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Wesensglieder

Aus Geistesforschung
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Wesensglieder – von Michaela Glöckler

Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/

GRUNDLEGENDES ZUM THEMA „WESENSGLIEDER“

Was meint Rudolf Steiner mit Wesensgliedern des Menschen?

Weshalb benützt er unterschiedliche Begriffe dafür?

Welche Verbindung haben die Wesensglieder zu den Elementen?

Welches Organ ist Inkarnationsort für welches Wesensglied?

Erläuterung zur Begriffswahl

Wenn man die Wesensgliederkunde im Kontext der Kulturgeschichte betrachtet, findet man dieses Konzept in der Ayurvedischen Medizin, in etwas anderer Form auch in der traditionellen chinesischen Medizin, der TCM, es gibt sie in der aristotelischen Philosophie, es gibt sie durch die ganze Alchemie des Mittelalters hindurch. Rudolf Steiner ist mit diesem Thema „in allerbester Gesellschaft“. Das zeigt, dass eine wissenschaftliche Betrachtung des Menschen, zumindest im Kontext der Kulturgeschichte, ohne die Wesensglieder gar nicht angestellt werden kann. Es ist unser Anliegen, die Wesensglieder schrittweise in die wissenschaftliche Medizin einzuführen.

Rudolf Steiner benutzt anfangs, wenn er von „Wesensgliedern“ des Menschen spricht, noch das Wort „Leib“ (Ätherleib etc.) und sagt dazu: „Ich sage Leib, um das zu bezeichnen, was einer Sache Form gibt“. Damit bezieht er sich sogar eher auf den Brotlaib, das Geformte.

In seinem Buch letzter Hand, „Grundlegendes…“,[1] benützt er das Wort Organisation bzw. Organismus. Vor einem christlichen Kontext stoßen sich unsere Brüder und Schwestern in den Konfessionen daran, weil sie mit dem Wort Leib nur den Leib Christi assoziieren und es dann immer ganz komisch finden, dass wir diese vielen Leiber haben. Wenn man dann von Organismus, Organisationen bzw. Gesetzeszusammenhang spricht, wird das viel besser verstanden. Mein Lieblingsbegriff ist „Gesetzeszusammenhang“, anstelle des Wortes „Wesensglieder“.

Wesensglieder und Elemente

Der Mensch kann sein Wesen auf vierfache Weise zum Ausdruck bringen, durch vier Organisationsprinzipien, die in ihrer physischen Seite eng mit den vier Elementen, dem Festen, dem Flüssigen, dem Luftigen und der Wärme verbunden sind, was Aristoteles bereits wusste und beschrieb im Rahmen seiner „Elementenlehre“.

Die Wesensglieder haben aber auch eine außerkörperliche Seite, die „Form“, „Leben“, „Seele“, „Geist“, genannt werden kann und mehr mit dem inneren Erleben der Wesensglieder zu tun hat.

Als physischer Organismus oder physischer Leib wird die Gesamtheit der kristallinen strukturierenden Bestandteile des menschlichen Körpers bezeichnet. Er ist dem Element des Festen zugeordnet und ist „Gefäß“ und Stütze für die  anderen Wesensglieder. Er bildet als Formprinzip die Gestalt des Menschen im Raum.

Als ätherischer Organismus oder Ätherleib wird die Gesamtheit der Lebensprozesse im Körper bezeichnet, die an das Element des Flüssigen gebunden sind. Er ist für Wachstum und Regeneration zuständig und bildet die Zeitgestalt des Menschen, seine Entwicklungsgeschichte, seine Biografie, sein Leben.

Als astraler Organismus oder Astralleib wird die Gesamtheit der seelischen Aktivitäten bezeichnet, die eng  mit dem Element der Luft verbunden sind. Er wirkt differenzierend und polarisierend und bietet dem Menschen als Seele, seine seelischen Ausdrucksmöglichkeiten.

Als Ich-Organismus oder Ich wird die integrierende geistige Kompetenz des Menschen bezeichnet, die über die Wärme zum Tragen kommt. Das Ich steuert die Intensität und Richtung von Willensäußerungen und ermöglicht selbstbewusstes Handeln. Der außerkörperliche Aspekt, der Geist des Menschen, hat ebenfalls einen engen Bezug zur Wärme – was sich u.a. als Begeisterung äußert.

Betrachtung der Wesensglieder nach aristotelischen Kategorien

Die Wesensglieder können aber auch nach der Kategorienlehre des Aristoteles betrachtet werden. Über entsprechende Fragen zu den einzelnen Kategorien treten die Qualitäten und Ausdrucksformen deutlich in Erscheinung. Sie sind auch für das anthroposophische Wesensgliederverständnis erhellend:

Die physische Organisation umfasst die Kategorien:

  • Raum: Ort, Lage
  • Quantität: Menge, Größe

Die ätherische Organisation umfasst die Kategorien:

  • Zeit
  • Qualität

Die astralische Organisation umfasst die Kategorien:

  • Relation
  • Tun
  • Leiden

Die Ich-Organisation wird bestimmt durch die Kategorie:

  • Substanz

Das griechische Wort für Substanz hat noch die komplexe Bedeutung von Sein und Wesen, also sowohl von geistiger als auch physisch-materieller Substanz. Das lateinische Wort substantia heißt: das Darunter- (= sub)-liegende bzw. -stehende. Was im Griechischen noch als geistig-physische Wesenseinheit von Geist und Materie gedacht und formuliert werden konnte, kann im lateinischen Sprachgebrauch fast nur noch von der rein materiellen Seite begriffen werden.

Wesensglieder, ihre Inkarnationsorgane und Elemente

Zuletzt noch eine kurze Übersicht über die enge Beziehung zwischen den Wesensgliedern, ihren sogenannten vier Inkarnationsorganen und den dazugehörigen Elementen:

  • für die Ich-Organisation das Herz (Wärme),
  • für den Ätherleib die Leber (Wasser),
  • für den Astralleib die Niere (Luft),
  • für den physischen Leib die Lungen (Festes)

In den folgenden Beiträgen werde ich näher auf diese Beziehungen eingehen.

Vgl. Vortrag über Wesensglieder auf der Schulärztetagung 2016


[1] Rudolf Steiner; Ita Wegmann, Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. GA 27.

VERANLAGUNG UND STRUKTUR DER WESENSGLIEDER

Wie sind die Wesensglieder strukturiert?

Was ist ihre Begabung, wozu befähigen sie uns?

Wesensglieder als körperliche und leibfreie Kompetenz

Unsere Wesensglieder werden schon im Vorgeburtlichen veranlagt, inkarnieren sich nach und nach, um das Physische gestalten zu helfen und lösen sich nach Vollendung ihrer Aufgabe wieder nach und nach aus dem Körper heraus, um dem Menschen jetzt als leibfreie Kompetenz zur Verfügung zu stehen.

Ich-Organisation

Die Ich-Organisation wird schon in der Zeit nach der Weltenmitternacht konzipiert im Zusammenhang mit der Entscheidung über das Wann und Wo der nächsten Inkarnation und darüber, ob man Mann oder Frau wird. Alles andere ist noch sehr vage und unbestimmt, die Einzelheiten müssen erst sortiert, gewichtet und ausgearbeitet werden.

Die Ich-Organisation ist das einzigartige Gefäß für das sich inkarnierende Ich auf seiner Erdenreise zwischen Geburt und Tod. In jeder Inkarnation haben wir eine neue Ich-Organisation mit einer bestimmten Konstitution, ein neues Gefäß für das wahre ICH BIN, das sich niemals inkarniert: Es verbleibt in der geistigen Welt unter den Schwingen der Engel, in Verbindung mit den Hierarchien, mit dem Christus. Es ist unser wahres Menschenwesen und kann nur wie hereingezogen werden und durch uns hindurchtönen, wenn wir es wollen und unsere Seelen darauf vorbereiten, wenn wir uns so transformieren, dass es Zutritt zu uns bekommt. Die Ich-Organisation fungiert dann als Brückenbauer und Schwelle zwischen dem Höheren Selbst, dem wahren ICH BIN, und dem physischen Körper. Und Wärme ist die Brücke zwischen den Welten.

Die Ich-Organisation ist der am wenigsten komplizierte Organismus. Sie ist wie ein Baby, ist purer Wille, reine Energie – und sie ist etwas ganz Anfängliches: Denn niemand von uns hat das Ziel der menschlichen Reise bereits erreicht und ist schon auf Erden zu einem wirklichen Menschen, einem wahren, vollkommenen Ich, geworden.

Astralleib

Unser Astralleib ist ein Sternenleib. Er ist so weit wie die Sternenwelt. Deswegen können wir mit allem mitfühlen, was es gibt, egal, wie weit es weg ist. Der Astralleib kennt keinen Raum, er kennt keine Zeit, er ist ewig. Er ist reine Gegenwärtigkeit, ermöglicht Geistesgegenwart, wenn das Ich in der Seele lebt. Ich und Astralisches gehen eine enge Verbindung ein.

Der Astralleib ist der Träger unseres Schicksals. Entsprechend enthält er all die Lebens-erfahrungen, die für unser Schicksal wichtig waren, und ebenso weiß er um all unsere karmischen Verbindungen.

• Ätherleib

Der Ätherleib hat eine sehr komplizierte Struktur. Er ist der Architekt unserer physischen Konstitution und gleichzeitig ist das Physische Träger des Ätherischen: Wir kommen mit einer bestimmten Ätheraura auf die Erde, in einem bestimmten Erbstrom, mit einer bestimmten Hautfarbe, in ein bestimmtes Volk mit einer bestimmten Sprache – Faktoren, die enorme Auswirkungen auf die Gehirn- und Sinnesentwicklung haben. Physisches und Ätherisches sind eng miteinander verbunden.

• Physischer Leib

Der physische Leib selbst, der sich aus einem Geistkeim bildet, ist der komplexeste und komplizierteste Teil unseres menschlichen Wesens, denn er umfasst die gesamte Evolution aller Reiche: Mineral-, Pflanzen, Tier- und Menschenreich. Er ist der Träger aller Wesensglieder. Andererseits bedarf es der Mitarbeit und Kompetenz aller Wesensglieder, den viergliedrigen Menschen zu gestalten. Je differenzierter und feiner der Geistkeim des Physischen nun ist, umso empfänglicher ist das Physische für den Einfluss der höheren Wesensglieder. Es ist demnach von großer Bedeutung, wie dieser Geistkeim gebildet wird.

Die physische Konstitution ist nicht nur ein Abbild Gottes, sondern Gott ging damit auch das Risiko ein, dass dieses sein Abbild dem sich entwickelnden Ich als Instrument dient, während er seine Macht darüber abgegeben hat. Gott erschuf also seinen eigenen Tempel und gab ihn wieder frei: Es liegt an uns, ob ein göttliches Wesen in diesem Tempel tätig wird oder der Teufel – oder beide. Der physische Leib stellt so gesehen einerseits die Krone der Schöpfung, andererseits das größte Risiko dar: Denn er ist zwar der Tempel der Höheren Wesen – Gott betritt diesen Tempel aber nur, wenn wir ihn dazu einladen.

Vgl. Vortrag an der Tagung „International Conference Biographywork", England 2013

BETRACHTUNG DER WESENSGLIEDER UNTER FÜNF ASPEKTEN

Unter welchen Aspekten lassen sich die Wesensglieder betrachten?

Was ist der Schwerpunkt des jeweiligen Aspektes?

Welchen Bereich erschließt er uns jeweils?

Allgemeine Gesichtspunkte

Die Wesensglieder können in Anlehnung an die Kategorien des Aristoteles unter folgenden Aspekten betrachtet werden:

  1. a)    Kategorie des Raumes als physischer Aspekt
  2. b)    Kategorie der Zeit als ätherischer Aspekt
  3. c)     Kategorie der Relation als astraler Aspekt
  4. d)    Kategorie der Substanz als Wesens- bzw. Ich-Aspekt.

Das zu wissen hilft, die unterschiedlichen Aspekte richtig einordnen zu können. Die Wesensglieder betreffen Ärzte, Therapeuten und Pädagogen gleichermaßen, doch hat Rudolf Steiner sie den beiden beruflichen Ausrichtungen unter verschiedenen Blickwinkeln nahegebracht. Das lag an der damaligen Zeit. Man muss bedenken, dass der 1. Ärztekurs,[1] der sehr stark auf der funktionellen Dreigliederung aufbaut, zu einer Zeit gehalten wurde, als Rudolf Steiner noch nicht in der Lage war, so zu sprechen, wie er es später konnte. Er sagt das auch an einer Stelle, wo er darum ringt, das Wort „Ätherleib“ bei den damaligen Zuhörern gebrauchen zu dürfen. Es schildert deshalb alles sehr aus Sicht der funktionellen Dreigliederung

  • des Nervensinnessystems (NSS)
  • des rhythmischen Systems (RS)
  • und des Stoffwechselgliedmaßensystems (StGS).

Doch arbeitete er konsequent darauf hin, die Wesensglieder in der heutigen Begrifflichkeit einzuführen – was er im Laufe des Kurses dann auch ausführlich macht. Er geht aber zunächst von der funktionellen Dreigliederung aus. Später sagte er sinngemäß:

  • Die Lehrer müssten lernen, die Vier in der Drei zu handhaben.
  • Wir Ärzte müssten lernen, die Drei in der Vier zu handhaben.

a)    Physischer Aspekt: Die Wesensglieder im Raum

In „Grundlegendes…“,[2] dem Buch, das er gemeinsam mit Ita Wegmann geschrieben hat, schildert Rudolf Steiner das Prinzip der Viergliederung, der Blick auf die Wesensglieder im Raum, durchgängig als dasjenige Bild des Menschen, das der Medizin, aber auch jeder anderen wissenschaftlichen Anschauung des Menschen zugrunde liegt. Unter diesem Aspekt umfasst

  • der physische Leib als individualisierter Gesetzeszusammenhang alle Gesetze der Festkörpermechanik
  • der Ätherleib alle Gesetzmäßigkeiten des Flüssigen
  • der Astralleib alle Gesetzmäßigkeiten des Luftigen
  • die Ich-Organisation alle Gesetzmäßigkeiten der Wärme

Und auch wenn man den Eindruck hat, uns Ärzten sollte diese Viergliederung in Fleisch und Blut übergehen, so ist es uns selbstverständlich nicht verboten, auch von der funktionellen Dreigliederung auszugehen.

b)    Ätherischer Aspekt: Die Wesensglieder in der Zeit

Die Lehrer bekamen vorzugsweise den zeitlichen Aspekt der drei Geburten nach den Jahrsiebten geschildert:

  • mit 7 Jahren wird der Ätherleib,
  • mit 14 Jahren im Durchschnitt der Astralleib,
  • mit 21 Jahren wird die Ich-Organisation geboren.

Im Alter lösen sich die Wesensglieder entsprechend wieder aus dem Körper heraus. In dem Vortragszyklus – „Die gesunde Entwicklung des Menschenwesens“[3] – stellt Rudolf Steiner die Geburten der Wesensglieder ausführlich als kontinuierlichen Prozess dar. Wenn man diesen Zyklus studiert, begreift man plötzlich, dass das Schema der drei Geburten extrem vereinfacht dargestellt ist, wenn nicht jedes Jahrsiebt wiederum gedrittelt wird. So ergeben sich als zusätzliche markante Meilensteine:

  • 2 ein Drittel
  • 4 zwei Drittel
  • 7 Jahre
  • 9 ein Drittel
  • 11 zwei Drittel
  • 14 Jahre
  • 16 ein Drittel
  • 18 zwei Drittel
  • 21 Jahre

c)    Astraler Aspekt: Durchdringungsaspekt der Wesensglieder

Hier werden die Wesensglieder unter dem Gesichtspunkt der inneren Durchdringung angesehen. Dieser Beziehungsaspekt bringt die Relation der Gesetzeszusammenhänge auf wunderbare Art in Bewegung, wenn man sich fragt, wie ein Wesensglied sich im anderen betätigt. Oder wie Goethe es ausdrückt, „wie alles sich zum Ganzen webt, eins in dem andern wirkt und lebt.“ Rudolf Steiner erstellte dazu ein Schema,[4] das auf einen Blick zeigt, was z.B. die Ich-Organisation im Ätherischen macht, oder der Ätherleib im Astralischen usw.:

Der Ichleib gibt im Physischen: die Form
im Ätherischen:       innere Bewegung
im Astralischen: inneres Leben
im Geistigen: Beseelung
Der Astralleib gibt im Physischen: Bewegung
im Ätherischen:       Begehrung
im Astralischen: Gefühl
im Geistigen: Denken
Der Ätherleib gibt im Physischen: Selbsterlebnis
im Ätherischen:       Selbsterkenntnis
im Astralischen: Gefühl
im Geistigen: Denken

     

Der physische Leib gibt im Physischen: Egoität = Insichsein
im Ätherischen:       Vorstellung
im Astralischen: Empfindung, Gefühl
im Geistigen: Wahrnehmung

                               

d) Aspekt der Ich-Organisation: Wesensbezug der Wesensglieder

Der Wesensaspekt der Wesensglieder, der „Integrationsaspekt“, hilft uns den Bezug zu den geistigen Wesen herzustellen, indem wir Aufschluss darüber bekommen, welcher Hierarchie wir das jeweilige Wesensglied verdanken:

  • Die Ich-Organisation ist ein Geschenk der Wesensopferkraft der Geister der Form.
  • Der Astralleib ist ein Geschenk der Wesensopferkraft der Geister der Bewegung.
  • Der Ätherleib ist ein Geschenk der Geister der Weisheit.
  • Der physische Leib ist ein Geschenk der ersten Hierarchie der Throne.

Dieser ursprüngliche Wesensbezug, die Art, wie unsere Wesensglieder – und damit unser menschliches Wesen – mit den Hierarchien zusammenhängen, aber auch der trinitarische Hintergrund, dass wir Geschöpfe der zweiten und ersten Hierarchie sind und dass die dritte Hierarchie uns hilft, unsere Göttlichkeit hier auf Erden wiederzufinden, öffnet uns die Augen für die Gottebenbildlichkeit des Wesensgliederwirkens und lässt uns erkennen, welches Instrument uns da zur Verfügung steht.

Vgl. Vortrag über Wesensglieder auf der Schulärztetagung 2016

                     


[1] Rudolf Steiner, Geisteswissenschaft und Medizin, Zwanzig Vorträge für Ärzte und Medizinstudierende, Dornach 21. März bis 9. April 1920.

[2] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. GA 27. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1991.

[3] Rudolf Steiner, Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik (Weihnachtskurs für Lehrer), 16 Vorträge, Dornach, 23. Dezember 1921 bis 7. Januar 1922.

[4] Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr. 34, Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1971, S. 23.

GEGENÜBERSTELLUNG VON PHYSISCHEM LEIB, FESTEM UND LUNGE

Wie hängen physischer Leib, die Lunge und das feste Element zusammen?

Welche Gemeinsamkeiten haben sie und was kann uns das sagen?

Was Wesensglieder, Organe und Elemente verbindet

Wenn man die Entstehung der Inkarnationsorgane der Wesensglieder in der Embryonalzeit studiert, kommt man wie von selbst auf die Funktionsdynamik der dazugehörigen Wesensglieder. Näheres zeigt die folgende Gegenüberstellung von Wesensglied, dazugehörigem Element sowie des entsprechenden Organes.

· Die Lunge als Inkarnationsorgan des physischen Leibes

Die Lunge ist das Inkarnationsorgan für das Physische und der Melancholiker unter den Organen. Über sie erfolgt die erste Einatmung und die letzte Ausatmung. Ich habe immer wieder versucht mir klarzumachen, wieso physischer Leib und Lunge zusammengehören. Dafür gibt es mehrere Indikatoren:

  1. Kohlenstoff, als Urbaustoff der physischen Form, wird über die Lunge ständig ein- und ausgeatmet. 
  2. Auch ist die Lunge dem Physischen so nahe, weil sie beim Embryo aus dem Vorderdarm aussprosst, der später den Schlundbereich bildet, den Bereich über den später die physische Nahrung aufgenommen wird. Genau dort sprossen die Lungenbläschen in dichotomer Weise aus einem gemeinsamen Bläschen aus dem Darm heraus. In der anthroposophischen Kosmologie entspricht der Darm der Erde und die sieben Flüssigkeiten den Planeten.
  3. Das Urprinzip, das daran anschließt, ist die Aufnahme der physischen Welt. Die geistige Welt schafft sich dieses Tor ins Physische, indem sich die Außenwelt über die Atmung ständig in das Physische hineinschiebt. Man kann sich den Bronchial-Baum vorstellen, der sich in den physischen Körper wie hineinstülpt. Er bildet immerhin eine Fläche von 80-100 m², die als Alveolen-Oberfläche von der Außenluft bestrichen wird!
  4. Das Bauprinzip unserer Lunge ist zudem dualer Natur. Das finden wir im Physisch- Mechanischen beim Computer wieder: 2 – 2 – 2. So bildet sich die Lunge auf der linken Seite aus zwei, aus der rechten aus drei Bläschen, die sich weiter und weiter teilen.
  5. Dabei ist die Lunge vollkommener Passivität unterworfen, sie kann aus sich selbst heraus gar nichts, wird wie eine Marionette von außen bewegt – auch das eine Eigenschaft des Festen, Physischen. Sie wird durch die Atemmuskulatur bewegt, wird gehalten und gestützt vom Umkreis. Die Lunge ist ein Organ, das aus sich heraus in keiner Weise partizipieren kann.

· Funktionsdynamik des physischen Leibes

Dass wir so fest und solide gebaut sind, verdanken wir unserer physischen Konstitution. Diese Festigkeit liegt dem genetischen wie auch dem reellen Fingerabdruck zugrunde. Beide sind Marker, über die man das Individuum identifizieren kann. Unser physischer Leib zwischen Geburt und Tod sieht trotz seiner Festigkeit in jedem Jahr anders aus. Es wäre wunderbar, wenn es Bilder eines Menschen gäbe, der sein ganzes Leben hindurch, vom ersten bis zum letzten Tag, fotografiert wurde. Das wird es sicher einmal geben, das würde ich gerne sehen! Daran würde sich zeigen, wie wandelbar der feste physische Leib ist, dass seine Form sich ständig ändert, – einfach aufgrund der Tatsache, dass in ihm Prinzipien der Verwandlung wirken:

  • Leben,
  • Seele
  • und Geist.

Dem entgegen wirkt aber auch das Prinzip, das ständig zum Augenblick sagt: „Verweile doch, du bist so schön!“ Das ist die gnadenvolle Widerstandskraft des physischen Prinzips, das den momentanen Zustand, das aktuelle Aussehen festhalten möchte.

Rudolf Steiner nennt die Wesensglieder auch Gesetzeszusammenhänge. Das finde ich für uns Mediziner immer den besten Begriff. Gesetzeszusammenhang macht deutlich, dass der physische Leib nicht materiell ist. Er besteht vielmehr aus Gesetzmäßigkeiten,

  • die ausscheiden,
  • die differenzieren,
  • die formen
  • und verfestigen können.

Der physische Leib erscheint als feste Form, er scheint aus dem Wässrig-Prozessualen herauszufallen, von Moment zu Moment. Würde man einen Menschen von Geburt an jeden Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt fotografieren, würde man sehen, wie der Mensch vom Neugeborenen bis zum 90-Jährigen jeden Tag ein anderer ist. Das könnte man sich anhand dieser Bilder bewusst machen: Wir sind an keinem Tag dieselben wie am Tag zuvor. Wir werden täglich neu aus dem Flüssigen heraus geformt und verändern uns dabei, kaum merklich, aber doch.

· Eigenschaften des festen Elementes

Rudolf Steiner arbeitete in seinen Schriften heraus, dass man das Physisch-Feste eigentlich nur nach dem Tod richtig erkennen könne, wenn das Ätherische den Leib verlassen hat. Der physische Leib hat immer das Bestreben, aus dem Zeitlich-Prozessualen herauszufallen und sich erstarrend in den Raum hineinzubegeben. Er wird jedoch vom Ätherleib immer wieder zurückgehalten, zurückgezogen, damit er nicht dem Leben „entfällt“ und stirbt.

Das sind jetzt nur ein paar Haupt-Indikatoren, um anhand der jeweiligen Funktionsdynamik der Organe darzustellen, welches Wesensglied sich in ihnen inkarnieren bzw. „am Körper befestigen“ kann. Deswegen sind diese vier auch die transplantationspflichtigen Organe. Man kann ohne sie nicht leben. Sie begrenzen das Leben unwiederbringlich, wenn sie ausfallen. Man kann den Ausfall vorübergehend überbrücken durch Medikamente oder – im Falle der Niere – durch die Dialyse, aber dann muss man transplantierten, um den Wesensgliedern sozusagen wieder ein neues Gefäß anzubieten, falls das Leben noch weitergehen kann und soll.

Vgl. Vortrag über Wesensglieder auf der Schulärztetagung 2016

GEGENÜBERSTELLUNG VON ÄTHERLEIB, WASSER UND LEBER

Wie hängen der Ätherleib, die Leber und das Element Wasser zusammen?

Welche Gemeinsamkeiten haben sie und was kann uns das sagen?

Was Wesensglieder, Organe und Elemente verbindet                                     

Wenn man die Entstehung der Inkarnationsorgane der Wesensglieder in der Embryonalzeit studiert, kommt man wie von selbst auf die Funktionsdynamik der dazugehörigen Wesensglieder. Näheres zeigt die folgende Gegenüberstellung von Wesensglied, dazugehörigem Element sowie des entsprechenden Organes.

· Die Leber als Inkarnationsorgan des Ätherleibes

Die Leber, das Zentralorgan unseres Stoffwechsels, ist das sozialste Organ, das wir haben. Sie ist der Inkarnationsort des Ätherleibes, der ja ein Zeitenleib ist. In der Leber überwiegt jedoch das Leben und nicht die Zeit. Es finden über tausend biochemische Reaktionen gleichzeitig in einer einzigen Leberzelle statt: Abbau, Aufbau, alles geschieht gleichzeitig, ein unglaubliches Multi-Tasking in einem unaufhörlichen Strömen, das, als Ganzes betrachtet, auch etwas Phlegmatisch-Beständiges aufweist. Deshalb wird die Leber als Phlegmatiker unter den Organen bezeichnet.

· Funktionsdynamik des Ätherleibes

Auch der Ätherleib ist ein Meister im Multi-Tasking, der alles gleichzeitig kann und dabei eine lockere Ordnung herstellt. Er muss nichts ins Nacheinander bringen, das ist großartig. Wenn das Multitasking jedoch zu einem Nacheinander wird, die Zeit also in den Raum gerät, wird die Zeit mechanistisch: Dann folgt sie einer Reihenfolge und wird linear. Dann wird alles ganz mühsam.

An sich ist der Ätherleib seiner Natur nach vollkommen stress-resistent. Er kann sich mit seinen Rhythmen, seinen Schwingungen, seinem Kohärenz-Prinzip, seiner Friedensfähigkeit über das wässrige Element wunderbar ausdrücken. Im Ätherisch-Wässrigen gibt es keinen Druck, sondern nur Auftrieb, einen zarten Sog nach oben.

Rudolf Steiner sagt, dass jede Körperform eine zur Ruhe gekommene Bewegung des Ätherischen ist. Das Ätherische ist ständigem Wechsel unterworfen, ist jeden Moment anders und ist trotzdem immer Ausdruck derselben Gesetzlichkeit, die sich treu bleibt. Goethe nannte das die Dauer im Wechsel. Dem entspricht der Gedanke des ewigen Ich, er persistiert. Jeder Gedanke ist für sich real und dauerhaft.

Goethe versuchte immer wieder, das Ätherische, dieses Geheimnis des Lebens, in Worte zu fassen:

In Lebensfluten, im Tatensturm

Wall ich auf und ab,

Webe hin und her!

Geburt und Grab,

Ein ewiges Meer,

Ein wechselnd Weben,

Ein glühend Leben.

So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit

Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.[1]

· Eigenschaften des Elements Wasser

Nun noch ein paar charakteristische Eigenschaften des Elements Wasser. Was für eine lebendige Welt ist das Wasser doch! Alles hängt mit allem zusammen. Wenn zwei Wassertropfen sich begegnen, werden sie zu einem Wassertropfen. Sie haben keine Lust auf Individualisierung, aber hundert Prozent Lust auf Gemeinsamkeit. Es gehört zum Wesen des Wassers, einen gemeinsamen Mittelpunkt zu bilden. Könnten alle Wassermassen dieser Erde zusammenfließen, hätten sie einen gemeinsamen Schwerpunk, ein Gruppen-Ich, ein Lebens-Ich, ein Lebenszentrum.

Nur weil das Wasser in einem Körper eingeschlossen ist, muss es sich dort nolens volens individualisieren. Dann sagen wir: mein Leben, meine Zeit.

Wasser ist zudem inkompressibel, ist völlig resistent gegen Druck. Wenn man Wasser abkühlt, sodass es sich verfestigt, dehnt es sich vielmehr aus und wird leichter. Das Eis schwimmt dann oben, damit die Fische darunter leben können. Das zeigt: Wasser, das Sinnbild des Lebens, lässt sich nicht unter Druck setzen.

Vgl. Vortrag über Wesensglieder auf der Schulärztetagung 2016


[1] J.W. Goethe, Faust. Der Tragödie erster Teil, 1808, Geist zu Faust.

GEGENÜBERSTELLUNG VON ASTRALLEIB, LUFT UND NIERE

Wie hängen der Astralleib, die Niere und das Element Luft zusammen?

Welche Gemeinsamkeiten haben sie und was kann uns das sagen?

Was Wesensglieder, Organe und Elemente verbindet

Wenn man die Entstehung der Inkarnationsorgane der Wesensglieder in der Embryonalzeit studiert, kommt man wie von selbst auf die Funktionsdynamik der dazugehörigen Wesensglieder. Näheres zeigt die folgende Gegenüberstellung von Wesensglied, dazugehörigem Element sowie des entsprechenden Organes.

· Die Niere als Inkarnationsorgan des Astralleibes

Kein Organ zeigt im Flüssigen krasser das Prinzip der Polarisierung zwischen Konzentration und Verdünnung als die Niere. Die Niere vollbringt im Flüssigen, was die Luft im Gasförmigen macht. Das vollzieht sich in mehreren Schritten:

  1. Zuerst werden 180 l bis 200 l Primärharn aus dem Blut herausverdünnt – das entspricht dem Sog im Gasförmigen. Der Primärharn ist ja weißes Blut, Blut ohne Zellen, eine wunderbare klare Flüssigkeit.
  2. Dann wird der Harn wird für die Ausscheidung auf ein Hundertstel eingedickt und konzentriert, auf 1, 5 bis 2 Liter Sekundärharn, je nach Wärme draußen. Das entspricht dem Druck im Gasförmigen.

Das heißt, die Gesetze der Luft und des Seelischen bilden sich in der Niere ab. Das Blut muss immer wieder durch die Niere hindurch. Über die maximale Verdünnung und die anschließende Konzentration bei der Rückresorption der Flüssigkeit in den Körper, wird die Substanz durchlichtet, „durchluftet“ und astralisiert. Dieser Prozess stellt einen wunderbaren Atemvorgang zwischen Verdünnung und Konzentration dar. Er entspricht gleichsam der Dynamik der Luft im Wässrigen: Über die Niere kann der Astralleib in den Stoffwechsel, ins Wässrig-Feste, eingreifen. Die Funktionsdynamik der Polarisierung von Druck und Sog, die sonst nur im Element Luft möglich ist, wird über die Niere als Prinzip auf den Bereich des Flüssigen, wo der Stoffwechsel stattfindet, übertragen.

Diese Funktionsdynamik entspricht auch der polarisierenden Differenzierung des Astralisch-Seelischen der Gefühle. Man kann deshalb sagen, die Nieren sind der Sanguiniker in uns.

· Funktionsdynamik des Astralleibes

Das Funktionsprinzip des Astralleibes ist die Differenzierung. In der normalen Entwicklung kennt man die astrale Aktivität der Zelldifferenzierung. Jede Zelle wird differenziert und damit auch in ihrer Lebensdauer begrenzt. Alles Differenzierte wandert dem Tod entgegen. Das Undifferenzierte ist dem Leben näher, damit auch frisch. Die Nervenzellen, als die astralsten Zellen, die wir haben, sind die differenziertesten. Sie gestalten sich ständig noch ein bisschen differenzierter aus in den Bewusstseins- und Nervenprozessen. Der Prozess des Freiwerdens des Astralleibes vollzieht sich von Geburt an parallel zum Freiwerden der Ätherkräfte, nur in geringerem Ausmaß, als es beim Ätherischen geschieht. Kleine Kinder fühlen ja schon, aber noch sehr stark körperbezogen. Die astralen Kräfte kennen ihre Leibfreiheit noch nicht so richtig. Warum? Weil die Geschlechterdifferenzierung die Hauptarbeit des Astralleibes ist: das Herausplastizieren von männlich und weiblich.

Der Astralleib hat eine Gesetzmäßigkeit, die auch der Luft eigen ist. Man kann sagen: Die Urdynamik des Seelischen entspricht der Dynamik der Luft. Das macht verständlich, warum sich der Astralleib ausschließlich über die Luft inkarnieren kann: weil sie seinem Wesen entspricht. Wie unsere Seele sich äußert, entspricht dem Gesetz der Luft, demgemäß Druck und Sog als Gegensatzpaar auftreten. Die Seele äußert sich entsprechend über die Polarität von Sympathie und Antipathie, über differenzierte Gefühle und Bewusstseinsprozesse. Die seelische Dynamik spielt sich immer zwischen Druck (Stress) und Sog (Entspannung) ab. Dazu gehören alle Aggressionen, alle emotionalen Stauungen. Auch alles Sich-Verhaken im Burnout aufgrund von zu viel Druck, ist typisch für das Seelisch-Astralische.

· Eigenschaften des Elements Luft

Überall wo Luft ist, kommt das Gegensatzpaar von Druck und Sog gemeinsam vor. Der kardinale Unterschied zwischen Ätherleib und Astralleib, zwischen Wasser und Luft, ist, dass Wasser inkompressibel ist, während Luft komprimiert werden kann. Alles was mit Druck bzw. mit Stress, zusammenhängt, ist typisch astral. Es entspricht der Dynamik der Luft, dem Wechsel zwischen Druck und Sog.

Nur die Luft lässt sich komprimieren, nur der Astralleib lässt sich unter Druck setzen. Um der seelischen Gesundheit willen, müssen wir einen Weg finden, Druck und Sog harmonisch aufeinander abzustimmen, dass sie im Alltag einem rhythmischen Wechsel unterliegen zwischen Anpacken-Wollen und Loslassen-Können.

Beispiele aus der Natur für die Wirkung von Druck und Sog

Nun noch ein paar Beispiele aus der Natur, die das physikalische Prinzip verdeutlichen und gleichzeitig ein Bild sind für den geistig-seelischen Prozess. 

1. Warum Zugluft eine Tür zuschlagen lässt

Als Kind habe ich mich immer gewundert, dass, wenn der Wind durch eine offenstehende Tür ins Haus kommt, diese nicht weiter auf-, sondern zugeht. Das konnte ich nicht verstehen, bis meine Mutter, die das studiert hatte, mir den physikalischen Zusammenhang erklärte: Wenn ein starker Wind weht, entsteht ein Sog, die Luft wird auseinandergezogen und dünn, d.h.  wo Zug entsteht, wird gesaugt. Hinter der Tür verdichtet sich die Luft dagegen, weil sie noch zusätzlich gedrückt wird. Das Zusammenwirken von Sog und Druck bewirkt, dass die Tür zuknallt – je nachdem, wie stark der Zugwind ist.

2. Die Dynamik des Fliegens

Sog und Druck liegen auch der Dynamik des Fliegens zugrunde, das können wir sehr schön an der Gestalt von Vögeln und Flugzeugen sehen. Im Luftraum oberhalb von beiden wird die Luft auseinandergezogen dünner, wenn die Flügel sich bewegen, es entsteht ein Sog nach oben. Unterhalb von Vogel oder Flugzeug staut sich die Luft und wird komprimiert. Je schneller Vogel oder Flugzeug werden, desto stärker wird gezogen und gedrückt. Die beschriebene Aerodynamik lässt beide hochsteigen. Alle Flugzeuge sind dem Vogel abgeschaut, weil seine Körperform von den Gesetzen der Luft für die Bewegung in der Luft gebildet wurde, so wie der Fisch seine Körperform dem Wasser verdankt.

3. Werden und Vergehen am Beispiel der Wolke

Auch Wolken geben uns wertvollen Aufschluss über das Wesen von Luft. In den Randzonen einer Wolke können wir sehen, wie diese sich auflöst und verschwindet, wenn die Luft sich erwärmt. Und wie die Luft sich verdichtet und sichtbar wird, wenn es kälter und der Druck größer wird. Gasförmiges hat keine Richtung. Es breitet sich allseitig in jede Richtung aus.[1] Dadurch können sich überall Wolken bilden und auch wieder auflösen.

Rudolf Steiner empfiehlt uns als Konzentrations- und Gedankenübung, Wolkenformen zu beobachten. Immer wenn wir den Entstehungsprozess einer Wolke beobachtet haben, empfiehlt er, die Augen zu schließen und den gesamten Prozess noch einmal in der inneren Anschauung nachzuvollziehen. Denn hier zeigt sich das Wesen von Entstehen und Vergehen, das In-Erscheinung-Treten und Verschwinden in Reinstform. Dieses Wesen oder Prinzip ist an sich unabhängig von Raum und Zeit. Es kommt aus der Ewigkeit in Raum und Zeit herein, es erscheint und es verschwindet. Nur am Beispiel der Wolken lässt sich dieses Prinzip von Erscheinen und Verschwinden in reinster Form beobachten: dass etwas in die Zeitlichkeit von Bildung (Werden) und „Entbildung“ (Vergehen) eintaucht und sich wieder herauslöst.

Wenn wir das auf der Erde anhand des Sterbens von Pflanzen, Tier und Mensch beobachten, ist das Vergehen nie vollkommen, es bleiben immer Reste übrig. In der Luft hingegen ist es ganz rein und archetypisch zu sehen.

Vgl. Vortrag über Wesensglieder auf der Schulärztetagung 2016


[1] Gas breitet sich idealerweise allseitig aus, weil es keine Schwere hat, wie der Wasserstoff, der deswegen auch dem Gravitationsfeld der Erde entflieht. Der Wasserstoff gleicht am ehesten dem idealen Gas. Er wird von der Sonnenwärme angezogen und konzentriert sich in der Sonne, die überwiegend aus Wasserstoff besteht. Würde sich der Sauerstoff nicht mit dem Wasserstoff verbinden und als H2O zur Erde herunterregnen, gäbe es keinen Wasserstoff auf der Erde. Der Sauerstoff holt ihn im Wasser auf die Erde zurück.

GEGENÜBERSTELLUNG VON ICH-ORGANISATION, FEUER UND HERZ

Wie hängen Ich-Organisation, das Herz und das Element Feuer zusammen?

Welche Gemeinsamkeiten haben sie und was kann uns das sagen?

Was Wesensglieder, Organe und Elemente verbindet

Wenn man die Entstehung der Inkarnationsorgane der Wesensglieder in der Embryonalzeit studiert, kommt man wie von selbst auf die Funktionsdynamik der dazugehörigen Wesensglieder. Näheres zeigt die folgende Gegenüberstellung von Wesensglied, dazugehörigem Element sowie des entsprechenden Organes.

· Das Herz als Inkarnationsorgan der Ich-Organisation

Das Herz ist als Wärmezentrum das Inkarnationsorgan der Ich-Organisation. Es ist der Choleriker unter den Organen.

Das Herz-Kreislaufsystem ist der Ort, an dem wir Störungen der Ich-Organisation, aber auch die integrierende Wirkung des Wärmeorganismus am deutlichsten ablesen können. Jede Erkältung beginnt mit einem Zusammenbruch des Wärmeorganismus: Er kann dann den Körper nicht mehr in einem einheitlichen, behaglichen Wärmemilieu halten, es wird einem abwechselnd heiß und kalt. Jetzt muss man unterstützend eingreifen – es geht nicht mehr von selbst.

Wie Substanzen geisttragend werden

Rudolf Steiner wird nicht müde, zu sagen, dass der Satz von der Erhaltung der Energie nicht stimmt. Im Ich werden die Stoffe tatsächlich vernichtet und neu gebildet. Sie gehen durch einen Nullpunkt, das ist entscheidend für die Verwandlung der Substanz. Rudolf Steiner sagte sinngemäß: Wo ein Chemiker einen Stoff sieht, sehe ich einen Gedanken der Geister der Weisheit. Diese Materie gewordenen Gedanken der Geister der Weisheit wollen sich im Menschen durch die Transsubstantiation der Substanz wieder in Weisheit, diesmal in Menschenweisheit, verwandeln.

Wenn die Substanz in die Herzregion kommt, in die Feuerregion, die Stirb-und-werde-Region, tritt ein Todesmoment ein, der zur Metamorphose führt: Die Blutflüssigkeit stockt für Bruchteile von Sekunden, die Wesensglieder können aus dem Körper heraustreten und zu leibfreier Geistigkeit werden. Wenn die Substanz dieses Sterben und die Loslösung des Geistigen durch die Einwirkung der Ich-Organisation erlebt, erfährt sie, was es heißt, im Menschen geisttragend zu werden.

Fakt ist: Der Wärmeorganismus, der im Herzen sein Zentrum hat, bestimmt den gesamten Metabolismus.[1] Der Wärmezustand eines Menschen bestimmt über die Art und Weise, wie seine Biochemie funktioniert. Was sich ablagert und was im Fluss bleibt, hängt vom Wärmezustand ab.

· Funktionsdynamik der Ich-Organisation

Die Ich-Organisation, egal wo sie erwacht, ob im Denken, Fühlen, Wollen oder im Ich, hat immer die Wirkung, dass sie vereinheitlicht, dass sie zusammenführt. Dass sie verbindet, dass sie integriert. Dass sie Ganzheiten schafft. Wenn man eine Ich-Berührung hat mit seinem wahren Selbst, fühlt man sich wieder ganz, fühlt sich gerechtfertigt, getröstet. Sämtliche Begriffe von Heil, vom Ganzen, gehören zur Ich-Organisation.

· Eigenschaften des Elements Feuer

Jetzt ein paar Charakteristika des Feuerelements: Das Feuer verbrennt, leuchtet, entfaltet Hitze, verwandelt. Aber es bringt auch die Trennung zwischen Geist und Stoff zustande. In „Grundlegendes …“,[2] in den fünf Kapiteln, die der Viergliederung und der Metamorphose der Seelenkräfte gewidmet sind, schildert Rudolf Steiner die Verwandlung der Substanz auf den Verbrennungswegen der Verdauung, indem er uns teilhaben lässt am Prozess, den die Nahrungssubstanz durchmacht. Sie muss durch alle vier Kräftezusammenhänge hindurch:

  • Zunächst wird sie im Verdauungstrakt physisch isoliert. Das heißt, im Verdauungsvorgang wird alles zerkleinert, aufgespalten und weiter individualisiert.
  • Im Darm wird die Substanz ätherisiert. Sie wird verflüssigt, zu einem Brei gemacht, bis hin zum Pfortaderblut.
  • In der Niere wird die Substanz astralisiert, „durchlüftet“ und durchseelt.
  • Im Herzen schließlich wird die Substanz erwärmt bis sie reiner Zustand wird: Sie geht mithilfe der Ich-Organisation aus Raum und Zeit nicht nur heraus, sondern sie verschwindet ganz. Wenn eine Substanz nur noch aus reinem Zustand besteht, ist sie physisch nicht mehr da.

Neuschöpfung im Menschen

Wenn wir mineralische Substanzen verordnen, Metalle und Mineralien, die der Ich-Organisation dienen sollen, nehmen wir eine Potenz von D30, weil hier mit Sicherheit keine Substanz mehr vorhanden ist. Wählen wir niedrigere Potenzen, wollen wir in der Ich-Organisation die letzten Stufen der Vergeistigung mit anregen. Warum? Weil die Substanz nur dann geisttragend ist, wenn sie sich entkörpert hat und das Wirkprinzip der Substanz der Ich-Organisation leibfrei dient und so dem Menschengeiste zur Verfügung steht.

Das ist der Kreislauf der Natur: Der Evolutionsprozess hat zur Materie geführt und im Menschen wird die Materie wieder vollständig zurückgeführt zum geistigen Ursprung. Materie wird vergeistigt, wird geisttragend. Das ist das Sehnsuchtsziel der Schöpfung.

Und so kann sich die Schöpfung durch den Menschen fortsetzen, weil sie im Menschen durch den Nullpunkt der Ich-Werdung geht. Das ist der tiefe esoterische Hintergrund, warum die Beschäftigung mit dem Mysterium des Herzens so wichtig ist.

Vgl. Vortrag über Wesensglieder auf der Schulärztetagung 2016


[1] Rudolf Steiner, Vorträge über Medizin, Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft, GA 314.

[2] Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. GA 27, Dornach 1991.

WESENSGLIEDERAKTIVITÄT BEI NACHT

Inwiefern unterscheidet sich die Aktivität der Wesensglieder bei Tag und bei Nacht?

Warum welche Wesensglieder nachts den Leib verlassen

In der anthroposophischen Menschenkunde gehen wir davon aus, dass sich beim Erwachsenen Astralleib und Ich nachts beim Einschlafen vom Ätherleib trennen, sich weit ausdehnen und morgens erneuernde Kräfte aus dem Kosmos mitbringen. (Wenn Astralleib und Ich-Organisation nach dem 2. und 3. Jahrsiebt leibfrei geworden sind, verbinden sie sich nie mehr mit dem Körper. Ein kleiner Teil der Ätherkräfte bleibt dagegen immer leibgebunden, um unsere Organe und vor allem unser Gehirn am Leben zu erhalten.)

Manchmal, wenn wir schnell einschlafen, können wir den Trennungsmoment spüren. Wir erschrecken, weil wir das Bewusstsein zu schnell verlieren, zucken zusammen und kommen für einen kurzen Moment wieder zurück. Wer darauf zu achten versucht, kann diesen Moment mitbekommen.

Auch der tagsüber leibfreie Anteil des Ätherleibes, der Gedankenorganismus, geht nachts in den physischen Körper hinein, um soweit wie möglich an der Regeneration des physischen Leibes zu arbeiten. Der Ätherleib selbst bezieht seine regenerierende Kraft aus dem inneren Kosmos des meditativen Lebens: aus den Idealen und Lebensmotiven. Wenn wir untertags gute Gedanken pflegen, werden sie während der Nacht zu heilenden Kräften. Wenn man sich am Tage dagegen nur mit Notwendigkeiten und Pflichten befasst und auf materialistische Art über materielle?  Belange nachdenkt, schwächt man seinen Organismus.

Nächtliche Mitgestalter am Leib des Kindes

Beim Kind wirken auch Ich-Organisation und Astralleib nachts auf den Leib ein, weil sie gar nicht wegkönnen, solange sie sich als Wesensglieder noch nicht vom Leib emanzipiert haben. Ich-Organisation und Astralleib von Kindern müssen also über die Sinne, über das Erleben im Leib, in einer Art angeregt werden, dass die tagsüber gesammelten Erfahrungen den physischen Leib nachts in positiver Weise prägen. Denn alles, was ein Kind an Leib und Seele erlebt, wirkt sich auf die Wachstums-, Reifungs- und Entwicklungsprozesse aus. Erzieher und Lehrer sind somit durch die Art, wie sie bei Tage denken, fühlen und wie sie sich verhalten, Mitgestalter am Leibe des Kindes.

Vgl. Vortrag zum unruhigen Kind am Thementag 2012 in Dornach

INKARNIERENDE UND EXKARNIERENDE WESENSGLIEDERTÄTIGKEIT

Was ist unter inkarnierender und was unter exkarnierender Tätigkeit der Wesensglieder zu verstehen?

Wie hängen die beiden zusammen?

Zusammenhang von inkarnierender und exkarnierender Wesens­glieder­tätigkeit

Das Steinersche Paradigma von der Metamorphose der „inkarnierenden" Wesens­glieder­tätigkeit in die „exkarnierende", die das seelisch-geistige Leben ermöglicht, ist einerseits Grundlage für ein neues Verständnis des Leib-Seele-Zusammenhangs. Es bietet aber auch bisher nicht dagewesene Möglichkeiten, die Fachgebiete der Erziehungswissenschaften und Medizin in ihrem Zusammenhang zu verstehen und für die Weiterentwicklung von Therapie und Pädagogik zu nutzen. Denken, Fühlen und Wollen als seelisch-erfahrbare Qualitäten werden in ihrem Leibbezug durchschaubar:

  • Der Ätherleib kann damit als Träger des Gedankenlebens erkannt werden,
  • der Astralleib als Träger des Gefühlslebens
  • und die Ich-Organisation als Träger des Wollens bzw. Tuns.

Die inkarnierende Wesensgliedertätigkeit ermöglicht Selbsterfahrung und ist somit die Grundlage von Selbstbewusstsein im Leib.

Die exkarnierende Wesensgliedertätigkeit, deren Medium das Denken ist, das „Leben im Geiste", ist Grundlage für die Entwicklung eines bewussten, vom Leib emanzipierten, persönlichen Innenlebens.

Die inkarnierende und die exkarnierende Wesensgliedertätigkeit hängen im Kontext der Entwicklung des Menschen eng zusammen. So entwickelt sich z.B. unser Denken erst aus der schrittweisen Emanzipation des Ätherleibes – von der leibgerichteten Tätigkeit hin zur leibfreien, rein gedanklichen Tätigkeit.[1] Wird die gesunde Inkarnation des Ätherleibes durch die Erziehung nicht unterstützt, sondern behindert durch kognitives Frühtraining und die Förderung abstrakten Denkens, emanzipiert sich der Ätherleib zu früh und ein Mangel an Vitalität in der zweiten Lebenshälfte ist die Folge.

„Alles hat seine Zeit" ist daher die Grundlage der Waldorfpädagogik und ihres altersspezifischen Lehrplans.[2]

Vgl. Einleitung „Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker“, Loseblattsammlung mit 4. Aktualisierungslieferung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2012


[1] Rudolf Steiner, Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft in: Lucifer - Gnosis. 1903-1908, Dornach1987;

M. Glöckler, Gesundheit und Schule. Schulärztliche Tätigkeit an Waldorf- und Rudolf-Steiner- Schulen. Dornach1998.

[2] Tobias Richter, Lehrplan, Stuttgart 2003.

DIE METAMORPHOSE DER WESENSGLIEDER IN LEIBFREIES DENKEN, FÜHLEN UND WOLLEN

Was ist mit der Metamorphose der Wesensglieder gemeint?

Gesetzeszusammenhänge in Mensch und Kosmos

Rudolf Steiner gab den vier Gesetzeszusammenhängen des Physischen, Lebendigen, Beseelten und Durchgeistigten, sofern sie in der menschlichen Natur erscheinen, den Namen „Wesensglieder des Menschen“, verwendet dafür aber auch den Ausdruck „Organismus“ bzw. „Leib“, da die vier Gesetzeszusammenhänge in Mineral, Pflanze, Tier und Mensch in jeweils individualisierter Form vorliegen und damit auch individuell organisiert und geformt sind.

  • Der physische Organismus gehorcht den Gesetzen, die auch in der physikalisch-mineralischen Welt herrschen.
  • Der ätherische Organismus umfasst die Gesetzmäßigkeiten des Lebens, die die Pflanzenwelt bestimmen.
  • Der astralische Organismus beinhaltet die in der Tierwelt herrschenden Gesetze von Bewegung und Bewusstsein.
  • Die Ich-Organisation des Menschen hingegen löst die Naturgesetze aus ihrer naturgegebenen Bindung und befreit so den Geist aus der Natur. Dadurch wird das freie Spiel der Gedanken unter der Herrschaft des Ich möglich.

Schon 1907 hat Rudolf Steiner in seiner Schrift „Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft“[1] darauf hingewiesen, dass sich diese Wesensglieder nicht zeitgleich im Menschen entwickeln. Er spricht von vier sogenannten Geburten.

Geburten der Wesensglieder

Durch den Ausdruck „Geburt“ wird verdeutlicht, dass hier ein Zutage-Treten und Eigenständig-Werden vor sich geht von etwas, was zuvor noch nicht emanzipiert im Gesamtlebenszusammenhang des menschlichen Organismus tätig war.

1. Geburt des physischen Leibes

Ab dem Moment, in dem der physische Leib des Kindes geboren und vom mütterlichen Organismus abgenabelt ist, muss er lernen, sich selbst zu erhalten. Die am stärksten an die physische Umwelt angeschlossenen Organe – die Sinnesorgane und Verdauungswerkzeuge – treten nun in einen intensiven Anpassungs- und Entwicklungsprozess ein.

2. Geburt des Ätherleibes – Denken

Mit der Ausreifung die Schmelzkronen der zweiten Zähne im sechsten bis achten Lebensjahr vollzieht sich die Geburt des Ätherleibes: Diejenigen Kräfte, die Wachstum und Durchformung der verschiedenen Organsysteme bis hin zur Bildung der bleibenden Zähne bewirkt haben, werden nun leibfrei.[2] So wie das Freiwerden des physischen Leibes vom mütterlichen Organismus das Kind in die Lage versetzt, mit Hilfe der Sinneswerkzeuge mit der physischen Umwelt individuell zu kommunizieren, so bilden die freiwerdenden ätherischen Kräfte die Grundlage für ein in sich geschlossenes „Gedankenleben“. Eigenständige Gedankentätigkeit in Form willkürlich abrufbarer Erinnerungen und abstrakter Denktätigkeit werden jetzt möglich.

3. Geburt des Astralleibes – Fühlen

Mit dem Auftreten der sekundären Geschlechtsmerkmale bereitet sich die Geburt des Astralleibes vor, die zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr stattfindet. Sie ist von der Emanzipation des zuvor noch stark an den Körper gebundenen und von diesem abhängigen Gefühlsleben gekennzeichnet. Das Gefühls- und Empfindungsleben wird eigenständig und schließt sich jetzt zunehmend an das Denken an. Dadurch können sich Jugendliche in ganz anderer Weise in ihre eigene Seelenwelt zurückziehen, als das Kindern möglich ist.

4. Geburt der Ich-Organisation – Wollen

Zwischen 18 und 24 Jahren, wenn der physische Organismus ganz ausgewachsen ist, wird als letztes die Ich-Organisation geboren. Damit werden vom Körper befreite, rein geistige Willenskräfte für die eigene schöpferische Gedankentätigkeit frei. Die Ich-Organisation ist, wie das Menschen-Ich selbst, willenshafter, intentionaler Natur. Die Geburt der Ich-Organisation geht einher mit der „Willensreife“ und kennzeichnet damit den Beginn der Verantwortlichkeit des jungen Erwachsenen für sich selbst und für andere.

Vgl. „Begabungen und Behinderungen“, 4. Kapitel, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004


[1] Rudolf Steiner, Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft in: Luzifer-Gnosis. GA 34. Dornach 1987; ferner verschiedene Einzelausgaben.

Vgl. auch Stefan Leber: Die Menschenkunde der Waldorfpädagogik. Stuttgart 1994.

[2] Armin J. Husemann, Der Zahnwechsel des Kindes. Stuttgart 1996.

WESENSGLIEDER UND KRANKHEIT

Welche Rolle spielen die Wesensglieder bei der Entstehung von Krankheiten?

Welche karmischen Aspekte spielen hier eine Rolle?

Schuld in Motivation verwandeln

Sobald man über Krankheit und Karma spricht, kommt der Schuldgedanke auf. Er trägt jedoch meist nicht zum Verständnis dieser Zusammenhänge bei. Rudolf Steiner sagt, dass Schuld nur eine Aufgabe habe: das Gute, das wir hätten tun sollen – anstelle dessen, was wir getan haben – schnellstmöglich zu erfassen. D.h., das Bewusstsein von Schuld soll uns lediglich aufwecken. Wenn wir uns darüber hinaus immer weiter schuldig fühlen, machen wir uns und andere krank und haben gar keine Kraft uns zu ändern. Deshalb müssen wir unsere Schuld buchstäblich vergessen, sobald wir die Lösung gefunden haben, sonst verwandelt sie sich zu einer chronischen Erkrankung. Unser Ich sollte sich jederzeit frisch und unbefangen, bereit, etwas Neues zu lernen, ins Leben stellen.

Während der Nacht ernähren wir unseren physischen Körper mit all den Schwingungen, die wir tags zuvor über unser Denken, Fühlen und Wollen aufgebaut haben. Deshalb tragen eine kleine Rückschau, ein Gebet und stille Momente am Abend dazu bei, den Ätherleib auf die nächtliche Regeneration einzustimmen. Das ist der medizinische Aspekt in Bezug auf die Sinnhaftigkeit dieser Rituale. Es fehlt uns etwas, wenn wir sie nicht befolgen.

Dennoch gibt es viele Menschen, die gesund sind, obwohl sie Probleme haben und verursachen und völlig materialistisch ausgerichtet sind. Das liegt daran, dass mindestens vier Inkarnationen nötig sind, bis sich Probleme im Physischen manifestieren. Die Toleranz und Geduld Gottes ist sehr groß…

Vier Leben bis zur physischen Krankheit

Was man in einem Leben gelernt und mit dem Ich verdaut hat, nimmt man als stärkende Kraft über die Schwelle mit, die sich in der nächsten Inkarnation auf den Astralleib auswirkt. Wenn man dagegen Groll und andere aufgestauten Probleme mit über die Schwelle des Todes nimmt, bringt man sie in einer nächsten Inkarnation als Vorbelastung für den Astralleib wieder mit.

  1. Was im ersten Leben in der Ich-Organisation lebt,
  2. tragen wir im zweiten Leben im Astralleib. Wie wir damit umgehen,
  3. prägt sich im dritten Leben unserem Ätherleib ein und wird dort zur einer funktionellen Krankheitsdisposition. Auch dann könnte über gute Erziehung oder Selbsterziehung noch heilend darauf eingewirkt werden. Geschieht das nicht,
  4. wird das Ganze im vierten Leben zu einer angeborenen physischen Störung bzw. Erkrankung.

Krankheit ist also das Ergebnis, wenn man während der drei vorangegangenen Inkarnationen die freie Möglichkeit, sich zu ändern, nicht ergriffen hat. Deshalb ist es viel zu kurz gegriffen, wenn man den Ursprung für Erkrankungen im aktuellen Leben sucht. Dieser Ansatz ist nicht komplett falsch, er kann helfen, Menschen aufzuwecken, aber wenn man wirklich verstehen will, warum eine Person mit diesem und jenem zu ringen hat, muss man eine karmische Diagnose erstellen.

Das kann jeder selbst tun, indem er überprüft, wie er den Zustand seines Ätherleibes und seines Astralleibes erlebt. Daraus ergibt sich ein Nachklang der letzten Inkarnationen, die dem Zustand unserer Wesensglieder eingeschrieben sind, der Art wie sie arbeiten, wie wir das Leben erfahren, wie wir Dinge erleben, worin wir uns von anderen unterscheiden. Je mehr wir an uns selbst beobachten, umso empfindsamer werden wir dafür.

Vgl. Vortrag an der Tagung „International Conference Biographywork", England 2013

WECHSELWIRKUNGEN DER WESENSGLIEDER[1] AUFEINANDER

Welchen Einfluss haben die Wesensglieder aufeinander?

Gibt es da eine Rangordnung?

Einfluss der höheren Naturordnung auf die nächstniedere

Die Betrachtung der Naturreiche zeigt, dass die höhere Naturordnung die nächstniedere durchdringt und beherrscht. So fügen sich beispielsweise die mineralischen Substanzen im Organismus einer Pflanze der Gesetzlichkeit des Lebens ein und folgen erst wieder ihrem eigenen anorganisch-physischen Gesetzeszusammenhang, wenn die Pflanze welkt und abstirbt.

Entsprechend wirken auch die Wesensglieder im Menschen so aufeinander, dass die Funktionen des höheren Wesensgliedes diejenigen des nächstniederen weitgehend beherrschen.

Kompetenzen der Wesensglieder

· Kompetenz der Ich-Organisation

Mit Hilfe der Ich-Organisation kann der Mensch seine Intentionalität bzw. Willensbereitschaft auf alles richten, was ihm in Form von Gedanken oder Sinneseindrücken auf der Erde begegnet. Das ermöglicht reine Geistesgegenwart, völlige Unbefangenheit den Dingen der Welt gegenüber und Anwesenheit des Menschen-Ich in seiner körperlichen und seelisch-geistigen Existenz. In diesem Wesensglied sind wir immer „Herr der Lage“, indem es von uns abhängt, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, wie wir unseren Willen einsetzen und demgemäß im Denken und Handeln tätig werden.

· Kompetenz des astralischen Organismus

Schon weniger als Herr der Lage erleben wir uns im astralischen Organismus mit seiner wogenden Gefühlswelt, mit dem Begehren und Wünschen, mit all den Empfindungen, die wir begrüßen und bejahen, aber auch mit all den Missstimmungen und Blockaden, über die wir uns ärgern und über die wir oft trotz großer Mühe wenig oder gar nicht hinwegkommen. Dennoch können wir auch erleben, welchen Einfluss das Ich auf den Astralleib haben kann, wenn wir das wollen: So kann eine jahrelange Missstimmung infolge einer Beleidigung durch einen anderen Menschen mit einem Schlage aufgelöst und beendet werden, wenn einer der Beteiligten sich zu dem Entschluss durchringt, den anderen um Verzeihung zu bitten. Seelische Kränkungen, die sich unter Umständen jahrzehntelang ausgewirkt haben, können so in überraschender Weise behoben werden. Die Folge ist eine Erfrischung und Entspannung des Seelenlebens. Alles geht plötzlich leichter, die Gefühle sind heller, strahlender, das ganze Lebensgefühl kann ein anderes werden.

· Kompetenz des ätherischen Organismus

Auch der ätherische Organismus ist in hohem Maße davon abhängig, wie das ihm übergeordnete Wesensglied, der Astralleib, im Leben beansprucht wird. Jeder, der sich nur ein wenig selbst beobachtet, weiß genau, wie sehr Emotionen und bestimmte Grundempfindungen die Lebensfunktionen beeinträchtigen oder aber fördern können. Wer kennt nicht die verzehrenden Gemütsstimmungen, die einen nachts nicht schlafen lassen: nagende Zweifel und damit verbundene Gefühlsspannungen, Sorgen und damit verbundene Ohnmachtsgefühle. Vor allem Emotionen wie Neid und Eifersucht zehren an den Lebenskräften. Freude und Herzlichkeit und ein gewisses Maß an Zufriedenheit und Ruhe hingegen sind Gefühle, die den Appetit anregen, die Atmung erfrischen, den Kreislauf und die Herztätigkeit unterstützen. Die Aufbauvorgänge des Organismus, das geordnete Zusammenwirken der aufeinander angewiesenen Organe mit ihren Funktionen und deren Wechselwirkungen brauchen für ihre zyklischen Abläufe im 24-Stunden-Rhythmus ein Gefühlsleben, in dem starke Spannungen immer wieder ausgeglichen werden können und das Auf und Ab der Gefühle und vielfältigen Emotionen immer wieder auch vollständig zur Ruhe gebracht werden kann.

· Kompetenz des physischen Leibes

Die Gesundheit des physischen Leibes wiederum ist abhängig davon, dass der Stoffwechsel mithilfe des Ätherleibes im Fließgleichgewicht gehalten wird und dass gute Gewohnheiten und ein hygienischer Lebenswandel nicht zu vorzeitigen Abnutzungserscheinungen führen oder er sonst zu Schaden kommt.

Unterschiedlich schwierige Einflussnahme auf die Wesensglieder

Wer in dieser Hinsicht Selbsterkenntnis und Selbsterziehung übt, bemerkt zwar, dass er in jedem Augenblick auf sein Wesensgliedergefüge in förderlicher Hinsicht Einfluss nehmen kann, dass das meist aber gar nicht leicht ist, weil die Wesensglieder einen erstaunlichen Widerstand bieten. So kann es bisweilen fünfzehn oder gar zwanzig Jahre dauern, bis man dem Astralleib eine Veranlagung zu Ungeduld und Sich-Gehetzt-Fühlen abgewöhnt hat. Auch kann es große Mühe kosten, nur eine kleine Gewohnheit zu verändern, dem zyklisch arbeitenden Ätherleib mit seinen treuen gewohnheitsmäßigen Wiederholungen eine kleine Änderung beizubringen. Bisweilen gelingt es aber auch während eines ganzen Erdenlebens nicht, obwohl man vielleicht täglich oder immer wieder über eine längere Zeit damit gerungen hat.

Ist nun ein solches Bemühen umsonst?

Woher kommen die oft so starken Hemmnisse und Widerstände in den Wesensgliedern?

Es ist grundsätzlich möglich, durch Selbsterziehungsprozesse vom Ich aus in dieses Wesensgliedergefüge einzugreifen. Dennoch wird man dabei erleben, dass die Wesensglieder eine gewisse Konfiguration und Abgeschlossenheit haben, an der sich in diesem Leben grundsätzlich nicht so leicht etwas verändern lässt.

Am physischen Leib kann man das besonders deutlich sehen: Der Fingerabdruck bleibt zeitlebens derselbe, auch die Statur und Konstitution – und dennoch gibt es viele Einzelheiten, die sich im Laufe des Lebens ändern können. Der Gesichtsausdruck, die Mimik und die ganze Haltung spiegeln deutlich wider, welche Arbeit das Ich auf dem Umweg über Astralleib und Ätherleib am physischen Leib leisten kann, sodass man immer wieder auch von anderen Menschen, die einen länger nicht gesehen haben, hören kann: „Du hast dich stark verändert“.

Vgl. „Begabungen und Behinderungen“, 7. Kapitel, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004


[1] Rudolf Steiner verwendet mit Bezug auf die Wesensglieder den Ausdruck „Leib“ oft synonym mit „Organismus“ oder „Organisation“. Es ist mit diesen Worten stets auf den wirkenden, geformten Gesetzeszusammenhang hingewiesen, der eben ein in sich zusammenhängender, „organisierter“ ist.

WIRKUNG DER WESENSGLIEDER AUFEINANDER

Wie wirken die Wesensglieder aufeinander?

Ich möchte ein Schema in Erinnerung rufen, das wir auch in dem 2006 zur Kolisko-Tagung herausgebrachten Buch, „Gesundheit durch Erziehung“,[1] im Gedenken an den ersten Schularzt an Waldorfschulen, Eugen Kolisko, veröffentlichten. Das Schema stammt aus Koliskos Notizbüchern, aus seinen Aufzeichnungen zur Sinneslehre, und bringt uns Rudolf Steiner ganz nah, der für sich auch einmal ein Schema gemacht hat über das Zusammenwirken der Wesensglieder – darüber, wie welches Wesensglied im reifenden körperlich-seelischen Organismus auf die anderen wirkt.

1. Die Wirkung der Ich-Organisation auf die Wesensglieder:

Die Ich-Organisation oder der Ich-Leib gibt dem physischen Leib seine Form. Deshalb gilt es Formzustände zu beobachten, um daran die Ich-Signatur bis ins Physische zu erkennen.

Dem Ätherischen gibt die Ich-Organisation die innere Beweglichkeit, die innere Regsamkeit, die allem Lebendigen innewohnt.

Dem Astralischen gibt sie das innere Leben, denn das Ich lebt in der Seele als Ruhepunkt, als Anwesenheit. Wenn es da nicht anwesend sein kann, kann das betreffende Kind nicht bei sich sein.

Auf der Ich-Ebene, im Geistigen, wirkt das Ich beseelend, begeisternd, integrierend: Es erlebt sich „in sich“, erwärmt sich für etwas: Das Ich empfängt Wesen und Bedeutung von dem, womit es verbunden ist. Dadurch wird der Mensch wesentlich: Dieses beseelte Bei-sich-Sein will das Kind vor allem am Lehrer erleben, um es nachahmen zu können.

2. Die Wirkung des Astralleibes (AL) auf die Wesensglieder:

Dem Physischen Leib gibt der AL, der Problemträger, die Möglichkeit zur Bewegung.

Im Ätherischen wirkt der AL auf den Stoffwechsel, was sich als Begehren äußert, als die Art, wie ein Kind getrieben ist.

Dem Astralischen an sich verdanken wir unser Fühlen, alle seelische Bewegung.

Auf der Ich-Ebene, im Geistigen, im Denken, verursacht der AL Gedankenbewegung, Motivation, dass wir überhaupt etwas bewegen wollen. Dazu braucht das Ich den AL und dann die unteren Wesensglieder entsprechend auch.

3. Die Wirkung des Ätherleibes auf die Wesensglieder:

Dem Physischen haucht der Ätherleib Leben ein.

Dem Ätherischen verdanken wir alle Prozesse wie Wachstum, Regeneration und unsere Fähigkeit zu denken.

Dem Astralischen schenkt der Ätherleib den Selbsterhaltungstrieb.

Der Ich-Organisation schenkt er das Gedächtnis, das seinen Sitz im Ätherischen hat.

4. Die Wirkung des physischen Leibes auf die Wesensglieder:

Der physische Leib ist unser Anker und Halt, die Voraussetzung für Inkarnation.

Dem Ätherischen dient er als Grundlage für alle Prozesse und die Bildung von Vorstellungen und Gedanken.

Dem Astralischen schenkt der physische Leib die Empfindung, das Gefühl.

Der Ich-Organisation schenkt er über die Sinne die Wahrnehmungsfähigkeit.

Vgl. Vortrag am Thementag „Unruhiges Kind“, Nov. 2012


[1] Gesundheit durch Erziehung, Hrsg. Medizinische und Pädagogische Sektion am Goetheanum 2006.

WIRKEN DER WESENSGLIEDER IN AUFEINANDERFOLGENDEN ERDENLEBEN

Worin liegen Sinn und Chance wiederholter Erdenleben?

Der Gedanke, dass man nicht nur einmal lebt, ist naheliegend, wenn man sich mit Entwicklungsfragen beschäftigt. Denn:

Wie sollte eine Entwicklung zur vollen Menschlichkeit möglich sein, wenn man nur einmal lebt?

Die Logik wiederholter Erdenleben

Selbst so hervorragend entwickelte Menschen wie Goethe, Lessing, Friedrich der Große, Wilhelm Busch oder Franz Werfel[1] wussten sehr genau, dass sie ihre Fähigkeiten einer längeren Vergangenheit zu verdanken hatten als der Kindheit und Jugend. Und sie konnten auch deutlich beschreiben, was ihnen noch zum vollen Menschsein fehlte und was zu erarbeiten weitere Erdenleben gar wohl lohnte.

Noch viel dringlicher stellt sich die Frage nach dem Sinn eines Erdenlebens, wenn es in der Kindheit infolge schwerer Krankheit oder Unfall bereits wieder endet oder von lebenslanger schwerster Behinderung gekennzeichnet ist. Oder aber, wenn ein Lebenslauf in Jugend, Lebensmitte oder Alter in Verzweiflung endet und die eigene Identität ganz und gar infrage gestellt wird. So wie im Laufe eines Erdenlebens Scheitern und Neubeginn möglich sind, so auch im Verlaufe von mehreren Erdenleben. Ein Leben, das im Zeichen des Scheiterns stand, kann, wenn es im nachtodlichen Leben aufgearbeitet ist,[2] einen völlig neuen Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung im folgenden Erdenleben bieten. Je kleiner der Ausschnitt ist, den wir aus einem Entwicklungsverlauf ins Auge fassen, umso sinnloser mag er dem Betrachter erscheinen. Je größer die Zusammenhänge sind, in die das Detail eingeordnet erscheint, umso deutlicher treten die Sinnbezüge zutage.

Selbst vorbereitete Umgestaltungen

Im Gang der wiederholten Erdenleben erscheint der Mensch nicht nur jedes Mal in neuer physischer Gestalt, als Mann oder Frau, mit anderer Hautfarbe und in einer anderen Erdgegend. Auch sein ätherischer Organismus ist in jedem Erdenleben entsprechend anders konfiguriert, ebenso sein astralischer Leib und die Ich-Organisation. Die Umwandlungen und Änderungen sind jedoch dergestalt, dass sie vom Menschen selbst aufgrund seiner Taten und Erlebnisse in früheren Leben mit vorbereitet wurden.

Allerdings geschieht diese Umwandlung von einem Erdenleben in das nächstfolgende nach dem Tode in der geistigen Welt in Zusammenarbeit mit den Menschen, mit denen man auf der Erde gelebt und gearbeitet hat, insbesondere aber auch unter der orientierenden Mitarbeit der Hierarchien.[3] Was im Neuen Testament als „Gericht“ bezeichnet wird, ist nicht ein einmaliger Vorgang am Ende der Erdentage, sondern ein Ereignis, das im Kleinen zwischen jedem Tod und neuer Geburt stattfindet. Es hilft uns, unsere auf der Erde begangenen Taten im richtigen Licht zu sehen und an ihnen abzulesen, was wir in einem der folgenden Leben zu ihrem Ausgleich tun können bzw. müssen. Entsprechend gestalten sich dann die Verhältnisse des folgenden Lebens. Was unbewusst jede Nacht geschieht,[4]  vollzieht sich im nachtodlich erwachten Geistbewusstsein bewusst.

Abdruck über Nacht, bzw. von Leben zu Leben

Nach jeder Nacht erwachen wir morgens mit unserem Ich erfrischt, bereit zu neuem Anfang. Oft haben wir uns auch über Nacht „eines Besseren besonnen“, fühlen uns auf-„gerichtet“ und sehen manches „mit neuen Augen“. Die Belastungen des vorigen Tages sind eine Schicht tiefer hinabgesunken und bedrängen uns nicht mehr so stark.

Sowohl in der Nacht als auch im nachtodlichen Leben arbeitet das jeweils übergeordnete Wesensglied die Erlebnisse des Tages bzw. des ganzen Erdenlebens in das nächstniedere Wesensglied wie einen Abdruck ein, es gibt sie ab. Damit ist am nächsten Morgen, bzw. beim Antritt eines neuen Erdenlebens, dieses Wesensglied wieder neu beeindruckbar durch die Ereignisse des neuen Tages und der Gegenwart. Die Ereignisse der Vergangenheit versinken in den unbewussten Lebensprozessen des Organismus und verwandeln sich entweder noch in diesem oder aber im nächsten Erdenleben zu Behinderungen oder Begabungen im Umgang mit uns selbst und anderen Menschen und Dingen.

1. Einfluss des Ich-Organismus auf den Astralleib

Die Art und Weise, wie der Mensch sein derzeitiges Erdenleben im Ich erlebt und bearbeitet, hat unmittelbare Auswirkungen auf die Erlebnisfähigkeit seines Astralleibes.

Die Art und Weise, wie der Mensch seine Ich-Erlebnisse im letzten Leben seelisch verarbeitet hat bzw. nicht verarbeiten konnte, hat Auswirkungen auf die Lenkbarkeit und Beweglichkeit des Astralleibes im kommenden Erdenleben.

Wer also heute die Beschaffenheit seiner Wesensglieder ein wenig analysiert und sich fragt, mit welchen Gefühlen, Stimmungen, Wünschen und Neigungen sein Astralleib behaftet ist, kann ein wenig ahnen, was er im vergangenen Erdenleben im Ich erlebt und durchlitten hat. Ein Mensch, dem es gelungen ist, sich durch ein Erdenleben hindurch treu zu bleiben und die Ereignisse des Lebens positiv zu verarbeiten und als zu sich gehörig zu empfinden, wird mit einem empfindsamen und beweglichen Astralleib wiedergeboren, der sich leicht unter die Herrschaft des Ich stellt. Er wird nicht von Stimmungen heimgesucht werden oder an seinem Gefühlsleben kranken.

2. Einfluss des Astralleibes auf den Ätherleib

Entsprechend verhält es sich mit dem Ätherleib. Seine Konfiguration und Funktionsdynamik sind davon abhängig, mit welchen Gedanken, Gefühlen und Motiven der Astralleib als Träger des Seelenlebens und Bewusstseins Nacht für Nacht in die geistige Welt, bzw. in das nachtodliche Leben, eingetreten ist. Davon hängt ab, in welchem Maß er am kommenden Morgen – oder zu Beginn eines nächsten Erdenlebens – den Ätherleib anregen und erfrischen kann. Es wirkt sich aus, ob man sich der Umwelt gegenüber liebevoll aufschließen konnte oder ob man ihr sein Mitgefühl verweigert hat. All das bestimmt die Konfiguration des Ätherleibes im nächsten Leben.

3. Einfluss des Ätherleibes auf den physischen Leib

Die Konfiguration des Ätherleibes bestimmt, wie der physische Leib im darauffolgenden Erdenleben mit Krankheit und Gesundheit umgehen kann. Hier wirkt sich aus, ob der Ätherleib mithilfe von guten Gewohnheiten gepflegt oder von schlechten Gewohnheiten in seinen Kräften angegriffen wurde.

Entsprechend ist der heutige physische Leib von dem geprägt, was der Ätherleib im vorigen Erdenleben erlebt hat und dieser wiederum von dem, was den Astralleib im vorigen Leben bewegte.

Angesichts dieser Gesetzmäßigkeit, dass das jeweils übergeordnete Wesensglied auf das jeweils untergeordnete wirkt, bzw. die Arbeitsergebnisse aufgenommen und ins unbewusste Körperleben integriert werden, wird auch verständlich, warum es nur begrenzt sinnvoll ist, die Ursachen für Krankheiten und Behinderungen in diesem einen Erdenleben bzw. allein in Konstitution, Vererbung und Umwelt zu suchen. Ihren primären Ausgangspunkt haben sie in längst vergangenen Erdenleben.

So erschreckend eine solche Betrachtung auf den ersten Blick auch sein mag, so zeigt sie doch auch, wie viele Möglichkeiten es gibt, durch Pflege, Erziehung und Selbsterziehung positiv auf die eigene Gesundheit und die seiner Mitmenschen Einfluss zu nehmen. Es liegt in hohem Maße an uns selbst, wie viel Unverarbeitetes und Ungelöstes oder gut Verarbeitetes und Erlöstes wir mit in die Nacht und durch den Tod tragen.

Vgl. „Begabungen und Behinderungen“, 8. Kapitel, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004


[1] Vgl. dazu Emil Bock, Wiederholte Erdenleben, Stuttgart, Neuaufl. 1997.

[2] Vgl. die Zusammenstellung wesentlicher Forschungsergebnisse Rudolf Steiners bei Martin Burckhardt, Die Erlebnisse nach dem Tod, Dornach 1996.

[3] Mit „Hierarchien“ wird die Rangordnung übersinnlicher Wesen bezeichnet. Sie reicht von den Engeln über die Erzengel, Archai, Exusiai, Dynamis, Kyriotetes bis hin zu den Thronen, Cherubinen und Seraphinen, die Gott unmittelbar schauen können. Diese Wesenheiten sind unter verschiedenen Namen in allen großen Religionen bekannt und finden auch im Neuen Testament z.B. als „Menge der himmlischen Heerscharen“ (Lukas 2, 13) Erwähnung.

[4] Auf die Bedeutung der Nacht kann hier leider nicht näher eingegangen werden. Es sei hierzu auf das Buch von Stefan Leber verwiesen: Der Schlaf und seine Bedeutung, Stuttgart 1996.

Ferner Sigismund von Heynitz, Wachen und Schlafen, Paderborn 1996.

ZU DEN MENSCHENKUNDLICHEN GRUNDLAGEN VON WISSENSCHAFT, KUNST UND RELIGION

Wie hilft das Konzept der Wesensglieder den Zusammenhang von Wissenschaft, Religion und Kunst zu verstehen?

Welche neuen Impulse für alle drei Bereiche können daraus entstehen?

Seit jeher zielten die wissenschaftlichen, künstlerischen und religiösen Bestrebungen darauf ab, den Menschen mit der geistigen Welt zu verbinden. Das bildete die Grundlage der jeweiligen kulturellen Verhältnisse.

Verbindung von Wissenschaft, Religion und Kunst

Mit dem Heraufziehen des Nominalismus, der die materialistische Wissenschaft ermöglichte, löste sich insbesondere die Naturwissenschaft von der Geisterkenntnis entwickelte das Ideal einer objektiven, vom Menschen-Ich unabhängigen Wissenschaft.

Dadurch verlor auch die Kunst die Möglichkeit, unmittelbar geistig Geschautes oder Gedachtes zur Offenbarung zu bringen und wurde so mehr und mehr zu einer Freizeit- und Feiertagsbeschäftigung.

Das religiöse Leben schließlich wurde zur Privatsache erklärt und spielt im öffentlichen Leben nur noch eine untergeordnete Rolle.

Es gehört zu den großen Geschenken der Anthroposophie, diese drei Ur­quellen menschlich-kultureller Tätigkeit wieder an die konkrete Geister­kenntnis und Geisterfahrung angeschlossen zu haben. In den drei Phasen der Entwicklung der anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft wurde

  • zu­erst die Wissenschaft erneuert,
  • dann die Kunst
  • und schließlich auch die Religion als eigenständige Bewegung für religiöse Erneuerung.

Doch das ist erst ein Teil der großen Aufgabe. Denn es geht nicht nur darum, diese drei Gebiete zu erneuern und an das konkrete Geistesleben wieder anzuschließen.

Neue Impulse im Sozialen

Vor allem geht es darum, die drei Bereiche in ihrem lebendigen Zusammenwirken zu erkennen und dieses Zusam­menwirken zur Grundlage neuer Sozialgestaltungen zu machen. So sagt uns Rudolf Steiner am 30. Januar 1923:

„So beginnt Anthroposophie über­all mit Wissenschaft, belebt ihre Vorstellungen künstlerisch und endet mit religiöser Vertiefung; beginnt mit dem, was der Kopf erfassen kann, geht heran an dasjenige, was im weitesten Umfange das Wort gestalten kann und endet mit dem, was das Herz mit Wärme durchtränkt und das Herz in die Sicherheit führt, auf dass des Menschen Seele sich finden könne zu allen Zeiten in seiner eigentlichen Heimat, im Geistesreich. So sollen wir auf dem Wege der Anthroposophie ausgehen lernen von der Erkenntnis, uns erheben zur Kunst und endigen in religiöser Innigkeit“.[1]

Ursprungsort wissenschaftlicher, künstlerischer und religiöser Betäti­gung ist der dreigliedrige Mensch, der mit Hilfe seines Denkens zum Wis­senschaftler wird, mit Hilfe seines Fühlens künstlerisch empfinden und gestalten lernt und mit Hilfe seines Wollens zur religiösen Hingabe fähig ist.

Im „Französischen Kurs“[2] schildert nun Rudolf Steiner den Zusammen­hang der menschlichen Wesensglieder mit Wissenschaft, Kunst und Reli­gion:

  • Physischer Leib – heutige Naturwissenschaft;
  • Ätherleib – wahre Philosophie, die zum lebendigen Denken hindurch stößt;
  • Astralleib – Kosmologie, das sich erkennende Eins-Fühlen der Seele mit dem gesamten Weltenall;
  • Ich – Religion, die Hingabe von Wesen an Wesen.

Wesensgliederwirken in Geist, Seele und Leib

- Ich-Organisation und Geist (Denken)

Rudolf Steiner und Ita Wegman führen im zweiten Kapitel von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissen­schaftlichen Erkenntnissen“ aus, dass sich beim Nervensinnessystem die Ich-Organisation see­lisch frei im Denken darlebt.[3] Dieser Tatsache verdanken wir es, dass wir uns beim Denkvorgang nicht nur leibbefreit und ganz „bei der Sache“ fühlen, über die wir nachdenken, sondern dass wir uns dadurch auch selbst geistig gegenüberste­hen können und uns distanziert von uns selbst erleben. Wir können uns die erstaunliche Tatsache klarmachen, dass wir uns beim Denken außerhalb des Leibes befinden – was wir normalerweise nicht realisieren und auch nicht davon wissen. Denkend überschreiten wir alle die Schwelle zur geistigen Welt – nur eben unbewusst.

- Astralleib, Ich-Organisation und Seele (Fühlen)

Blicken wir auf das Gefühlsleben, so sehen wir, wie auch hier Ich und Astralleib weitgehend außerhalb des Leibes wirksam sind. Der Astralleib dringt bei der Einatmung in das Leibesgefüge ein und wird bei der Ausatmung wiederum dem mit der Welt mitlebenden und mitempfindenden Ich zurückgegeben. Auch hier gehen wir real teilweise aus dem Leib heraus, ohne uns dessen im gewöhnlichen Leben bewusst zu sein.

- Alle vier und Stoffwechsel-Leib (innerer Wille)

Beim Stoff­wechsel hingegen sind alle vier Wesensglieder eng miteinander ver­bunden und vollständig im Leib inkarniert, sodass sich der volle Schwellen­übertritt erst im Tode vollzieht.

Wesensglieder und Wissenschaft, Kunst und Religion

Welche Erklärungsmöglichkeiten ergeben sich nun aus der Tatsache des (Zusammen)Wirkens der Wesensglieder auf das wissenschaftliche, das künstlerische und das religiöse Leben?

Wenn das Ich bewusst im Denken tätig ist und auch der Wille im Denken erwacht, kann es zur geistigen Kommunion kommen, zum „Wahrnehmen der Idee in der Wirk­lichkeit“.[4]

Das von der Mitte ausgehende künstlerische Bemühen kann, so gesehen, einerseits zu neuen Erkenntnissen führen, andererseits aber auch unmittelbar in religiöses Erleben überleiten.

Jetzt wird auch verständlich, warum die christliche Religion als heiligstes Mysterium die Ver­wandlung von Brot und Wein und die Vergeistigung der Substanz durch den Verdauungsvorgang zum Inhalt hat: Die Verwandlung ist ein ganz ursprünglicher, eigenstän­diger religiöser Vorgang, der sich auf leiblicher, seelischer und geistiger Ebene vollziehen kann, wenn alle vier Wesensglieder unter der Führung des Ich im dreigliedrigen Menschen zusammenwirken.

Es ist Aufgabe des heutigen Menschen, sich nicht nur seine Geistverlassenheit bewusst zu machen, sondern auch zu erkennen, dass sein Denken seinem Ich die Möglich­keit gibt, bewusst in der Welt der Gedanken, also in einer geistigen Welt, zu leben. So kann der Mensch dank seines Ich, wenn es einen konkreten geistigen Inhalt aufnimmt, auf Gedankenwegen bewusst die Schwelle über­schreiten und kann sein Denken als Brücke über den Abgrund erleben.

Von diesem geistdurchleuchteten Gedankenleben aus können dann auch das Gefühls- und das Willensleben neue Impulse bekommen und zu geistorientiertem, künstlerischem und sozialem Handeln angeregt werden.

Vgl. 2. Kapitel „Medizin an der Schwelle“, Verlag am Goetheanum, Dornach 1993


[1] Rudolf Steiner, Anthroposophische Gemeinschaftsbildung, GA 257, 1989.

[2] Rudolf Steiner, Kosmologie, Religion und Philosophie, GA 25, 1979.

[3] Rudolf Steiner und Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissen­schaftlichen Erkenntnissen, GA 27, 1991.

[4] Rudolf Steiner, Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, mit besonderer Rücksicht auf Schiller, GA 2, 1979.

DIE WESENSGLIEDER IN DARSTELLUNGEN DER BILDENDEN KUNST

Wie sind die Wesensglieder in der bildenden Kunst dargestellt?

Michelangelos Darstellungen der Wesensglieder

Auch für die Kunstbetrachtung ist eine Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten der Wesensglieder erhellend. So hat Michelangelo in seinen vier Skulpturen in der Capella di Medici anhand von zwei Frauengestalten Morgen und Nacht dargestellt und anhand von zwei männlichen Figuren Tag und Abend.[1] Wer die Wesensglieder und ihre Gesetze kennt, sieht sie hier mit künstlerischen Mitteln dargestellt. Physischer Leib (Abenddämmerung), Ätherleib (Nacht), Astralleib (Morgenröte) und Ich-Organisation (Tag) werden als unterschiedliche Ganzheiten erfasst und bildhauerisch gestaltet.

· Abenddämmerung – physischer Leib

Die Abendskulptur zeigt eine männliche Gestalt, die so gelagert ist, dass jedes Körperteil gleichsam für sich genommen oder wie „abgelegt" erscheint: Der Kopf ist seitwärts gedreht, etwas geneigt, die Arme in lockerer Beugehaltung, die Beine stabil gelagert. Der ganze Leib wirkt entspannt und schwer zugleich. Die Figur bringt das Form- und Schwereprinzip des physischen Leibes zum Ausdruck sowie die Isolationstendenz der Einzelteile.

· Nacht – Ätherleib

Das Wesen der Nacht wird in Form einer in Meditation versunkenen, blühenden Frauengestalt gezeigt. Es imponiert die Rundheit des Körpers: das linke Bein ist gebeugt und gibt dem ebenfalls gebeugten rechten Arm Stütze, ohne dass dieser darauf lastet. Rechtes Bein und linker Arm sind nahezu dem Blick entzogen, was den Eindruck der Geschlossenheit der Skulptur verstärkt. Das leicht in die Hand geneigte Haupt ist jugendlich schön, die Brüste wohl geformt. Die Figur bringt die aufbauenden, regenerierenden Lebenskräfte des ätherischen Leibes zum Ausdruck.

· Morgenröte – Astralleib

Die Morgenfigur wirkt wie eine noch im Schlaf lagernde Frauengestalt. Sie zeigt jedoch in ihrem Gesichtsausdruck bereits das Aufleuchten des vollen Bewusstseins. In die Wachheit mischen sich Ernst, Wehmut und ein Ausdruck von Schmerz, ein „Innewerden" des Bewusstseinshorizontes, der das Gestern mit dem Heute und Morgen verknüpft. Hier wird das Prinzip der Wachheit und des Bewusstseins dargestellt, dessen Ausdruck das seelische Leben ist, das vom Astralleib getragen wird.

· Tag – Ich-Organisation

Die Tagfigur ist ein Bild wacher, kraftvoller Tatbereitschaft und Anwesenheit. Nur sie blickt den Zuschauer klar aus geöffneten Augen an: Eine Begegnung von Ich zu Ich kann jetzt stattfinden. Dank der Geistesgegenwart und Ich-Präsenz im Blick, erlebt sich der Zuschauer als Gegenüber, als „Du".

Vgl. „Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker“. Loseblattsammlung mit 4. Aktualisierungslieferung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2012


[1] Michelangelo, 1475-1564: Skulpturen „Abenddämmerung“, „Nacht“, Morgenröte“ und „Tag“ in der Medici-Kapelle in Florenz.

GOETHES FAUST UND DIE WESENSGLIEDER

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Goethes Faust, den Elementen und den Wesensgliedern?

Wodurch erkennt man diesen Zusammenhang?

Thematische Ausrichtung der einzelnen Akte von Faust I und II

Goethe widmet Faust I und Faust II den vier Elementen und dem, was sie für die Entstehung und die Entwicklung des Menschen bedeuten. Insofern geht es auch um die Wesensglieder des Menschen. Das ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, man merkt es aber spätestens im zweiten Akt des zweiten Teils.

- 1. Hälfte, 1. Akt – biografischer Handlungsstrang

Der erste Teil des 1. Aktes ist mehr individuell biografisch zu verstehen. Er endet mit einem toten Kind, einer todesnahen Mutter und dem sterbenskranken Faust. Alle, Vater, Mutter, Kind, sind total am Ende. Gefängnis, Todesnähe, Mord. Eine destruktive Beziehung, die in eine Katastrophe geführt hat.

- 2. Hälfte, 1. Akt – physischer Leib

Der zweite Teil des ersten Aktes beginnt jedoch mit einer Heilung: Faust richtet sich dank seiner gesunden Natur wieder auf. Der physische Leib wird wieder hergestellt.

Dem folgt die Szene im Kaiserpalast, anschließend die Arielszene, in der es um Geld geht, um Grund und Boden, um Besitz, also ums Physische. Ein ganzer Akt ist dem Thema des Physischen gewidmet. Hier ist der Bezug zu den Wesensgliedern bereits zu erkennen.

- 2. Akt – Ätherleib

Der zweite Akt ist der längste und der unverständlichste von allen. Da wimmelt es von Nymphen, Meriden, Tritonen, Sirenen, Sphinxen. Alles, was in der griechischen Mythologie Rang und Namen hat, kommt darin vor, aber auch Ameisen und Daktylen, also einzelne Finger. Es ist ein einziges Gewimmel. Die gesamte ätherische Welt tritt auf, um Homunculus, diesem Menschenwesen aus der Phiole, das im Labor konstruiert wurde, das lebendige Umfeld zu bieten, das ihn zu einem Teil des wirklichen Lebens macht. Denn kein Lebewesen ist ohne Umkreis lebensfähig.

So kann man den zweiten Akt mit der ätherischen Welt in Verbindung sehen. Der Homunculus bekommt einen lebendigen Umkreis, die Phiole zerschellt und er wird in die Elemente herein erlöst. D.h., er wird von den Elementen ergriffen und kann dadurch Mensch werden. Der ganze zweite Akt ist der Menschwerdung aus dem Ätherischen gewidmet.

- 3. Akt – Astralleib

Der dritte Akt mit Helena und Faust spricht vom Astralleib, von Sprache, Schönheit und Beziehung. Diese Themenkreise stehen alle in enger Beziehung zum Astralleib.

- 4. Akt – Ich-Leib

Der vierte Akt ist dem Ich gewidmet. Hier geht es erneut um Krieg: um die drei bösen Gesellen, Denken, Fühlen und Wollen als entartete Seelenkräfte, und das Ich. Das Ich muss lernen, sie zu beherrschen.

Dazu gehört auch, dass es Kaiser und Gegenkaiser gibt und dass das Prinzip der Selbsterkenntnis thematisiert wird: Erst als ein Gegenkaiser ihn bekämpft, sagt der Kaiser: Jetzt merk' ich erst, dass ich ein Kaiser bin. Das ist archetypisch für die menschliche Entwicklung. Wir erwachen oft erst am Widerstand zu unserer wahren Größe.

- 5. Akt – Schwellenübertritt

Der fünfte Akt spricht über den Schwellenübertritt in die geistige Welt.

Das Ringen um das Menschenrätsel sowie die Geschichte dieses Menschenrätsels sind die zentralen Themen von Faust I und II. Zunächst wird die Thematik mikrokosmisch aufgerollt, mit allen Gefährdungen, die damit einhergehen. Fausts Krisen gehen im Grunde zurück auf eine unbewältigte Jugendkrise, in der er nicht wirklich er selbst werden konnte. Deswegen musste er im Rahmen einer Art Midlifecrisis erneut auf die Suche nach seinem Selbst gehen.

Vgl. Vortrag „Die vier Wesensglieder – die vier Elemente – die vier Temperamente“, Dornach 2015

WESENSGLIEDER UND IHR BEZUG ZU ANGST

Welchen Bezug haben die einzelnen Wesensglieder zur Angst?

Wesensglieder und Entwicklungsgesetze

Bevor ich auf diese Frage eingehe, möchte ich nochmals die Grundkompetenzen der einzelnen Wesensglieder zusammenfassen. Folgende Entwicklungsgesetze resultieren aus der jeweiligen Wesensgliedertätigkeit:

  • Die Bildekräfte der Ich-Organisation integrieren und harmonisieren den werdenden, in Entwicklung begriffenen Organismus über den Wärmeorganismus und machen ihn so zu einem in sich stimmigen kohärenten Ganzen.
  • Der Astralleib strukturiert, differenziert und polarisiert.
  • Der Ätherleib bildet und gestaltet, proliferiert.
  • Das Festeste, was auf diese Art entsteht, sind die Knochen (physischer Leib): Wenn man diese Zusammenziehung seelisch fühlen würde, wäre das reine Angst darüber, sich bis auf einen Punkt zusammenzuziehen.

Angst als erstarrte Bewegung

Alle Angstbilder haben die Signatur einer erstarrten Bewegung: Denken wir nur an ein Kind, das Angst hat loszulaufen oder an jemanden, der gänzlich verschränkt und verschlossen dasitzt, sodass es aussieht, als würde sich etwas in ihm wie auf ein Zentrum, einen Mittelpunkt, zurückziehen. Manche Angstpatienten rollen sich im Bett in einer Art Embryonalhaltung zusammen – sie verknäueln sich fast bis zu einem Punkt und ahmen damit den Kristallisierungsprozess nach.

Wenn die Angst eines Kindes den normalen Rahmen sprengt, kann es sehr hilfreich sein, den Wesensgliederbezug zum Thema Angst zu kennen. So wie physischer Leib und Ätherleib eng verbunden sind, haben auch Astralleib und Ich einen engen Bezug zueinander. So kann der Ätherleib auf den physischen Leib und das Ich auf den Astralleib beruhigend einwirken.

1. Physischer Leib als Kern aller Angst

Der physische Leib ist der Kern und Träger der Angst, weil wir ihm körperlich unsere Grenzen verdanken und weil er verwundbar und sterblich ist. Das ist so und kann durch nichts abgemildert werden.

Im 1. Lebensjahr tritt die Leibesangst als Fremdeln archetypisch auf. Von den Kinderuntersuchungen kennen wir Ärzte die „Fremdel-Räume“: Es ist von Kind zu Kind sehr unterschiedlich, wie nah man sich als Arzt annähern darf, wenn ein Kind auf dem Arm der Mutter ist, ohne dass die kindliche Seele kollabiert – was man daran sieht, dass das Kind sich abwendet und sich fest an die Mutter klammert. Es wird wie eins mit dem mütterlichen Leib, schlüpft wie hinein. Wenn man aber weit genug weg ist, schaut es ganz keck. Man spürt, das Erlebnis von Angst ist total abhängig von der Distanz zwischen den Körpergrenzen. Man sieht auch, wie die Wesensglieder des Kindes – Ich, Seele und auch der Lebensorganismus – noch gar nicht voll inkarniert sind, sondern sich in einer Aura um das Kind herum befinden. Wenn diese Aura berührt wird, fühlt sich der Körper als Bewusstseinszentrum bedroht.

Die Leibesangst wird durch physische Geborgenheit überwunden.

Was kann nun der Ätherleib dazu beitragen, dass unsere dem physischen Leib entstammenden Ängste abgemildert werden?

2. Ätherleib und Bewusstseinsängste

Der Ätherleib als Träger unserer Wachstumskräfte ist zuständig für Selbstregulation und Selbstheilung. Er ermöglicht alle im guten Sinn verbindenden, sich nicht abgrenzenden, vermittelnden Prozesse. Die ätherische körpergebundene Lebenstätigkeit ist vollkommen angstfrei, d.h. das Leben selbst kennt keine Angst, es grünt und blüht sogar in Ruinen. Wir sagen ja auch: „Das Leben geht weiter…“

Der leibfreie Ätherleib ist als Träger des denkenden Bewusstseins jedoch stark Bewusstseinsängsten, also Ängsten, die durch Vorstellungen und innere Bilder hervorgerufen werden, ausgesetzt. Deshalb kommt der Pflege des Ätherischen und der Umgang mit dem Denken der Kinder bzw. der Begleitung der Gedankenentwicklung eine große Bedeutung zu.

Anamnese der Lebensverhältnisse

Wenn ein Kind in die Sprechstunde kommt und ich vermute, dass seiner Angst eine ätherische Schwäche zugrunde liegt in dem Sinne, dass die angstfreie Lebenskraft des Ätherleibes nicht stark genug ist, um die aus dem Physischen stammenden Ängste zu überwinden, dann mache ich eine sorgfältige Anamnese in Bezug auf die Abläufe und Verhältnisse zuhause, angefangen von der Wandfarbe, der Muster der Vorhänge, über den Blick aus dem Fenster – alles unter der Fragestellung:

Was muss das Kind ständig sehen?

Welche Lebensgewohnheiten hat die Familie?

Herrscht dort Chaos oder Ordnung?

Atmet das Lebensmilieu Lebensfreude und Ästhetik?

In allen natürlichen Lebensbezügen herrscht eine wunderschöne Ordnung. Alles Lebendige ist ein kleiner Kosmos, was übersetzt „schöne Ordnung“ bedeutet. Dazu passt auch, dass das Ätherische Träger des Denkens und der wunderbaren Gedankenordnung ist.

Wenn nun im Lebensumfeld des Kindes Schmutz, Unordnung, Chaos, Unästhetisches, Ekliges vorhanden ist, bis hin zu Gerüchen, die nicht angenehm sind, oder ständig Lärm aus dem Radio oder anderen Medien erschallt als Geplärre im Hintergrund (ich will es nicht Musik nennen!), betrifft und beeinträchtigt das den Ätherleib. Man muss sich kleine Kinder vorstellen, die ständig zerrissenen Rhythmen und brechenden Stimmen ausgesetzt sind, die noch dazu unterlegt sind von Emotionen und Worten, zu denen das Kind noch gar keinen Bezug hat, die der Erwachsenenwelt entstammen – alles Eindrücke, die den Ätherleib schädigen. Sie vermitteln nicht das Gefühl einer schönen Ordnung, durch die das Kind sich im Leben gerechtfertigt fühlen könnte.

Entängstigung durch Ordnung und Schönheit

Ganz anders verhält es sich, wenn das Kind strukturierte, geordnete Töne und Klänge erleben darf, z.B. aus einer gestimmten Leier, beim Singen und Musizieren in klassischen Rhythmen. Das gibt Halt und Struktur, fördert Intelligenz durch die musikalische Abbildung von Gedankenklarheit. Musikmachen und Singen sind entscheidende Entängstigungsmittel, weil dadurch der Ätherleib gestärkt wird. Ordnung und Schönheit entängstigen, da sie Freude bereiten und Leben im Grunde etwas Freudiges ist.

„Freut euch eures Lebens!“ ist das Motiv zur Stärkung des Ätherischen.

3. Astralleib und Angst

Der Astralleib ist erfüllt von seelischer Angst, hier leben sich Furcht und Angst richtiggehend aus. Das ist ein Bewusstseinsphänomen.

  • Der physische Leib macht die Angst konstitutionell möglich.
  • Der Astralleib ermöglicht, dass wir sie erleben.

Seelisch ist die Angst im Astralleib zuhause, aber dass wir uns dieses Erlebnis bewusst machen können, liegt am physischen Leib. Und so, wie der physische Leib durch den Ätherleib in die Lebensfreude miteingeschlossen wird in dem Glauben an das Leben, an das vergängliche und das ewige Leben, in dem Wissen, dass das Leben immer weitergeht durch Tode und Geburten und dadurch Heilung findet, so muss der kränkbare Astralleib durch das Ich geheilt werden. Das geschieht zunächst durch religiöse Erziehung.

Entängstigung der Seele durch Religion

Bevor das Kind selbst einen spirituellen Weg suchen kann, bei dem es Andacht, Verehrung, Rituale erlebt, muss die Umgebung das übernehmen. Dazu gehört auch das Ringen der Eltern um einen ruhigen Wesensmittelpunkt. Die Seele ist nur gesund, wenn das Ich darin präsent ist, wenn sie in all ihrem Schwanken und ihrer Zerrissenheit, in ihrer Emotionalität und Flatterhaftigkeit ein Zentrum hat, das mit diesen seelischen Kräften und Sensibilitäten umgehen und sie handhaben kann. Solange das Kind ein solches Zentrum nicht ausgebildet hat, muss über die Erziehung daran gearbeitet werden. Bei jeder Angstbehandlung auf seelischer Ebene betonte ich Eltern gegenüber die Bedeutung religiöser Erziehung und eines konsequenten religiösen Lebens im Alltag. Dadurch ist manch ein Kind der Taufe in der jeweiligen Kirche seiner Eltern zugeführt worden…

Rituale religiöser Art ermöglichen dem Kind neue Erlebnisse dadurch, dass sie über Tage, Monate und Jahre fortgeführt werden. Irgendwann wird das Erlebnis durch die ständige Wiederholung so stark, dass es sogar eine Phobie kompensieren kann. Das ist quasi ein sehr effizienter verhaltenstherapeutischer Ansatz mit den Mitteln der Religion.

Vgl. Vorgeburtliche Disposition zu Angststörungen“, Vortrag auf der Schulärztetagung 2013

GESUNDE WESENSGLIEDER DANK CHRISTUSOPFER

Welche Bedeutung haben die Christusopfer im Zuge der Weltenentwicklung für die Wesensglieder des Menschen?

Christusopfer in der lemurischen, der früh- und der spätatlantischen Zeit

Rudolf Steiner hielt acht Monate nach der Grundsteinlegung die wunderbaren Vorträge über die Christusopfer[1] in der lemurischen und der früh- und spätatlantischen Zeit und über das Mysterium von Golgatha. Diese Opfer wurden gebracht, damit die menschliche Konstitution gesund veranlagt werden konnte in Bezug

  1. auf die Sinne (physischer Leib) – in der lemurischen Zeit
  2. auf den Lebensorganismus (Ätherleib) – in der frühatlantischen Zeit
  3. auf die Seelenfähigkeiten von Denken, Fühlen und Wollen (Astralleib) – in der spätatlantischen Zeit
  4. und mit dem Mysterium von Golgatha auch im Hinblick auf das Ich

Dank dieser Christusopfer wurde in vierfacher Weise Gesundheit veranlagt: In Bezug auf den physischen Leib, die Sinnesorgane, den Astralleib und den Ätherleib hat Christus das für uns vollbracht. Im Hinblick auf das Ich hat er es auch veranlagt, doch kann der Gesundungsprozess nur vollendet werden, wenn jeder Mensch freiwillig dieses Christusopfer im Ich selber auch darbringt und es so in Freiheit und Liebe vollendet, damit es voll wirksam werden kann.

Bedeutsame Selbstlosigkeit

Rudolf Steiner sagt nun über den Christus und über die Art, wie wir ihn in allen Lebensgebieten suchen und finden können, etwas Großartiges. Das möchte ich gerne vorlesen:[2]

„Für unsere gegenwärtige Kultur ist vor allen Dingen nötig, dass wir immer mehr und mehr gewinnen, indem wir die Ergebnisse der Geisteswissenschaft auf uns wirken lassen, eine neue Christuserkenntnis. Und den Christus erkennen heißt, die Schule der Selbstlosigkeit durchmachen. Christus erkennen heißt, sich bekannt machen mit all denjenigen Impulsen der Menschheitsentwicklung, die so in unsere Seele hineinträufeln, dass sie alles, was in dieser Seele zur Selbstlosigkeit veranlagt ist, durchglühen, durchwärmen und aufrufen zum aktiven Seelensein, zur Selbstlosigkeit. Diese Schule der Selbstlosigkeit kann der Mensch nach den Bedingungen des gegenwärtigen Zeitenzyklus nur durchmachen, wenn er sich ein durch-dringendes Verständnis erwirbt für wirkliche Selbstlosigkeit. Nun können wir, wenn wir die Weltenevolution, die Weltenentwicklung durchgehen, kein tieferes Verständnis finden für Selbstlosigkeit als dasjenige, was uns durch die Erscheinung des Christus auf Erden gegeben worden ist.“

Vgl. Michaeli-Vortrag am Goetheanum, Sept. 2013


[1] Rudolf Steiner, Die Vier Christus-Opfer. Die drei Vorstufen des Mysteriums von Golgatha, gehalten in Basel, 1. Juni 1914.

[2] Ebenda.

FRAGEN ZUM THEMA KRANKHEIT UND WESENSGLIEDER

FRAGE: Können uns Ereignisse, an die wir uns nicht bewusst erinnern, die nur in unserem Unbewussten abgespeichert sind, krank machen?

ANTWORT: Im Unbewussten gespeicherte Dinge, die der Mensch nicht zu erinnern vermag, machen ihn in diesem Erdenleben nicht unbedingt krank. Wir alle wissen aber, dass das, was wir denken, unsere Gefühle beeinflusst und das wiederum wirkt sich auf unseren ätherischen Organismus, auf unsere Lebenskraft, aus. Die guten Gefühle stärken unser Immunsystem, die negativen dagegen untergraben es. Davon hängt ab, wie der Ätherleib sich fühlt und ob der physische Leib krank oder gesund wird. Eins wirkt aufs andere, auch über mehrere Leben hinweg.

Meditative Betrachtung der Wesensglieder

Dieser Zusammenhang lässt sich noch über meditative Betrachtungen der einzelnen Wesensglieder verdeutlichen:

· Meditative Betrachtung der Ich-Sphäre

Wenn man über die wache Ich-Sphäre meditiert und von den Gefühlen ganz absieht, kann man sich als ganz freies Wesen in der Gegenwart fühlen, ist man frei. Das Ich ist unschuldig, offen und in dem Augenblick wie neu erschaffen. Es ist göttlicher Natur und hat den Sündenfall nicht mitgemacht hat.

· Meditative Betrachtung des Astralleibes

Wenn man den Astralleib auf Stimmungen und Gefühle hin untersucht, findet man Empfindungen, die aus diesem Leben herrühren, die man sich erklären kann. Man findet aber auch Stimmungen, die einem unerklärlich sind, angesichts derer sich einem nicht erschließt, warum manches so beschwerlich erscheint. Das ist oft der empfundene Nachklang der Dynamik des letzten Erdenlebens.

· Meditative Betrachtung des Ätherleibes

Im Ätherleib findet man den Nachklang der Emotionen vom letzten Leben, seien sie destruktiv, seien sie konstruktiv gewesen – sie bilden die ureigene Gesundheitsdispositionen.

· Meditative Betrachtung des physischen Leibes

Der physische Leib, der Körper, reflektiert, wie man im letzten Leben zurechtgekommen ist, wie das Leben verlaufen ist. Denn es dauert bis zu drei Leben, bis sich die Auswirkungen eines Problems im Körper niederschlagen: Ein aktuelles seelisches Problem, macht mich nicht unmittelbar krank. Aber ein seelisches Problem, das auf ein Problem aus einem früheren Leben zurückgeht und sich schon im Ätherleib und in Anfängen im physischen Leib eingegraben hat, lässt den Menschen krank werden. Daher kann es sein, dass ein Kind Grausames erlebt hat und trotzdem gesund daraus hervorgeht, während ein anderes dadurch fürs Leben gezeichnet ist.

Ohne den Gedanken der Reinkarnation kann man den Leib-Seele-Zusammenhang und die vielen individuellen Konstitutionsunterschiede nicht begreifen. Rudolf Steiner definiert mit folgenden Worten den esoterischen Begriff des Krankseins: Krankheit gleicht Schicksal aus, ist selbst als Heilungsprozess im Schicksal anzusehen. Und der Arzt hilft dem Herrn des Schicksals bei seiner Arbeit.

Sich durch Üben Krankheiten ersparen

FRAGE: Kann man sich durch Üben Krankheiten ersparen?

ANTWORT: Die beste Medizin ist die Präventivmedizin. Für Kinderärzte wie mich besteht der Königsweg in dem Appell an die Erzieher und Lehrer: Bemüht euch um Erziehung und Selbsterziehung. Dadurch verhelft ihr euch selbst und den Kindern zu Gesundheit! Rudolf Steiner sagt, dass nur ein Bruchteil der heute auftretenden Krankheiten nötig wäre, um einen Schicksalsausgleich herbeizuführen. Meiner Erfahrung nach bräuchte man 70% der Krankheiten nicht zu haben, wenn man sich auf den Selbstentwicklungsweg begäbe.

In Zukunft, wenn man das generell besser verstanden haben wird, werden die Ärzte Lehrer in Gesundheit sein. Und die Lehrer werden die eigentlichen „leisen“ Ärzte sein. Sie heilen auf leisen Sohlen und helfen den Kindern von Tag zu Tag, sich gesund zu entwickeln, indem sie sie keinen pathologischen Einflüssen aussetzen, bzw. ihnen helfen, damit fertig zu werden. Deshalb ist es wichtig, dass Mediziner, Sozialarbeiter und Pädagogen noch enger zusammenarbeiten als bisher.

Vgl. „Meditativer Zugang zur Wärme“, Vortrag an der französischen Ärztetagung am Goetheanum, 13.03.2008