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Freude

Aus Geistesforschung

Freude – von Michaela Glöckler

Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/

DIE FÄHIGKEIT SICH ZU FREUEN

Kann man lernen sich zu freuen?

Wie können wir selbst Freude in uns wachrufen?

Sich freuen lernen

Die Fähigkeit, Freude zu empfinden, kann ebenso gelernt werden wie die Fähigkeit, gesund zu bleiben. Sich freuen zu lernen an den kleinen Dingen des Alltags ist dabei die beste Schule, weil einen dieser Alltag ständig umgibt. Ein Beispiel:

Während meiner Klinikausbildung hatte ich eine Phase, in der ich mich überfordert und gestresst fühlte. Ich fragte mich immer wieder, wie lange ich das noch aushalte und merkte, wie mir langsam, aber sicher die Lebensfreude abhandenkam.

Eines Morgens fuhr ich in die Klinik, es war noch dunkel, ich hing meinen trüben Gedanken nach und war traurig darüber, dass ich aus diesem Stimmungstief nicht herauskam. Auf einmal sah ich ein Kindergartenkind am Straßenrand mit einem kleinen Täschchen um den Hals auf dem Weg zum Kindergarten gehen, fröhlich, leichtfüßig, strahlend, mit den Füßen welkes Laub herumwirbelnd. In dem Augenblick merkte ich, dass dieses alltägliche Bild eines Kindes, das morgens in den Kindergarten geht, für mich eine besondere Botschaft hatte: Das Leben ist schön, die Last ist leicht – es kommt nur darauf an, dass man das in freudelosen Zeiten nicht vergisst.

Daseinsfreude wecken

Wir haben uns heutzutage so sehr daran gewöhnt, uns über Erfolg und Anerkennung von außen zu definieren, dass wir darüber vergessen, dass das Leben nicht nur immer weitergeht, sondern dass zu leben bedeutet, dass wir Daseinsfreude in uns tragen, die jederzeit „geweckt“ werden kann, wenn wir dies nur zulassen.

So ist mir dieses Bild zum Inbegriff von Lebensfreude geworden. Ich sehe es heute noch vor mir. Es schützt mich vor manchem Alltagsärger, weil ich mir das, was dieses Kind ausstrahlte, in Erinnerung rufen kann: Ich bin mehr als dieser Ärger, ich habe auch meine Kindheit in mir, meine Zukunft – nicht nur die Vergangenheit und die Gegenwart.

Das Leben selbst ist uns immer freundlich gesonnen und sorgt dafür, dass es weitergeht. Wenn ich das Leben in den Kleinigkeiten und kleinen Einzelheiten wieder wahrzunehmen beginne, wenn ich achtsamer werde gegenüber dem Alltag selbst, wenn ich die Ereignisse zu mir sprechen lasse und sie nicht nur registriere – dann fühle ich auch wieder diese Lebensfreude in mir. Ich kann sie in schwierige Situationen hineintragen und mich angemessener und vielleicht auch mutiger verhalten. Der Wesenskern, unsere Persönlichkeit, wächst durch die Freude – und darauf kommt es an.

Vgl. Vortrag „Gesundheit und Lebensfreude im Alltag“, Basel, 25.11.2007

FREUDE AM TUN UND FREIWILLIGKEIT

Was kann Kinder, aber auch Erwachsene motivieren, dass sie gerne und freiwillig lernen und tun, was zu tun ist?

Freude als Übungsmotivation

Freude am Tun, Liebe zur Handlung ist die schönste Motivation, die eine Arbeit oder einen Lernprozess in Gang setzen und begleiten kann. Dann „identifiziert" man sich völlig mit dem, was man tut.

Belohnung und Strafe hingegen konditionieren den Willen. Wer sucht nicht gern die Bedingungen wieder auf, unter denen er etwas Angenehmes erlebt oder bekommen hat! Woran man oft nicht denkt, ist, dass dieser Erziehungsstil die Abhängigkeit von der Beurteilung, dem Lob oder dem Tadel seitens der Umgebung fördert. Eine Erziehung zur Freiheit geht anders vor. Das Handlungsleben der Kinder sollte daraufhin angeschaut werden: Ob genügend Anlass gegeben ist, dass möglichst jede noch so kleine Handlung aus innerem Antrieb, d.h. aus einem Sinnbezug heraus vorgenommen wird, den das Kind in sich selbst erlebt: aus Nachahmungsfreude, aus dem Bedürfnis etwas zu tun, das gebraucht wird, oder aus seiner Phantasie heraus.

Freiwillig kann eine Handlung nur sein, wenn sie freudig und voll identifiziert getan wird. Die so genannte Willensfreiheit kann sich nur entwickeln, wenn Kinder lernen, das, was sie tun, aus sich heraus und damit gerne zu tun – unabhängig vom Belohnungs- und Strafverhalten der Umgebung.

Vgl. „Willensschulung – eine Notwendigkeit in Pädagogik und Selbsterziehung“, Kapitel: „Motivation und Willenserziehung im Kindes- und Jugendalter“, gesundheit aktiv

WIE AUS LIEBE FREUDE WIRD

Freude heißt die starke Feder


in der ewigen Natur.


Freude, Freude treibt die Räder

in der großen Weltenuhr.

Blumen lockt sie aus den Keimen,


Sonnen aus dem Firmament,


Sphären rollt sie in den Räumen,


die des Sehers Rohr nicht kennt![1]

Freude als Entwicklungsanreiz

Wir müssen begreifen, dass in der Zeit, in der der Ätherleib seine Hauptarbeit verrichten muss – in den ersten sieben Jahren –, er den physischen Leib nur in einer Pendelbewegung zwischen Umkreis und Zentrum bilden kann, dass er sich nur in einem ständigen rhythmischen Hin und Her zwischen Welterleben und Selbsterleben richtig inkarniert. Was wir später im Rahmen der Selbstschulung an Welterkenntnis und Selbsterkenntnis zu erringen suchen, geschieht hier auf der physisch-ätherischen Ebene durch Nachahmung. Deswegen müssen Kleinkinderzieher an einem geordneten Denken, authentischen Gefühlen und logischem Handeln arbeiten.

Es gibt eine Grundtugend, die etwas Zukünftiges ist, weil sie zum Geistselbst gehört, das wir erst noch entwickeln müssen. Wir kennen diese Tugend aus Rudolf Steiners Vorträgen über die Erziehung des Kindes und sie gilt insbesondere für die ersten drei Lebensjahre: die Freude. Ein unglücklicher Mensch darf nicht mit kleinen Kindern arbeiten – das gilt auch für vorübergehendes Unglücklich-Sein aufgrund von Krankheit oder Sorgen. Eine freudige Grundstimmung ist ein professionelles Muss. Wenn Menschen Sorgen und Probleme haben oder eine Krise durchmachen, können sie selbstverständlich weiter ihrem Beruf nachgehen, müssen aber in den Stunden, in denen sie mit den Kindern zusammen sind, Steiners Rat beherzigen und üben, die Sorgen „mit der Jacke an den Haken vor der Tür zu hängen“ und sie dort zu lassen. Die professionelle Liebe zu den Kindern muss so groß sein, dass man es schafft, ihnen mit heiterer Seelenstimmung – mit heiterer Miene, wie Steiner sagt – zu begegnen.

Aus Liebe wird Freude

Denn dass gerade die Freude die Organe „am schönsten ausbrütet“, wie Steiner ebenfalls sagt und auch Schiller in seiner „Ode an die Freude“ anklingen lässt, hängt mit der Geistselbst-Qualität der Freude zusammen und mit dem Konzept von Reinkarnation und Karma. Wir wissen alle, dass es gar nicht einfach ist zu lieben. Liebe ist zwar das schönste Gefühl, aber Liebe zu leben ist überhaupt nicht einfach. Lieben ist richtig Arbeit. Manchmal hat man Jahre Stress, um für eine kurze Zeit dieses schöne Gefühl genießen zu können.

Deswegen hat es mich in einer bestimmten Situation sehr getröstet, bei Rudolf Steiner sinngemäß zu lesen: Was man in einem Leben an Liebe übt und aufwendet, kommt im nächsten Leben als Freude wieder auf einen zurück. D.h., je mehr man geübt hat zu lieben, desto mehr kann man sich im nächsten Leben freuen. Das Schöne ist: Wenn man kleine Kinder zu lieben versucht, erlebt man an ihnen so viel Zukünftiges, dass man schon sehr hartherzig sein muss, um sich nicht darüber zu freuen – sie geben so viel zurück. Daran kann man jetzt schon erleben, wie in Zukunft aus Liebe einmal Freude wird.

Kinder sehnen sich nach professioneller Liebe, nach Menschen, die Interesse und Freude daran haben, sie in ihrer Einmaligkeit zu sehen. Für das, was sie uns zeigen wollen, können wir gar nicht genug Interesse aufbringen, in dieser Hinsicht können wir gar nicht liebe- und freudevoll genug sein!

Vgl. „Wie können beziehungsvolle Pflege und Selbstlernen im Krippenalltag gelingen?“, Dokumentation des Fachtags zur Kleinkindpädagogik im Nov. 2015 in der Freien Bildungsstätte „der hof“ in Niederursel


[1] Aus Schillers „Ode an die Freude“.

FREUDE ALS ZIEL VON ENTWICKLUNG

Welchen Stellenwert hat Freude in der menschlichen Entwicklung?

Welche Auswirkungen hat Freude?

Was ist Freude eigentlich?

Was Freude ausdrückt

Ich kann meine Biographie unter dem Aspekt der Freude und ihrer Auswirkungen in meinem Leben hinterfragen: Ich erkenne dann vielleicht, dass Freude mir Kraft gab, mir aber nicht unbedingt neue Einsichten vermittelte. Sie war wie „Luft unter meinen Flügeln“, hat mich fröhlich, hell und weit gemacht, aber sie hat mein Wissen nicht erweitert.

Freude ist ein Ausdruck von Gesundheit. Wenn ich mich freue, fühle ich mich vollständig, heil und ganz. Momente der Freude sind immer Momente der Begegnung und Verbundenheit – sind Ausdruck des Eins-Seins mit der Natur, mit Menschen, mit Vorgängen. Im Falle eines jugendlichen Rennfahrers kann der Inbegriff von Freude das ekstatische Eins-Sein mit der Geschwindigkeit sein.

Momente der Freude können aber auch durch tiefe mystische Erfahrungen im Einklang und in Berührung mit der geistigen Welt hervorgerufen werden, durch die mir Wesenserlebnisse, Krafterlebnisse und eine unmittelbare Art der Erkenntnis zuteilwerden.

Vom Verständnis zur Gottseligkeit

Zum Schluss möchte ich die einzige Stelle aus Rudolf Steiners Werk über das Karma der Freude erwähnen. Er beschreibt in den Karma-Vorträgen[1] Freude als letzte Konsequenz, als Ergebnis und Gipfel einer langen Entwicklung:

· Verständnis für den anderen

Sie beginnt damit, dass man lernt, Schmerzen zu begegnen und Leid zu ertragen. Auf dieser Erfahrungsgrundlage gilt es in einem nächsten Schritt, Verständnis für die Umgebung zu entwickeln. Wenn das Erdenleben von Schmerzen geprägt ist, so handelt es sich dabei um Entwicklungsschmerzen.

· Liebe zum Umfeld

Als Nächstes soll auf der Basis des Verstehens Liebe zum eigenen Umfeld entwickelt werden. Dazwischen liegen natürlich viele Leben. In Bezug auf die Liebe sagt Rudolf Steiner, dass ein Mensch in seinem nächsten Erdenleben so viel Freude erleben werde, als er im vorangegangenen an Liebe aufgebracht habe.

· Gottseligkeit

Wann immer wir auf der Erde Freude erleben, bekommen wir einen Vorgeschmack auf das fernste Entwicklungsziel der Menschheit: die karmische Freude durch die Liebe, die wir entwickelt haben, die Gottseligkeit, die gänzliche Vereinigung mit Gott. Diese Gottesliebe leuchtet jedes Mal auf, wenn wir Anlass haben, uns zu freuen.

Vgl. Vortrag „Lachen und Gesundheit“, Dornach, 02.05.1997


[1] Rudolf Steiner, Die Offenbarungen des Karma, GA 120.