem zweiten Weltkrieg, 1945, hatten wir in Deutschland 6 Waldorfschulen. 2006 waren es bereits 203, 2017 238, 2022/23 241. Das ist eine bemerkenswerte Wachstumskurve einer Bildungseinrichtung, die Gesundheit verspricht und auch aktiv dazu beiträgt.
Anfang 2007 wurde in Deutschland eine Studie[1] veröffentlicht, die mit drei Altersgruppen von ca. 1000 ehemaligen Waldorfschülern durchgeführt worden war und zwar mit drei Altersgruppen: mit Absolventen zwischen 30 und 40, zwischen 53 und 62 und zwischen 65 und 70 Jahren. Sie enthielt ausführliche Interviews über ihr Leben und ihren Gesundheitszustand. Die Auswertung ergab, dass Waldorfschüler im Vergleich mit dem statistisch erfassten Gesundheitsdurchschnitt dieser drei Altersgruppen bei typischen Erkrankungen wie Arteriosklerose, Bluthochdruck und Rheuma deutlich besser abschnitten. Das ist ein aufregendes Ergebnis.
Gesundheit für das ganze Leben veranlagen
Für Rudolf Steiner war die Schule ein Ort, an dem all die Qualitäten erworben werden sollten, die von Antonovsky[2] und Maslov[3] Jahre später als gesundheitsfördernd erkannt wurden. Steiner sagte, Lehren sei stilles Heilen:[4]
- Denn alles soll so gelehrt werden, dass es als Einladung aufgefasst werden kann, die Welt verstehen zu lernen, die geistige Welt miteingeschlossen (Verstehbarkeit).
- Jede gute Erziehung sollte auch die Motive hervorbringen, aus denen heraus Schüler lernen wollen. Damit das erreicht werden kann, müssen Lehrer und Schüler zusammenarbeiten in einem sinnstiftenden Miteinander (Sinnhaftigkeit).
- Die Schule muss den Schülern zudem helfen, so viele Fähigkeiten wie möglich zu entwickeln, damit sie im späteren Leben in vielen Bereichen „anpacken“ können (Handlungsfähigkeit).
Dafür engagiert sich die Waldorfpädagogik. Das heißt, das Konzept der Salutogenese wird in den Waldorfschulen praktiziert, obwohl zu Steiners Zeiten noch kein Mensch davon wusste. Von Anfang an ging es nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern jungen Leuten zu helfen, Gesundheit für das ganze Leben zu veranlagen. Das ist vor dem Hintergrund des Entwicklungsgedankens ein Hauptanliegen der Waldorfpädagogik.
Entstehung der Salutogenese-Bewegung
Wie kam es zu diesem neuen Verständnis von Gesundheit?
In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die bahnbrechende salutogenetische Forschung Aaron Antonovskys international bekannt.[5] Im Auftrag der Universität Beer Sheva in Israel hatte er den Gesundheitszustand älterer Frauen untersucht, unter denen auch Holocaust-Überlebende waren, die 1939 16 bis 25 Jahre alt gewesen sind. Dabei stieß er auf die überraschende Tatsache, dass ein knappes Drittel von ihnen bei guter Gesundheit war. Dies war ihm unverständlich.
Wie konnten sie grausamste Lebensbedingungen, Demütigungen und körperliche Entbehrungen eines Konzentrationslagers gesund überstehen?
Er hätte erwartet, dass seine Klientinnen alle mehr oder weniger unter posttraumatischen Belastungsstörungen litten. Dass dies jedoch nicht der Fall war, führte ihn zu der Frage:
Wie entsteht eigentlich Gesundheit?
Die Ergebnisse seiner Untersuchungen hatten die Entwicklung seines Salutogenese-Konzeptes zur Folge.[6] Antonovsky brachte damit auch den Begriff der Salutogenese in die Wissenschaft ein in bewusstem Gegensatz zum etablierten Begriff der Pathogenese, unter der man die Entstehung von Krankheit und Leiden versteht.[7]
Rettender Kohärenzsinn
Infolge der Antworten auf eine Fülle von Fragen zu Einzelheiten ihrer Lebensführung und Lebensgeschichte und deren Beantwortung konnte Antonovsky schließlich auch das Rätsel des guten Gesundheitszustands dieser Frauen lösen. Denn eines war ihnen gemeinsam: Sie hatten schon als junge Erwachsene die Möglichkeit, alles, was ihnen das Leben und Schicksal entgegenbrachte, irgendwie verarbeiten zu können.
Antonovsky gab dieser Fähigkeit den Namen „sense of coherence“, zu Deutsch „Kohärenzsinn“ bzw. „Kohärenzgefühl“ – ein Gefühl der Übereinstimmung zwischen sich und der Umwelt im Bereich der zentralen seelischen Erfahrungsfelder von Denken und Beobachten, Empfinden und Fühlen sowie auf der Handlungsebene. Dementsprechend gab er diesen drei verschiedenen Aspekten des Kohärenzgefühls die Namen
- sense of comprehensibility (Gefühl der Verstehbarkeit)
- sense of meaningfullness (Gefühl der Sinnhaftigkeit)
- sense of manageability (Gefühl der Handhabbarkeit)
Denn diese von ihm untersuchten Frauen verfügten offensichtlich über die „gefühlte“ Fähigkeit, selbst die Abgründigkeit des Holocaust in ihr Leben und Schicksal integrieren zu können. Für Antonovsky war damit deutlich, dass diese Fähigkeit zur Integration bzw. dieses Kohärenzgefühl, im Laufe der Erziehung veranlagt und im jungen Erwachsenenalter erprobt, die beste Voraussetzung abgibt für lebenslange Gesundheit und Lebenstüchtigkeit.
Wie Kohärenzgefühl erworben wird
Wie muss Erziehung aussehen, damit sich ein starkes Kohärenzgefühl ausbilden kann?
Diese Frage konnte Antonovsky im Zuge seiner Forschungen nicht beantworten. Sie hat bis heute keine stringente Antwort gefunden. Als Kennerin der Waldorfpädagogik wurde mir bei der Lektüre von Antonovskys grundlegender Publikation jedoch bewusst, dass die Waldorfpädagogik konsequent salutogenetisch ausgerichtet ist, auch wenn es diesen Begriff zur Zeit ihrer Begründung vor hundert Jahren noch nicht gab.
In Rudolf Steiners Vorträgen zur Waldorfpädagogik und -didaktik in den Jahren 1919-24 findet sich ein umfassend beschriebener salutogenetisch orientierter Erziehungsauftrag, den er am 24. August 1922 in Oxford so zusammenfasste: „Es [alles Unterrichten und Erziehen, M. G.] soll danach streben, aus Menschenkindern physisch gesunde und starke, seelisch freie und geistig klare Menschen zu machen. Physische Gesundheit und Stärke, seelische Freiheit und geistige Klarheit machen aus, was die Menschheit in der zukünftigen Entwicklung auch in sozialer Beziehung am meisten brauchen wird“.[8] Und so ist der ganze Waldorflehrplan angelegt: entwicklungsbezogen und altersgerecht.[9] Dazu werden Vorschläge für die Stundenplangestaltung gemacht, für die Farben der Klassenzimmer, für die Schulverwaltung, für die Kommunikation mit der Elternschaft und unter den Lehrern selbst.
Vgl. Vortrag „Ursprung und Ziel von Gesundheit“ an der Tagung „Connect“, Dornach, April 2007
[1] Heiner Barz und Dirk Randoll (Hsg.), Absolventen von Waldorfschulen: Eine empirische Studie zu Bildung und Lebensgestaltung, 2007.
[2] Aaron Antonovsky, Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit, Tübingen 1987.
[3] Abraham Maslow, Motivation und Persönlichkeit, Hamburg 1981.
[4] Rudolf Steiner, Mantrische Sprüche. Seelenübungen II., GA 268, S. 304; wortwörtlich heißt es dort: „…Und Erziehen ward angesehen gleich dem Heilprozess, der dem Kinde mit dem Reifen die Gesundheit zugleich erbrachte für des Lebens vollendetes Menschsein. “
[5] Vgl. Aaron Antonovski, Zur Entmystifizierung der Gesundheit, Tübingen 1997.
[6] Salutogenese: von lat. salus (=Gesundheit) und grch. genese (=Herkunft, Entstehen, Werden).
[7] Vgl. grch. páthos (= Leiden[schaft], Sucht)
[8] Rudolf Steiner, Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst,GA 305, Dornach 1991, S. 146.
[9] Vgl. E.A. Karl Stockmeyer, Rudolf Steiners Lehrplan für die Waldorfschulen, 2 Bde., 7. Aufl., Stuttgart 2017.
SEELISCHE, KÖRPERLICHE UND GEISTIGE GESUNDHEIT DURCH ERZIEHUNG
Inwiefern trägt Erziehung zur Gesundheit der Kinder bei?
Was gilt es seitens der Pädagogik zu beachten und beizutragen?
Einflüsse der Erziehung auf die Gesundheit
Grundsätzlich gilt, dass alles, was im Umfeld eines Kindes geschieht, sich auf sein Wohlbefinden auswirkt. Kinder sind sinnesoffene Wesen, die dank der Spiegelneuronen ihr Umfeld genau nachahmen – was nicht immer zu ihrem Vorteil ist. Umso mehr muss sich der Erwachsene seiner prägenden Wirkung bewusst sein, ja nicht nur das: Er sollte an sich arbeiten, um einen positiven Einfluss auf die ihm anvertrauten Kinder und ihre Gesundheit zu haben.
· Erziehung und seelische Gesundheit
Zentrales Instrument zur Förderung der seelischen Gesundheit ist die Pflege guter Beziehungen unter den Schülern, zwischen Lehrern und Schülern sowie zwischen Schule und Elternhaus. Gerne fragte Rudolf Steiner, wenn er die Waldorfschule besuchte: „Habt Ihr eure Lehrer lieb?“
Lernen aus Angst, aus Pflicht, unter Druck wegen eines Tests oder Examens ist ein Unding – und heute leider vollkommen normal. Solche Lernmotive sind nicht freilassend, sondern konditionieren die Kinder und erziehen sie zur Abhängigkeit. Wer meint, Kinder konditionieren zu müssen, ist der Ansicht, das Kind wolle nur lernen, wenn bzw. weil es „muss“. Das geht aber vollkommen am Wesen des Kindes vorbei. Wenn es aus Interesse an einem bestimmten Bereich des Lebens oder aus Zuneigung zu einem Erwachsenen, dem dieses Fach ein Herzensanliegen ist, lernt, steht das nicht im Widerspruch zu dem natürlichen Autonomiebestreben des Kindes.
Alles, was die Kinder und Jugendlichen nicht in ihrem Erleben erreicht, wird von ihnen als „blutleer“ oder schlimmer noch: als sinnlos empfunden. „Leben liebt Lehre und Lehre liebt Leben“, so formulierte Rudolf Steiner einmal dieses Urgesetz dialogischen Lernens. Ohne dass der Lehrer mit Kopf, Herz und Hand im Leben steht und aus diesem Darinnen-Stehen die Schüler unterrichtet, haben Schüler kein Vorbild, kein erstrebenswertes Modell, keine wirkliche Orientierung und können so auch nicht miterlebend lernen.
Die seelische Entwicklung braucht die Orientierung an Menschen, welche die Fähigkeiten bereits entwickelt haben, die beim Kind noch in Entwicklung sind. Das Kind muss konkret erleben, mitfühlen, dabei sein können bei dem, worum es geht, und aus den gemachten Erfahrungen des Lehrers lernen.
Behindernd für die seelische Gesundheit ist daher auch das Vergleichen der Schüler untereinander nach abstrakten Kriterien wie z.B. nach der Fehlerzahl und darauf basierend eine Bewertung, wer „besser“ und wer „schlechter“ ist. Die Frage, wer der Beste in der Klasse sei, ist ungesund. Daraus können Schüler letztlich nur entnehmen, dass sie offenbar weniger wert sind als andere, die „besser“ sind als sie – oder umgekehrt: Die einen gewöhnen sich daran, auf andere herabzublicken, die „weniger gut“ sind als sie. Die daraus resultierenden Minderwertigkeitskomplexe und Selbstüberschätzung tragen beide nicht zur seelischen Gesundheit bei.
Entscheidend ist doch, welche Fehler der Einzelne gemacht hat und wie er lernen kann, diese nicht mehr zu machen. Wenn ein Schüler oder eine Schülerin das erkennt und die Lehrerin oder der Lehrer ihm oder ihr dabei hilft, aus den eigenen Fehlern zu lernen, so wird der oder die Betreffende in der seelischen Reifung unterstützt.
Fehler zu machen ist an sich schon nichts Angenehmes, dieser Schmerz muss erst verarbeitet werden. Wenn das Fehler-Machen auf positive Art begleitet wird, kann daraus eine seelisch gesunde Lebenshaltung entstehen: Was auch geschieht, ich kann aus allem lernen, immer wieder das Beste daraus machen und einen nächsten Schritt wagen!
Rudolf Steiner empfahl den Lehrern, vier Tugenden zu üben: Initiative, Interesse, innere Wahrhaftigkeit und „Nicht-sauer-Sein“. Das sind auch die wichtigsten Qualitäten zur Pflege einer guten Beziehung: immer wieder aufeinander zuzugehen, sich wahrhaft zu interessieren für den Weg und die Entwicklung des Anderen, ehrlich miteinander zu sein und sich über Fehler und Probleme nicht zu ärgern, sondern aus ihnen zu lernen.
· Erziehung und körperliche Gesundheit
Als notwendig für eine gesunde körperliche Konstitution werden üblicherweise genügend Bewegung, Spiel und Sport, möglichst regelmäßige Schlaf- und Wachzeiten sowie eine gesunde Ernährung genannt.
In der Waldorfschule kommt noch ein entscheidendes weiteres Prinzip hinzu: Körperliche Gesundheit beruht auch darauf, dass das Kind und der Jugendliche lernen, ihren Körper intelligent und feinfühlig zu beherrschen sowie ausdrucksstark zu bewegen, ihn zu einem „Instrument der Seele“ zu machen, wie es der Buchtitel von Walther Bühlers Klassiker zum Thema sagt.[1] Sich in seinem Körper wohl zu fühlen, darin „zuhause“ zu sein ist wichtig für die Gesundheit im späteren Leben. „Nicht gut drauf zu sein“, sich mit seinem Körper nicht identifizieren zu können, ist nicht zuletzt auch häufige Ursache für den Missbrauch von Alkohol oder Drogen.
Als pädagogisches Mittel zur Schulung von Ausdrucksfähigkeit und Ausdrucksvermögen durch den Körper eignet sich insbesondere alle Arten künstlerischen Übens. Im Umgang mit Sprache, Gesang, Instrumentalmusik, Malen, Plastizieren und Eurythmie werden ganz unterschiedliche Möglichkeiten erprobt, sich selbst oder einem erlebten Vorgang auf stimmige Weise Ausdruck zu verleihen. Dabei kommt der von Rudolf Steiner als Bühnenkunst entwickelten sowie für Pädagogik und Therapie spezifizierten Eurythmie eine besondere Stellung zu, indem sie gewissermaßen alle anderen Künste zusammenfasst und integriert: Sie ist bewegte Körperplastik, arbeitet mit Farben und Formen, bringt nicht nur Sprache und Musik, sondern auch geometrische Raumformen und soziale Figuren choreographisch zum Ausdruck. Wer vom Kindergartenalter an bis zum Ende der Schulzeit regelmäßig Eurythmie-Unterricht hatte, bewegt sich in der Regel sicher, hat eine gute Körperhaltung, ein differenziertes Ausdrucksvermögen, eine klare Körpersprache und ein gesundes Körpergefühl.
· Erziehung und geistige Gesundheit
Spiritualität dient nicht nur der geistigen Befähigung des Menschen. Sie ist auch Ausdruck seiner geistigen Gesundheit und der Art und Weise, wie der Mensch sein Denken als die ihm eigene geistige Kompetenz handhabt.
Dabei gilt zu bedenken, dass Kinder und Jugendliche nur dann geistig gesund in das Leben hineinwachsen können, wenn sie nicht einseitig auf eine Weltanschauung – z.B. die des Materialismus – oder auf eine bestimmte Art des Denkens festgelegt werden.
Diesem Anspruch versucht die Waldorfpädagogik gerecht zu werden, indem sie zu beweglichem Denken ermutigt und die Schüler dazu auffordert, Dinge und Themen unter unterschiedlichen Aspekten zu erforschen.
Vgl. „Hilfen im Umgang mit Angst im Schulalter“, Vortrag auf der Schulärztetagung 2013
[1] Vgl. Walter Bühler: Der Leib als Instrument der Seele, Stuttgart 1993. Für die Waldorfschule bedeutet diese Haltung immer wieder, sich für gewisse „Traditionen“ rechtfertigen zu müssen: z.B. dafür, dass kein Fußball gespielt wird. Auch wird jeglicher Leistungssport dem Privatleben der Schüler überlassen.
WALDORFPÄDAGOGIK UND INKLUSION
Wie steht Waldorfpädagogik zur Inklusion?
Wie war es zu Steiners Zeiten, wie ist es heute?
Als Inklusionspädagogik gedacht
Waldorfpädagogik war von Anfang an Inklusionspädagogik, hat sich aber zur „Regelschulpädagogik“ mit ihren üblichen Anforderungen weiterentwickelt und leistet hier Hervorragendes. Waldorfpädagogik auf Regelschulpädagogik zu reduzieren, wird dem ursprünglichen Ideal von Waldorf jedoch nicht gerecht. Nicht zuletzt erinnerte uns die UNO „von außen“ daran, dass Inklusionspädagogik die Pädagogik des 21. Jahrhunderts ist.[1] Das ist auch für uns eine neue Chance, an das von Rudolf Steiner entwickelte Schulkonzept, „das nicht auf den Egoismus baut“,[2] anzuknüpfen und Schule als mutige Dienstleistung im Sinne der Inklusion anzubieten. Das sollte vor allem auch Konsequenzen haben für Forschung und Ausbildung.
Auch wir Ärzte sollten in jedem Fall möglichst gute Schulmediziner werden als Grundlage für die Anthroposophische Medizin, die uns wiederum lehrt, das Gelernte im rechten Lichte zu sehen. So sollten auch die Waldorflehrer gut Bescheid wissen über die aktuellen Entwicklungen in der Regel- und Sonderschulpädagogik. Vor diesem Hintergrund kann dann eine ganz andere Form von Begeisterung für das Bildungsideal der Waldorfpädagogik erwachen – eine echte Begeisterung, die tief in der Menschenliebe wurzelt.
Grundlagen der Waldorfpädagogik neu entdecken
Die Waldorfpädagogik kann einen bedeutenden Beitrag zur Inklusion leisten, wenn sie in ihren pädagogischen Grundlagen neu entdeckt und gegriffen wird. Andernfalls wird das Gelingen von Inklusion aufgrund von falschen Hoffnungen seitens der Eltern infrage gestellt, da diese Erwartungen vonseiten der Schule möglicherweise nicht eingelöst werden können – was zu beiderseitigem Schaden gereichen würde. In diesem Falle wäre es besser zu sagen: Wir sind gegen Inklusion. Jeder Mensch, aber auch jede Institution, wird sich selbst zum Risiko, wenn er bzw. sie nicht wirklich eins ist mit sich ist, wenn er bzw. sie nicht der eigenen Spur folgt.
Rudolf Steiner initiierte die Waldorfpädagogik mit einer Anrufung der dritten Hierarchie[3] und wies damit auf zwei Grundsäulen der Arbeit hin:
- Waldorfpädagogik wurzelt einerseits in einer Kultur gegenseitigen Vertrauens, dass jeder Kollege mit seinem Engel im Gespräch ist und sich innerlich auf den Weg gemacht hat, weil er mit den anderen zusammenarbeiten will. So gesehen ist es auch eine „Gesinnungspädagogik“, weil alle spüren, dass sie einander brauchen.
- Andererseits entspringt Waldorfpädagogik einer Kultur der Selbstlosigkeit.
Rudolf Steiner nennt Christus nicht nur den Lehrer der Menschenliebe, sondern auch vor 100 Jahren, im Mai 1913 in einem Vortrag, den Begründer der großen Schule der Selbstlosigkeit.
Altruismus als Fundament
Das Fundament der Waldorfpädagogik ist demnach Altruismus. Zu Altruismus ist nur fähig, wer zu sich selber hingefunden hat. Rudolf Steiner sagt, erst der auf sich selbst gestellte Mensch könne dienstleistend zur Verfügung stehen. Denn nur ein Mensch, der wirklich selbständig ist, hat auch Lust, sich um andere zu kümmern. Nur so jemand ist mit sich selber im Reinen und hat genug Überschusskräfte, um sich um andere Belange als sein eigenes Wohlergehen zu kümmern. Wenn wir bei uns angekommen sind, ist die Reise keineswegs zu Ende. Denn jetzt können wir uns um den Rest der Welt kümmern und denen helfen, die noch nicht am Ziel angekommen sind. Deswegen heißt es im Evangelium so schön: „Die Ersten werden die Letzten sein.“[4] Wer bei sich selbst angekommen ist, kann so lange weiterhelfen, bis auch der letzte Mensch bei sich angekommen ist. Dann erst ist die „Erdenmission“ der Menschwerdung am Ziel. Bis dahin ist es noch weit.
Postulat der Liebe
Michael Bauer, Dorfschullehrer und esoterischer Schüler Rudolf Steiners, sagte: „Der Wiederverkörperungsgedanke ist ein Postulat der Liebe. Wer wirklich helfen will, wird nicht schon in einem Erdenleben müde.“ Auch Waldorfpädagogik ist ein Postulat der Liebe, denn sie will
- dazu beitragen, Schicksale zu heilen und auszugleichen;
- ein Fundament legen für eine erfüllte, innerlich lebendige und äußerlich sinnvolle Biografie;
- bei allen Beteiligten Lebenskraft erzeugen;
- eine Kultur der Mitmenschlichkeit und Geselligkeit stiften, der Geistes- und Seelenfreundschaft: des Sich-Aneinander-Freuens und Sich-Füreinander-Interessierens, aber auch des Aneinander-Leidens und -Erwachens;
- zur Selbstfindung beitragen, zu der tiefen Gewissheit: Ich bin getragen vom ewigen Selbst, das in mir wirkt, das mich prägt – ich bin selbst die Tür zur geistigen Welt. Der Christus in mir ist die Tür, der Weg und alles, was ich brauche.
Diese Absichten können uns helfen mit unserem Denken, Fühlen und Wollen den geforderten Dienst am Zeitgeist vollziehen, was heute bedeutet: Die Waldorfschule darf sich wieder dazu bekennen, dass sie jedes Kind aufnimmt. Sie muss sich dessen nicht mehr schämen. Die Zeit des Schämens ist vorbei – die Zeit der Freude im Lichte großer globaler Herausforderungen ist angebrochen.
Vgl. Vortrag „Chancen und Risiken für Waldorfpädagogik und Inklusion“, gehalten 2014
[1] Die "UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" inklusive Zusatzprotokoll wird 2006 von der UN-Generalversammlung verabschiedet: Gesellschaftliche Teilhabe ist demnach ein Menschenrecht, das ohne Einschränkungen auch für behinderte Menschen gilt. Die UN-Konvention erfasst sämtliche Lebensbereiche, von der Arbeit über Bildung, Gesundheit und Pflege, persönliche Mobilität, Fragen des Bauens und Wohnens bis hin zur politischen Teilhabe. Zentraler Leitgedanke bei der Umsetzung der Konvention ist das Prinzip der Inklusion, wonach Menschen mit Behinderungen von Anfang an und in allen Lebensbereichen an der Gesellschaft teilhaben sollen (http://www.inklusion-schule.info/inklusion/un-konvention.html).
[2] Rudolf Steiner, Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik. GA 293.
[3] Grundsteinspruch für die Freie Waldorfschule Stuttgart: „Es walte, was Geisteskraft in Liebe …“. In: Ritualtexte für die Feiern des freien christlichen Religionsunterrichts. GA 269, S. 167.
[4] Neues Testament, Matthäus 20, 16. Kompletter Vers: „So werden die letzten die ersten sein und die ersten die letzten.“
FÖRDERLEHRER UND SCHULARZT DAMALS UND HEUTE
Wie stand die Ur-Waldorfschule zur Inklusion?
Wie sollten Förderlehrer und Schularzt heute zusammenwirken?
Warum gehört in jede Schule ein Arzt, nicht nur ein Schulpsychologe oder eine school nurse (Schulkankenschwester), wie es sie in vielen englischsprachigen Schulen gibt?
Aufgaben des Schularztes
Um mit der letzten Frage zu beginnen: Selbstverständlich ist es viel besser, einen Schulpsychologen oder Pfleger zu haben als niemanden dergleichen. Doch der Schularzt sollte nicht nur den Gesundheitszustand eines jeden Kindes kennen, sondern die ganze Schule dahingehend im Blick haben, auch die Lehrergesundheit. Das war Rudolf Steiner ganz wichtig.
Karl Schubert war Förderlehrer, ein echter Inklusionslehrer. Er hatte die „Hilfsklasse“ und nahm jedes Kind auf, das man ihm brachte. Zwei Jahre später, 1921, stieß zur großen Freude Rudolf Steiners der österreichische Arzt Eugen Kolisko zum Kollegium hinzu. Ab da erwähnte Rudolf Steiner überglücklich in jedem Vortrag, den er in einem größeren Zusammenhang hielt, dass jetzt auch ein Arzt an der Schule sei.
Für die Lehrergesundheit sorgen
Auf den seit 1978 jährlich am Goetheanum stattfindenden Weiterbildungen zum Kindergarten- und Schularzt, findet ein reger Austausch darüber statt, wie wichtig es ist, Lehrer rechtzeitig „aufzuspüren“, bevor sie krank werden. Es macht Sinn, sie für 4 Wochen zu beurlauben, bevor sie gänzlich erschöpft sind und ernsthaft krank werden. Auf diese Weise sind die Fehlzeiten kürzer und die Zeit der Krankschreibung kann für Erholung und Unterrichtsvorbereitung genützt werden. Ich habe es immer sehr bedauert, wenn Lehrer einen gesundheitlichen Zusammenbruch erlitten und oft auch aus Rücksicht gegenüber den vertretenden Kollegen wieder zu früh in die volle Unterrichtsbelastung eingestiegen sind. Unnötiger Kräfteverschleiß ist die Folge. Wir müssen diesbezüglich umdenken lernen.
Vor allem sollte im normalen Zeitbudget vorgesehen sein, dass jeder Lehrer zwei Förderstunden pro Woche für die Schüler der eigenen Klasse haben darf. Warum? Weil der eigene Lehrer in der Regel auch der beste Förderlehrer ist und die Durchführung von Förderunterricht zugleich die nachhaltigste Fortbildung und Kompetenzerweiterung für ihn ist. Er lernt seine Schüler besser zu verstehen und seinen Unterricht differenzierter vorzubereiten.
Ärztliche und pädagogische Intuition
Als Lehrer Fortbildungen zu Inklusionspädagogik, Sonderpädagogik, Förderpädagogik bei bestimmten Krankheitsbildern zu besuchen. ist zwar interessant, doch wird daraus noch keine inklusive Unterrichtspraxis. Man kann sich heute auch im Internet fachlich hervorragende Videos anschauen und sich so weiterbilden. Wirkliche Kompetenz wird nur durch Tun erworben – durch Versuch und Irrtum und vor allem durch liebevolle Hinwendung zum einzelnen Kind. Natürlich können dabei Förderlehrer, Schularzt, Heileurythmist und Sprachgestalter eine entscheidende Hilfe sein.
Erst indem der Lehrer so etwas wie ärztliche Intuition erwirbt, wird Pädagogik heilsame Auswirkungen haben. Meine Erfahrung ist, dass die ärztliche und die pädagogische Intuition ganz nahe beieinander liegen. Es geht um dieselbe Haltung, weshalb beide Berufe sehr viel voneinander lernen können. Denn beide stellen dem Kind (oft nur innerlich) die gleichen Fragen:
Wie kann ich dir am besten helfen?
Was brauchst du von mir?
Wie kann ich dich mit meinen Fähigkeiten auf deinem Weg so begleiten, dass du bestmöglich zu dir kommst, dass du die oder der werden kannst, der oder die du werden möchtest?
Waldorfpädagogik als ursprünglich inklusive Pädagogik
Die inklusive Pädagogik gehörte zum Grundkonzept der ersten Waldorfschule[1] und war leitendes Ideal bis zum Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft 1935 durch die Nationalsozialisten, was auch die Schließung der Waldorfschulen zur Folge hatte.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges begannen die Waldorfschulen wieder neu. Es fing pionierhaft an: Man heizte mit Öfen in den Klassenzimmern, die Kinder brachten Kohlen und auch anderes mit, was in der Schule fehlte. Auch Karl Schubert kam 1946 wieder zurück an „seine Schule“ und brachte „seine Schüler“ mit. Karl Schuberts Förderklasse war die einzige Waldorfklasse, die nicht geschlossen wurde, die von der Grundsteinlegung der Waldorfschule an durch die Zeit des Nationalsozialismus hindurch weiterbestand. Mehrmals entgingen Karl Schubert und seine Kinder wie durch ein Wunder der Deportation. Somit hat die inklusive Waldorfpädagogik den Krieg in ungebrochener Kontinuität überdauert.
Ende der Inklusion nach dem Krieg
Trotzdem entschied sich das Lehrerkollegium nach dem Krieg gegen die Wiederaufnahme des Förderbereiches. Man wollte die Differenzierung in eine Schule für seelenbedürftige Kinder und Jugendliche und eine „normale“ Waldorfschule. Dass dieser Entscheid verständlich war – schon um den Ruf zu überwinden, die Waldorfschule sei eine „Dummenschule“ – liegt auf der Hand. Da ich selbst seinerzeit auf diese Schule gegangen war, kann ich mich noch gut erinnern, wie wir damals von Schülern anderer Schulen diesbezüglich gehänselt wurden. „Dummenschule“ wurde uns nachgerufen. Worauf wir stolz erzählten, schon Englisch- und Französisch-Unterricht zu haben und betonten, dass es keine „schwierigen“ oder „dummen“ Kinder in unserer Klasse gäbe.
Karl Schubert war nur noch als Religionslehrer willkommen und studierte die Oberuferer Weihnachtsspiele ein, für die er die Regieanweisungen von Rudolf Steiner erhalten hatte. Seine Förderklasse wurde zum Grundstock der späteren Karl-Schubert-Schule. Sein wichtigstes Anliegen war es gewesen, auszustrahlen, dass jedes Kind in der Schule willkommen ist, dass es hier Erwachsene gibt, die um jedes Kind kämpfen. Das war mit dieser Teilung vorbei.
Vgl. Vortrag auf der Welterziehertagung, Dornach 2012
[1] Dietrich Esterl, Die erste Waldorfschule: Stuttgart Uhlandshöhe 1919-2004. Daten – Dokumente – Bilder. DRUCKtuell Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Gerlingen 2006.
ENTWICKLUNGSPHASEN UND PÄDAGOGIK
Vorschulzeit und erste Schuljahre bis ca. 9. Lebensjahr
Differenziertes Ausreifen des Nervensystems und der sensomotorischen Koordination (d.h. die Verknüpfung von Sinnesfunktionen mit der muskulären Tätigkeit) brauchen vielseitiges Üben und Betätigen. Koordinierte körperliche Bewegung und Freude am Entdecken der Sinneswelt – mit Hilfe aller Sinne – ist die natürliche Begabung der Kinder dieses Alters. Sie wissen instinktiv, dass ihnen das gut tut. So gilt es, Bewegungs- und Spielräume zu schaffen, in denen sie sich geschickt und altersentsprechend bewegen und betätigen können. Diesem Prinzip folgt der Waldorflehrplan von der Kinderkrippe an bis zum 9. Lebensjahr konsequent. In jedem Unterricht ist das Bewegungselement in irgendeiner Weise mit integriert, nicht nur in den so genannten Bewegungsfächern, deren Lehrplan insbesondere sensomotorisch wertvoll veranlagt ist. Denn alle Bewegungen – einschließlich dem kindgerechten Spiel- und Turnunterricht – werden in diesem Alter noch eng verknüpft mit Sinneserlebnissen praktiziert und oft begleitet durch musikalisch-rhythmische Übungen in Form von Sing-, Sprach- und Bewegungsspielen. Durch die musikalisch-rhythmischen Tätigkeiten wird auch die zur Sozialisation notwendige Fähigkeit des Zuhörens mit veranlagt.
Auch sind es ausschließlich entwicklungsphysiologische und psychologische Gründe, die ein striktes PC- und Multimediaverbot für Kindergärten und Grundschulen zum Ideal der Waldorferziehung machen. Was jetzt weltweit propagiert wird und einen hohen wirtschaftlichen Gewinn verspricht, „one Laptop per child" (der Mini-Bildschirm mit Flash-Speicher, WLAN und dem Betriebssystem Linux), um insbesondere Kindern der 3. Welt Anschluss an das digitale Zeitalter zu geben, ist eine gute Idee zum falschen Zeitpunkt. Und zwar nicht nur, weil die so genannten Entwicklungsländer sauberes Wasser, medizinische Grundversorgung und „richtige Schulen" brauchen, sondern weil jede Stunde vor dem Bildschirm das Aufsteigen eigener, nicht manipulierter innerer Bilder behindert und die Kinder am In-Bewegung-Sein hindert. Die Gehirnaktivität wird dadurch eingeschränkt, die sensomotorische Integration gestört – ganz unabhängig von dem Inhalt der Informationen und dem Problem, diese nicht eigenständig verarbeiten zu können.
Zu empfehlen sind:
· Anregung von Initiative durch eigenes Tun und „Vorbild-Sein".
· Spielmaterial, das die Eigenaktivität fördert: einfache Gegenstände und Materialien, die der Phantasie Raum lassen und zu vielen Gestaltungsmöglichkeiten anregen.
· Aktivierung und Pflege der Sinne durch entsprechend ausgestattete Spielräume.
· Veranlagen guter Gewohnheiten durch regelmäßiges Tun, kleine Rituale am Morgen, beim Essen, am Abend vor dem Schlafengehen.
· Rhythmische Gestaltung des Tages-, Wochen-, Monats- und Jahreslaufes.
· Momente ungeteilter Aufmerksamkeit für das Kind: z.B. beim Aufstehen und Zubettgehen und dann hin und wieder während des Tages, in denen eine Begegnung, ein Sich-Wahrnehmen stattfinden kann.
· Ein „nonverbaler" Erziehungsstil: Nicht das Wort, sondern die Handlung, das Vorbild zeigt, worum es geht. Nur so erlebt sich das Kind frei gelassen. Denn es ahmt aus eigenem Antrieb nach.
· Möglichkeiten, der Natur zu begegnen.
· Vermeiden von Multimedia-Angeboten und technischem Spielzeug.
· Auch wenn der Tag sonst mit vielen Pflichten angespannt verläuft – das Kind im Bewusstsein haben, es „in Gedanken tragen, mitnehmen". Diese innere Tätigkeit hilft, dass der äußere Kontakt beim Wiedersehen schnell wieder da ist. Wichtig ist, die Nähe und Zuwendung in der Beziehung zu pflegen und diese nicht abhängig zu machen von Wohlverhalten und schulischer Leistung.
· Freude und Dankbarkeit zeigen.
· Klare Grenzen setzen und „leben". Das gibt Sicherheit und Orientierung.
...bis zum 14./15. Jahr
Jetzt wird vor allem wichtig, was Ausbildung und Entwicklung der rhythmischen Funktionen fördert: Das sind Empfindungen und Gefühle. Nie atmen wir tiefer durch, als wenn wir uns wohl fühlen, nie schlägt das Herz gesünder, als wenn sich die Kinder freuen oder mit Eifer tätig sind. Zwischen dem 9. und 15. Lebensjahr zielt die gesamte Pädagogik und Didaktik darauf hin, das prozessual-künstlerische, aber auch ästhetische Element in allen Unterrichtsfächern zu berücksichtigen. Was beim Geräteturnen im Sport exakter und vollendeter Bewegungsablauf ist, den es einzuüben gilt, das sind im Geschichtsunterricht Gespräche und Unterrichtsfragen, in denen Ereignisse von mehreren Seiten so betrachtet werden, dass sich für den Schüler ein sinnvolles Ganzes ergibt, eine Art ästhetischer Zustand, „durch den er mit sich und der Welt übereinzustimmen lernt." Im naturwissenschaftlichen Unterricht sind es insbesondere die Experimente: Der Schüler beobachtet exakt und dokumentiert die sich darin zeigenden Gesetzmäßigkeiten übersichtlich und „schön". Er lernt ihren Wirkradius verstehen und sie handhaben. Auch mathematische Gesetze haben ihre Schönheit, weil sie „stimmen" und konstituierend sind, nicht nur in Technik und Wissenschaft, sondern auch im Leben. So werden die Schüler vertraut gemacht mit den Eigentümlichkeiten und „Stimmigkeiten" der Welt und der menschlichen Kultur. Auch in diesen Lebensjahren empfiehlt sich noch Zurückhaltung im Bezug auf das digitale Zeitalter. Nur das sollte an Maschinen delegiert werden, was man im Prinzip auch selbst beherrscht und durchschaut. Selber Kopfrechnen, Theaterspielen, Musizieren, Tanzen, Erlebnisfahrten und Entdeckungen machen, lernen, wie man „live" Beziehungen pflegt – das sollte jetzt im Vordergrund stehen. Was zu Hause oft schon viel zu früh als Konzessionen an die Multimedia-Industrie zugelassen wird, sollte in der Schule um so mehr dazu motivieren, Leben und Realität an die Stelle von Technik und Virtualität zu setzen. Manchmal hilft auch der einfache Gedanke, Eltern und Schüler für diesen „Verzicht auf Zeit" zu mobilisieren, dass die Erfinder der Computer in ihrer eigenen Kindheit ohne diese Spielmöglichkeiten aufgewachsen sind. Um Neues zu finden, braucht man Kreativität und nicht Konditionierung.
Zu empfehlen sind:
· Gesprächskultur – das Kind, den Jugendlichen teilnehmen lassen an interessanten Gesprächen Erwachsener. Mit inneren Fragen leben: Wann war unser letztes Gespräch? Wann hatte ich Zeit, Interesse? Habe ich das Anerkennenswerte bemerkt, lobe ich genug oder bringe ich eher zum Ausdruck, was mich stört?
· Moderne Führungsstrukturen sprechen gern von „Fehlerkultur". Wer aus seinen Fehlern lernt, entwickelt sich nachhaltig – entsprechend auch ein Team zusammenarbeitender Menschen. Wie gehe ich mit Fehlern und Fehlverhalten in der Schule um? Wie helfe ich aus Fehlern zu lernen und diese nicht (nur) schlimm zu finden?
· Klare Führung in Grundsatzfragen im Tagesablauf unter Einbeziehung der Wünsche der Kinder. Verabredungen treffen und klar vereinbaren, wie sie überwacht werden.
· Künstlerische Betätigung, insbesondere Erlernen eines Musikinstrumentes.
· Kontrollierter Multimediagebrauch und, wo immer möglich, das Aufarbeiten des Gesehenen und Erlebten im Gespräch.
... bis zum 21./22. Jahr
Vom 13., 14., 15. Lebensjahr an bis zum 19., 20., 21. Lebensjahr erhebt sich die Frage, auf welche Weise mit pädagogischen Mitteln unterstützt werden kann, was jetzt physiologisch an Entwicklungsprozessen im Vordergrund steht: die Ausreifung des Skelettsystems bis zur Erwachsenengröße und die hormonelle Umstellung und Ausreifung des intermediären Stoffwechsels nach der Pubertät. Zunächst könnte man meinen, Stoffwechsel und Skelett brauchen primär körperliche Betätigung – das ist natürlich richtig, jedoch nicht genug. Vielmehr gibt es eine andere Fähigkeit, die kontinuierlich, sozusagen von innen her, den Menschen erwärmt, anregt, aber vor allem auch aufrichtet und erfüllt: Es sind die zielorientierten Ideen, Interessen, Gesichtspunkte und Motivationen, die befeuern, die begeistern. Man sieht es den Jugendlichen unmittelbar am Gang und Bewegungsspiel an, an der Körperhaltung und Mimik, ob sie Gedanken hegen, durch die sie sich innerlich angeregt, motiviert, „aufgerichtet" fühlen oder ob sie Gedankenöde erleben und infolgedessen Lustlosigkeit und Desinteresse. Die Sprachweisheit bringt dies klar zum Ausdruck, wenn das Wort „Aufrichtigkeit" gerade diese doppelte Bedeutung hat: einmal „ehrlich, aufrichtig, wahrheitsorientiert" und zum anderen „körperlich aufgerichtet, gerade".
In der Oberstufe kommt den Erziehungsmaximen von Nachahmung und Vorbild, von Stimmigkeit und Schönheit untergeordnete Bedeutung zu. Jetzt geht es um Gewissensbildung, Wahrhaftigkeit und Freiheit.
Wie muss ich unterrichten, damit der Jugendliche selber zu den Einsichten kommt, die in diesem Unterrichtsfach Sinn machen?
Wie schafft man es, dass der Jugendliche nicht nacherzählt, was man selber vorgedacht hat, sondern dass man ihm Gesichtspunkte gibt, Bedingungen schildert, anhand derer er selbst die Lösung einer bestimmten Frage herausfinden kann?
Zu empfehlen sind:
· Fragekultur entwickeln, zum „selber Denken" anregen.
· Freund und Begleiter sein, Interesse haben für das, was den Jugendlichen interessiert.
· Wachsendes Freiheitsbewusstsein und Selbstständigkeit respektieren, eigene Erwartungen zurückstellen.
· „Familienrat" halten. Verabredungen gemeinsam treffen, deren Erfolg/Misserfolg analysieren und das weitere Vorgehen beraten.
· Sich über das „ganz andere" freuen lernen, verstehen wollen, was den Jugendlichen bewegt.
· Vertrauen riskieren und signalisieren: Ich stehe zu dir – egal was kommt – und bin gespannt, wie dein Leben sich entwickeln wird.
Unterricht als Selbstfindungsprozess zu begreifen, Erziehung in allen Phasen als Selbsterziehung – darauf kommt es an, erst selber nachahmen, dann selber die Stimmigkeit erleben, wenn verschiedene Zusammenhänge und Verständnismöglichkeiten erläutert werden, und schließlich selber verstehen, herausfinden, was gefragt ist – das ist der Grundnerv einer entwicklungsphysiologisch basierten Erziehung. Denn so wie das Kind es selber ist, welches sich entwickelt, so sollte es auch stets das Erleben haben, dies oder das habe ich selbst beobachtet, selbst gesehen, selbst gelernt. „Selbermachen" macht schon dem kleinen Kind weit mehr Freude, als alles Mögliche abgenommen zu bekommen, von demjenigen der es „besser" kann. Entwicklungsphysiologische Erziehung regt die Eigentätigkeit an, begreift den Erziehungsauftrag so, wie ihn Rudolf Steiner in seinem Baseler Lehrerkurs[1] charakterisiert:
„Jede Erziehung ist Selbsterziehung, und wir sind eigentlich als Lehrer und Erzieher nur die Umgebung des sich selbst erziehenden Kindes. Wir müssen die günstigste Umgebung abgeben, damit an uns das Kind sich so erzieht, wie es sich durch sein inneres Schicksal erziehen muss.“
Wer so zu sich kommt, ist dann auch im späteren Leben innerlich aktiv genug, um sich nicht zu langweilen. Er kann Technik sinnvoll nutzen, ohne dadurch bequem und unproduktiv-unzufrieden zu werden. Er ist weitgehend geschützt vor dem Abhängig-Werden von Drogen u.a. Er hat die Chance, selbstbestimmt zu leben.
Vgl. 1. Kapitel, „Gesundheit durch Erziehung“, Persephone, Kongressband, Verlag am Goetheanum, Dornach 2006, derzeit vergriffen
[1] Rudolf Steiner, Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft, GA 301, Dornach 1991.