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Mögliche Schritte zur übersinnlichen Wahrnehmung

Aus Geistesforschung

Mögliche Schritte zur übersinnlichen Wahrnehmung - von Ronald Templeton

Es ist mir bewusst, dass es ein Unterfangen ist, den Versuch zu wagen, die Schritte zur übersinnlichen Wahrnehmung zu beschreiben. Es ist meine Art, die Schritte nachvollziehbar zu beschreiben, und das mag etwas umständlich sein. Hinzu kommt, dass gewisse Feststellungen zwar nachvollzogen werden können, aber doch ein gewisses Mass an Erlebnisfähigkeit in Anspruch nehmen.

Die Alltagswelt

Im Alltag werden wir von einer Welt umgeben, die unseren Sinnen, ohne unser weiteres Hinzutun, zugänglich ist. Das heißt die Sinne sind neutrale Vermittler. Wir können sehen, wir hören, wir schmecken, wir riechen und ertasten, wodurch wir zu der Welt der Dinge eine Beziehung aufbauen. Wir verwenden unsere Sinne, um uns in dieser Welt zu bewegen und in ihr tätig zu sein.

Diese Welt ist uns gegeben. Wir gehen selbstverständlich mit ihr um und entdecken, dass wir uns in ihr durch unsere Tätigkeiten verwirklichen können. Das Ziel des Lebens scheint zunächst diese Selbstverwirklichung zu sein, und die sinnliche Welt scheint diesem Zweck zu dienen.

Es braucht schon eine gewisse psychologisch-philosophische Ader, um zu überlegen, wie wir unsere innere Fähigkeit verwenden, um unsere Lebensziele zu verwirklichen. Ist man initiativ tätig, braucht man eine Vorbereitung für seine Tätigkeit. Man denkt sich die Schritte vorweg und überlegt, in welcher Reihenfolge man sie durchführen soll. Dem Verwirklichungsprozess geht ein Planungsprozess voraus. Die Gedanken, die man für diese Planung macht, spielen vor der Verwirklichung und gehören als Ideen nicht der sinnlichen Welt an. Es braucht die menschliche Tätigkeit um Ideen so umzuschmelzen, dass sie sinnliche Wirklichkeit werden können. Denn nur der Mensch kennt die sinnliche Welt in die er seine nicht-sinnlichen Ideen einfügen möchte. So entstehen als ein menschlich schöpferischer Akt seine Werke.

Der Künstler

Der Maler Paul Klee sagte:

«Der Künstler misst der natürlichen Erscheinungsform nicht die zwingende Bedeutung bei, wie viele der Kritik übenden Realisten. Er fühlt sich an diese Realität nicht so sehr gebunden, weil er an diesen Form-Enden (der Natur) nicht so sehr den Schöpfungsprozess sieht. Denn ihm liegt mehr an den formenden Kräften als an den Form-Enden.»[1]

Im Bezug auf das oben Dargestellte führt ein Künstler die Umsetzung von der Idee zur Tat. Insofern ein Mensch aus seinen Ideen Taten und Werke verwirklicht und Ergebnisse zeitigt, ist jeder Mensch auch ein Künstler. Bei einem Kunstwerk liegt das Werk vor. Beim Betrachten fordert es den Betrachter auf, sich einzuleben. Insofern ist der Betrachter auch ein moderner Kritiker, so Rudolf Steiner, «weil es uns interessiert, was die kritisierende Persönlichkeit innerlich durchlebt, wenn sie sich dem Genuss des Werkes hingibt. Die wahrhaft moderne Kritik kann keine Ästhetik anerkennen; ihr ist jedes Kunstwerk eine neue Offenbarung; sie urteilt in jeder Kritik nach neuen Regeln, wie das wahre Genie bei jedem Werke nach neuen Regeln schafft.»[2]

Der junge Rudolf Steiner verwendete in dem zitierten Aufsatz den Begriff „moderne Kritiker“ bzw. „Kritiken“. Man könnte sie in diesem Aufsatz durch Betrachter und Betrachtung ersetzen.

Will man das Werk verstehen, suche man die formenden Kräfte auf. Es passt zu Klees Forderung:

«Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar.»[3]

Es sind die Kräfte, die etwas in die Sichtbarkeit verwandeln.

Es sind unsichtbare Kräfte, die eine am Ort gebundene Pflanze durch ihre Entfaltung führen; es sind unsichtbare Kräfte, die dem Tier seine Gestalt geben und es möglich machen, dass ein Tier sich auch seelisch in seinem Lebensumfeld beweglich hineinstellen kann und für diese wie geschaffen scheint. Das Mineralische gibt sich wie zur Ruhe gekommene Materie. Der Kristall ist auskristallisiert, der Kalk trägt die Fossilien von Lebewesen.

Alliaria petiolata, Quelle: https://florasilvestre.es/mediterranea/Cruciferae/Alliaria_petiolata.htm

Der künstlerische Botaniker

Will man diese formenden Kräfte ins Erleben führen, muss man sich zum Beispiel in die Pflanze so einleben, wie man ein Kunstwerk betrachtet. Es ist das Unsichtbare sichtbar gemacht worden. Folgt man der Entfaltung einer Pflanze, so sieht man den Keim, wie er Würzelchen bildet und die Keimblätter heraustreibt. Der Keim tritt in eine Beziehung zu seiner Umgebung: Erde und Wasser.

Mit der weiteren Entfaltung braucht es das Licht. Schaut man die Blätter in seiner Gestaltung und Größe als Erscheinungsform an, so sagt einem die Empfindung: Es ist das Werk eines Plastikers der durch seine Hände die Form begrenzt. So scheint das Licht zu wirken. Man kann an der Blätterentwicklung bei manchen Pflanzen, wie zum Beispiel beim Knoblauchhederich (Alliaria petiolata), verfolgen, wie sich in der Nähe des Bodens eher rundliche Blätter bilden und die Blätter nach oben hin immer spitzer, gefiederter und kleiner werden, je näher sich das Blattwerk zur Blüte hin entwickelt. Dann bildet es sich zurück und bildet eine Knospe. Aus dieser geht dann eine wie verduftende Blütendolde hervor mit weißen, vierblätterigen Blüten. In der sonnengewärmten Atmosphäre des Insektenbesuchs werden die Staubblätter mit dem Stempel zusammengebracht. Am Blütenboden des Stempels bildet sich dann der Fruchtknoten, der dann als neuer Samen sich vermineralisiert und anschließend jeden auf seine Weise verbreitet.

Die Stufen dieser Pflanzenentfaltung hat Goethe beschrieben als die Metamorphose der Pflanze. Es findet eine fortwährende Verwandlung und Höherentwicklung statt, die mit einem Gang durch die Elemente Erde und Wasser, Luft, Licht und Wärme einhergeht.

Geht man noch intensiver auf das Prozessuale ein, so folgt man in der Zeit der Entfaltung eines Atmungsprozesses. Die Blätter dehnen sich aus und ziehen sich zusammen, um dann den nächsten Metamorphose-Schritt hervorzubringen. Die zusammengezogene Knospe bringt die sich entfaltende, meist lichthaft farbige Blüte hervor, die ihren Duft luftig ausströmt. Diese wiederum zieht die Insekten an, die aus der Wärmesphäre an die Blüte herantreten.

Das Instrument bilden und still werden

In den Prozessen kann man mit seiner eigenen Zuwendung und Aufmerksamkeit die Tätigkeiten derjenigen wahrnehmen, die sich in den Beziehungen zwischen dem Erscheinenden und dem Bewirkenden zeigen.

Dem ‹Schauen› geht aber ein wichtiger Schritt voraus. In dem Willensaufwand der zuwendenden Aufmerksamkeit wird man gewahr, dass diese intensive und hingebungsvolle Konzentration recht anspruchsvoll ist. Er bilden sich die Schauungen[4] wie ein Maler, der die Essenz einer Landschaft in ein Bild umwandelt. Dafür muss man sich darin üben, sich zuzuwenden und gleichzeitig zurückzunehmen, um eine empfindende Aufnahme zustande zu bringen. Die empfindende Wahrnehmung muss sich zuwenden, aber auf die trübenden, ‹mitschwätzenden› Assoziationen, die im Bewusstsein herumschwirren und den ‹Blick› verzerren, muss man verzichten lernen. Dazu Goethe:

«Man kann sich daher nicht genug in acht nehmen, daß man aus Versuchen nicht zu geschwind folgere, daß man aus Versuchen nicht unmittelbar etwas beweisen, noch irgendeine Theorie durch Versuche bestätigen wolle: denn hier an diesem Passe, beim Übergang von der Erfahrung zum Urteil, von der Erkenntnis zur Anwendung ist es, wo dem Menschen alle seine inneren Feinde auflauern, Einbildungskraft, die ihn schon da mit ihren Fittichen in die Höhe hebt, wenn er noch immer den Erdboden zu berühren glaubt, Ungeduld, Vorschnelligkeit, Selbstzufriedenheit, Steifheit, Gedankenform, vorgefaßte Meinung, Bequemlichkeit, Leichtsinn, Veränderlichkeit, und wie die ganze Schar mit ihrem Gefolge heißen mag, alle liegen hier im Hinterhalte und überwältigen unversehens den Handelnden so auch den stillen von allen Leidenschaften gesichert scheinenden Beobachter.»[5]

Goethe wies in dieser Hinsicht auf die Schulung der ‹reinen› Wahrnehmung. Der Maler Paul Cézanne hat diesen Prozess mit diesen Worten formuliert:

«Der Künstler ist nur ein Empfänger von Empfindungen, ein Gehirn, ein Aufnahmegerät [von Sinnesempfindungen] ... weiss Gott, ein gutes, empfindliches, kompliziertes, besonders im Vergleich zu den anderen Menschen. Aber wenn er dazwischenkommt, wenn er es wagt, der Erbärmliche, sich willentlich einzumischen in den Übersetzungsvorgang, dann bringt er nur seine Bedeutungslosigkeit hinein, das Werk wird minderwertig … Sein ganzes Wollen muss schweigen. Er soll in sich verstummen lassen, alle Stimmen der Voreingenommenheit vergessen, Stille machen, ein vollkommenes Echo sein. Dann wird sich auf seiner lichtempfindlichen Platte die ganze Landschaft abzeichnen.»[6]

Erste geistige Erfahrungen

Durch das Herauslösen und Verzicht auf seine eigene «Bedeutungslosigkeit» aus dem empfindenden Wahrnehmen beginnt die Umgebung zu ‹sprechen›, sich zu offenbaren. Dieses ‹Sprechen› muss man ohne eigenes Dazutun sich entfalten lassen. Am Anfang gehört es dazu, dass man die Konzentration nicht so lange halten kann, aber das ist eine Frage der Zeit und der ständigen Wiederholung. Es beginnt ein Gespräch zwischen meinem eigenen Wesen und dem, was aus dem Umkreis heraus ‹sprechend› an mich herantritt.

In dem Geschehen wird man gewahr, dass das ‹Sprechende› auch etwas Verführerisches haben kann: Sieh doch, ich bin so schön, und weil ich da bin, wecke ich in dir aufsteigende Begeisterung erzeugende Wärmewellen und die herrlichsten Träume.[7] Man vergisst sich, und die zuwendende Aufmerksamkeit verliert sich in dem, was sich einem offenbart. Leicht kann man sich in der empfindenden Wahrnehmung verlieren. Deshalb braucht es die bewusste innere Willenstätigkeit, die zum bewussten Erfassen des Erlebens führt, wie auch gleichzeitig die Offenheit, den Umkreis ‹sprechen› zu lassen. Was sich eigentlich widerspricht, konzentrierte Aufgeschlossenheit, muss hier erarbeitet werden, um nicht den Einflüssen des einen vom Boden der Sachlichkeit abziehenden Luziferischen[8] zu verfallen. Das Erlebnis der luziferischen Einflüsse tritt ohne unser Tun auf und beruht auf dem nicht genügend gefestigten Rückgrat des «Ich» in der horizontalen Zuwendung zu dem ‹sprechenden› Umkreis.

Luzifer wird als ein wirkendes Wesen realiter erlebt. Man selbst erlaubt ihm, seinen Einfluss geltend zu machen, indem man sich vergisst und indem man sich durch die fantastischen Visionen und Sirenengesänge verführen lässt.

Auf der anderen Seite kann einen das Erlebnis ein Gefühl der Angst wecken, denn wo soll das hinführen? Sind die Erlebnisse nicht Ausgeburten der Fantasie? Im Hintergrund wird Furcht vor einem Abgrund wachgerufen. Man fühlt sich von einem gähnenden Nichts bedroht und hält sich fest an dem, was man hat, klammert sich an das Gewohnte und unmerklich isoliert man sich. Das ‹Sprechende› verblasst und wird gespenstisch, verliert sein ‹Innensein› und beginnt „herumzugeistern“, um mit der Zeit ganz aus dem Erlebnisumkreis zu verschwinden, um diesen daraufhin verfinstert zurückzulassen. Man hält wohl noch einen Stofffetzen in der Hand, aber das Wesen ließ sein Kleid fahren und entfloh. So lernt man die Einwirkungen Ahrimans kennen. Man sieht ihn nicht, er schafft sich gerade durch das trübende menschliche Bewusstsein Zugang und erweitert damit seinen verfinsternden Einfluss.

Ahriman wird in der Folge ebenso als ein wirkendes Wesen erlebt, das einen aushöhlt und Zweifel verbreitet, weil die Tätigkeit in dem seelisch erfüllten, liebevollen Zuwenden noch nicht genügend stark geworden ist und verstärkt werden müsste.

Luzifer und Ahriman stehen an beiden Seiten des Tores, das einem einen Zugang zu einer anderen Welt ermöglicht, wenn man in sich das Geheimnis des Eröffnens entdeckt hat. Oben wurde erwähnt, dass man die konzentrierte Aufgeschlossenheit braucht. Eine sich scheinbar widersprechende Fähigkeit, aber das Erüben der Meditation schafft einem das Instrument dazu. Man wird still, nimmt sich und seine Emotionen zurück, bis es anfängt zu ‹sprechen›. Die eigene Seele wird zum Organ der übersinnlichen Wahrnehmung.

Das Gewahr-Werden der Tätigkeit von Widersacher-Elementarwesen

Es sind Elementarwesen, denen man als erstes begegnet. In der Wirksamkeit Luzifers und Ahrimans entdeckt man auch ihre Elementarwesen. Sie umschwirren einen und begehren Einlass, locken und drängen, und wenn sie den Einlass bekommen haben, dann entfalten sie ihre Wirksamkeit. Sie zaubern Welten hervor und treiben oder saugen einen in diese hinein. Man fühlt sich unbemerkt abgezogen und umfangen und erlebt eine Bestätigung oder begibt sich, nach mehr gierend, hinein. Es sind Bereiche, die ihren wirklichen Ursprung nicht preisgeben. Erst wenn man sich zu distanzieren bemüht und diese Welten anschauend und erlebend gegenüberzustellen vermag, müssen sie ihren Ursprung zeigen. D.h. es ist eine Notwendigkeit, sich die Kraft des wachen Zuordnen-Könnens zu erwerben. Wenn man gelernt hat, in den eigenen Seelenerlebnissen zu unterscheiden und die ‹Verkleidungen› und Täuschungen zu durchschauen, dann kann deutlich werden, wie entscheidend die wahrhafte Selbsterkenntnis für die übersinnliche Wahrnehmung ist.

Naturelementarwesen

Wenn wir uns den Natur-Elementarwesen zuwenden, spürt man sie als Wesen, die in den Elementen dasjenige bewirken, was dann unsere Sinneswahrnehmung erscheinen lässt. Sie sind nicht sinnlich wahrnehmbar, aber ihre Wirkungen zeigen sich und wir können sie in den Prozessen erspüren. Vom Spüren bis zum ‹Sehen› müssen die inneren Fähigkeiten verstärkt werden. Um die Elementarwesen zu ‹sehen› muss das Erlebnis ihrer bewirkenden Tätigkeit durch die zuwendende seelische Intensität, seitens des Betrachters, eine gewisse Fülle bekommen haben, dann kann man sie beschreibend in eine gewisse, dem Erleben entsprechende Verbildlichung hineinführen, einkleiden.

Imagination

Diese Verbildlichung nennt Rudolf Steiner «Imagination».

«Die Eindrücke, welche man von dieser Welt erhält, gleichen in mancher Beziehung noch denen der physisch-sinnlichen. Wer imaginativ erkennt, wird von der neuen höheren Welt so sprechen können, dass er die Eindrücke als Wärme- oder Kälteempfindungen, Ton- oder Wortwahrnehmungen, Licht- oder Farbenwirkungen bezeichnet. Denn wie solche erlebt er sie. Er ist sich aber bewusst, dass diese Wahrnehmungen in der imaginativen Welt etwas anderes ausdrücken als in der sinnlich-wirklichen. Er erkennt, dass hinter ihnen nicht physisch-stoffliche Ursachen, sondern seelisch-geistige stehen. (…) Es ist etwas in der physischen Welt vorhanden, was in der imaginativen ganz anders auftritt. In jener kann beobachtet werden ein fortwährendes Entstehen und Vergehen der Dinge, ein Wechsel von Geburt und Tod. In der imaginativen Welt tritt an Stelle dieser Erscheinung eine fortdauernde Verwandlung des einen in das andere.»[9]

Derjenige, der sich in diese Welten einlebt, kann seine Erfahrungen in Bilder einkleiden.

Rudolf Steiner: «Das Geistwesen hat objektive Wirklichkeit; das Bild, durch das es sich offenbart, ist eine durch das Wesen bewirkte Modifikation in der Ausstrahlung des Bildekräfteleibes.»[10]

Dieser Satz drückt das Erlebnis der geistigen Erfahrung aus. Das Geistwesen ist keine Projektion, die von mir ausgeht, kein Fantasiegebilde, das aufgrund irgendwelcher chemischen Einwirkungen in mir entsteht, sondern es hat sein Eigenleben auch unabhängig von mir.

Ich hole es in die Greifbarkeit meiner Bewusstseinsverfassung herein, indem ich das Erleben in eine von mir fassbare Form übersetze. Dafür verwende ich das meinem Bewusstsein vertraute bildhafte Material, das ich aus meinen Alltagserfahrungen kenne, Farben, Formen, Bewegungen, ‹Energien› (als Willensausdruck), Lichtdurchlässigkeit, Helligkeit und Trübe bzw. Dunkel usw., um diese Elemente als verständliche Zeichen oder symbolhaft umzuformulieren, um das auszudrücken, was ich unmittelbar, ohne solche ‹Bild-Formen›, also bildlos, erlebt habe. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Ich kleide das Erlebnis ein. Das ist mein subjektiver Anteil an meiner Erkenntnis. Aber sie wäre keine, wenn das Weben des Geistigen, das ich erlebe, nicht von mir ‹hereingeholt› bzw. eingekleidet worden wäre.

Aus diesem Grund würde jeder «Hellseher» das, was er übersinnlich wahrnimmt, in eine andere ‹Form› bringen, oder man kann auch sagen, sie oder er verwendet für ihre/seine Erlebnisse, eine eigene Sprache. Für den Zuhörer kommt es darauf an, sich in diese einkleidende individualisierte Sprache einzuleben.

Bild: Rudolf Steiner GA 161 Vortrag 1. Mai 1915 (1999) S. 246, Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung

Auch in anderer Weise beschreibt Rudolf Steiner das Wesen der Imagination:

«Es kann derjenige, welcher keine Erkenntnis von dem Wesen der geistigen Welt hat, auf den Gedanken kommen, dass es völlig unnötig sei, diese in bildlosen Erfahrungen sich offenbarende geistige Welt in Imaginationen zu kleiden, die den Schein des Visionären hervorrufen. Dem ist zu erwidern, dass zwar nicht die Imagination das Wesenhafte ist, das geistig wahrgenommen wird, daß sie aber das Mittel ist, durch das dieses Wesenhafte in der Seele sich offenbaren muss. (…) Er fühlt sich durch die Begegnung mit dieser Gestalt bewusst in der geistigen Welt stehend. Die Art, wie er in dieser steht, weist auf die besondere Richtung seines Erkenntnisweges hin…. Er hat in seinem Innern Erlebnisse herbeigeführt, die durch ihre Wirkung die Seele befähigen, den Bildekräfteleib als Wahrnehmungsorgan zu gebrauchen. Durch dieses Wahrnehmungsorgan gelangt er zur Anschauung der übersinnlichen Naturkräfte.»[11]

Erleben in der Elementarwelt

Die uns zunächst zugängliche übersinnliche Welt ist die Elementarwelt. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass wir uns zwar über das Erleben freuen können, dass aber die Elementarwesen uns zunächst als ‹fremd› erleben müssen. Wir dringen in ihre Welt ein und ziehen die Aufmerksamkeit auf uns selbst, indem die Elementarwesen gewahr werden, hier ist etwas, das nicht zu uns gehört. Die luziferischen und ahrimanischen Elementarwesen werden überwach und spähen nach Schwachstellen, die ihnen als Einfallstore dienen könnten, durch die sie in uns hineinschlüpfen können, um in uns zu wirken. Die Naturelementarwesen sind da zurückhaltender, weil wir sie in ihrem Tätigkeitsfeld stören und uns (ungewollt) einmischen.

Man kann es nachvollziehen, wenn mich dieses entgegenkommende Befremden schreckt, ziehe ich mich in meinen Kokon des Eigenseins zurück. Ihre Reaktion kann dann feindlich bis aggressiv sein oder sie warnen mich: «Hier hast du nichts zu suchen!» Der letzte Satz der «Philosophie der Freiheit» bietet in diesem Moment den Schlüssel für den Umgang mit ihnen: «Man muss sich der Idee (in diesem Falle den Elementarwesen) erlebend gegenüberstellen können; sonst gerät man unter ihre Knechtschaft.»[12]

Indem ich mich diesen Wesen erlebend gegenüberstelle, wecke ich ihre zuwendende Aufmerksamkeit. Daraufhin muss ich mein reales Interesse für ihre Tätigkeit zeigen und erst dann werden sie mitteilsamer. Ich muss mich einlebend mit ihnen verbinden und sie aufrichtig kennenlernen wollen. Schritt für Schritt lerne ich die Wege, wie ich mit ihnen zusammenarbeiten kann, sodass auch sie mich erleben als eine wertvolle Ergänzung, als einen Bote einer Welt, die sie zwar schaffen, der sie aber nicht distanziert gegenüber treten können. Auch im gewöhnlichen Erleben kennen wir diese Zusammenarbeit im Sinne des Lebens im «Einklang mit der Natur». Wenn ich mich um das Wohlergehen einer Pflanze oder eines Tieres kümmere und sie pflege, kommen die Elementarwesen auch auf mich zu.

Mit der Zeit lerne ich diese Elementarwelt und ihre Bewohner kennen. Ich beginne sie zu unterscheiden, ihre jeweiligen Lebensräume zu differenzieren. Diese Lebensräume sind nicht voneinander getrennt und doch sehr spezifisch. Man muss sich jeweils in den bestimmten Lebensraum einleben, um ihn kennenzulernen und seine Geistwirklichkeit fassen zu können. Das ist für den Menschen so. Um die lebens-räumlichen Sphären, die man in der Antike mit den Begriffen der Elemente bezeichnet hatte, zu erkennen, muss man seinen «geistigen Blick» einlebend fokussieren können, d.h. die Sphäre vom Erkenntnisgesichtspunkt für kurze Zeit heraus isolieren und dann wieder die Interaktion der Lebensräume vergegenwärtigen. Gerade auch durch das eben Erwähnte ahnt man, dass die übersinnliche Welt nicht mit den Elementensphären und ihren Bewohnern zu Ende ist, sondern sie handeln als einzelne Musiker in der Symphonie der Sphärenmusik höherer geistiger Wesenheiten.

Mit dem Begriff der wachsenden Erkenntnis bzw. Einsicht in die sich weitenden Erfahrungsbereiche möchte ich diesen Aufsatz beenden. Die Aussicht zeigt sich, in sie einzutreten, würde jetzt den Rahmen in diesem Zusammenhang sprengen.

Ronald Templeton (überarbeitete Fassung April 2025. Ursprünglich erschienen bei Andreas Heertsch Anthroposophie.Online März 2024)


[1] Paul Klee. Vortrag in Jena 26. Jan.1924. In Paul Klee Kunst-Lehre. Reclam Leipzig 1991, S. 82

[2] Rudolf Steiner, Magazin für Literatur, 66. Jg., Nr. 27, 10. Juli 1897 (in GA 30 Methodische Grundlagen der Anthroposophie (1989) , S. 539 -542)

[3] Paul Klee, Schöpferische Konfession. in Kunst-Lehre. Reclam Leipzig 1991. S. 60.

[4] Der hier beschriebene Prozess folgt der bewussten Schulung. Es kann auch eine Art natürliches Hellsehen auftreten, ohne dass diese Bewusstseinsleistung derart intensiv erarbeitet werden muss. Das kam früher in ländlichen Gegenden öfters vor und wurde u.a. das zweite Gesicht genannt.

[5] Johann Wolfgang von Goethe, Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt; Naturwissenschaftliche Schriften 1792 – 1797

[6] Cézanne, Paul:.Gespräche mit Cézanne. Diogenes Verlag, Zürich 1982. S.136. Das Gespräch mit Joachim Gasquet.

[7] Das wäre eine von Luzifer inspirierte Ablenkung

[8] Luzifer und Ahriman sind Begriffe aus der Anthroposophie, die solche Innenerlebnisse bezeichnen.

[9] Rudolf Steiner, GA 13. Die Geheimwissenschaft im Umriss. 1996. S.350

[10] Rudolf Steiner, GA 35 Philosophie und Anthroposophie. Aufsätze. (1965) S. 336. Wenn das Denken verlebendigt wird, was darauf beruht, dass der Wille in das Denken hineingetragen wird, dann wir das Denken zu einem anschauenden und zugleich ertastenden Denken. In dieser Tätigkeit zeigt sich das Ätherische, bzw. die Verwendung des Bildekräfteleibes

[11] GA 35 Philosophie und Anthroposophie. Aufsätze. (1965) S. 336 ff.

[12] Nach Rudolf Steiner GA 4  (1996) S. 271

  1. Paul Klee. Vortrag in Jena 26. Jan.1924. In Paul Klee Kunst-Lehre. Reclam Leipzig 1991, S. 82
  2. Rudolf Steiner, Magazin für Literatur, 66. Jg., Nr. 27, 10. Juli 1897 (in GA 30 Methodische Grundlagen der Anthroposophie (1989) , S. 539 -542)
  3. Paul Klee, Schöpferische Konfession. in Kunst-Lehre. Reclam Leipzig 1991. S. 60.
  4. Der hier beschriebene Prozess folgt der bewussten Schulung. Es kann auch eine Art natürliches Hellsehen auftreten, ohne dass diese Bewusstseinsleistung derart intensiv erarbeitet werden muss. Das kam früher in ländlichen Gegenden öfters vor und wurde u.a. das zweite Gesicht genannt.
  5. Johann Wolfgang von Goethe, Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt; Naturwissenschaftliche Schriften 1792 – 1797
  6. Cézanne, Paul:.Gespräche mit Cézanne. Diogenes Verlag, Zürich 1982. S.136. Das Gespräch mit Joachim Gasquet.
  7. Das wäre eine von Luzifer inspirierte Ablenkung.
  8. Luzifer und Ahriman sind Begriffe aus der Anthroposophie, die solche Innenerlebnisse bezeichnen.
  9. Rudolf Steiner, GA 13. Die Geheimwissenschaft im Umriss. 1996. S. 350
  10. Rudolf Steiner, GA 35 Philosophie und Anthroposophie. Aufsätze. (1965) S. 336. Wenn das Denken verlebendigt wird, was darauf beruht, dass der Wille in das Denken hineingetragen wird, dann wir das Denken zu einem anschauenden und zugleich ertastenden Denken. In dieser Tätigkeit zeigt sich das Ätherische, bzw. die Verwendung des Bildekräfteleibes.
  11. GA 35 Philosophie und Anthroposophie. Aufsätze. (1965) S. 336 ff.
  12. Nach Rudolf Steiner GA 4  (1996) S. 271