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Wärme
Wärme – von Michaela Glöckler
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
WÄRME ALS GRUNDLAGE VON ALLEM
Inwiefern ist Wärme essentiell für die Entstehung und Erhaltung von Leben?
Wärme als Träger aller Entwicklung
Die berühmte Zusammenarbeit zwischen Rudolf Steiner und seiner Schülerin Ita Wegmann begann bereits im Jahre 1911 in Prag. Ita Wegmann, damals noch Medizinstudentin, regte Ausführungen über eine okkulte Physiologie[1] an. Diese Vortragsreihe kulminiert in einer Passage am Ende des letzten Vortrags, in dem Rudolf Steiner die Rolle der Wärme als Träger aller Entwicklung erläutert. In seinem ersten Vortrag über die Anthroposophische Medizin auf dem Gebiet der Physiologie [2] weist Rudolf Steiner uns zudem darauf hin, dass Metabolismus im Grunde die Transformation der Erdsubstanz durch Wärme ist.
Der Zustand der Materie hängt ganz und gar vom Wärmeausmaß ab, dem sie aktuell ausgesetzt ist. Je nachdem, wieviel Wärme man zuführt, ergeben sich unterschiedliche Aggregatszustände. Wenn ich meinen Ehering nehmen würde und 1500 Grad Wärme zuführen, würde er schmelzen. Noch weitere 1000 Grad dazu und er verdampft, löst sich auf, wird zu einem Gas. Bei einer Million Grade verwandelt er sich zu einem plasmaartigen Gebilde, das elektromagnetisch wirkt, aber keine Materie ist. All das hängt mit der Wärme zusammen. Wärme regiert die gesamte Evolution. Das betrifft auch unsere physiologische Konstitution: Drei Grade mehr und man kippt um. Zehn Grade unter Null und man ist erfroren.
Das Ziel der Erdentwicklung
Rudolf Steiner stellt gegen Ende seiner Vorträge die Frage nach dem Ziel der gesamten Erdentwicklung: Jedes Wesen – egal ob Pflanze, Tier oder Mensch, entwickelt sich – und immer ist es die Wärme, die dazu beiträgt. Er sagt sinngemäß Folgendes darüber:
Der irdische Entwicklungsprozess wäre vollendet, wenn der Mensch als physikalisches Wesen an diesem Prozess beteiligt und in ihn eingebunden ist. Im Laufe der Erdentwicklung werde die Wärme in Seelenwärme, herzliches Mitgefühl und lebendiges Interesse am anderen verwandelt. Es ist eine Tatsache, dass alle irdischen physikalischen Prozesse einem Kreislauf unterworfen sind, und dass sie sich im menschlichen Körper wie in einem Mikrokosmos wiederfinden. Er spricht davon, dass der Mensch sich öffnen wird wie eine erblühende Blume. Die irdischen Prozesse sollen im Menschen transformiert werden – ausgedrückt durch das Bild der Blume.
Seelische und geistige Betätigung braucht Wärme: Ohne Wärme ist es nicht möglich, Gefühle und sehr persönliche tiefinnere Seelenregungen zu haben und auszudrücken. Nicht die kleinste menschliche Regung ist möglich ohne Wärme, auf keiner Ebene: weder auf der körperlichen noch auf der seelischen, noch auf der geistigen Ebene. Deswegen sagt Rudolf Steiner, es wäre die Aufgabe der Menschen, die Erdsubstanz zu transformieren, bis am Ende dieser Entwicklung das Miteinander von einer liebevollen und freundschaftlichen Qualität bestimmt wird. Die Erde soll in einen Planeten der Liebe, der Wärme und des Mitgefühls verwandelt werden – eine grandiose Imagination der Erden- und Menschheitsentwicklung.
Vgl. „Meditativer Zugang zur Wärme“, Vortrag an der französischen Ärztetagung am Goetheanum, 13.03.2008
[1] Rudolf Steiner, Eine okkulte Physiologie, Prag 1911, GA 128.
[2] Rudolf Steiner, Vorträge über Medizin, Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft, GA 314.
WÄRME UND SEINSEBENEN
Wie wirkt Wärme auf die unterschiedlichen Seinsebenen von Mensch und Erde?
Wärme spielt in allen Bereichen der menschlichen bzw. irdischen Existenz eine zentrale Rolle, worauf ich im Folgenden näher eingehen möchte.
Wärme in ihrer Wirkung auf die Wesensglieder bzw. Seinsebenen
- Wärme und Geist (Ich) – Begeisterung
Geistig gesehen ist Wärme ein rein spirituelles Entwicklungspotenzial, ist reine Geistoffenheit, eine meditative Kraft: Wenn ich meditiere, mobilisiere ich geistige Wärme, erlebe Liebe zum Geist, Sehnsucht nach geistiger Verbindung und der Vereinigung mit allem, was unserer Sinneswelt zugrunde liegt. In der Geisteswärme suchen wir das Innere, das Wesen, das Wesentliche. Alles Wesenhafte offenbart sich in Wärmezuständen.
- Wärme und Seele (Astralisches) – Anregung
Wärme regt aber auch das Seelenleben an. Wenn wir uns liebevoll begegnen, können menschliche Beziehungen enorm viel Belebendes und Anregendes haben. Wärme regt den Luftorganismus an und macht ihn beweglicher. Wenn Gas erwärmt wird, dehnt es sich aus. Wenn Luft abkühlt, zieht sie sich zusammen. Wärme ist der Magier, der Ballons zum Fliegen bringt.
- Wärme und Leben (Ätherisches) – Belebung
Wärme ist aber auch die Ätherkraft, die Pflanzen wachsen lässt.
Warum wächst im Winter nichts?
Weil es zu kalt ist. Wenn wir einen milden Winter haben, blühen die Rosen zu Weihnachten noch. Das ist gar kein Problem. Wenn genug Wärme vorhanden ist, können Pflanzen sich auch in dieser Jahreszeit entwickeln. Wärme ist das tragende Element im Leben. Ohne Wärme gibt es kein Leben. Wasser allein genügt nicht, das Wasser muss die richtige Temperatur haben. Dann haben wir den Pflanzensegen, der der Erde entkeimt.
- Wärme und Physisches – Verwandlung
Was bewirkt Wärme im Physischen?
Im Physischen schenkt sie Verwandlung, was anhand einer Betrachtung der Aggregatzustände sofort einleuchtet.
Ich habe mir diese Zusammenhänge deutlich gemacht, als ich im Rahmen einer Ärzteausbildung versuchte, dem Denken der Mediziner das Wesentliche dieser vier Aggregatzustände unseres Körpers nahe zu bringen, das in einem engen Zusammenhang steht zu den einzelnen Wesensgliedern – fest, flüssig, gasförmig und den rein thermodynamischen Wärmezustand. Um zu verdeutlichen, wie magisch Wärme wirkt, sagte ich, dass, wenn ich meinen Ehering auf 3500° erhitzte, würde er zuerst flüssig und schließlich gasförmig – dann wäre er unsichtbar, wir würden ihn alle ein- und ausatmen, er wäre weg. Um ihn wiederzugewinnen, müsste ich Massen an Luft kondensieren und abkühlen und durch hydrolytische bzw. elektrochemische Verfahren das Gold wieder herausdestillieren.
Alle Erscheinungsformen in der Natur, so wie sie uns erscheinen, die ganze Sinneswelt, ist ein Ergebnis spezifischer Wärmezustände. Deswegen ist die verwandelnde Kraft der Wärme im Physischen gar nicht zu überschätzen.
Vgl. Vortrag anlässlich des Jubiläums des 100. Geburtstags von Werner Junge, Okt. 2012
WÄRME ALS VERWANDLER VON MATERIE
Inwiefern verwandelt Wärme die Materie?
Wofür ist diese Tatsache ein Wahrbild?
Aggregatszustände und Temperaturschwellen
In der Physik sprechen wir von Aggregatzuständen, die unterschiedlichen Gesetzen folgen:
- Die Naturgesetzlichkeit bzw. der Aggregatszustand, der im Physischen wirkt und die Materie strukturiert, wird von Aristoteles bis hin zu Rudolf Steiner das Feste genannt.
- Das Flüssige, vom Wasser bis hin zu allen Körpersäften, ist der Aggregatzustand bzw. der Zusammenhang aller Gesetzmäßigkeiten, die das Fließen und Schwimmen möglich machen.
- Der Aggregatszustand des Luftigen, des Gases, umfasst Gesetzmäßigkeiten die bewirken, dass etwas fliegen und sich verflüchtigen kann, dass Gas sich allseitig ausbreitet und idealerweise kein Gewicht mehr hat.
- Der vierte Zustand – die Wärme – ist nicht als Aggregatzustand anerkannt, weil er keine Materie hat – er wirkt aber in der Materie. Er ist eine reine Gesetzlichkeit, ein Element im Sinne der alten Griechen, für die die Elemente nicht physisch waren, sondern Ideen- bzw. Gesetzeszusammenhänge.
Alles beherrschende Wärme
Heute sprechen wir von Thermodynamik, deren Gesetzen die Wärme folgt. Dieser Gesetzeszusammenhang beherrscht die gesamte Welt der Materie: Denn die Aggregatszustände sind durch kritische Temperaturschwellen voneinander getrennt: Bei exakt 0°C schmilzt das feste Eis, bei exakt 100°C verwandelt sich das flüssige Wasser in gasförmigen Dampf. Dabei kommt es jedes Mal zu einer völlig anderen Seinsweise der Materie.
Dieses Beispiel zeigt auch: Durch Wärme, Hitze, lässt sich die gesamte Materie verwandeln. Die Klimadebatte unterstreicht, dass ein Ansteigen der Welttemperatur um ein bis zwei Grad die gesamte Ökologie verändert und damit alles materielle Dasein. Das heißt, die Wärme, das Nicht-Materielle, beherrscht alles Materielle. Das ist das konsequenteste Wahrbild dafür, dass es der Geist ist, der sich durch die Wärme die Körper schafft und das materielle Dasein beherrscht.
Vgl. Vortrag „Tastsinn und Gleichgewichtssinn in Diagnostik und Therapie“, gehalten am 7. Januar 2016 an der Kunsttherapietagung
GRUNDLEGENDES ZUR WÄRMEMEDITATION
Was ist das Besondere an der Wärmemeditation?
Inwiefern ist sie ein grundlegendes Element der Anthroposophischen Medizin?
Wie muss man mit der Wärmemeditation umgehen?
Wenn man über die Wärme meditiert, meditiert man über die Evolution. Man meditiert aber auch über Beziehungen, über das, was an Wärme und Kälte zwischen den Menschen lebt. Dabei wird die Frage bewegt:
Was kann ich dazu beitragen, dass es wärmer wird zwischen den Menschen?
Wie kann ich helfen, dass das Gute sich verwirklicht?
Vorbereitung für ein esoterisches Krankheitsverständnis
Die Wärmemeditation ist die erste, wichtigste und grundlegendste Meditation, die uns Rudolf Steiner gegeben hat. Sie sollte als Vorbereitung für ein esoterisches Krankheitsverständnis dienen. Bis zum Jahre 2000 wurde sie ausschließlich persönlich unter Ärzten weitergegeben.
Mittlerweile gibt es drei Quellen dafür: die Gesamtausgabe,[1] das medizinische „Stammbuch“[2] und ein von Peter Selg kommentiertes kleines Büchlein[3] über einen Vortrag, den er auf einer Jahreskonferenz der Medizinischen Sektion gehalten hatte.
Ich sage das deshalb, weil die Wärmemeditation inzwischen nicht nur durch diese Publikationen, sondern auch dank ihrer Verbreitung durch Karl König in der gesamten Camphill-Bewegung zu einem gemeinsamen Fundament für alle anthroposophisch-medizinischen Therapeuten und Ärzte geworden ist. Es wäre ideal und wünschenswert, sich von einem Arzt einführen zu lassen. Das wird immer empfohlen, weil die Meditation Ärzten gegeben wurde und Esoterik immer dann am besten wirkt, wenn man sie aus dem Zusammenhang heraus pflegt, für den sie gegeben wurde.
Es ist eine enorme Bereicherung für die ganze Arbeit, wenn man sich mit diesem Wärmewesenskern der Anthroposophischen Medizin beschäftigt. Und das Wesen der Wärme wird durch diese Meditation deutlich: dass es in der letzten Instanz um die Wärme und auch um das Gute geht, das als Orientierung dient für die Entwicklung der Menschheit.
Anmerkungen Steiners dazu
Rudolf Steiner hat ein paar wichtige Anmerkungen dazu gemacht:
- Die Wärmemeditation ist hilfreich als Vorbereitung einer spirituellen Medizin, um anthroposophisch-medizinische Vorträge besser verstehen zu können.
- Sie hilft aber auch dabei, die Schulmedizin umfassender zu begreifen und auf menschlichere Art damit umzugehen.
- Sie ist eine Kettenmeditation, d.h. jedes Kettenglied ist ein Glied für sich und in der Kette doch verbunden mit den anderen. Alle, die mit ihr arbeiten, schaffen eine gemeinsame Ethik, eine spirituelle Substanz: Wärmesubstanz.
- Sie ist der Weg für den Arzt dem ätherischen Christus – d.h. dem Lebendigen, dem Auferstandenen – in seiner Welt, in dieser wunderbaren ätherischen Gedankenwelt zu begegnen.
Vgl. Vortrag „Meditativer Zugang zur Wärme“, Dornach, 13.03.2008
[1] Rudolf Steiner, Seelenübungen – Band 2, Mantrische Sprüche, GA 268.
[2] Michaela Glöckler (Hrsg.), Rolf Heine (Hrsg.), Die anthroposophisch-medizinische Bewegung: Verantwortungsstrukturen und Arbeitsweisen, Verlag am Goetheanum, 2010.
[3] Peter Selg, Die Wärme-Meditation: Geschichtlicher Hintergrund und ideelle Beziehungen, 2. Auflage Verlag am Goetheanum 2005.
GEDANKEN ZUR WÄRMEMEDITATION
Die Wärmemeditation[1] besteht aus drei Schritten:
- aus der Vorbereitung, wie immer beim Meditieren: Ich überlege mir, warum ich meditieren will
- aus der Meditation selbst
- aus der Verabschiedung aus der meditativen Stimmung. Das steht hier nicht mehr aufgeschrieben, ist aber der letzte Schritt.
Vorbereitende Fragen – und Antworten
Der eigentlichen Wärmemeditation sind spezifisch ärztlich-ethische Fragen vorangestellt:
Kann ich das Gute denken?
Die Antwort lautet: Ich kann das Gute nicht denken. Das Denken wird genährt von meinem Ätherleib, der in den Flüssigkeiten meines Körpers tätig ist. Doch in den Flüssigkeiten meines Körpers finde ich das Gute nicht.
Kann ich das Gute fühlen?
Die Antwort lautet: Ich kann sicherlich das Gute empfinden, aber es ist nicht durch mein Zutun da, wenn ich es empfinde. Das Empfinden allein nährt meinen Astralleib nicht. Mein Astralleib ist tätig im Luftorganismus meines Körpers, doch finde ich aus mir selbst heraus das Gute nicht in meinem Luftorganismus.
Kann ich das Gute wollen?
Wo lebt das Gute in meiner Konstitution?
Die Antwort lautet: Ich kann das Gute wollen. Es zu wollen nährt aber nicht meinen Willen. Mein Wille ist tätig im Wärmeorganismus meines Körpers. Deshalb kann ich in der Wärme das Gute körperlich verwirklichen. Ich muss erkennen, dass ich es nur kann, wenn ich tätig werde, wenn ich es wirklich tue. Es geht dabei um den meditativen Prozess selbst: Ich denke etwas, ich begeistere mich dafür, ich verwirkliche es. Das beschreibt die archetypische Grunddynamik des Meditierens.
Eine Anmerkung ist noch wichtig: Es gibt vier unterschiedliche ätherische Qualitäten: Den Wärmeäther, den Lichtäther, die chemischen Ätherkräfte oder den Klangäther und die ätherischen Lebenskräfte. Bei dieser Meditation werden alle vier ätherischen Bereiche des Körpers erfasst.
Die Wärmemeditation Zeile für Zeile
1. Zeile der Wärmemeditation
„Ich fühle meine Menschheit in meiner Wärme.“
Ein eigenartiger Ausdruck: Dass wir unsere Menschheit in der Wärme fühlen sollen. Wenn wir von Menschheit sprechen, meinen wir alle Menschen. Wollen wir das Wärmezentrum der Menschheit benennen, das Wesen der Wärme der Menschheit, landen wir bei der Christuswesenheit: Er ist unter uns, wenn wir die Liebeswärme fühlen. Ich fühle mein kleines Ich angeschlossen an das große Menschheits-Ich. Mehr noch: Als Arzt will ich dieses große Menschheits-Ich fühlen, die Realität der Worte: „Nicht ich, sondern der Christus in mir“.[2] Ich will fühlen, dass mein kleines Ich Teil des Menschheits-Ich ist und will es zum Auffangorgan, zur Schale, machen für das Menschheits-Ich und aus der Kraft dieses Menschheits-Ich heraus, aus der Christuskraft, das Gute tun. Denn ich kann das Gute nur wollen, kann meinen Willen einer höheren Weisheit zur Verfügung stellen. Ich brauche dazu jedoch die Haltung: „… doch nicht mein, sondern Dein Wille geschehe.“[3] Nicht der Wille des Arztes oder Therapeuten, sondern der Wille des Patienten, der Wille des Schicksals dieses Patienten möge geschehen. Ihm wollen wir dienen.
Meine Wärme in meiner Menschheit zu fühlen, bedeutet, zusammen mit dem Willen zu leben, auch das Gedankenlicht und das individuelle Gefühl dazu zu fühlen. All das wird wirksam bei dem Bemühen, das Gute für den Patienten zu finden.
Es geht dabei aber auch um den Wärmeorganismus und um die Wärme als ätherische Qualität. Unsere Wärme ist nicht klar abgegrenzt von der Wärme der Welt und der Wärme unserer menschlichen Beziehungen. Durch die Wärme sind wir mit allem verbunden, auch mit dem Geist der Evolution, der Schöpfung, der die Gesamtheit aller Wärmeprozesse reguliert. Der individuelle Wärmeorganismus ist verbunden mit dem Wärmeorganismus der Menschheit und dem Wesen, das die Menschheit in der Evolution führt, dem Christus.
2. Zeile der Wärmemeditation
„Ich fühle das Licht in der Wärme.“
Die im zweiten Schritt genannte Quelle des Lichtäthers ist das Herz. Wir müssen die ätherische Lichtkraft in unserem Herzen fühlen. Das Gedankenlicht kommt als frei gewordene Ätherkraft (in der Diastase) aus dem Herzen, bevor wir es reflektieren. Am Kopf kühlt der Gedanke ab. Wenn wir ihn jedoch meditieren, wird er wieder warm und am Ende denken wir mit dem Herzen – dann ist er zurückgekehrt als Licht im Herzen.
3. Zeile der Wärmemeditation
„Ich fühle die Weltensubstanz, die in meiner Wärme erklingt.“
Zu diesem dritten Schritt machte Rudolf Steiner eine Zeichnung. Unser Verdauungstrakt ist der Ort des Klangäthers. Hier finden alle biochemischen Prozesse des Metabolismus statt. Alle Valenzen der chemischen Stoffe untereinander entsprechen ganzzahligen Verhältnissen aus der Musik. Wenn wir darüber meditieren, sollen wir fühlen, wie sich die Klangwellen von diesem Klangzentrum aus durch unseren ganzen Körper ausbreiten.
4. und letzte Zeile
„Ich fühle, wie sich in meinem Kopf das Leben der Welt an meiner Wärme entzündet.“
Der Punkt zwischen Epiphyse und Hypophyse stellt das innerste Zentrum dar, wo unsere geistige Aktivität körperlich unterstützt wird. Rudolf Steiner sagte, dass sich in diesem zentralnervösen Spannungsfeld die Erinnerungskraft konzentriert.
Die heutige Gehirnforschung hat entdeckt, dass zwischen Hippocampus und Cortex jede Nacht lebendige Interaktionen stattfinden, was sich so auswirkt, dass alles tags zuvor Gelernte sich jetzt gut eingeprägt hat. Wir verarbeiten dort in der Nacht auf unbewusste Weise das bewusste Erleben des Tages.
Vgl. Vortrag „Meditativer Zugang zur Wärme“, Dornach, 13.03.2008
[1] Rudolf Steiner, Seelenübungen – Band 2, Mantrische Sprüche, GA 268:
Ich fühle meine Menschheit in meiner Wärme.
Ich fühle das Licht in der Wärme.
Ich fühle die Weltensubstanz, die in meiner Wärme erklingt.
Ich fühle, wie sich in meinem Kopf das Leben der Welt an meiner Wärme entzündet.
[2] Ganzes Zitat: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ Neues Testament, Gal 2, 20.
[3] Neues Testament, Lukas 22, 42.
FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM THEMA WÄRME
FRAGE: Gibt es ein Zuviel an Wärme?
ANTWORT: Es gibt nichts, was man nicht über- oder untertreiben kann. Das habe ich angedeutet, als ich über die Temperatur sprach. Ich würde sagen, man muss den Wärmeorganismus des Patienten gut kennen und genau wissen, was man erreichen will. Es ist klar, ein Zuviel an Wärme fördert das Lösen von Ablagerungen, aber auch entzündliche Prozesse. Wenn das gewünscht ist, kann man auch Überwärmungsbäder machen und dem Körper so die nicht mehr funktionierende Fieberbildung ein Stück weit abnehmen. Aber bei vielen Menschen, die sich bewusst mit dem Abkühlungs- und Konsolidierungsvorgang auseinandersetzen und gerade auch bei Mischerkrankungen, die eine Mischung aus Entzündung und Sklerose darstellen, wie es oft auch bei Gefäßerkrankungen der Fall ist,– denn die Entzündung ist immer ein Selbstheilungsversuch und führt schließlich zur Sklerose – wenn also beides vorliegt, ist es ratsam, man wechselt rhythmisch ab: Drei Bäder, die eher zu sehr erwärmen gefolgt von vier Bädern, die mehr in die Kühle führen.
FRAGE: Was bedeutet ein Zuviel an Wärme in Bezug auf das Geistige?
ANTWORT: Da gilt genau dasselbe: Man kann in euphorische Zustände abdriften, den Boden unter den Füßen verlieren und sich wie auflösen. Das wird dann Schwärmerei genannt. Das kann subjektiv gesehen ganz angenehm sein, aber auf die Umwelt wirkt das merkwürdig. Deswegen ist es gut, eine Lebensform zu finden, bei der man „auf dem Teppich bleibt“. Oder wie Emil Bock das so schön formulierte in seinen Evangelien-Betrachtungen: Man sollte lernen, nicht mehr Geistiges aufzunehmen, als man in Treue zu pflegen imstande ist.
Die Gefahr der Wärme
In der Treue liegt auch etwas Kühles. Wenn ich von Sensation zu Sensation haste und immer das noch und jenes noch erfahren möchte, liegt darin eine Gefahr. Der Wärme wohnt auch die Kraft inne, sich auszudehnen oder sich sogar zu verflüchtigen. In einem der Wochensprüche von Rudolf Steiner heißt es: „Mein Selbst, es drohet zu entfliehen vom Weltenlichte mächtig angezogen“.[1] Man könnte auch ergänzen: „… von der Weltenwärme mächtig angezogen“. Feuer und Wärme ziehen uns an und dann ist man in Gefahr, seine Grenzen zu wenig zu spüren, sich selbst zu verlieren.
Dazu gehört auch das Helfersyndrom: Manche Leute gehen einem auf die Nerven, weil sie alles für einen machen wollen und nicht respektieren, dass man das vielleicht gar nicht will. Man kann diesen pathologisch-luziferischen Wärmeüberschuss natürlich auf allen Ebenen beobachten. Das geht immer auf Kosten einer gesunden Selbst- und Weltwahrnehmung. Da wäre dann die Hölderlinsche „heilige Nüchternheit“ gefragt.[2] Aber so sind wir konstituiert: Wir dürfen mit dem Wärmewesen in uns machen, was wir wollen. Deswegen müssen bzw. dürfen wir ja auch lernen, das Gute zu wollen. Das können wir nicht von selbst. Wärme ist nur ein Potenzial, ist weder gut noch böse. Wir machen sie zu dem einen oder anderen. Ich kann mit Wärme zerstören und vernichten oder ich kann mithilfe von Wärme Verwandlung herbeiführen und Leben schenken. Über Wärme können wir alles Mögliche zum Wuchern bringen. Über Wärmeentzug können wir Kälte verbreiten. Das alles liegt im menschlichen Ich-Potenzial. Damit therapeutisch gut umgehen zu lernen, ist die Kunst.
FRAGE: Inwiefern hängt Wärme mit der Lemniskate zusammen?
ANTWORT: Mein Mann, Mathematiker und Astronom, ist auch ein passionierter Lemniskatenforscher. Wer eine Sonnenuhr hat, kann unschwer sehen, wie die Sonne im Laufe des Jahres eine Lemniskate macht und so aufzeigt, dass sie sich mit dem Planetensystem und der Erde gemeinsam auf einer Lemniskate in Richtung Herkules im Norden bewegt.
Rudolf Steiner nennt die lemniskatische Bewegung in seinem „Naturwissenschaftlichen Kurs“[3] die eigentliche Umlaufbahn der Planeten. Von anthroposophischen Astronomen wurde inzwischen längst erforscht, dass das tatsächlich so ist. Es ist wichtig, zu wissen, dass wir, wenn wir lemniskatisch massieren oder das Badewasser lemniskatisch bewegen, eigentlich die Beziehung von Sonne und Erde handhaben. Das ist die geometrische Urform von Welten-Ich und Menschen-Ich.
Die Erde braucht die Menschenwärme
FRAGE: Was geschieht mit der Menschenwärme nach dem Tod?
ANTWORT: Nach dem Tod metamorphosiert sich die Lebenswärme des Menschen. Die physische Wärme geht in die Erdwärme über. Wenn der physische Leib verfault, kommt es zu Wärmeprozessen. Wenn er zerfällt und „Staub zu Staub, Asche zu Asche“ wird, gibt er alle Wärme an die Erde ab. Rudolf Steiner sagt, dass der physische Leib, wenn man ihn der Erde übergibt, dieselbe Funktion hat wie der Sauerteig im Brot. Dieses durchwärmte Stück Materie ist wie ein kleines Stückchen Hefe, das den Erdorganismus am Leben hält: Eines der erschütterndsten geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnisse ist, dass die Erde längst gestorben wäre, wenn nicht so viele Menschenleiber sie ständig wiederbeleben würden mit ihrer Wärme.
Die Erde wird heute so schlecht behandelt, dass sie viel mehr Leiber braucht als früher. Das Positive an der derzeitigen Überbevölkerung ist, dass die vielen Leiber der Erde neues Leben schenken.
FRAGE: Was bedeutet es vor diesem Hintergrund, wenn man den Menschen verbrennt?
ANTWORT: Dasselbe. Dann wird die Wärme nur umso schneller frei. Es entstehen dann 250°C, manchmal auch mehr. Es gibt auch Krematorien mit 800°C und 1000°C.
Geht diese Wärme der Erde nicht verloren?
ANTWORT: Nein. Die Wärme bleibt. Die Erde hat ja eine Wärmehülle, die kongruent ist mit der Lufthülle. Die Luft enthält viel Wärme wie auch das Wasser. Jenseits der Lufthülle, also weit oberhalb der Stratosphäre, geht die Erdatmosphäre ins Weltall über und auch im Weltall herrscht eine feine Wärmetemperatur, die sogenannte „Kosmische Hintergrundstrahlung“. Sie liegt bei 3° - 5° Kelvin. Es gibt keinen Ort im Weltall, wo absolute Kälte herrscht. Das ganze Weltall ist getragen von einer feinen Wärme. An Stellen, wo es zu Substanzballungen kommt, wie bei Planeten und Fixsternen, schließen sich diese zu riesigen Wärmezentren zusammen. Da die meisten Himmelskörper jedoch keine Atmosphäre haben, herrscht in den großen Zwischenräumen sehr rasch eine Eiseskälte. Es ist deshalb wichtig, uns vorstellen, dass es diese kosmische Hintergrundstrahlung laut der heutigen Astronomie wirklich gibt. Nur auf der Erde kann man künstlich ein absolutes Minus von 0° Kelvin erzeugen. Das gibt es nirgendwo in der Natur, auch nicht im Weltraum.
Wir sind in Wärme eingebettet. Sie ist unser geistig-seelisch-physisches Zuhause. Ein Ausdruck der Beziehung der Wesen untereinander ist, dass es überall Wärmeverbindungen gibt, die nicht unterbrochen werden können – die einzige Ausnahme bildet die Erde, wo man auch das kann.
Vgl. Vortrag anlässlich des Jubiläums des 100. Geburtstags von Werner Junge, Okt. 2012
[1] Rudolf Steiner, Seelenkalender, 19. – 25. Mai.
[2] „… Und trunken von Küssen /Tunkt ihr das Haupt /Ins heilignüchterne Wasser….“, aus dem Gedicht Hälfte des Lebens, von Friedrich Hölderlin, 1805.
[3] Rudolf Steiner, Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie, GA 323.