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Lebensrhythmen
Lebensrhythmen – von Michaela Glöckler
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
VOM UMGANG MIT LEBENSRHYTHMEN GESTERN UND HEUTE
Wie gehen Menschen heutzutage mit Lebensrhythmen um?
Welche Auswirkungen hat es auf unser Leben?
Wie wurde das in früheren Zeiten gehandhabt?
Ent-Rhythmisierung des heutigen Lebens
„Heute arbeiten in den Industrieländern mehr als 20% aller Beschäftigten im Nachtschichtdienst. Wir machen nicht nur mit unseren technischen Mitteln die Nacht zum Tage, wir können auch mit unseren chemischen Substanzen Wachheit in Schlaf und Müdigkeit in Leistungsbereitschaft verwandeln. Mit Hormongaben kann der Mensch den Menstruationsrhythmus, der schon wegen der ähnlichen Periodendauer Beziehungen zum Mondrhythmus vermuten lässt, nach Belieben verschieben oder unterbrechen. Selbst die Zeitpunkte für Geburt und Tod werden nicht mehr der Natur überlassen. Zu jeder Jahreszeit und an jedem Ort können wir mit technischen Mitteln jedes beliebige Klima in unserem Lebensraum herstellen. Durch Flugreisen können wir sprunghaft Zeitzonen und Jahreszeiten wechseln, und auch die kosmetischen Unternehmungen oder die Technik der Herzschrittmacher, mit denen das Tempo des Herzschlages gesteuert werden kann, belegen zunehmende Freiheitsgrade im Zeitverhalten des Menschen."[1]
So charakterisierte der bekannte Rhythmusforscher und Arbeitsphysiologe Gunther Hildebrandt bereits 1994 die Ent-Rhythmisierung vieler Lebensgewohnheiten.
Jetzt, im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, werden Rhythmen als „Biorhythmen" wiederentdeckt. Sie werden als die Regulatoren von Leben und Stabilisatoren von Lebensqualität erforscht und diskutiert.
Wer über das Leben nachdenkt, kann leicht bemerken, dass die gesamte Evolution mit all ihren Naturreichen von Rhythmen bestimmt ist, dass sie ein Ergebnis unermüdlicher rhythmischer Vorgänge ist. Wenn Zeitabläufe beschrieben werden, Geschichte sich ereignet, setzt das bereits Zeitgeber und Rhythmen voraus, durch die man sie messen bzw. beschreiben kann. Rhythmen erweisen sich demnach als etwas Ursprüngliches, allem zugrunde Liegendes.
Lebensrhythmen in der Menschheitsgeschichte und in der Gegenwart
Gehen wir in der geschichtlichen Entwicklung ein paar Jahrhunderte zurück, sehen wir, dass die Pflege von Rhythmen in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert hatte. Die früheren Arbeitskulturen waren auf Rhythmen aufgebaut: Tageslauf, Wochen-, Monats- und Jahresrhythmen gaben dem Leben Halt und Struktur. Viele Tätigkeiten wurden von Gesängen begleitet, insbesondere in Landwirtschaft und Handwerk. Hinzu kam die Pflege des religiösen Lebens, das ohnehin ganz auf Rhythmen basiert, in die Gebete, Rituale und Feste eingebettet sind. Man wusste, dass eine Kultur, eine Zivilisation, eine Gemeinschaft, nur gesund bleiben kann, wenn sie ihre Werte pflegt, wenn sie wiederkehrende Rituale hat, wenn sie Willens- und Gefühlsverbindlichkeiten eingeht. Auch die alten medizinischen Systeme, ob Ayurveda, Traditionelle Chinesische Medizin oder unsere europäische volksmedizinische Tradition, bauten auf die Beachtung bestimmter Rhythmen zur Prävention von Krankheit.
Gegenwärtig sind die meisten Menschen jedoch aus einer rhythmischen Lebensführung ausgestiegen. Das an den wirtschaftlichen Sachzwängen orientierte Leben erfordert die genannte Nacht- und Schichtarbeit, Hetze, Stress, Tempo... Inzwischen leben und arbeiten Menschen schon mehrheitlich ohne klare Zeitstrukturen, ohne äußere und/oder innere Rhythmen. Auch wenn wir erstaunlich anpassungsfähig sind, zeigt sich zunehmend, dass es nicht mehr lange so weitergehen kann. Wir Menschen ertragen diese Lebensform auf Dauer nicht. Zwar gibt die Routine noch einen gewissen Halt, aber wenn auch das wegbricht – sei es, dass man die Arbeit verliert oder dass man krank wird – hängt man wirklich „in der Luft". Man fühlt sich nicht mehr im Prozess, nicht mehr im Gleichgewicht und nicht mehr produktiv. Da kann es helfen, einen neuen Zusammenhang zu den das Leben konstituierenden Rhythmen herzustellen.
Vgl. „Kraftquelle Rhythmus“, gesundheit aktiv, 2. Auflage, Bad Liebenzell 2008
[1] Gunther Hildebrandt, Die Zeitgestalt des Menschen. Novalis Nr. 10/11 1994.
PFLEGE VON LEBENSRHYTHMEN[1] IN DER KINDHEIT
Warum ist insbesondere in der frühen Kindheit die Pflege der Rhythmen so wichtig?
Was ist das Besondere an einer rhythmischen Struktur?
Leben folgt Rhythmen
Alle Lebensvorgänge sind zum einen an bestimmte Rhythmen und Zeitstrukturen gebunden, zum anderen ist die rhythmische Funktionsordnung des Säuglings noch nicht ausgebildet und bedarf der Prägung und Anregung.
Hinzu kommt, dass der Mensch sich kraft seiner autonomen Verstandestätigkeit aus dem Naturzusammenhang isolieren und die lebenstragenden Rhythmen weitgehend missachten kann. Nach jahre- oder jahrzehntelangem Verstoß gegen die rhythmische Funktionsordnung, wenn die Elastizitätsgrenze überschritten ist und das System schließlich zusammenbricht, kann er in eine Vielzahl von Krankheits- und Kraftlosigkeitszuständen verfallen. Hingegen kann man durch die bewusste Pflege der wichtigsten Rhythmen die Belastungsfähigkeit des Organismus erhöhen und auf die Anforderungen des Lebens vorbereiten.
Über Rhythmen stehen Natur und Mensch in Beziehung im Wechsel der Jahreszeiten, in der Abfolge von Tag und Nacht und in den vielfältigen Bewegungsabläufen der Planeten vor dem Fixsternhintergrund. All die Rhythmen und Zahlenverhältnisse, die den Wandel der Planeten in unserem Sonnensystem regeln, finden sich auch in den Lebensvorgängen von Pflanze, Tier und Mensch wieder und zeigen den gemeinsamen Ursprung und Lebenszusammenhang der uns bekannten Schöpfung an.[2]
Die Erforschung biologischer Rhythmen und Zeitstrukturen ist erst im 20. Jahrhundert zu einem eigenen Wissenschaftszweig geworden: die Chronobiologie, gefolgt von Chronomedizin und Chronopharmakologie. Die folgenden Abschnitte geben eine Übersicht über die wesentlichen Rhythmen, die den Lebensvorgängen zugrunde liegen und diese „tragen”.
Bedeutung von Rhythmus
Rhythmus hilft Polaritäten auszugleichen. Immer wenn in der Natur Gegensätze aufeinanderstoßen, können rhythmische Strukturen regulierend wirken: So zeigen sich z.B. rhythmisch gegliederte „Lämmerwölkchen” am Himmel, wenn ein Hoch- und Tiefdruckgebiet aufeinanderstoßen. Rhythmisch geordnete Wellenlinien entstehen am Strand, wo das bewegliche Wasser auf das feste Land trifft. Entsprechend finden beim Atmungsvorgang die Polaritäten „Ruhe” und „Bewegung” zu einem rhythmischen Ausgleich.
Rhythmen sind die Grundlage für jeden Anpassungsvorgang. Da rhythmische Wiederholungen einander nie exakt gleichen, sondern immer ein feines Spiel um ein Mittelmaß darstellen, können rhythmische Vorgänge sich elastisch anpassen, wohingegen ein starrer Takt völlig unflexibel wäre, ohne jegliche Kapazität, etwas auszugleichen oder zu integrieren.
Rhythmus ersetzt Kraft. Alles, was regelmäßig geschieht, braucht weniger Kraft, als wenn es als einmalige Aktion außerhalb der gewohnten Zeitstruktur und / oder außerhalb der gewohnten Umstände geschähe.
Bedeutung von Wiederholung
Rhythmus entsteht durch das Wiederholen ähnlicher Vorgänge in vergleichbar ähnlichen Verhältnissen. Urbild jeglichen Rhythmus ist die Atmung: Kein Atemzug gleicht, wenn man ihn ganz genau misst, dem anderen in Bezug auf Tiefe und Länge. Dennoch ist jeder Atemzug dem vorangegangenen ähnlich.
Regelmäßig und rhythmisch durchgeführte Tätigkeiten führen zur Gewohnheitsbildung. Gewohnheiten aber sind das Grundgerüst jeder Persönlichkeits- und Charakterbildung. Wer sich daran gewöhnt hat, regelmäßige Essens- und Schlafenszeiten einzuhalten, wer gewöhnt ist, den Tag sinnvoll zu gliedern, sodass Arbeit und Erholung, Anspannung und Entspannung in einem sinnvollen Verhältnis zueinanderstehen, ist den Belastungen des täglichen Lebens gewachsen, ist zuverlässig und leistungsfähig. Solange wir ohne eigenes inneres Zeitmaß von äußeren Umständen oder unseren momentanen Neigungen abhängig sind, laufen wir Gefahr, uns im Falle von Anforderungen zu überschätzen und uns zu erschöpfen. Dann fehlt uns der Sinn für gesunde Lebensführung - die zur Anpassung nötige Elastizität und die zum Durchhalten nötige Kraft.
Jede bewusst vorgenommene Wiederholung stärkt den Willen und damit auch die Leistungsbereitschaft.
Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, Ergänzungen, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft
[1] Klaus-Peter Endres / Wolfgang Schad, Biologie des Mondes. Mondperiodik und Lebensrhythmen. Stuttgart 1997.
Amelung, W. / Hildebrandt, G. (Hrsg.): Balneologie und medizinische Klimatologie. Berlin 1985.
[2] M. Lehofer, Chronobiologie und Chronomedizin. Kurzgefasstes Lehr- und Arbeitsbuch. Stuttgart 1998.
KRAFTQUELLE RHYTHMUS FÜR ERWACHSENE
Was können wir als Erwachsene tun, um uns im Alltag Kraftquellen zu erschließen?
Welche Bedeutung hat die Pflege innerer Rhythmen?
Pflege innerer Rhythmen durch Meditation
Der Erwachsene bezieht seine Kraft und Sicherheit im Leben aus der geistigen Orientierung und seinem seelischen Engagement und immer weniger aus den körperlichen Kraftreserven und der helfenden äußeren Stärke. Daher ist beim Erwachsenen – anders als bei Kindern, bei denen die Pflege der äußeren Lebensrhythmen, wie Essens- und Schlafenszeiten, eine zentrale Rolle spielt – die Pflege innerer Rhythmen von entscheidender Bedeutung.
Das Mindeste, was man in dieser Hinsicht tun kann, ist, sich jeden Tag fünf Minuten „aus dem Verkehr“, aus der Arbeit und dem normalen Trott herauszuziehen. In diesen fünf Minuten kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes erholen, d.h. wieder hereinholen, indem man sich für einen Augenblick ganz und gar mit Gedanken und Gefühlen identifiziert, die einem im Leben wichtig oder sogar als „das Wesentlichste" erscheinen. Hat man einen Text, so kann man ihn zunächst lesen, nach einigen Tagen kennt man ihn vielleicht auswendig, pflegt ihn noch eine Weile, und wenn man ihn verinnerlicht hat, nimmt man sich etwas anderes vor.
Rudolf Steiner hat viele Meditationsübungen gegeben, wie den folgenden:
In den reinen Strahlen des Lichtes
Erglänzt die Gottheit der Welt.
In der reinen Liebe zu allen Wesen
Erstrahlt die Göttlichkeit meiner Seele.
Ich ruhe in der Gottheit der Welt.
Ich werde mich selbst finden in der Gottheit der Welt.[1]
Wenn man Worte und Gedanken wie diese mitdenkt und die Ruhe und Kraft, die sie anregen, in der Seele entstehen und wirken lässt, geht man danach erfrischt und gestärkt wieder an die Arbeit. Wer in seinem Tagesablauf überhaupt keine Zeit erübrigen kann, sollte sich zumindest diese fünf Minuten nehmen. Aber auch hier gilt „einmal ist kein Mal". Es muss regelmäßig zu einer bestimmten Zeit geschehen, um wirksame Veränderungen hervorrufen zu können.
Aller guten Dinge sind drei
Schafft man es, diese fünf Minuten dreimal am Tag einzurichten, hat das eine enorm zentrierende und stabilisierende Wirkung.
Man kann z.B. morgens nach dem Aufstehen die ersten fünf Minuten damit verbringen, sich einen wesentlichen Gedanken zu vergegenwärtigen, ein Morgengebet oder einen Spruch, und anschließend kurz auf den Tag zu blicken, der vor einem liegt. Hat man etwas mehr Zeit zur Verfügung, ist ein Morgenspaziergang zu empfehlen. Manchen Menschen fällt es sogar leichter, im Gehen nachzudenken. So kann der Morgenbesinnung auch noch eine Naturbeobachtung folgen. Im Übrigen tut der Spaziergang allen Organen gut. Dabei muss es sich gerade nicht um Jogging handeln – rhythmisch-beschwingtes lockeres Gehen, das nicht unbedingt schnell sein muss, ist viel effizienter: Je entspannter und ruhiger der Gang, je lockerer und beweglicher Kopf, Arme, Rumpf und Beine sich um die vertikale Achse leicht drehend und schwingend mitbewegen, umso besser wird der ganze Organismus durchatmet, werden die verschiedenen Organfunktionen in ihrem Zusammenwirken angeregt. Durch das Mit- und Durchbewegtwerden beim Gehen vertieft sich die Atmung und die periphere Durchblutung wird angeregt – was sich positiv auf alle Lebensfunktionen, besonders auch auf das Immunsystem, auswirkt.
Die zweiten „fünf Minuten" können dann in der Tagesmitte als Auszeit genommen werden.
Abends bietet sich wieder ein kleiner Rundgang an, bei dem man die Eindrücke des Tages vom momentanen Abendmoment rückwärts bis zum Morgen durchläuft und kurz rekapituliert, wie der morgendliche Vorblick auf den Tag sich zum real durchlebten Tag verhält. Rudolf Steiner empfiehlt, diesen Rückblick möglichst distanziert zu machen, als stünde man sich wie ein fremder Beobachter gegenüber.[2] Hat man sich am Tag über etwas sehr geärgert und kommt nun in der Rückschau wieder an diesen Punkt, besteht die Gefahr, dass man sich sofort wieder ärgert. Bleibt man aber auf Distanz, lernt man ein anderes Mal auch im Leben „distanzierter" und selbstbewusster zu reagieren. Hinzu kommt, dass Emotionen den Menschen am Schlafen hindern. Denken und Meditieren hingegen sind gute „Schlafmittel“.
Die Kraft der Selbstbestimmung erfahren
Durch eine Gliederung des Tages erfährt man die Kraft der Selbstbestimmung, die Möglichkeit, dem Tag einen Anfang und ein Ende zu geben, Ja und Nein zu sagen. Viele Menschen sind heute, ohne es selbst zu merken, nur noch fremdbestimmt. Sie haben die Verantwortung für sich abgegeben und funktionieren nur noch so, wie die Umgebung es von ihnen erwartet. Das letzte, was von ihrem Ich übrig ist, ist die Freude an der Anerkennung der anderen. Das führt auf Dauer in die totale Erschöpfung.
Eine der wichtigsten ersten Übungen, die Steiner in dem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?"[3] gegeben hat, heißt: „Schaffe Dir Augenblicke innerer Ruhe und lerne in diesen Augenblicken das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden".
Dabei ist es eine große Hilfe, wenn man sich mit einer solchen Wortmeditation überhaupt erst in eine Verfassung bringt, in der einem das Wesentliche wieder zugänglich ist. In der dann einkehrenden Ruhe kann man sich überlegen, was einem bis zum Abend oder Morgen oder in einem größeren Bogen wirklich wichtig ist. Das herauszufinden, setzt wieder Kräfte frei, denn im Alltag wirkt alles meist gleich wichtig und das führt zu Zerreißproben, in denen man nicht mehr ordnen, strukturieren und gewichten kann – mit dem Ergebnis, dass man förmlich hin und her zappelt.
Entsprechend kann man auch Übungen für die Pflege von Wochen- und Monatsrhythmus vornehmen und so an der Stabilisierung seines rhythmischen Systems arbeiten.
Vgl. „Kraftquelle Rhythmus“, gesundheit aktiv, 2. Auflage, Bad Liebenzell 2008
[1] Rudolf Steiner, Seelenübungen, GA 267.
[2] Rudolf Steiner, Anweisungen für eine esoterische Schulung, 1. Aufl. GA 245, Dornach 1979, S. 26 ff.
[3] Vgl. Rudof Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, GA 10.
HEILKRAFT DER RHYTHMEN
Worin gründet die Heilkraft von Rhythmen?
Wie können wir diese Heilkraft für uns nützen?
Kein Leben ohne kosmische Rhythmen
Rhythmen bestimmen Werden und Vergehen aller lebendigen Organismen. Und so wie es ohne die Sonne keine zirkadiane Rhythmik, aber auch keine Chlorophyllbildung im Pflanzenblatt (Fotosynthese) und damit auch kein Pflanzenwachstum geben würde, so wäre ohne das besondere Verhältnis von Sonne und Erde auch kein höheres Leben wie das von Tier und Mensch möglich. Die Sonne und der Mond, der die Spanne zwischen Tag- und Jahresrhythmus weiter untergliedert, sind die zentralen Rhythmusgeber, nach denen sich das Leben von Pflanze, Tier und Mensch richtet.
Denn alles Leben, jede noch so kleine Zell- und Organtätigkeit, ist rhythmisch geordnet und korrespondiert mit den Rhythmen des Kosmos, dem Rhythmus der Sterne und der Erde. Der Mensch und die Natur sind durch ihre Lebensrhythmen Teil eines großen Ganzen und auch wenn der Mensch sich weitgehend aus dieser kosmischen Ordnung emanzipieren kann, muss er doch seinen Platz darin finden.
Das Weltall als lebendigen Organismus erkennen
Das macht eines deutlich: Das Weltall ist mehr als ein unendlich großer Raum, der mit ungezählten Sternen, Sternhaufen, schwarzen Löchern und in Erdnähe mit Satelliten gefüllt ist. Ein solches Bild vom Kosmos mutet eher lebensfeindlich an.
Umso notwendiger ist es, sich ein Bild vom Weltall zu vergegenwärtigen, das auch die besonderen Stimmungen umfasst, die durch Mond und Sonne im Verlaufe von 24 Stunden im Wechsel von Tag und Nacht, von Morgen- und Abenddämmerung mit ihrer ganzen Licht- und Farbenfülle, an den Himmel gezaubert werden.
Wer die Rhythmen der Planeten im Verhältnis zur Erde und zum Fixsternhimmel als Impulsgeber versteht, die das Leben auf der Erde tragen und begleiten, und die Sonne als Quelle von Licht, Wärme und Energie für alles Leben auf der Erde begreift, wird den Kosmos als lebendigen Organismus erkennen. Denn die Evolution auf der Erde wird von denselben kosmischen Zahlengesetzen und Rhythmen bestimmt wie das Menschenleben.
Gesundender Umgang mit Rhythmen
Diese die Materie beherrschenden und ordnenden kosmischen Gesetze sind reine Gedanken, sind spiritueller Natur. Sie offenbaren sich insbesondere in den Rhythmen von Licht, Wärme und Bewegung. In ebendiesen Rhythmen kann sich der Mensch erholen und seelisch-geistig finden und somit seine höhere Natur, sein spirituelles Wesen, erkennen und erleben.
Sobald wir gerade unter den gegenwärtigen Bedingungen bewusst an einer rhythmischen Gestaltung des seelischen und geistigen Lebens arbeiten, werden wir bemerken, dass dies einen heilsamen Ausgleich zum Alltagsstress bringen kann. Zugleich schließen wir uns an die ordnenden Gedanken, an den Geist des Kosmos mit seinen Gesetzen an.
Das hebt das Leben auf ein anderes Niveau und macht den Menschen gesünder, freudiger und „wesentlicher", was wiederum in der heutigen Zeit, in der Antriebslosigkeit, Müdigkeit und viele Abhängigkeiten so verbreitet sind, von größter Bedeutung ist. Ein differenziert ausgebildetes rhythmisches Leben, das nach den individuellen Bedürfnissen gestaltet und gemäß den inneren Möglichkeiten und äußeren Gegebenheiten der einzelnen Menschen gepflegt wird, bildet die Basis, sich den Herausforderungen des Lebens gewachsen zu fühlen.
Vgl. Heilkraft der Rhythmen, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016
PFLEGE DES TAGESRHYTHMUS
Welche Bedeutung hat die Pflege des Tagesrhythmus für den Menschen?
Was kann dem kleinen Kind beim Ausbilden eines kräftigen rhythmischen Systems helfen?
Rhythmen müssen erlernt werden
Was sich beim Erwachsenen durch den Zeitgeber Sonne im 24-Stunden-Rhythmus synchronisiert hat und in schöner Regelmäßigkeit vollzieht – z.B. die Schwankungen seiner Temperaturkurve (morgens 0,50 weniger als abends), des Blutzuckerspiegels, der verschiedenen Hormone und Blutsalze und anderer Stoffwechselvorgänge – ist beim Neugeborenen noch nicht synchronisiert und rhythmisiert. Der Aufbau typischer Maxima und Minima im Wechsel von Tag und Nacht muss erst erlernt werden.
Die Art und Weise, wie dieses noch so offene und lernbereite „rhythmische System” des Säuglings durch die vielen kleinen Handlungen im Zusammenhang mit dem Essen, Pflegen, Spielen und Schlafen geprägt wird, bestimmt seinen Aufbau, seine Elastizität und seine Anpassungsbereitschaft für das ganze spätere Leben. Denn alle Organe, insbesondere die großen Stoffwechsel- und Verdauungsorgane, müssen lernen, sich in ihren Funktionen aufeinander abzustimmen. Sie müssen die optimale Zusammenarbeit erst durch einen möglichst regelmäßigen Wechsel von Essenszeiten und Essenspausen, von Aktivität und Schlaf erlernen.
Tagesablauf als Rhythmuspflege
Für die Ausbildung des 24Stunden-Rhythmus ist es aus diesem Grunde hilfreich, wenn das Aufnehmen des Kindes am Morgen und das Zubettbringen am Abend – möglichst zu ähnlichen Zeiten – einem bestimmten Ablauf folgen. Morgens kann ein Morgenlied gesungen und / oder gemeinsam aus dem Fenster geschaut werden, wohingegen am Abend schon von Anfang an eine Kerze angezündet, einige Töne gesungen und eventuell auf einer einfachen Kinderharfe oder Leier – möglichst in pentatonischer Stimmung[1] – begleitet werden können, um dann das Gute-Nacht-Sagen mit einem kurzen Abendgebet abzuschließen.
Je klarer sich im Laufe von Wochen und Monaten eine bestimmte Tagesgestalt herausbildet – morgens in der Wohnung und bei der Hausarbeit dabei sein, nachmittags draußen im Tragetuch getragen oder im Kinderwagen gefahren werden – umso deutlicher erlebt das Kind den Tageslauf und den Unterschied von Tag und Nacht mit und kann mit seinem ganzen Organismus darauf reagieren.
Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, Ergänzungen, Persephone, Kongressband Nr. 2, Verlag am Goetheanum, Dornach
[1] Unter Pentatonik versteht man fünfstufige Tonleitern ohne Halbtöne, z. B. die Reihe d-e-g-a-h. Die Melodien haben einen leichten, offenen Charakter und können auf jedem Ton enden. In der Waldorfschul- und Heilpädagogik sind vor allem Flöten und Leiern bzw. Kinderharfen in Gebrauch.
DER WOCHENRHYTHMUS
Wie wirkt sich der Wochenrhythmus aus?
Wie kann er gepflegt werden?
Wochentage und Planeten
Die Namen der Wochentage weisen noch auf den in früheren Zeiten gepflegten Zusammenhang mit den am Himmel sichtbaren Wandelsternen, den Planeten, hin - den die Erde umkreisenden Mond eingeschlossen:
Sonntag – Sonne (englisch „Sunday“)
Montag – Mond (französisch „Lundi“)
Dienstag – Mars (französisch „Mardi“)
Mittwoch – Merkur (französisch „Mercredi“)
Donnerstag – Jupiter (französisch „Jeudi“)
Freitag – Venus (französisch „Vendredi“)
Samstag – Saturn (englisch „Saturday“)
So unterschiedlich wie die Erscheinungsformen dieser Wandelsterne am Himmel sind – der ferne unscheinbare Planet Saturn, der leuchtend-helle Jupiter, der rötlich flackernde Mars, die warm am Abend- oder Morgenhimmel erstrahlende Venus, der zart und für wenige Tage nur kurz vor Sonnenauf- und Sonnenuntergang in der Morgen- oder Abenddämmerung erscheinende Merkur, der ständig seine Lichtgestalt wechselnde Mond und die alles überragende und überleuchtende Sonne – so unterschiedlich kann man auch die Qualität der Wochentage erleben und pflegen.
Heilkräftiger Sieben-Tage-Rhythmus
Den Sieben-Tage-Rhythmus hat die Rhythmusforschung als den reaktiven und damit für Anpassungs- und Heilungsvorgänge entscheidenden Rhythmus entdeckt. So empfehlen wir, dem Gang der Woche ein bestimmtes rhythmisches Gepräge zu geben, damit dieser Sieben-Tages-Rhythmus dadurch unterstützt und stabilisiert wird und so der Grund gelegt wird für ein elastisches Reagieren auf Belastungen und Verletzungen aller Art.
Der Sonntag kann einen festlichen Charakter haben: Das Frühstück ist gemütlicher, wobei davor oder im Anschluss daran etwas gesungen oder vorgelesen werden kann. Jeder andere Wochentag kann sein besonderes Morgenlied haben oder durch bestimmte Vorhaben und Tätigkeiten sein Gepräge bekommen. Die wöchentlichen Verpflichtungen können mit kleinen freudig erwarteten Kulturgewohnheiten – Besuche machen oder empfangen, vorlesen, Bilder anschauen oder Musik machen – abgewechselt werden, die dem Tag eine besondere Note geben.
In den letzten Jahrhunderten haben sich die Menschen immer mehr von den Wochen-, Monats- und Jahreszeitenrhythmen emanzipiert. An ihrer zunehmenden Irritierbarkeit und Kraftlosigkeit (burn-out-Symptome) erleben sie, wie Rhythmus- und Zeitlosigkeit die Gesundheit untergraben. Das „Zeithaben” beginnt mit einem bewussten Umgang mit der Zeit, d.h. mit einer Rhythmisierung und Gestaltung ihrer Abläufe und Intervalle durch den Wechsel von Aktivität und Ruhe.
Für die Pflege des religiösen und meditativen Lebens gilt dasselbe: Durch regelmäßiges inneres Arbeiten, täglich oder in größeren Rhythmen, werden innere Kräfte und Fähigkeiten veranlagt und ausgebildet.[1]
Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, Ergänzungen, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft
[1] Wir möchten in diesem Zusammenhang besonders auf den achtgliedrigen Pfad des Buddha hinweisen, wie ihn Rudolf in einer für den Menschen der Gegenwart geeigneten Form dargestellt hat. Er enthält für jeden Tag der Woche eine spezielle Übungsaufgabe: für den Samstag die besondere Pflege des Vorstellungslebens, den Sonntag die Arbeit am richtigen Urteil, den Montag die bewusste Pflege des Gesprächs und des Umgangs mit dem Wort, für den Dienstag die Aufmerksamkeit auf die Handlungsweisen („die richtige Tat“), den Mittwoch das Finden des richtigen Standpunktes im Leben, den Donnerstag das richtige Einschätzen der eigenen Kraft- und Arbeitsmöglichkeiten und für den Freitag das Streben, möglichst viel vom Leben zu lernen. –
Diese Übungen für die Tage der Woche sind abgedruckt in: Seelenübungen - Band 1. GA 267, Dornach 1997, sowie in: Anweisungen für eine esoterische Schulung, Sonderausgabe, Dornach.
INNERE ARBEIT IM WOCHENRHYTHMUS
Wie kann man mit dem Wochenrhythmus arbeiten?
Was ist mit dem achtgliedrigen Pfad des Buddha gemeint?
Der achtgliedrige Pfad des Buddha
Den Wochenrhythmus können Sie z.B. anhand des sogenannten achtgliedrigen Pfades pflegen.[1] Dabei wird die Aufmerksamkeit auf acht Seelenvorgänge gelenkt, die man normalerweise kaum beachtet. Sieben der Qualitäten korrespondieren mit den Eigentümlichkeiten der Planeten, die den Wochentagen ihre Namen geben, und werden an den entsprechenden Tagen geübt. Die achte können Sie sich von Zeit zu Zeit vornehmen, wenn es sich ergibt.
Um eine Vorstellung zu geben, worum es sich handelt, werden diese Qualitäten hier stichwortartig genannt, jedoch wird empfohlen, die Übungen im Original nachzulesen.
· Montagsübung:
Nur reden, was Sinn und Bedeutung hat. Auf die Art des eigenen Sprach- und Wortgebrauchs achten.
· Dienstagsübung:
Sich bewusst zu dieser und jener Handlung entschließen. Achtgeben darauf, dass das eigene Tun die anderen möglichst wenig stört. Und wenn man weiß, dass etwas, was man tut, andere ärgern wird, es so zu tun, dass der Ärger so klein wie möglich gehalten werden kann.
· Mittwochsübung:
Natur- und geistgemäß leben. Sich bestimmte Regeln geben, die der „Work-Life-Balance“, der Arbeit und den eigenen Lebensbedürfnissen gleichermaßen, dienen.
· Donnerstagsübung:
So leben und arbeiten, dass man innerhalb seiner Kraftgrenzen verbleibt, aber dennoch danach strebt, diese, wo möglich, ständig etwas zu erweitern.
· Freitagsübung:
Vom Leben lernen. Nichts geschieht im Leben, was nicht auch Anlass sein könnte, sich zu fragen, was man aus dieser Sache lernen kann. Auch schwierige Erfahrungen und schlimme Erlebnisse gehören dazu – eigene oder bei anderen Menschen miterlebte oder aus den täglichen Nachrichten aufgenommene:
Wie konnte es dazu kommen?
Was kann getan werden, dem vorzubeugen?
· Samstagsübung:
Auf die eigenen Vorstellungen achten. Sich klar machen, warum man sich welche Gedanken zu eigen gemacht hat und andere nicht. Bewusst Erinnerungen und Gedächtnis pflegen.
· Sonntagsübung:
Sich wohlüberlegt, nach gründlichem Abwägen des Für und Wider, etwas entscheiden bzw. sich zu etwas entschließen.
· Die achte Übung:
Sich von Zeit zu Zeit besinnen, wie es einem auf dem inneren Weg geht, was man gelernt, erlebt und bemerkt hat und was man ggf. gerne ändern möchte.
Es empfiehlt sich, diese Wochenübungen z.B. in die fünf Minuten, die man sich vorgenommen hat, zu integrieren. Denkt man morgens kurz daran, wird der Impuls verstärkt und das Seelenleben kann sich auf diese Weise orientieren.
Vgl. Monatsrhythmus, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 2. Kap., Berlin 2016
[1] Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, GA 10, Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1992a.
ERHOLUNGSWERT DES MONATSRHYTHMUS
Was macht den Monatsrhythmus so bedeutsam?
Wobei unterstützt er uns?
Rhythmus der Erholung und Gewohnheitsbildung
Der Monatsrhythmus erweist sich als der Rhythmus der tiefgreifenden Erholung. Aus der Bäder- und Klimaheilkunde (Kurmedizin) ist bekannt, dass der Erholungswert eines vierwöchigen Kuraufenthaltes bedeutend höher ist als der eines zwei- oder dreiwöchigen.
Wenn ein Mensch wirklich erschöpft ist, braucht er sogar eine zwei- bis dreimonatige Rekonvaleszenz – da ist es in der Regel nicht mit einer Auszeit von vier Wochen getan.
Der Monatsrhythmus dient aber auch der Gewohnheitsbildung und Stabilisierung. Es dauert mindestens vier Wochen, bis eine neue Gewohnheit „sitzt”. In der Waldorfschule macht man sich diese Tatsache zunutze, indem man den Unterricht, wenn irgend möglich, in vier Wochen dauernden Epochen erteilt.[1]
Pflege des Monatsrhythmus
Man kann den Monatsrhythmus bewusst pflegen durch:
- genaues Anschauen von Kalenderbildern,
- das Singen von Monatsliedern,
- das Beobachten von Lebensvorgängen im Wechsel der Jahreszeiten und damit verbundenen Tätigkeiten in der Landwirtschaft und im Garten,
- durch die Art der Kleidung, die sich im Laufe der Monate ändert.
Bei der Feriengestaltung empfehlen wir, wenn irgend möglich, den Vier-Wochen-Rhythmus zu berücksichtigen und raten von Kurzurlauben mit Kindern ab, wenn es um deren Erholung gehen soll. Kurzurlaube können Erwachsene anregen und „auf andere Gedanken” bringen. Für Kinder sind sie jedoch eine Strapaze. Nicht selten bringen Kinder einen Infekt von der Reise mit oder erkranken am Urlaubsort.
Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, Ergänzungen, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft
[1] Vgl. hierzu , Wolfgang Schad, Zur Hygiene des Unterrichts, in Erziehung ist Kunst. Pädagogik aus Anthroposophie, Stuttgart I994.
MONATSTUGENDEN UND TIERKREISZEICHEN
Welche Monatstugenden werden in den jeweiligen Monaten gepflegt?
Was bewirkt dieses Üben?
Mit welchen Organen hängen die Tierkreiszeichen und die dazugehörigen Monatstugenden zusammen?
Tierkreiszeichen, Organe und Monatstugenden
Zur Pflege des Monatsrhythmus eignen sich die sogenannten Monatstugenden, die im Zusammenhang mit dem Tierkreis stehen. Diese Monatstugenden sind auch außerhalb der Anthroposophie bekannt. Den Hinweisen Rudolf Steiners aber ist es zu verdanken, dass sich beim Üben noch eine zweite Qualität entwickelt, wenn man diese Charaktereigenschaften bzw. Tugenden aus Freude und Dankbarkeit darüber, dass es sie gibt, um ihrer selbst willen übt.
Gemäß alten Überlieferungen werden den Tierkreiszeichen bestimmte Organzusammenhänge bzw. Bereiche der menschlichen Gestalt zugeordnet. So kann durch das Üben der entsprechenden Monatstugend auch ein heilsamer Einfluss auf das betreffende Organ erreicht werden.[1]
1. Widder: Devotion wird zu Opferkraft
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Gehirn und Sinnesorgane.
Devotion, d.h. Andacht, Wertschätzung und Verehrung sind seit Urzeiten die Ur-Tugenden des inneren Weges. Sie helfen uns, eine Lebenshaltung zu entwickeln, die jedem Lebewesen das Recht auf Dasein zugesteht und ihm Respekt und Anerkennung zollt. Das ist ein durch und durch positives Gefühl, das die Seele befriedet und ernährt. Denn was ich schätzen kann, kann ich auch als Bereicherung erleben. Wer diese Tugend um ihrer selbst willen übt, erlebt, wie sich daraus Opferkraft entwickelt – d.h. die Fähigkeit, andere in ihrem So-Sein aktiv zu unterstützen und zu fördern, anstatt in den Beziehungen primär auf den eigenen Vorteil zu schauen.
2. Stier: Gleichgewicht wird zu Fortschritt
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Kehlkopf und Schilddrüse.
Das Sprechen bildet sich in der frühen Kindheit durch Nachahmung heraus: durch das Zuhören, wie die Menschen im Umkreis sprechen. Übt der Erwachsene die Tugend des Zuhörens dadurch, dass er seine eigene Meinung zurückstellt, innerlich ruhig wird, sich ins seelische Gleichgewicht bringt, was nötig ist, um gut zuhören zu können, so lernt er nicht nur bewusster und sinnvoller zu sprechen, sondern pflegt auch die Kehlkopfregion, einschließlich der Schilddrüse, deren Funktion vom Seelischen aus reguliert und gestärkt wird, wenn man an seinem inneren Gleichgewicht arbeitet. Dieses innere Gleichgewicht fördert aber auch die Tugend der Entwicklungskompetenz, d.h. des Weiterschreitens, des Sich-lösen-Könnens, des Fortschreitens in der Entwicklung.
3. Zwillinge: Ausdauer wird zu Treue
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Arme.
Die fleißigen Hände und Arme sind Urbild von Ausdauer und Zuverlässigkeit. Nichts zu versprechen, was man nicht halten kann – an einer Sache aus Liebe zu ihr dranbleiben, bis sie getan ist – fördert die Befähigung zur Ausdauer, aber auch die Gesundheit von Armen und Händen.
4. Krebs: Selbstlosigkeit wird zu Katharsis/ Läuterung der Seele
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Brustkorb.
Wer den Brustkorb und dessen Hauptorgansysteme Herz, Lungen, Speise- und Luftröhre studiert, bekommt ein Wahrbild der Tugend der Selbstlosigkeit: Denn was zeigt sich dabei? Dass Selbstlosigkeit nichts mit Selbstaufgabe bzw. mit einer Opferrolle zu tun hat. Vielmehr wird genau das Gegenteil ins Bild gebracht: Wer selbstlos ist, selbstlos etwas leisten kann, hat bereits, was er braucht für seinen Eigenbedarf - weshalb der größte Teil dessen, was er leistet, dem Wohl des Ganzen dienen kann. Er nimmt lebhaften Anteil daran und freut sich am Wohlergehen desselben, fühlt sich davon beschenkt. In diesem Sinne besteht die Hauptarbeit dieses Organgebietes in der Vermittlung dessen, was die anderen Organe brauchen. Deswegen wird es auch gestärkt, wenn man sich seelisch der Pflege dieser Tugend zuwendet. Vollzieht man diese Übung immer wieder, bildet sich auch die zweite Tugend heraus: Läuterung der Seele von zu starkem Selbstbezug.
5. Löwe: Mitleid wird zu Freiheit
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Herz und Kreislauf.
Empathie und Mitleid sind die Tugenden des Herzens – aber auch die seelischen und charakterlichen Qualitäten, die das Herz und die Kreislauftätigkeit stärken. Freiheitsfähigkeit entsteht durch die Hinwendung zum anderen um seiner selbst willen. Nur dann ist man frei von Eigennutz oder den Projektionen persönlicher Sympathien und Antipathien im Sinne von: Ach du armer…, wie schlecht geht es dir doch, das würde mir auch nicht gefallen etc. Frei zu werden von sich selbst und frei zu werden für das, was man um der Sache willen möchte – das sind die beiden Aspekte der Tugend, die aus echtem Mitgefühl und Mitleid erwächst.
6. Jungfrau: Höflichkeit wird zu Herzenstakt
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Verdauungsorgane.
Höflichkeit ist die Tugend freundlicher Zurückhaltung, die sich um das jeweils passende Verhältnis zu einem bestimmten Menschen oder einer gesellschaftlichen Situation bemüht. Genau das aber machen die Verdauungsorgane, wenn sie den Nahrungsmitteln die Menge an Enzymen und Verdauungssäften entgegenbringen, die gebraucht werden, um die ankommende Nahrung bestmöglich zu verarbeiten. Wird dies geübt, so kann eine neue Form von Taktgefühl entstehen, das nichts mit Berechnung oder Konvention zu tun hat, sondern Ausdruck echter Herzlichkeit ist: der Herzenstakt.
7. Waage: Zufriedenheit wird zu Gelassenheit
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Hüften.
„Zufrieden – da wäre ja geholfen, wo selbst ein Gott nicht helfen kann“ – so schreibt der Dichter Friedrich Hölderlin in seinem Werk „Hyperion“. Zufriedenheit ist eine besonders schwierige Tugend, weil es so vieles gibt, woran Menschen leiden, so vieles, was schief läuft unter Menschen, um nicht zu sagen katastrophal. Und man selber hat ja auch oft Grund mit Goethes Faust zu sagen: „O glücklich, wer noch hoffen kann, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen … Was man nicht hat, das eben brauchte man – und was man hat, kann man nicht brauchen …“ Wer jedoch übt, Zufriedenheit zu empfinden an Stellen, wo im Kleinen etwas gelingt, z.B. indem man wach und dankbar darüber ist, dass man frei atmen darf, genug zu essen hat, ein Dach über dem Kopf – oder zur rechten Zeit einen guten Einfall bekommt – einen Zug nicht verpasst hat, keinen Autounfall hatte usw. usf., der entwickelt auch die Tugend der Gelassenheit den Wechselfällen des Lebens gegenüber. Dadurch erfährt das Organsystem der Hüften Stärkung, das das körperliche Gleichgewicht beim Gehen ermöglicht und stabilisiert.
8. Skorpion: Geduld wird zu Einsicht
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Fortpflanzungsorgane.
Welche Tugend unterstützt einen menschenwürdigen Umgang mit der Sexualität?
Die Antwort ist schlicht: Geduld. Geduld bedeutet, warten zu können, bis eine Situation reif ist. Wahrnehmen zu lernen, was die Situation, was der andere Mensch braucht. Dazu gehört auch ehrlich mit sich selber zu sein, zu wissen, was man vom anderen erwartet oder nicht. Dadurch erlangt man tiefere Einsicht, eine andere Haltung, mehr Verständnis. Das führt zu einer menschenwürdigeren Beziehung. Sexualität braucht die Einbettung in eine menschliche Beziehung – wird sie zum Selbstzweck, so besteht die Gefahr, dass die Beziehung früher oder später eine unmenschliche Tingierung bekommt.
9. Schütze: Gedankenkontrolle wird zu Wahrheitsempfinden
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Oberschenkel.
Wer auf seine Gedanken achtet, ihren Ablauf beobachtet und kontrolliert, indem er sich darüber Rechenschaft gibt, schärft zugleich sein Wahrheitsgefühl. Er erlebt jedoch auch, dass Denken anstrengend ist, Konzentration braucht. Wer sich anspannt, sich auf etwas konzentriert, der kann dabei erleben, wie sich das ganze Muskelsystem mit anspannt. Das größte und stärkste Muskelpaket ist die Oberschenkelmuskulatur.
10. Steinbock: Mut wird zu Erlöserkraft
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Knie.
Die Tugend des Mutes hat viele Gesichter. Menschen können auf einem Gebiet sehr mutig erscheinen und auf einem anderen extrem zurückhaltend oder sogar feige sein. Knien ist die Haltung des wahren Mutes der Demut, des Mutes zu dienen, sich einem Höheren zu nähern. Mut nach innen und außen hin entwickelt sich jedoch nur, wenn man sich aus Sachzwängen, Konventionen und Abhängigkeiten befreit. Wer diesen Mut übt, erlebt Befreiung und Erlösung.
11. Wassermann: Verschwiegenheit wird zu meditativer Kraft
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Unterschenkel, Waden.
Die Tugend der Verschwiegenheit bzw. der Diskretion hat ein hohes Sozialprestige. An ihr kann man sich besonders gut klar machen, dass man eine Tugend auch aus Image-Gründen üben kann, d.h. um des eigenen Vorteils und einer besseren sozialen Akzeptanz willen. Nur wenn die Motivation zum Üben in der Tugend selbst begründet ist, entwickelt sich dabei meditative Kraft. Die Waden ermöglichen und stabilisieren den sicheren aufrechten Stand. Sie sind stille Schicksalsbegleiter.
12. Fische: Großmut wird zu Liebe
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Füße.
Großmut ist die souveräne menschliche Haltung. Sie umfasst alles: menschliche Größe in jeder Form – aber auch den Mut, diese Haltung zu üben und zu leben. Woran kann man sich orientieren, wenn man diese Tugend lernen will? Auch hier ist das zugehörige Organgebiet ein Lehrmeister: unsere Füße. Der Fuß ist das Organ des menschlichen Körpers, das am frühesten die typische Menschenform annahm. Aus der Paläontologie wissen wir, dass die Köpfe unserer Menschenvorfahren noch tierisch-affenähnlich aussahen, als der Fuß schon seinen spezifisch menschlichen Bau hatte – erworben am aufrechten Gang. Wer bewusst aufrecht zu gehen übt, wie dies z.B. beim dreiteiligen Schreiten in der Eurythmie getan wird, erlebt sich als menschlicher. Großmütige Menschen erkennt man auch am Gang. Über die Liebe nachzudenken und darüber, warum sie erst auf dem Boden des Großmuts realisiert werden kann, ist eine andere Einstiegshilfe, diese umfassende menschliche Tugend kennenzulernen und bei sich selber zu erüben.
Vgl. Monatsrhythmus, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 2. Kap., Berlin 2016
[1] Rudolf Steiner, Seelenübungen mit Wort- und Sinnbild-Meditationen, GA 267, Rudolf Steiner Verlag, Dornach 2001.
DER JAHRESRHYTHMUS
Welche Entwicklungen vollziehen sich im Jahresrhythmus?
Physischer Entwicklungsrhythmus
Es dauert ein Jahr, bis das Kind gehen kann und ein weiteres Jahr, bis es zu sprechen beginnt. Dann dauert es wiederum ein Jahr, bis die selbständige Gedankentätigkeit einsetzt. Der physische Leib entwickelt sich in Jahresrhythmen weiter und wird durch die jahreszeitlichen Klimaveränderungen und Lichtverhältnisse stimuliert in seiner Entwicklung. Entsprechend haben auch Kinderkrankheiten ihre typischen Jahresmaxima und -minima.
Man kann auch eine jahresrhythmische Langzeitanpassung beobachten: Ist man länger als ein Jahr an einem Ort, erlebt man also eine Jahreszeit zum zweiten Mal am gleichen Ort, fühlt man sich dort „zu Hause”. Lebt man länger als sieben Jahre da, beginnt man ein Heimatgefühl zu entwickeln. Es ist eine gute Tradition, historische Ereignisse in Form von Gedenktagen zu feiern, ebenso wie Geburtstage und die sogenannten Jahresfeste.
Mit diesen Hinweisen wollen wir Eltern Mut machen zu einer Familienkultur, die Rhythmen wieder mehr berücksichtigt. Die Gesundheit ihrer Kinder sowie eine bessere Anpassungsfähigkeit bei Belastungen ist der Dank für diese Mühe.[1]
Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, Ergänzungen, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft
[1] Vgl. auch die ausführliche Darstellung in Michaela Glöckler (Hrsg.), Gesundheit und Schule, Dornach I998.
INNERE PFLEGE VON WOCHEN-, MONATS- UND JAHRESRHYTHMUS
Wie können wir den Wochenrhythmus, den Monatsrhythmus und den Jahresrhythmus bewusst pflegen?
Wie lassen sich die Übungssequenzen sinnvoll in den Alltag einbauen?
Konstruktives Üben
Will man zu üben beginnen, ist es wichtig, eine gewisse Begeisterung für die Idee zu entwickeln, ohne die nichts bewegt werden kann. Auch sollte man sich ein Übungsprogramm erstellen, das zeitlich in den Tagesrahmen passt und dann nach Plan üben, dass man nichts vergisst. Man kann das, was man üben oder beachten möchte, z.B. in die abendliche Rückschau einbeziehen. Hat man sein Pensum einmal nicht geschafft, kann man sich mit dem Gedanken trösten, dass man ja übt, weil man es noch nicht kann. Man sollte sich jedoch fragen, warum es nicht geklappt hat. Am nächsten Tag passt man auf, dass es nicht wieder geschieht. Möglicherweise passiert dann etwas anderes. So geht es weiter und vielleicht stellt man nach zehn Tagen fest, dass es einfach nicht klappt. Nun hält man sich die gesammelten Hinderungsgründe vor Augen. Entweder kommt man zu dem Schluss, dass der Inhalt der Übung nicht das Richtige ist und ändert das. Oder die Hinderungsgründe sind ausschlaggebend für das Nicht-Gelingen und man muss sich eine andere Zeit, einen anderen Ort oder andere Bedingungen dafür ausdenken. Mit dieser Erfahrung setzt man sich ein neues Ziel, für das man sich begeistern kann, in Bezug auf das man wieder Lust hat, neu zu beginnen.
· Pflege des Wochenrhythmus
Den Wochenrhythmus kann der Erwachsene z.B. anhand des sog. achtgliedrigen Pfades des Buddha pflegen.[1] Dabei wird die Aufmerksamkeit auf acht Seelenvorgänge gelenkt, die normalerweise sorglos und unaufmerksam ausgeführt werden. Sieben der Qualitäten korrespondieren mit den Eigentümlichkeiten der Planeten, die den Wochentagen ihre Namen geben. Sie werden an den entsprechenden Tagen geübt. Die achte kann von Zeit zu Zeit geschehen. Nur um eine Vorstellung zu geben, worum es sich handelt, werden diese Qualitäten hier stichwortartig genannt:
Montag Nur reden, was Sinn und Bedeutung hat.
Dienstag Sich bewusst für diese und jene Handlung entschließen und darauf achten, dass die eigenen Handlungen andere möglichst wenig stören.
Mittwoch Natur- und geistgemäß leben lernen.
Donnerstag So leben und arbeiten, dass man innerhalb seiner Kraftgrenzen verbleibt, aber dennoch danach strebt, diese fortwährend zu erweitern.
Freitag In jeder Beziehung bereit sein, vom Leben zu lernen.
Samstag Bewusste Aneignung von Vorstellungen, pflegen von Erinnerungen.
Sonntag Sich stets wohlüberlegt entscheiden und entschließen.
Diese Wochenübungen geben dem seelischen Leben Halt und Orientierung und stärken den Astralleib.
· Pflege des Monatsrhythmus
Zur bewussten Pflege des Monatsrhythmus empfehlen sich die sog. Monatstugenden (vgl. „Anthroposophische Menschenkunde“: „Begabungen des Ätherleibes“). Rudolf Steiner hat erforscht, dass es ein Unterschied ist, ob man die Tugenden um eines höheren Sozialprestiges willen oder um ihrer selbst willen übt – d.h. aus Liebe zu der mit ihnen verbundenen Menschlichkeit. Geschieht Letzteres, so geht aus dem Üben der betreffenden Tugend eine weitere hervor, die nicht von Natur aus veranlagt ist wie die erstgenannte. Die vielmehr erst auf der Basis einer bestimmten Haltung beim Üben entsteht:
April Ehrfurcht wird zu Opferkraft
Mai inneres Gleichgewicht wird zu Fortschritt
Juni Ausdauer wird zu Treue
Juli Selbstlosigkeit wird zu Katharsis
August Mitleid wird zu Freiheit
September Höflichkeit wird zu Herzenstakt
Oktober Zufriedenheit wird zu Gelassenheit
November Geduld wird zu Einsicht
Dezember Gedankenkontrolle wird zu Wahrheitsempfinden
Januar Mut wird zu Erlöserkraft
Februar Diskretion wird zu Meditationskraft
März Großmut wird zu Liebe
Mit „Kontrolle" ist gemeint, sich Rechenschaft darüber abzulegen, wer über das eigene Denken, Fühlen und Handeln bestimmt, von wem es abhängt und in Bewegung gebracht wird.
· Der Jahresrhythmus
Neben Jahresfesten bieten sich zur Pflege des Jahresrhythmus Naturbeobachtungen an, z.B. begleitet vom „Seelenkalender", in dem Rudolf Steiner für jede Woche des Jahres einen jahreszeitlichen Spruch konzipiert hat.[2] Ein Beispiel möge die Kraft und Schönheit dieser Sprüche zeigen:
In winterlichen Tiefen
Erwärmt des Geistes wahres Sein;
Es gibt dem Weltenscheine
Durch Herzenskräfte Daseinsmächte;
Der Weltenkälte trotzt erstarkend
Das Seelenfeuer im Menscheninnern.[3]
· Die Nebenübungen
Empfehlenswert sind zudem die sogenannten „Nebenübungen".[4] Sie beziehen sich auf sechs Qualitäten, die so lange geübt werden, bis sie zur Gewohnheit und zu einer Charaktereigenschaft geworden sind. Daher sollte man jeweils eine Übung täglich über vier Wochen, also im Monatsrhythmus wechselnd, vornehmen.[5] Die Qualitäten, die es zu üben gilt, sind:
- Gedankenkontrolle
- Handlungskontrolle
- Gefühlskontrolle
- Positivität
- Unbefangenheit
- das Herstellen eines Gleichgewichts dieser fünf Eigenschaften.
Leitlinien und Hindernisse beim Üben
Das Schwierigste in Bezug auf die genannten Übungen ist die konsequente Umsetzung im Alltag. Jede noch so gute Initiative, die man gern ergriffen hätte, die man aber wieder fallen lässt oder vergisst, macht den Menschen unzufrieden und schwächt ihn. Deshalb ist es nötig, nach Plan vorzugehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass man sich heute auf Dauer nur gesund erhalten kann
- durch den Aufbau eines „inneren Kalenders" mit kleinen Aufwachmomenten, die man freiwillig jeden Tag setzt
- durch eine neue Gefühlskultur, die man pflegt
- durch Ideale, Werte und Tugenden, die man sich selber Monat für Monat vornimmt
- durch Höhepunkte im Jahreslauf, wo man sich auf das ganz Wesentliche des Lebens besinnt
- durch das Lernen aus Erfahrungen.
Üben ist Selbstmotivation, auf die man sich gefühlsmäßig einstellen muss. Die sogenannten Hindernisse sind alle gefühlsmäßiger Natur: Man hat das Üben vergessen, hat es verdrängt, hat keine Lust oder findet es plötzlich langweilig. Um vom Fühlen zum Wollen zu kommen, muss man seinen Gefühlsorganismus reinigen. Der Wille beginnt erst zu wirken, wenn man bereit ist, aus den Erfahrungen zu lernen und Konsequenzen zu ziehen und seine Übungen realistischer zu gestalten.
Je mehr man übt und aus seinen Erfahrungen lernt, umso besser kann man auch anderen helfen. Es macht überhaupt nichts, wenn man das zunächst nicht kann. Man darf sich nur die Freude am Üben und am Lernen von Neuem nicht verderben lassen. In dieser Hinsicht kann man viel von Kindern lernen.
Warum sind Kinder so fröhlich?
Weil sie so gerne üben, wiederholen und am Kleinen ihre Menschlichkeit entdecken und pflegen. Wenn man das als Erwachsener auf bewusstem Weg wieder aufgreift, macht das Leben auch in schwierigen Zeiten wieder mehr Freude. Letztlich aber ist entscheidend, dass wir dadurch lernen, widerstandsfähig zu werden gegenüber den Belastungen des Lebens.
Vgl. „Kraftquelle Rhythmus“, gesundheit aktiv, 2. Auflage, Bad Liebenzell 2008
[1] Rudolf Steiner, Anweisungen für eine esoterische Schulung, 1. Aufl. Sonderausg. GA 245. Dornach 1979. S. 31 ff.
[2] Rudolf Steiner, Anthroposophischer Seelenkalender. 1. Ausgabe Dornach 1912, Ausgabe 1994.
[3] Ebenda, 43. Woche.
[4] Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der Höheren Welten? GA 10.
[5] Rudolf Steiner, Anweisungen für eine esoterische Schulung, 1. Aufl. Sonderausg. GA 245. Dornach 1979. S. 15 ff.
DAS PLATONISCHE WELTENJAHR
Wie errechnet sich das Platonische Weltenjahr?
In welchem Zusammenhang stehen Platonisches Weltenjahr und andere Lebensrhythmen?
Die Zahl des Platonischen Weltenjahres
Nach alter Rechnung wandert der Frühlingspunkt, der Schnittpunkt der Ekliptik mit dem Himmelsäquator, auf der Sonnenbahn in 25 920 Jahren einmal durch den Tierkreis und vollendet damit ein Platonisches Weltenjahr.[1] Die Rhythmen der großen Zeitgeber Sonne (Tag, Jahr), Mond (Woche, Monat) und Tierkreis, wie auch die Planetenrhythmen, spiegeln sich in den Rhythmen wider, die die Lebenstätigkeit von Pflanze, Tier und Mensch regulieren.
Mein Mann machte sich die Mühe zu schauen, durch wie viele verschiedene Zahlen die Zahl des Platonischen Weltenjahres teilbar ist. Er wollte damit herausfinden, welche Zahlenqualitäten mathematisch gesehen in der Zahl 25 920 drinstecken. Es verblüffte ihn zu entdecken, dass es genau siebzig Zahlen gibt, durch die diese Zahl teilbar ist.
In der Zahl 25 920 enthaltene Zahlenqualitäten
Die Zahlenfolge dieser 70 Zahlen betrachtete er näher und erkannte, dass viele davon einzeln oder auch als Unterfolgen eine unglaubliche Bedeutung haben. Einige davon möchte ich im Folgenden nennen.
· Alle Intervalle als Unterfolge
Im Mittelfeld dieser Zahlenfolge kommen zum Beispiel sämtliche Dur- und Moll-Intervalle vor, ganz genau in der richtigen Reihenfolge, von der Prim bis zur Oktav. Das ist schier unglaublich.
· Weltenmonat – Dauer von Kulturepochen
Teilt man 25 920 durch 12, ergeben sich 2160 Jahre. Das ist die Anzahl von Jahren, die Rudolf Steiner angibt für die Dauer einer Kulturepoche, der großen menschheitsgeschichtlichen Entwicklungsepochen.
· Weltenwoche – Erzengelepoche
Ich habe daraufhin selber mal weitergerechnet: Indem wir den Weltenmonat durch Vier teilen, erhalten wir die Weltenwoche von 504 Jahren. Sie entspricht in etwa dem Rhythmus einer Erzengelepoche. Nach alter Tradition steigen die Erzengel von Zeit zu Zeit zum Rang eines Zeitgeistes auf. Zurzeit wirkt der Erzengel Michael als Zeitgeist. Er will uns helfen, den Drachen zu überwinden und uns dadurch von Stress zu befreien. Das bestimmt die heutige Zeitsignatur.
· Weltentag – Lebenszeit
Ein Weltentag umfasst genau 72 Jahre, d.h. das statistische Mittel einer Lebenszeit. Wir leben einen Weltentag.
· Weltenstunde – drei Jahre
Was mich besonders berührt hat, war die nächste Berechnung, die Weltenstunde. Sie umfasst genau drei Jahre. Wenn man im Neuen Testament liest, vor allem im Johannes-Evangelium ist es wie ein roter Faden: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“. Meine drei Jahre zwischen Jordan-Taufe und Tod auf Golgatha sind noch nicht abgeschlossen. Das finde ich richtig erschütternd.
Aber auch die wundervolle Zeit der ersten drei Jahre des Kindes, in der die Vermenschlichung bzw. Individualisierung der angeborenen Konstitution geleistet wird. Das Kind macht das nicht rational, sondern in liebevoller Hingabe an seine Umwelt durch Nachahmung. Das Aufrichten, das Sprechen, das Denken, diese drei Leistungen sind nicht genetisch veranlagt. Sie zu erlernen braucht drei Jahre. Veranlagt ist nur die Reaktionsmöglichkeit.
· Weltenminute und Weltensekunde
Schließlich gibt es noch die Weltenminute, die 18 Tage umfasst, und die Weltensekunde, die 7, 2 Stunden lang ist. Sie ist medizinisch besonders wichtig. Sie bemisst die durchschnittliche Dauer eines wirklich erholsamen Schlafes. Wenn also Menschen ausgebrannt sind oder vermeiden wollen, es zu werden, kann man ihnen nur raten: Nimm ein bis zwei Monate – das sind die Erholungsrhythmen –, und versuche mindestens 7, 2 Stunden im Bett zu liegen, selbst wenn du am Anfang nicht schlafen kannst. Aber schaffe dir diese Ruhezeiten und versuche tagsüber sinnvoll tätig zu sein, dass du abends müde bist.
· 25 920 Atemzüge pro Tag
Besonders bewegend ist jedoch die Tatsache, dass der mit dem Herzschlag harmonisch abgestimmte Atemrhythmus nicht nur zwischen der erfrischenden Luft im Umkreis und der verbrauchten Luft im menschlichen Organismus vermittelt, sondern dass er auch in innerer Übereinstimmung ist mit der Wanderung der Sonne durch den Tierkreis. Die durchschnittliche Anzahl der in Ruhe durchgeführten Atemzüge pro Minute ergibt 18 Atemzüge. Wenn man das auf 24 Stunden umrechnet, erbeben sich genau 25 920 Atemzüge (18 Atemzüge in der Minute ergeben pro Stunde 18 x 60 = 1080, mal 24 Stunden 1080 x 24 = 25 920).
Der überraschende Einklang macht deutlich, dass das Leben des Makrokosmos rhythmisch nach denselben Zahlenverhältnissen geordnet ist wie das Leben des Mikrokosmos des menschlichen Organismus.
Vgl. Vortrag über „Zeitmanagement“, Dornach 2006
[1] Auf dieses Thema kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Die Erscheinungen und Bewegungen von Sonne, Mond und Planeten sind geschildert z.B. bei Joachim Schultz, Rhythmen der Sterne, Dornach 1985.