Was ist zeitgemäße Wissenschaft?

Aus Geistesforschung

Was ist zeitgemäße Wissenschaft? von Ilona Metz

Die Erstveröffentlichung erfolgte in «Anthroposophie und Zeitgeschehen», Ausgaben 98 -100/2025, www.wtg-99.com]

Teil 1

Die Frage, was ist im 21. Jahrhundert eine zeitgemäße Form von Wissenschaft, schließt sich unmittelbar an meine letzte Schrift über «Denken und Schauen» (Rundbriefe «Anthroposophie und Zeitgeschehen» Nr. 89, 91 und 93) an. Auch diese Frage möchte ich beleuchten mit den Inhalten der Anthroposophie.

Zuvor aber wollen wir kurz einen Blick tun zu dem gegenwärtigen Wissenschaftsstrom und dessen Zustand:

Es besteht kein Zweifel, dass mit dem Heraufkommen der Naturwissenschaft in vergangenen Jahrhunderten ein Neugriff in den Bewusstseinskräften der Menschheit sich zu zeigen begann, auch wenn diese Kräfte zunächst nur auf die gewordene physisch-materielle Welt, also auf das bereits Erstorbene hingelenkt wurden. Das Ideal der Exaktheit, der Klarheit in der Erforschung eines Objektes oder Vorganges war und ist durchaus von Bedeutung gegenüber den Resten des alten Traumbewusstseins. Eine Trübung erfährt dieser Vorgang allerdings, wenn durch bereits gefasste Vorstellungen bezüglich der Ergebnisse eine Voreingenommenheit in die Forschung hineingetragen wird, da sich dies hinsichtlich Interpretation und Versuchssteuerung sehr auswirken kann. Die genannten ideellen Ausgangsbedingungen sind ja auch die Ausgangsbedingungen für die geisteswissenschaftliche Forschung, welche gerade die Genauigkeit, Klarheit, gedankliche Nachvollziehbarkeit als wesentliches Merkmal in ihrer Methode hat.

Aber betrachten wir, was uns gegenwärtig gegenübertritt: Die sogenannte «Wissenschaft» ist zu erheblichen Teilen vereinnahmt von Interessengruppierungen, welche das Geld und die Machtmittel besitzen, um den einst sozusagen reinen Wissenschaftsbegriff (warum ich da eine Einschränkung mache, wird im Verlaufe dieser Schrift deutlich werden) umzuändern in eine Maskierung ihrer Profit- und vor allem machtorientierten und für Mensch, Erde und Kosmos teils sehr destruktiven Zielsetzungen. Es werden lügenhafte Behauptungen verbreitet, und wer dagegen aufsteht, erhält die Be- bzw. Verurteilung «unwissenschaftlich» oder noch sehr viel heftigere Formulierungen – was der Nicht-Wissenschaftler aber auch der ehrliche Wissenschaftler dann zunächst nicht so einfach widerlegen kann, da es sich um großangelegte, bis zu weltweite Projekte handelt, aber auch wenn er es klar widerlegt, nützt es ihm angesichts der Machthaber höchstens so viel, dass er dann seine Anstellung verliert oder mehr …

Auch im anthroposophischen Bereich, oder besser gesagt, in dem Gesellschaftsbereich, der sich zwar anthroposophisch nennt, wo jedoch die anthroposophische Substanz gleichsam wie umgewendet erscheint, wurde mir im Laufe meiner Beschäftigung mit dem Thema immer deutlicher, ermöglicht der Nebel, der sich um den geisteswissenschaftlichen Wissenschaftsbegriff breitet, dass dieser von den verschiedensten Strömungen nach Belieben gehandhabt und täuschend benutzt werden kann – und auch benutzt wird!

Ich versage mir, konkret zu werden, denn die Sachverhalte erweisen sich als sehr viel bedeutungsvoller als man meint. Es kann sich nach dem Lesen der folgenden Ausführungen jeder selbst ein Bild machen.

Eigentlich muss man sagen: Die Vernebelung wird benutzt, um das, was ursprünglich mit Anthroposophie gemeint und intendiert war, überzuführen in die Hände der Gegenmächte, und das mittlerweile an den wichtigsten und wirkmächtigsten Stellen.

Damit ist in Kürze hingewiesen, weshalb es höchst bedeutungsvoll ist, über die Wissenschaftsfrage in eine Klarheit zu kommen.

In alten Zeiten

In einem Vortrag aus GA 211, Dornach, 26. März 1922, erzählt Rudolf Steiner, wie in alter Zeit der Mensch noch ganz anders konstituiert war als heute. Während für uns die Sinneswahrnehmung und deren denkendes Verarbeiten im Vordergrund stehen, lebte die Menschheit in einer Art traumhaftem Hellsehen, in dem sie Vorgänge der geistigen Welt wahrnahm, und der Atemprozess mit seinem Hereinnehmen dessen, was aus dem Kosmos kommt, dem kurzen Anhalten und wieder Abgeben dessen, was durch den Menschen durchgegangen ist, hatte eine ganz andere Bedeutung für die Bewusstseinsprozesse als heute. Darauf beruhte auch der Erkenntnisweg des alten Yoga.

«Indem der Mensch in älteren Zeiten einatmete, erlebte er etwa so, als ob mit dem Einatmen, also mit der eingeatmeten Luft aus der Außenwelt dasjenige hereinkäme, was Geistiges in den Wesen und Tatsachen der Außenwelt war… Gnomen, Nymphen, alles das, was Geistig-Seelisches in der umgebenden Natur war. Und indem er ausatmete, indem er also die Atemluft nach außen schickte, wurden im Ausatmen diese Wesenheiten wieder unsichtbar.»

Auf dieses Einatmen folgte das Erlebnis, dass das eingeströmte Geistig-Seelische der Umwelt das Haupt erfüllt. Und das wirkte in gewissem Sinne berauschend auf den damaligen Menschen. «Und indem er wiederum ausatmete, ernüchterte er sich.» So war die Wechselwirkung mit der Außenwelt. Der Mensch schaute hin, atmete das, was von dem Äußeren geistig ausging, ein, atmete aus, und in dem Ausatmen erfolgte die Impulsierung seiner Tätigkeit. Einatmen war verbunden mit Beobachten, Ausatmen mit dem Tun.

Erlöschen der übersinnlichen Wahrnehmung

«Für eine spätere Entwickelung der Menschheit können wir sagen: Es erlosch im menschlichen Wahrnehmen dieses Erleben des Einatmens … In alten Zeiten also, da nahm der Mensch wahr, wie sich das Eingeatmete, das für ihn ein Berauschen war, ins Haupt fortsetzte und sich dort verband mit den Sinneseindrücken. Das war später nicht mehr der Fall. Später verliert der Mensch das, was in seinem Brustorganismus vorgeht, aus seinem Bewusstsein. Er nimmt nicht mehr dieses Heraufströmen des Atems wahr, weil die Sinneseindrücke stärker werden. Sie löschen aus, was im Atem heraufkommt …»

An diesem Punkte kann man verstehen lernen, warum sich unsere Bewusstseinsprozesse nicht mehr, wie in der Vergangenheit, auf den Atem, das Yoga-Atmen, stützen können, sondern weshalb, im Zuge der Weiterentwicklung der Menschheit, unser seelisch-geistiges Erkenntnisgeschehen mit der Sinneswelt verbunden ist, nicht mehr mit der Traum-Atem-Welt, sondern mit der Wachbewusstseins-Sinnes- und Gedankenwelt.

«Beim alten Menschen lebte das Atmen stark im Hören und Sehen, bei dem heutigen Menschen lebt das Sehen und Hören so stark, dass der Atem ganz abgedämpft wird. So dass wir sagen können, jetzt lebt nicht mehr das, was da berauschend, den Kopf durchströmend, von dem Alten im Atmungsprozess in seinem Innern wahrgenommen worden ist, so dass er sagte: Ah, die Nymphen! Ah die Gnomen! Nymphen, die wurlen im Kopfe so, Gnomen, die hämmern im Kopfe so, Undinen die wellen im Kopfe so! Heute wird dieses Hämmern, Wellen, Wurlen übertönt von dem, was vom Sehen, vom Hören herkommt und was heute den Kopf erfüllt … Und von denjenigen Menschen, die noch eine Spur von Bewusstsein hatten, dass einmal das Atmen das Geistig-Seelische der Welt in den Menschen hereinführte, wurde das, was da nun blieb, was sich fortsetzte aus der Sinneswahrnehmung im Zusammenhang mit dem Atmen «Sophia» genannt.»

«Sophia»

Der geistige Atemsinhalt wurde abgelähmt durch die Sinneswahrnehmung. Bei den alten Griechen war in diesem Übergang noch etwas davon vorhanden, bei ihnen bildete sich eine Art Gleichgewichtszustand aus.

«Die Griechen hatten gar nicht die Idee von einer solchen Wissenschaft wie wir heute. Wenn man den Griechen erzählt hätte von einer Wissenschaft, wie sie heute an den Hochschulen gelehrt wird, es wäre ihnen das so vorgekommen, wie wenn Ihnen jemand mit kleinen Stecknadeln das Gehirn fortwährend durchstochen hätte. Sie hätten gar nicht begriffen, dass das einem Menschen eine Befriedigung geben kann. Wenn sie solche Wissenschaft, wie wir sie heute haben, hätten aufnehmen sollen, dann hätten sie gesagt: Das macht das Gehirn wund, das verwundet das Gehirn, das sticht. – Denn sie wollten doch noch etwas wahrnehmen von jenem wohligen Ausbreiten des berauschenden Atems, in den sich, hineinströmend, das Gehörte, das Gesehene, ergießt. Es war also bei den Griechen ein Wahrnehmen eines inneren Lebens im Haupte vorhanden… Und dieses innere Leben, das nannten sie Sophia. Und diejenigen, die es liebten, diese Sophia zu entwickeln, die eine besondere Neigung hatten, sich hinzugeben an diese Sophia, die nannten sich Philosophen. Das Wort Philosophie deutet durchaus auf ein inneres Erleben. Jene gräulich pedantische Aufnahme von Philosophie, wobei man Philosophie eben «ochst» – wie man es im Studentenleben nennt – jenes Sich-bekannt-Machen mit dieser Wissenschaft, das kannte man in Griechenland nicht. Aber das innere Erlebnis «Ich liebe Sophia», das ist es, was sich in dem Worte Philosophie zum Ausdrucke bringt.»

Muss man da nicht auch an Solowjow denken, der schildert, wie er in unsäglicher innerer Sehnsucht seine einmal erlebte «Sophia» suchte, bis er in der Wüste in äußerlich jammervoller Lage, das erneute Erlebnis von ihr hatte, das ihn so tief berührte?

«Ich liebe Sophia» – wie lebt darinnen etwas so anderes, als wenn manche gegenwärtigen «Denker» gerade innerhalb des anthroposophischen Stromes den anderen gleichsam mit Gedankenmessern durchbohren, um ihm zu zeigen, dass sie es besser wissen – aber was «wissen» sie eigentlich? Was sticht und stößt da in ihrem Denken? Lebendiges Denken ist es jedenfalls nicht. Nirgends in der «Philosophie der Freiheit», nirgends in der anderen anthroposophischen Literatur finden sich derartige Denk-Stöße, findet sich eine solche Tonart.

Ausatmung – Glaube – Tat

Nach der Einatmung wollen wir nun den Ausatmungs-Teil betrachten. «Aber ebenso wie im Haupte von der Sinneswahrnehmung aufgenommen wird der in den Leib einlaufende Atmungsprozess, so wird von dem übrigen Leib das aufgenommen, was ausströmt als ausgeatmete Luft. Im Gliedmaßen-Stoffwechsel-Organismus strömen ebenso … die körperlichen Gefühle, die Erlebnisse mit der ausgeatmeten Luft zusammen … So dass [der Mensch] fühlte, wenn er irgend etwas tat, irgendetwas arbeitete, wie wenn er das Geistig-Seelische einströmen ließe in die Dinge hinein … Es geht hinein in das, was ich hämmere, … in das, was ich ergreife, es geht hinein in alles das, was ich arbeite…Aber dann wurde doch alles das, was da im Atmungsprozess war, abgelähmt von dem Körpergefühl, von dem Gefühl der Anstrengung, der Ermüdung im Arbeiten … », der Mensch spürte zunehmend seinen eigenen Körper, «sodass er seine eigene Stärke fühlte, die er anwendete, wenn er sich betätigte …»

Diese Kraft, die da im Inneren des Menschen lebte», diese Kraft, die gleichsam nur die andere Seite war der eingeatmeten seelisch-geistigen Weltenwirklichkeit, die Seite, die in den Leib hineinwirkte und dann mit der Ausatmung zusammenkam, diese Kraft nannte man in alten Zeiten den Glauben … «das war Pistis, der Glaube, das Fühlen des Göttlichen, der göttlichen Kraft, die einen arbeiten lässt.»

Weisheit und Glaube

«So floss im Menschen zusammen die Weisheit und der Glaube. Die Weisheit strömte nach dem Haupte, der Glaube lebte im ganzen Menschen. Es war die Weisheit nur eben der Ideeninhalt. Und es war der Glaube die Kraft dieses Inhaltes. Beide gehörten zusammen… so dass man in der Sophia eine Verdünnung der Einatmung, in dem Glauben eine Verdichtung der Ausatmung hatte. Dann verdünnte sich die Weisheit weiter. Und in der weiteren Verdünnung ist die Weisheit Wissenschaft geworden. Und dann verdichtete sich die innere Kraft weiter. Der Mensch fühlte nur noch seinen Leib: es entschwand ihm das Bewusstsein, was Glaube, Pistis eigentlich ist. Und es kam dann eben dazu, dass die Menschen, weil sie den Zusammenhang nicht mehr erfühlen konnten, das trennten, was als bloßer Glaubensinhalt gewissermaßen subjektiv vom Inneren aufsteigen sollte, und dasjenige, was sich mit der äußeren Sinneswahrnehmung verbindet… Man könnte sagen: Ursprünglich war die Sophia ein wirkliches Geistwesen, das der Mensch als einen Bewohner seines Kopfes fühlte.»

Wissenschaft

(GA 211, 1. April 1922) «Heute hat er von diesem geistigen Wesen nur noch das Gespenst. Denn die Wissenschaft ist das Gespenst der Weisheit. Das ist etwas, das eigentlich dem heutigen Menschen wie eine Art Meditation durch die Seele ziehen sollte, dass die Wissenschaft das Gespenst der Weisheit ist… Die Einatmung wird heute zum Gedanken und die Ausatmung wird zum willentlichen Ausleben des Gedankens.»

In dieser Darstellung ist vieles enthalten, das uns hinweist, was geschehen muss, damit wir nicht nur mit einem Gespenst Umgang haben, sondern wieder mit Wesenhaftem.

Auf der neuen Stufe, die nun nicht mehr traumhaft sich berauscht, die von der Klarheit der Sinneseindrücke und deren denkendem Begreifen ihren Ausgang nimmt, müssen wir wieder zum Inhalt kommen, zu dem, was schöpferisch, lebentragend hinter den Sinneseindrücken diese erst erschafft für unser Anschauen, zu den Wesen, die darinnen wirken. Das aber ist nur möglich durch den Weg der übersinnlichen Erkenntnis, der Imagination, Inspiration, Intuition. Erst ein durch diese verwandeltes Denken ist neues Denken. Da finden wir wieder die Weltenwirklichkeit, das Wirken der Weltenwesen.

Erst wenn der Mensch wieder eine wahre Beziehung zum Kosmischen und seinen Wesenheiten, Mensch und Welt betreffend, entwickelt, kann in uns etwas erstehen, das vom Gespenst der Abstraktion zum Wesen Sophia sich belebt und formt. Die neue Wissenschaft wird nur erbildet, wenn die Inhalte und Erlebnisse von Imagination und den weiteren Erkenntnisstufen einbezogen werden, zunächst über die Aufnahme des in der anthroposophischen Geisteswissenschaft Gegebenen, dann über die eigene seelisch-geistige Wahrnehmung. Das zu erarbeiten ist unsere Aufgabe.

«Anthroposophie» sagt schon gleichsam in ihrem Namen, dass sie auch eine Weisheit ist. Sie ist eine Menschen-Weisheit, die auch wieder das Erleben der Ausatmungsseite ermöglicht und so dem Menschen für den Taten-Bereich die Kraft gibt, die aus dem Erleben der Weisheit strömt.

Ich habe in der letzten Schrift genauer Bezug genommen auf eine Aussage, die ich hier nur kurz wieder aufgreifen will in anderer Hinsicht:

Gabriel hatte die Naturwissenschaft inspiriert. In der Natur wirkt Ahriman. Gabriels Wirken ist Vergangenheit. Jetzt wirkt Michael. Michael inspiriert die Geisteswissenschaft. Das ist Gegenwart und Zukunft. Wer in dieser wirkt, werden wir noch betrachten.

Intellektueller Sündenfall

Was ist geschehen, dass das, was wir heute Wissenschaft nennen, nur ein Gespensterdasein führt, das Gespenst der Weisheit geworden ist?

In der Urzeit war der Mensch noch verbunden durch sein hellsehendes, hellhörendes Eingetauchtsein in die geistige Welt mit dem, woraus er seinem wahren Wesen nach urständet. Indem diese Wahrnehmungsfähigkeit zu erlöschen begann, ereignete sich etwas, das man mit anderen Worten nennen kann den «Sündenfall», die Absonderung von der geistigen Welt. Und mit fortschreitender Entwicklung und zunehmender intellektueller Erfassung der äußeren physischen Welt geschah dann eine erneute Abspaltung: Die alten Mysterienstätten, die bis dahin noch die Erinnerung an die Urweisheit aufbewahrt hatten, wurden im 3./4. Jahrhundert nach Christus durch die Römer weitgehend vernichtet. Der zunehmend veräußerlichte Intellekt aber fand keine Möglichkeit mehr, sich zur Geistwelt selbständig zu erheben. Das spiegelt sich wieder in dem Ringen der mittelalterlichen Denker:

(GA 220, Dornach, 21. Januar 1923) «Also der Mensch, der sich in früheren Zeiten sündhaft in bezug auf seine Moralität gefühlt hat – sündhaft aber heißt: abgesondert von den göttlich-geistigen Mächten – , dieser Mensch … fühlte sich gewissermaßen in der scholastischen Weisheit intellektuell sündhaft. Er schrieb sich nur die Fähigkeit zu, einen Intellekt zu haben für die physisch-sinnliche Welt. Er sagte sich: Ich bin als Mensch zu schlecht, um durch eigene Kraft hinaufzukommen in diejenige Region des Erkennens, wo ich auch den Geist erfassen kann … Es ist die direkte Fortsetzung des moralischen Sündenfalls, was da in die Auffassung der menschlichen Intellektualität hereinspielt.»

Hinzu kam, dass in jener Zeit der Gedanke an eine Präexistenz vor dem Erdenleben verboten war. Das hatte (und hat) für Das Denken weitreichende Folgen. Denn wenn man sich auf dessen eigene, wahre Natur besinnt, kann der Geistesforscher erkennen, dass unser Denken, das in der physischen Welt nur Totes zu erfassen vermag, im Vorgeburtlichen lebendig war. Es hat in der geistigen Welt mit den Hierarchien den Geistkeim unseres physischen Leibes ausgearbeitet, und der Tätigkeit dieses lebensvollen Denkens verdanken wir in den ersten Jahren des Erdendaseins unser Wachstum und die Ausarbeitung der Organe. Da wirkt das Denken im Inneren des Organismus und ist mit allen Elementen verbunden. (26. Juni 1923) «In diesem innerlichen Arbeiten des Gedankens setzt sich fort die lebendige Kraft des vorirdischen Denkens.» Später lösen sich Teile heraus, sind nur noch mit Luft und Wärme verbunden, und werden zu den bewussten Denkkräften.

Indem sich das Denken hier nur auf die physisch gewordene Welt richtet, bleibt es abgesondert von den wirkenden Weltenkräften und ist gleichsam nur der Leichnam der eigentlichen vorgeburtlichen lebendigen Gedankenwesenheit. (GA 211, 15. April 1922) «Unsere Gedankenkraft, sie ist der Leichnam des Seelisch-Geistigen. Während dieses Seelisch-Geistige vor dem Erdendasein des Menschen sein eigenes Leben in der seelisch-geistigen Welt hatte, nimmt der Mensch von seiner Denkkraft, die er vorher gehabt, nur den Leichnam auf. Wir tragen mit uns in unserem physischen Leib – so wie die Erde nach unserem physischen Tode den Leichnam – unsere Gedanken, den seelischen Leichnam aus dem seelischen Dasein. Mit diesem Denken, das der Leichnam der Seele ist, wird nur das Tote begriffen.» (GA 211, 1. April 1922) «Wir sterben eigentlich durch unser Begreifen, wir leben durch den Kosmos.» So urständen wir mit unserem Denken im Vorgeburtlichen – dahin zu denken aber war verboten.

Für das, was nach dem Tode mit der Menschenseele geschieht, helfen und bewirken unsere diesseitigen Denkkräfte nichts zur Erkenntnis. Dafür bedarf es der übersinnlichen Erkenntnisstufen. Diese aber waren nicht mehr verfügbar bzw. wurden ebenfalls beargwöhnt.

So war der Mensch sozusagen eingeschlossen mit seinem Erkenntnisvermögen zwischen Geburt und Tod. Das Geistige verblieb dem Felde des Glaubens, aber des Glaubenden-für-wahr-Haltens, nicht mehr dem ursprünglichen Glaubensbegriff zugehörig, bei dem der Mensch die geschaute Wirklichkeit sich in den Antrieb zur Tat verwandeln fühlte.

Daraus entwickelte sich dann eine Naturwissenschaft, die keine Kenntnis hatte von den wirkenden Kräften und die dadurch die Geistigkeit des Menschen völlig aus ihrer Erfassensmöglichkeit verlor. Der Mensch ist in der Erkenntnis der Naturwissenschaft nicht enthalten. Francis Bacon, der maßgeblich mit an deren Beginn stand, hatte keinen Bezug mehr zu alten geistigen Kräften oder Wissensinhalten, er verwies nur auf die Sinneswelt und das, was aus der Natur von außen in den Menschen(kopf) hineinkommt. Darwin verfasste seine Evolutionslehre nur aus dem äußerlichen Anteil der Welt, der sich von unten nach oben entwickelt hat, ohne Kenntnis der Impulsierung aus dem Geistigen von oben nach unten.

(21. Januar 1923) «Wozu ist denn der moderne Intellektualismus in der Naturwissenschaft eigentlich gekommen? Er ist nur dazu gekommen, die Entwicklung der Tiere bis herauf zum Affen zu begreifen – aber auch diese nicht wirklich – und er hat dann den Menschen angeschlossen, ohne innerlich zum Menschen vorrücken zu können … Und so fiel allmählich die Auffassung des Menschen ganz aus der Weltauffassung heraus, weil aus den Begriffen die Auffassung herausfiel. Die Begriffe wurden immer geistloser und geistloser, und die geistlosen Begriffe, die den Menschen nur als Schlusspunkt der Tierreiche ansehen, die bilden heute den Inhalt alles Denkens; die werden schon den Kindern in den ersten Schuljahren eingeflößt, und es wird dadurch zur allgemeinen Bildung, nicht mehr auf das Wesen des Menschen hinschauen zu können … Wenn man wiederfindet die Geistigkeit in der Natur, dann wird man auch wieder den Menschen finden … Ich mache darauf aufmerksam, wie man erkennen muss das allerdings bis zum reinen Denken filtrierte Geistige, und wie man von da den Sündenfall rückgängig machen kann, wenn man sich durch die Spiritualisierung des Intellektes wiederum zum Göttlich-Geistigen hinaufarbeiten kann.»

Wir leben im Zeitalter der Bewusstseinsseele. Und in diesem wird es möglich und ist dringendste und höchste Aufgabenstellung, dass diese Spiritualisierung unserer intellektuellen Fähigkeiten durchgeführt wird! Seitenweise über die Vorträge hin mahnt Rudolf Steiner in dem Zyklus «Lebendiges Naturerkennen, intellektueller Sündenfall und spirituelle Sündenerhebung» (GA 220), der direkt nach dem Goetheanum-Brand gehalten ist, die Mitglieder, aufzuwachen, endlich aufzuwachen! Mit dieser Wissenschaft, die wir heute haben, kommt die Erde, die Menschheit nicht an ihr Ziel!

(21. Juni 1923) «Wenn also in alten Zeiten hingewiesen worden ist auf den moralischen Sündenfall und die Entwickelung der Menschheit gedacht worden ist im Sinne dieses moralischen Sündenfalles, so hat man heute an ein Ideal der Menschheit zu denken, an die Ausbesserung dieses Sündenfalles auf dem Wege der Spiritualisierung des Erkennens, auf dem Wege der Wiedererkennung des geistigen Inhaltes der Welt. Der Mensch hat sich durch den moralischen Sündenfall von den Göttern entfernt. Er muss durch den Erkenntnisweg die Bahn der Götter wiederfinden. Der Mensch muss seinen Abstieg in einen Aufstieg verwandeln!»

Man bedenke diese Aufforderung – diese Möglichkeit! Was der Menschheit seit Jahrtausenden anhaftet, erhält in unserer Zeit die Möglichkeit, ausgeglichen zu werden!

(21 Juni 1923) «Es ist zu dem moralischen Sündenfall in der neueren Zeit, namentlich in den naturwissenschaftlichen Anschauungen, auch noch der intellektualistische Sündenfall gekommen, und der ist das große historische Zeichen dafür, dass die spirituelle Erhebung aus dem Sündenfall beginnen müsse. Was heißt denn aber diese spirituelle Sündenerhebung? Das heißt ja nichts anderes, als den Christus wirklich verstehen … Der Christus ist als ein himmlisches Wesen auf die Erde herabgestiegen; er hat also zu den Menschen nicht eine irdische, sondern eine himmlische Sprache gesprochen. Also müssen wir uns bemühen, ihn zu verstehen, müssen wir uns bemühen, eine kosmische, eine außerirdische Sprache zu sprechen. Das heißt, wir müssen unsere Wissenschaft nicht bloß auf die Erde beschränken, denn die war ja neues Land für den Christus, wir müssen unsere Wissenschaft ausdehnen auf das Kosmische …»

Fassen wir mit Rudolf Steiner noch einmal zusammen (GA 220, 26. Januar 1923) «Aus der alten Anschauung vom Sündenfall ist, als der Intellektualismus heraufzudämmern begann, das Gebot geboren worden, nicht von der Präexistenz zu sprechen. Dadurch ist die Naturwissenschaft heraufgediehen direkt als ein Kind des missverstandenen Sündenfalles.» – Dieses Missverstehen, das die Menschen glauben machte, sie dürften sich nicht zum Geistigen erheben, - «Und wir haben eine sündige Naturwissenschaft, die unmittelbar aus dem Missverständnisse des Sündenfalles hervorgegangen ist, das heißt, würde diese Naturwissenschaft bleiben, dann würde die Erde nicht an das Ziel ihrer Entwicklung kommen können, sondern die Menschheit würde ein Bewusstsein entwickeln, das nicht aus der Verbindung mit ihrem göttlich-geistigen Ursprung herkommt… wir haben… materiell, in dem, was unter dem Einfluss des Intellektualismus sich entwickelt, eben eine schon unter ihr Niveau heruntergesunkene Menschheit. … Und so wirken zwei Dinge zusammen: auf der einen Seite die Fortwirkung des [mittelalterlichen] Verbotes, an das präexistente Leben heranzugehen, auf der anderen Seite das Perhorreszieren der übersinnlichen Erkenntnis. Wenn man beides zusammenbringt, dann bleibt alle übersinnliche Welt die Domäne einer Nicht-Erkenntnis, nämlich des bloßen Glaubens, nicht der Erkenntnis. Und dann lässt sich diejenige Wissenschaft, die «Wissenschaft» sein will, nicht herbei, mit dem Christus überhaupt etwas zu tun haben zu wollen. Und dann haben wir den heutigen Zustand …

Das erste also, was notwendig ist, das ist einzusehen, dass durchdrungen werden muss gerade das intellektuell empirische Forschen mit demjenigen, was aus der Geistigkeit der Welt heraus erfasst werden kann. Also die Wissenschaft muss durchdrungen werden mit der Geistigkeit… Aber deshalb sind es auch allein diese Erkenntnisse, die mit der anthroposophischen Geisteswissenschaft zusammenhängen, die den Menschen in ein rechtes Verhältnis bringen zwischen Sündenfall und Sündenerhebung.»

«Und wäre er nicht auferstanden…»

Nehmen wir noch einmal den bedeutsamen Satz in unsere Seele «den Christus wirklich verstehen». Was hat der Christus mit der Wissenschaft zu tun?

Wir haben aufgenommen, wie die Menschheitssituation war in sehr alten Zeiten.

(GA 211, London, 15. April 1922) «Das Denken ist lebendig, der Mensch findet um sich herum in allen Wesen der Natur neben dem Physischen ein Geistiges…[es] ist eben durchaus noch ein ursprünglicher Zusammenhang mit der geistigen Welt durch das lebendige Denken gegeben.» Die Eingeweihten hatten, wenn auch nicht so hell wie heute, eine gewisse Art von Imagination, Inspiration, Intuition, die Menschen konnten noch den Unterricht empfangen von Wesen, die herunterstiegen aus den geistigen Welten. Denn aus sich selbst vermochten die Menschen damals noch recht wenig. In der Intuition strömte der Mensch «gewissermaßen in das Geistige hinüber».

Diese Fähigkeiten klangen ab, das (Erden-) Ich aber erstarkte. Hätte sich die Herabentwicklung so fortgesetzt, dann würde die menschliche Seele (mit dem zunehmend ersterbenden Denken) mit dem Sterben des physischen Leibes mitgegangen sein und ihr übersinnliches weiterbestehendes Dasein verloren haben. Damit aber wäre der Mensch auch den Götterwelten verloren gegangen. Ahriman, den die Götter zugelassen hatten, damit Tod und somit Freiheitsgeschehen auf der Erde eingeleitet werden, hätte die Menschen ganz an sein Reich gefesselt. Da beschlossen die Götter, die in ihrer Welt den Tod nicht kannten, sondern nur Verwandlung, einen der Götter herabzusenden, um den Tod kennenzulernen. Dieses Opfer brachte der Sonnengeist Christus. Er verließ seine kosmische Heimat, zog ein in einen Menschenleib und erlitt im Mysterium von Golgatha den Erdentod, den er in der Auferstehung überwunden hat.

(GA 211, London, 15. April 1922) «Was Paulus meinte mit dem auferstandenen Christus, war, dass der Christus den Tod zu erleben hatte und erlebt hat, dass er aber über den Tod siegte, dass er als geistig-lebendig siegreich mit der Auferstehung aus dem Tode hervorgegangen ist und seither mit der Menschheit weiterlebt für diese Menschheit, die ohne den Christus nur das tote Denken hätte…Es ist durch den Tod und die Auferstehung des Christus diese Seele in ihrem Denken so verlebendigt, dass die Menschen nun nicht mehr mit ihren Leibern zu sterben haben, wie sie sterben müssten, wenn das Mysterium von Golgatha nicht eingetreten wäre… So führt die moderne Initiationswissenschaft im anthroposophischen Sinne zu einer innerlich lebendigen Erfassung des Mysteriums von Golgatha. So ist sie nicht ein Weg hinweg von dem Christus, sondern ein Weg zu dem Christus. Der Christus wird durch sie auf eine geistige Weise gefunden.»

Ohne den Tod und die Auferstehung des Christus könnten wir nur noch das Tote erfassen und würden als Seele mit dem Leibe sterben. Unser Denken wäre nicht mehr in der Lage, sich aufzuschwingen zum Geiste. So ist die neue zeitgemäße Wissenschaft zutiefst mit dem Christusgeschehen verbunden, das erst ihre Existenz ermöglicht. So führt die Geisteswissenschaft im spirituellen Forschen und Erkennen wieder zusammen, was durch eine Zeit getrennt lief als Wissenschafts-Gespenst und als Religion. Und wir erfahren und lernen begreifen, wie das Tiefste der Religion auch dasjenige ist, was uns befähigt, eine wahre Wissenschaft, eine Auferstehung der Weisheit, der Sophia vom Menschen zu erringen. Und das zu selbstbezogen gewordene Ich des Menschen findet wieder in der Verbindung mit dem Christus die Möglichkeit der wahren Wesenserkenntnis und des nachtodlichen Weiterlebens im Geistgebiet, dem der Mensch sonst entsunken wäre.

(GA 220, 26. Januar 1923) «Also bloß auf Anregung der Initiationswissenschaft können wir zu dem innerhalb des Erdendaseins vollzogenen Ereignis von Golgatha hinschauen als zu etwas, was zugleich als ein Kosmisches und als ein Irdisches in die Erde hereingestellt worden ist. Dadurch bringt man in sich selber hinein die starke Kraft der Erkenntnis… [für die Notwendigkeit des neuen Geisteslebens,] weil die anthroposophische Wissenschaft gerade aus dem Geist der Wissenschaft dasjenige zu überwinden hat, was die äußere Wissenschaft nicht überwinden kann…»

Und wenn nun einer bezweifeln möchte – soll das Wissenschaft sein? Aber ist die abgesonderte Erfassung des Toten auf der Erde mehr Wissenschaft als die Erkenntnis der wirklichen Grundlagen des Menschenwesens und -daseins??? Eine wirkliche Wissenschaft, eine durch wieder verlebendigtes Denken erstehende Sophia, Anthropo-Sophia, ist eben etwas so anderes als unser gegenwärtiges Wissenschaftsgespenst, das unsere Gehirne wundmacht. – Hätte ich es nicht selbst durchlebt in meinen Jugend- und Studienjahren dieses furchtbare Grau unserer jetzigen «Wissenschaft» und das Licht der neuen, ich könnte dieses hier nicht mit solchem Enthusiasmus niederschreiben. Die neue spirituelle Wissenschaft erfüllt auch Seele und Geist mit dem, was diese aus den tiefsten Untergründen suchen müssen. Die Liebe zu Sophia, der neuen, der erneuerten Weisheit gibt der gegenwartsgemäßen «Wissenschaft» den Daseinsgrund und Lebensquell, das durch Imagination, Inspiration und Intuition neu belebte Denken gibt ihr das Lebenslicht und daraus kann ein geist- und menschengemäßes Handeln erstehen.

Teil 2

Erwachen zur Weltenwende

Wir haben nun ins Bewußtsein genommen die Bedeutung des Mysteriums von Golgatha, der Christus-Tat für die Ermöglichung der neuen Wissenschaft. Aber diese Wissenschaft konnte zunächst nicht erstehen. Die Seelen der Menschen waren zu schwach, hatten noch nicht die Kräfte, um aus sich heraus, aktiv, den neuen Geistanschluss zu schaffen. Sie mussten sich zunächst begnügen mit der Überlieferung. «Zwischenjahrhunderte» nennt Rudolf Steiner diese Zeit (in GA 220). Selbst große Geister wie Goethe konnten nur erste tastende Schritte in dieser Richtung vollziehen, der breite Strom benutzte seine Geisteskräfte zur Ausgestaltung des Materialismus.

Diese Zeit verwendete Gabriel während seines Wirkens, um ein neues Geistorgan im Haupte des Menschen aufzubauen (GA 266a, S. 413f). Aber seit Beginn der Herrschaft Michaels im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und seit dem Ende des Finsteren Zeitalters 1899 und, wir können sagen, seit Beginn des öffentlichen Wirkens von Rudolf Steiner 1902, kommt ein völliger Neubeginn, ein völliger Neugriff der Welt- und Menschenerkenntnis. Ein Strom von Geistigkeit drängt herein in die verdorrten Seelen, ein Strom lebendiger Geistwirklichkeit, so dass die Menschenseelen, dessen noch ungewohnt, sich schwertun, dieser neuen Situation mit ihrer Auffassungskraft entgegenzukommen. Sie sind bereits so weit von den Widersachermächten, von Ahriman eingenommen, die tieferen Seelenkräfte sind so überlagert, so inaktiv geworden in geistiger Hinsicht, dass dieser Geistesstrom wohl nicht die ihm entsprechende Aufnahme finden kann. Immer wieder fordert Rudolf Steiner auf zum Erwachen. Und man hat eigentlich nicht den Eindruck, dass jetzt, exakt 100 Jahre nach seinem Todestag, dessen früher Zeitpunkt wahrscheinlich durch dieses Nichtverstandensein verursacht ist, sich da etwas in förderlicher Richtung verbessert hätte. Im Gegenteil, das Gegnerwirken verstärkt sich immer mehr und droht bereits die ganze Anthroposophie wie aufzulösen und zu verschlingen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns noch einmal bewusst machen, was da eigentlich stattgefunden hat in dieser wichtigen Zeit.

Etwa in der Mitte seines anthroposophischen Wirkens hält Rudolf Steiner Vorträge über «Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt» (GA 118). Er spricht über «Vorstufen zum Mysterium von Golgatha» (GA 152), geistige Opfer-Ereignisse, die geschahen, um die Menschen-Entwicklung immer wieder in ordnender, harmonisierender Weise zu stützen. Er spricht davon, wie eine Art ätherische Wiederkunft der Christus-Wesenheit stattfindet, indem die Menschen zum Ätherhellsehen vorrücken. Er schildert, wie ein der Kreuzigung entsprechendes Geschehen durch die schwarze Flut des Materialismus dem Christus-tragenden Angelos-Wesen auf der Ätherebene widerfährt und ihm das Bewusstsein auslöscht. Der Christusgeist aber zieht dadurch näher an die Menschenseelen heran, will ihnen Bruder und Helfer sein. Wie es Vorstufen von Golgatha gab, so geschah bzw. geschieht an diesem Punkt eine Folgestufe. Der Sündenfall, das zu frühe «Essen vom Baum der Erkenntnis» hatte die Menschenseelen aus dem Paradieszustand in die Erden-Sonderung geworfen und den Abstieg aus dem Schoß der Götter, zugleich aber auch die Erkenntnisfähigkeit, eingeleitet. Der Mensch lernte, sich seiner selbst bewusst zu werden, indem er sich aus der göttlichen Geleitetheit herauslöste. Wir haben vernommen, was das bedeutet hätte ohne Eingreifen einer Götterwesenheit – dass er seine Zugehörigkeit zur Geistwelt, sein ewiges Sein verloren hätte und die Seele mit dem Leib hätte sterben müssen. Das ist zunächst verhindert worden.

Aber die Menschenseelen selbst konnten den neuen Aufstieg nicht ergreifen. Nun leben wir im Zeitalter der Bewusstseinsseele. Wir erhalten geschenkt durch das Wirken von Rudolf Steiner die Erkenntnis, das Bewusstsein all dieser Vorgänge der Menschheitsentwickelung. Der «Sündenfall» brachte ein zu frühes, unreifes «Erkennen» und damit die Irrtumsmöglichkeit. Mit dem Eintreten des neuen Lichten Zeitalters und der Bewusstseinsseelenentwicklung steht der Mensch an einem Daseinspunkt, der ihm die Möglichkeit öffnet, durch die genannten Ereignisse sich wieder zu erheben aus dem Niedergang, aus der moralischen und intellektuellen Verstrickung mit den herunterziehenden, die Menschheitsentwicklung beeinflussenden und hemmenden Mächten. Aber der Mensch muss erwachen, muss es selbst ergreifen, denn er ist in die Freiheit entlassen von den Göttern! Begreifen wir, was das heißt??? Wir sind herabgesunken durch ein luziferisch gelenktes zu frühes Essen vom Baum der Erkenntnis, wir haben unser Selbstbewusstsein, unsere Freiheit dadurch erworben, wir stehen an einem Wendepunkt, der uns entweder weiter in den ahrimanisierten Abgrund führt oder uns durch die neue Erkenntnis, die neue Geistes-Wissenschaft, die neue Anthroposophia die Hand bietet für den Wiederanschluss an unseren göttlichen Ursprung! Welch eine Wesenheit wirkte in und durch Rudolf Steiner, im Zusammenhang mit dem Folgegeschehen zum Mysterium von Golgatha, dass der Menschheit jetzt dieser Weg des Wiederaufstieges geöffnet wird! Haben wir begriffen, was das heißt? Haben wir verstanden, welche Aufgabe uns daraus erwächst? Haben wir begonnen zu erwachen?

Schon wachen – wie es scheint – die Gegner mehr als wir, denn der Ansturm ist gewaltig. Bereits haben sie die «Wissenschaft» oder das, was Wissenschaft war, zu ihrem Lügengespinst und Lügenprogramm umfunktioniert und die anthroposophische Wissenschaft versuchen sie zu vernebeln, zu zersplittern, zu zerschmettern und vor allem durch multipelste «Anschlüsse» an den gewöhnlichen Wissenschaftsstrom in dessen Grau untergehen zu lassen. Was die Erdenentwicklung vor dem Abgrund bewahren wollte, wird den Gegenmächten überlassen, übergeben, anstatt ergriffen zu werden und zum Heil der Welt ins Leben eintreten zu dürfen!

Wenn Rudolf Steiner nachtodlich kundtat, dass er keine Ohren gefunden hat, die hörten und sozusagen keine Herzen, die das Geistgeschenk aufgenommen und in eigenes Wirken verwandelt haben, wo wird es hingehen mit dem Erdenweg, wenn das weiter so bleibt? Auch das wurde in der anthroposophischen Wissenschaft bereits mitgeteilt, es wird ein grauenhafter Weg, ein Unweg werden, wenn wir nicht erwachen zur Geistaufgabe, zur Geistverwirklichung, die, wenn man es irdisch ausdrücken will, in der Gegenwart der europäischen Mitte aufgetragen ist und die Rettung sein kann und muss aus dem Chaos des derzeitigen Weltzustandes. Wir haben mit der neuen Wissenschaft, der Erkenntnis-Wissenschaft, die aber das erstorbene Denken verwandeln und wieder lebendig werden lassen muss durch Imagination, Inspiration, Intuition – oder zumindest zunächst durch wirkliche Aufnahme der von Rudolf Steiner bekommenen Geistinhalte – wir haben die Möglichkeit der Welten-Wende in unsere Hände gelegt bekommen … Nur das kann den völligen Abstieg verhindern. Hier wird der bisher abstrakte kalte Wissenschaftsbegriff umgewandelt in etwas, das den neuen Lebenskeim in sich trägt, wenn sie durchchristet, wenn sie wieder-angeschlossen wird an die göttlich-geistigen Wirkensmächte durch den Erkenntnisweg der Anthroposophie.

Der Weg der neuen Erkenntnis

Begeben wir uns zu einer kurzen Betrachtung der Erkenntnisstufen, um den Erkenntnisbegriff nicht in der Abstraktion stehen zu lassen.

(GA 211, London, 14. April 1922) »Wenn wir einen Menschen vor uns haben und ihn anschauen mit den sinnlichen Augen, so bekommen wir einen Eindruck seiner äußeren Physiognomie. Es ist kein vollständiger Eindruck von dem Menschen. Erst wenn wir mit Herz und Seele hineinblicken können in das Geistig-Seelische, haben wir den totalen Menschen vor uns… Denn wir brauchen ein Bewusstsein, das die äußere Erkenntnis nicht geben kann; wir brauchen eine Erkenntnis, eine Initiationserkenntnis für das Geistig-Seelische des Weltenalls [und des Menschen]. Das muss uns zur Überzeugung werden. Und erst mit dieser Überzeugung können wir die tiefsten Bedürfnisse der Menschenseele wirklich befriedigen.»

(GA 211, London, 15. April 1922) «Wie wir sonst in Farben denken, wenn wir uns den Eindrücken unserer Augen hingeben, wie wir sonst in Tönen denken, wenn wir uns den Eindrücken unserer Ohren hingeben, so erleben wir unsere Gedanken in der imaginativen Erkenntnis. Wenn wir unsere Gedanken innerlich erleben können, wenn sie nicht bloß in abstrakten Konturen auftreten, sondern als inhaltsvolle Bilder, dann sind wir in imaginativer Erkenntnis … dann habe ich aber angedeutet, wie man gewissermaßen sich absuggerieren, auslöschen kann das, was man an Bildern hat ,… zum … leeren Bewusstsein. Dann hat man nicht mehr diese subjektiven Bilder, die man zuerst gehabt hat. Dieses leere Bewusstsein enthält aber die Kraft, solche Bilder von außen zu empfangen. – Es ist wichtig, dass wir uns als anthroposophische Forscher bewusst sind, dass man die erste Form der Imaginationen austilgen muss, dass man dann ein leeres Bewusstsein hat, das aber in sich so wach ist, dass es die energische Kraft hat, nur solche Bilder, rein geistige Bilder, nun von der Außenwelt zu empfangen. Wir haben so zunächst das Bild unseres eigenen seelisch-geistigen Lebens, bevor wir herunterstiegen aus geistigen Welten, um unseren physischen Körper zu bewohnen. Wir können dann aber auch bemerken objektive Bilder von demjenigen, was Geistig-Seelisches in unserer Umgebung ist. Ein solches objektives Bild [ersteht]dann, wenn man inspirierte Erkenntnis hat. Dem anthroposophischen Forscher fließen da Offenbarungen der geistigen Welt in sein leeres Bewusstsein von objektiven Bildern jetzt, wie er sie früher subjektiv in sich durch Erkraftung seines Denkens durch Übungen erzeugt hat … Das ist die wirkliche Verlebendigung des toten Denkens …

Einseitig aber bleibt zunächst die Erkenntnis dieser seelisch-geistigen Wesenheit des Menschen, wenn man nur bis zur inspirierten Erkenntnis vorschreitet. Man erkennt nur dasjenige, … was vor der Geburt liegt. Hat man aber dasjenige kennenzulernen, was nach dem Tode liegt, dann müssen die Übungen zur Entwickelung menschlicher übersinnlicher Erkenntniskräfte weiter fortgesetzt werden…, wir müssen uns hineinleben in die intuitive Erkenntnis. Diese Stufe gibt uns die Anschauung der Unsterblichkeit. Wir wissen, indem wir diese Stufe erwerben, durch das Imaginative und Inspirierte hindurch, dass wir dem Weltenall als ewiges Geistwesen angehören, dass wir schauen das Geistige des Weltenalls mit der ewig geistigen Seele in uns selber. Dazu steigt die Initiationswissenschaft auf, auch wenn sie sich ganz anpasst dem modernen Bewusstsein … vollbewußt, vom Vergänglichen zum Ewigen.»

Die Sprache der Geisteswissenschaft

Die Sprache von Anthroposophie ist in gewissem Sinne eine deutlich andere als die der äußeren Wissenschaft. Viele Menschen meinen, sie nicht oder nur schwer zu verstehen zu können. Aber das Verständnis soll ein errungenes sein, denn es gilt ja, neue Fähigkeiten zu erwerben. In den Anfangsjahren waren die Darstellungen Rudolf Steiners noch viel geistig-unmittelbarer und inniger.

(GA 211, Wien, 11. Juni 1922) «Vor Jahren war es so, dass wir ja in ähnlich gearteten Kreisen, die dazumal nur kleiner waren als heute, zusammengekommen sind, und dass dann gewissermaßen so gesprochen werden konnte, wie dies möglich ist, wenn vorausgesetzt werden darf, dass mit dem Grundelemente anthroposophischen Denkens und namentlich anthroposophischen Empfindens die Mitgliederzuhörerschaft vertraut ist … dieses Vertrauen bestand ja darinnen und besteht darinnen, dass Menschen sich hier innerhalb der anthroposophischen Bewegung zu engerem Kreise zusammenschließen, die aus ihrem Herzen heraus die Sehnsucht nach einem Hineinleben in die geistige Welt haben. Und das ist das Wesen des esoterischen Sprechens, dass es immer die Voraussetzung hat, Menschen mit solchen Sehnsüchten als Zuhörer vor sich zu haben …»

Sehnsucht und Liebe zur Weisheit sind Grundlage zum Empfangen anthroposophisch esoterischer Inhalte, nicht kaltes Wissenwollen.

«Dasjenige, was heute gekommen ist, ist eben wirklich nicht gesucht worden.» Die anthroposophische Bewegung hat sich rascher verbreitet als es sonst bei solchen Bewegungen geschieht. «Das aber bewirkte, dass, indem die Menschen unsere Literatur in die Hand bekamen, sie von ihrem Gesichtspunkte aus sie beurteilten. Wissenschaftler verglichen das, was da in die Welt gekommen war, mit dem, was sie gewohnt sind, als ihre strenge Wissenschaft anzusehen. Kein Wunder also, dass auch die Notwendigkeit auftrat, sich mit der Wissenschaft auseinanderzusetzen… Es ist also die Wirklichkeit, die das gefordert hat. Und wenn Sie heute in wissenschaftlichen Klängen dasjenige verkünden hören, was früher in anderer Form verkündet worden ist, so ist das nicht die Schuld der anthroposophischen Bewegung, sondern ihr Schicksal. Wir mussten gewissermaßen die Anthroposophie vor das größere Publikum hinstellen, und das konnte nur dadurch geschehen, dass wirklich mit den führenden Persönlichkeiten die Auseinandersetzung erfolgt. Es handelt sich nicht darum, die Anthroposophie der Wissenschaft anzunähern, sondern die Wissenschaft mit Anthroposophie zu durchdringen … Es ist … notwendig, diese Kluft auszufüllen.»

Es ist durchaus möglich, Geistiges in einer nicht «wissenschaftlich» klingenden Sprache zu äußern, so wie es auch in der Anfangszeit der Anthroposophie erfolgte, aber äußere Faktoren, die Auseinander- und Zusammensetzung mit der gängigen Wissenschaftsform erforderten diese wissenschaftsgemäße Darstellungsform. Nicht alles lässt sich auf diese Weise ausdrücken. Insbesondere die Darstellung in Bildern kann erforderlich sein, wenn Verstandesbegriffe den Inhalt nicht zu fassen vermögen:

(GA 211, 1. April 1922) «Gewisse Dinge können nur dargestellt werden, wenn man versucht, durch Bilder an die entsprechende Wirklichkeit heranzukommen. Man muss gewissen Dingen gegenüber darauf  verzichten, in jener abstrakt intellektualistischen Weise zu sprechen, in der zu sprechen man heute gewöhnt ist. Man würde in dieser intellektualistischen Weise dasjenige gar nicht darstellen können.» (GA 94, Paris, 11. Juni 1906) «Denn dem Bild eignet eine belebende, schöpferische Kraft, die dem bloßen Begriff nicht innewohnt. Was in der einen Welt symbolisch erscheint, entspricht einer Wirklichkeit in einer höheren Welt.»

Das sei insbesondere denjenigen nahegelegt, die immer wieder die Begriffs- und Ideenform als einzig erlaubte Darstellungsweise übersinnlicher Erlebnisse einfordern und diese als Anerkennungskriterium postulieren. Die Wirklichkeit verlangt eben eine viel differenziertere Vorgehensweise. Sie entspricht nicht überall den Denkertheorien, die leider manchmal zu einer Art Messerstecherei der Gedanken ausarten, um die jeweiligen Standpunkte dem oder den anderen als scheinbar allgemeingültige aufzuerlegen. Die neue Wissenschaft bedarf zu ihrer Grundlage einer genauen Wahrhaftigkeit und der Liebe zur Weisheit, zur Anthropo-Sophia. – Und wenn wir uns in dieser finden, dann können wir ausgehen vom denkenden Erfassen, vom begrifflich Gedachten. Es muss dann  zum Bildhaften verdichtet werden für die erste Stufe der Imagination, diese allerdings bedarf zunächst der Wieder-Auslöschung, um von der Geistwelt das imaginative Bilderweben und das Klangweben der inspirativen Stufe zu erhalten … Beschreiten wir den Erkenntnisweg in dieser Weise, dann kann auch die darstellende Wiedergabe des Erlebten in rechter Art erfolgen. Die Menschheit hat nun durch Jahrhunderte ein intellektuelles Leben gepflegt. Der Intellekt ist zwar Geist, hat aber nicht mehr den geistigen Inhalt. «Indem ich intellektuell tätig bin, bin ich geistig tätig, aber zugleich ohnmächtig, das Geistige unmittelbar in diesen Geist hereinzunehmen.» Wir erfüllen unseren Geist mit dem Naturdasein, in diesem aber leben die ahrimanischen Mächte. Und wenn wir das Naturerkennen nicht durchgeistigen, dann gehen die Wesen, die darinnen leben, einen Bund ein mit Ahriman. Die Weiterentwicklung der Erde zu verhindern, das setzen diese ahrimanischen Mächte sich als Aufgabe. Solange unser Intellekt noch im Geistigen wurzelte, «solange konnten an den Menschen diese ahrimanischen Mächte nicht heran.» Da diese alte Erbschaft aber abgeklungen ist, muss der Mensch sich hinwenden zu dem neuen Geisteslicht. «Wodurch aber kann dem Menschen dieses geistige Licht verloren gehen? Dadurch, dass er seinen Willen nicht hinwendet nach dem Empfangen dieses Lichtes.» Und dieses Erfassen muss geschehen bis hin zu den konkreten Wesenheiten im Festen, Flüssigen, Luftförmigen, und auch in den ätherischen Elementen, welche sich sonst Luzifer verbinden.

«Heute müssen wir begreifen, dass dieses Geistige nicht bloß aus den menschlichen Sehnsüchten heraus zur Welt sprechen will, sondern dass es etwas ist, was aus einer anderen Welt in unsere irdische Welt hereinfluten will. Begreifen müssen wir, dass überall gewissermaßen nicht von uns Menschen allein, sondern von einer sie umgebenden geistigen Welt die Fenster aufgemacht worden sind, durch welche diese andere Welt zu uns hereinfluten will. Es hat eine Anzahl von geistigen Mächten, die im Außerirdischen sind, den übermenschlichen Entschluss gefasst, eine Welle geistigen Lebens auf die Erde hereinfließen zu lassen. Wir müssen unsere Zeitgeschichte auch so betrachten, dass die Menschen, wenn sie nur empfangen wollen die geistige Welt, sie heute empfangen können … Dieser Sehnsucht der Menschheit, wenn sie ein wirkliches Wollen äußert, [kommt] eine Offenbarung aus geistigen Welten entgegen. Wenn wir dieses Gefühl bekommen, dann haben wir die richtige Grundstimmung im geistigen Leben … Und zwar müssen wir mit dieser Wissenschaft absolut ernst machen.»

In einem Beispiel führt Rudolf Steiner aus, was das auf den verschiedensten Gebieten bedeuten kann: Wir sind derzeit genötigt in der medizinischen Wissenschaft in herkömmlichen Krankheitsbildern zu denken. Man kann anschauen die Rachitis, welche durch Lichtmangel im Entwicklungsgeschehen eintritt. Anthroposophisch gedacht aber muss man dazunehmen den individuellen Impuls der Menschenseele, welche sich durch innere Sympathie zu genau diesen Verhältnissen hinbegeben und sich dort inkarniert hat – und da ist es eben ein Unbefriedigendes, nur äußerlich etwas wegzubehandeln, was tiefer im Schicksal erfasst werden müsste. So liegen die Dinge schwierig in vielen Bereichen.

«Und nur wenn es uns gelingt, auch das zu treffen, was sich in das Unterbewusste hinunterstellte, wenn wir den Menschen in die Lage setzen, zum Bewusstsein zu bringen, was er zu tun hat, nur wenn wir auf den ganzen Menschen nach Leib, Seele und Geist sehen können, nur dann können wir eine volle Wissenschaft auch des Medizinischen begründen.»

Und da ist es von Bedeutung, dass die Menschen der verschiedenen Bereiche, wie Arzt und Lehrer, zusammenwirken.

«Bei Anthroposophie muss man sagen: Sie wächst nur auf dem Boden der Brüderlichkeit, sie kann gar nicht anders erwachsen als in der Brüderlichkeit, die aus der Sache kommt, wo der einzelne dem Anderen das gibt, was er hat und was er kann.»

Die neue Geisteswissenschaft ist nicht abgeschlossenes Einzelkämpfertum, sondern erfordert gegenseitiges Tragen, damit ein Weltenfortschritt überhaupt möglich werden kann angesichts der starken Gegenkräfte.

«Wenn wir nur mit dem Toten uns verbinden, dann werden wir selber tot und ahrimanisch, wenn wir aber den Mut haben und die Liebe zu allen Wesen um uns, das zu verbinden, was die Wesen selber sind, nicht, was unsere tote Idee von ihnen ist, dann finden wir den Christus überall, dann finden wir den Sieg des Geistes überall. Dann werden wir vielleicht noch sprechen müssen in einer Weise, wie es unseren Zeitgenossen paradox vorkommt, von den einzelnen Wesen, die im Festen, Flüssigen usw. leben, aber solange wir nicht davon sprechen, reden wir von einer toten undurchchristeten Wissenschaft … So müssen wir auch alles Wissenschaftliche durchchristen, müssen das, was wir uns heranbilden können durch unsere Gemeinschaft mit dem Christus, in alles Wissen, in alle Erkenntnis, in all unser Leben hineintragen … Anthroposophie ist in allen Einzelheiten ein Streben nach Durchchristung der Welt.»

Naturwissenschaften und Astronomie

Was wir noch wenig berührt haben, ist die Frage, wie sich eine zeitgemäße Wissenschaft im Äußeren gestalten kann. Und es macht erstaunen, dass gerade in einem Zyklus, der das Verhältnis der irdischen Naturwissenschaften zur Astronomie betrachtet, sehr Konkretes dazu angeführt wird von Rudolf Steiner. Nur in Andeutungen kann das hier aufgenommen werden: Die bisherigen Gestaltungen der Wissenschaftsgebiete vermögen kein adäquates Gefäß zu bilden für ein Wissen, für eine sich bildende Weisheit, die Mensch und Kosmos in ihrer gegenseitigen Beziehung umfasst. Es bedarf der Umordnung, der Neugruppierung der Wissenschaftsbereiche, und es bedarf einer verstärkten Eigenaktivität.

In dem Zyklus «Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie» (GA 323) spricht Rudolf Steiner zur Wissenschaftsfrage klare Worte:

(1. Januar 1921) «Es ist durchaus so, dass in verhältnismäßig kurzer Zeit innerhalb des sogenannten wissenschaftlichen Lebens, wenn es nicht zu einem vollständigen Verfall kommen soll, manches sich wird ändern müssen. Namentlich werden gewisse Wissenschafts-Massen, die man jetzt unter gewissen Titeln zusammenfasst und die man unter diesen Titeln vertreten lässt durch unsere gebräuchlichen Schulen, aus ihrem Gefüge genommen werden müssen und nach anderen Rücksichten einzuteilen sein, so dass gewissermaßen eine weitgehende Umgruppierung unserer wissenschaftlichen Gebiete wird stattfinden müssen. Denn die Gruppierung, welche man jetzt hat, reicht eben durchaus nicht aus, um zu einer wirklichkeitsgemäßen Weltanschauung zu kommen. Auf der anderen Seite haftet so stark unser gegenwärtiges Leben an dieser Gliederung, dass eben einfach die Lehrkanzeln besetzt werden nach dieser traditionellen Gliederung …

Aber es wird sich darum handeln, dass man neue Gebiete schafft, welche ganz anderes umfassen, ein Gebiet, das vielleicht etwas von der Astronomie, etwas von der Biologie uns so weiter umfasst. Dazu wird natürlich ein Umgestalten unseres ganzen Wissenschaftslebens unbedingt notwendig sein. Da muss gerade das, was wir Geisteswissenschaft nennen und was ja etwas Universelles sein will, nach dieser Richtung hin wirken… Denn wir kommen einfach mit den alten Gliederungen nicht mehr weiter. Unsere Hochschulen stehen heute so vor der Welt, dass sie ganz lebensfremd sind – sie bilden uns Mathematiker, Physiologen, sie bilden uns Philosophen aus, aber die haben alle eigentlich gar keinen besonderen Bezug zur Welt. Die können alle nichts anderes als gerade in ihren engbegrenzten Gebieten arbeiten. Sie machen uns die Welt immer abstrakter und abstrakter, immer wirklichkeitsunmöglicher und -unmöglicher…

Dasjenige, was ein besonderes Bedürfnis der neueren Menschheit geworden ist und was dann abgefärbt hat auch auf das wissenschaftliche Bedürfnis, das ist, dass man zwar danach strebt, auf der einen Seite möglichst leicht überschaubare Vorstellungen zu haben – das sind die mathematischen - , auf der anderen Seite strebt man aber danach, Vorstellungen zu bekommen, bei denen man möglichst stark sich einem inneren Zwang hingeben kann. Der moderne Mensch wird sogleich unsicher und nervös, wenn er nicht einen so starken Zwang vorliegend hat, wie bei dem Urteil, das dem pythagoreischen Lehrsatz zugrunde liegt, sondern wenn er verspürt: Er muss selber entscheiden, es entscheidet für ihn nicht die aufgezeichnete Figur, sondern er muss selber entscheiden, muss Aktivität der Seele entwickeln. Da wird er sogleich unsicher und nervös. Da geht er nicht mit, der moderne Mensch. Da sagt er, das ist nicht exakte Wissenschaft, da kommt Subjektivität hinein. Der moderne Mensch ist eigentlich ganz furchtbar passiv. Er möchte, dass er überall am Gängelband ganz objektiver Verkettungen und Urteilsteile geführt wird… in der Mathematik und Mechanik, da glaubt sich der Mensch am Gängelband der sich selbst verbindenden Begriffe fortgezogen … Und in dem Augenblick, wo er da heraustritt, will er nicht mehr mit …»

Als erste konkrete Betrachtung erhalten wir dann, man lese und staune, den Zusammenhang zwischen der Astronomie und der Embryologie. Und wir erfahren, dass wir gar nicht Embryologie studieren können ohne Astronomie zu studieren. «Beides gehört zusammen, denn das eine ist nur das Abbild des anderen.» Die menschliche Keim- oder Eizelle bildet getreu den Kosmos nach.

«Wir müssen gewissermaßen auf der einen Seite den Sternenhimmel verfolgen, wie er aufeinanderfolgende Stadien zeigt, und wir müssen nachher verfolgen, wie eine befruchtete Keimzelle sich entwickelt … Wenn Sie nichts von Astronomie verstehen, werden Sie niemals die Kräfte verstehen, die im Embryo wirken. Und wenn Sie nichts von Embryologie verstehen, so werden Sie niemals den Sinn verstehen von den Wirkungen, die dem Astronomischen zugrunde liegen. Denn diese Wirkungen zeigen sich im Kleinen in den Vorgängen der Embryologie. Es ist denkbar eine Wissenschaft, dass man rechnet auf der einen Seite, dass man die astronomischen Vorgänge beschreibt, und auf der anderen Seite das alles beschreibt, was zu ihnen gehört in der Embryologie, denn es ist ja nur die andere Seite …

Das ist das, was notwendig machte eine vollständige Umgruppierung der Wissenschaften… Sie sehen, auf der einen Seite liegt die Wirklichkeit: Die Bewegung, die Kraftwirkung der Sterne und die embryologische Entwicklung, worin nichts anderes lebt, als was in der Sternenwelt lebt. Da liegt die Wirklichkeit. Auf der anderen Seite liegt die Abstraktion. Da rechnet der Mathematiker und Mechaniker die Bewegungen und Kraftwirkungen der Himmelskörper aus und erfindet die molekulare Struktur, auf die er seine astronomischen Erkenntnisse anwendet. Da hat er sich entfernt vom Leben, da lebt er in reinen Abstraktionen drinnen.»

Betrachten wir nun dem gegenüber, wo wir ein Jahrhundert später hingedriftet sind:

Anstatt unsere Wissenschaftsgebiete  umzuformen und zu wirklichkeitsgemäßen Vorstellungen zu kommen, haben wir gerade eine Phase erlebt, in der die völlig in die Abstraktion geratene Wissenschaft, oder besser gesagt die bereits in die Dekadenz des Missbrauchs geratene Wissenschaft, benutzt wurde, um mit scheinwissenschaftlichen Behauptungen und interessengesteuerten Zahlenkomplexen, verbreitet in täglicher Propaganda, fast die gesamte Weltbevölkerung in eine ungeheuer schädigende, gesundheits-, leben-, kultur- und zivilisationszerstörende Richtung nicht nur zu drängen, sondern auch zu zwingen.

Diese Handhabung von «Wissenschaft» und Zahlen aber gehört zweifellos demjenigen zu, dessen Inkarnation uns für den Anfang des 3. Jahrtausends angekündigt wurde. Er sendet in massiver Art seine Boten, es ist, als wüchsen sie überall aus der Erde. Mit der abstrakt-intellektualistischen Wissenschaft haben die Kreise, die ihm zuarbeiten, die Möglichkeit, in ihrem Sinne alles zu begründen, auch wenn es völlige Unwahrheit enthält.

Und man erlebt, wie die Steuerung des Weltgeschehens nahezu völlig in Lüge und Täuschung abgleitet, ohne dass von einer wahrheitsgetragenen Wissenschaft Solches in ausreichendem Maße aufgefangen, abgewendet und wirkungslos gemacht wird, weil diese nur in ungenügendem Maße vorhanden ist und, wo nötig, auch mit unlauteren Mitteln unterdrückt wird. Der Verfall, von dem Rudolf Steiner 1921 sprach, ist also schon erheblich weit fortgeschritten. Die Notwendigkeit eines Umschwunges besteht dringender als je zuvor, wenn die Menschheits- und Weltentwicklung nicht ganz von ihrem Ziel abgebracht werden soll.

Ein Jahr vor dem Kurs über Astronomie und Wissenschaften spricht Rudolf Steiner über «Geistige und soziale Wandlungen in der Menschheitsentwickelung» (GA 196). Und schon am Anfang des ersten Vortrages heißt es: (9. Januar 1921) «Man muss sich nämlich darüber klar sein, dass die Gegenwart an die Menschheit Fragen stellt, die anders nicht zu beantworten sind als aus der Wissenschaft der Initiation heraus.» Und weiter: «Man schwebt mit seinem Intellekt jenseits der Menschlichkeit. Ein Wirklichkeitsgeist ist lediglich derjenige, der bei allem, was er denkt, weiß, wie das, was er denkt, zusammenhängt mit dem, was draußen in der Welt geschieht. Das ist Aufgabe der Geisteswissenschaft, diesen Wirklichkeitssinn in der Menschheit wiederum zu erwecken… Beim Menschen ist gerade das Charakteristische, dass seine Organisation offengelassen ist für das, was er aus dem Weltwissen aufnehmen soll. Und so kann es kein soziales Wissen geben, ohne dass ihm ein Weltwissen zugrunde liegt.»

(10. Januar 1921) «Der Mensch hatte durch lange Zeit Illusionen. Dann kam sein Wille, der erst im Laufe der Zeit in seine Seelenkonstitution hineingeboren wurde, und er konnte die Illusion zum Ausflusse seines Wesens machen, er konnte ein Lügner werden.» Denn eine Fortsetzung der Illusion ist die Lüge, die sich nun nicht träumend, sondern bewusst in Gegensatz gegen die Wirklichkeit stellt. «Verstanden werden können die Dinge, die sich auf der Erde unter Menschen abspielen, niemals, wenn sie nicht kosmisch verstanden werden. Und niemals kann der Mensch wirksame Ideen für die Erdenarbeit finden, wenn er diese wirksamen Ideen nicht durchtränkt von dem Bewusstsein seines Zusammenhanges mit dem Kosmos.»

Was aber findet in den gewöhnlichen Bildungsstätten statt?

(18. Januar 1920) «Wenn aber heute der Mensch so denkt – bitte betrachten Sie das, was ich jetzt sagen werde als etwas wirklich sehr Ernstes – dass er möglichst gut jene Anforderungen zufriedenstellt, die heute bei unseren Schulprüfungen gestellt werden an die Menschen, wenn er sich solche Denkgewohnheiten aneignet, dass er dem heutigen Professorentum in der befriedigendsten Weise Prüfungen ablegen kann, dann ist sein gesunder Menschenverstand so verschroben, dass er, wenn auch Millionen von Erfahrungen der übersinnlichen Welt ihm auf dem Präsentierteller gereicht würden, er sie ebenso wenig sehen würde, wie Sie in einem finsteren Zimmer physisch das sehen können, was in diesem finsteren Zimmer sich befindet. Denn durch dasjenige, was die Menschen für das materialistische Zeitalter tauglich macht, verfinstern sie sich den Raum, in dem ihnen entgegentreten die übersinnlichen Welten. Die Menschen werden heute gewöhnt, so zu denken, wie nur in Gemäßheit der Funktionen des Leibes gedacht werden kann… Aber der gesunde Menschenverstand ist das, was sich entwickelt in freier Geistigkeit. Aber die freie Geistigkeit wird den Menschen heute schon in unseren niedersten Schulen aberzogen…»

Und noch deutlicher erfahren wir in einem späteren Vortrag: (15. Februar 1920) «Unsere Universitäten werden die Menschheit in den Niedergang hineinreiten, wenn sie nicht befruchtet werden in allen ihren Teilen von jenem kosmischen Wissen, das allein heute durch die Geisteswissenschaft zu gewinnen ist.» Nicht die Stätten der gegenwärtigen (Natur- und Technik-) Wissenschaft sind es, die die Menschheitsentwicklung in eine ihr gemäße Zukunft führen können.

(17. Januar 1920) «Nur durch seine Beziehung zum Übersinnlichen wird der Mensch von solchen Gedanken erfüllt, die ihn zu einer freien Individualität machen, die aber auch in der sozialen Ordnung in möglichster Freiheit wirken kann.» –

Das genaue Gegenbild dessen, was die derzeitigen Finanz- und Machteliten aus dem Menschen machen wollen.

Wie aber soll diese neue Wissenschaft, die von der Geisteswissenschaft befruchtet ist durch Imagination, Inspiration und Intuition, erstehen, wenn denjenigen, die mit den Anfängen übersinnlichen Wahrnehmens arbeiten, von ihren «Denker»-Kollegen gleichsam der Mund verboten wird? Auch ein Kind muss doch erst das Laufen lernen und niemand erwartet, gleich einen «Sprinter» vor sich zu haben. Hier schafft dieses merkwürdige Vorbeigehen des Nur-Denken-Wollens an der Wirklichkeit ein echtes Hindernis. Umgekehrt muss das übersinnliche Wahrnehmen von den klaren Denkkräften so begleitet sein, dass nicht Illusionen das Bewusstsein vereinnahmen können.

Teil 3

Naturwissenschaft und Elektrizität

Für unsere Betrachtungen nicht unwichtig sind auch Ausführungen Rudolf Steiners über die Elektrizität, die im gegenwärtigen Zeitalter eine so überragende und sich immer mehr noch steigernde Rolle in unserem Alltag übernimmt:

(GA 220, 28. Januar 1923) «Wenn man heute über irgend etwas vom Menschenstreben reden will, so redet man in der Regel nicht aus der unmittelbaren Gegenwart frisch heraus, sondern man interpretiert Parzival oder irgend einen älteren noch. Man interpretiert, man erklärt. Aber dieses Erklären ist kein Erklären, sondern ein Erdunkeln, denn es wird nichts klar, hell bei diesem Erklären, sondern immer dunkler wird es. Der Grund von alledem liegt darinnen, dass wir heute nach zwei Seiten keinen Mut haben, die Welt wirklich mit unserer Seele zu ergreifen. Auf der einen Seite liegt das vor, dass wir eine Naturanschauung begründet haben, welche abläuft von dem Nebelzustand der Welt durch den komplizierten Zustand bis zum Wärmetod hin. Darinnen hat die moralische Welt keinen Platz, also bleibt man innerhalb der moralischen Welt in der Abstraktion… [Der Mensch] hat keine ehrlichen Vorstellungen darüber, wie aus der untergehenden Erde eine neue Weltkugel herauswächst, die aber das Ausgewachsene von den moralischen Impulsen ist, die der Mensch heute entwickelt. Der Mensch hat heute keine Courage, seine moralischen Impulse als Keim von Zukunftswelten zu denken…

Wir sehen auf der anderen Seite die Naturordnung. Diese… hat uns die großartige Naturwissenschaft gebracht… Denken Sie an jenen Physiker, der einen Froschschenkel präparierte: Zwischen die Schenkel dieses Frosches kam hinein das Metall von seinem Fensterbelag – der Froschschenkel zuckte, da entdeckte er daran die Elektrizität. Wie lange ist das her? Noch nicht einmal eineinhalb Jahrhunderte.» Jetzt ein Jahrhundert mehr. «Der Gedanke der Menschen ist ganz eingesponnen von der Elektrizität… Heute reden wir von den Atomen als von etwas, wo sich um eine Art kleiner Sonne, um einen Mittelpunkt herum, die Elektrizität lagert, von Elektronen reden wir. Wenn wir also hineinschauen in das Weltengetriebe, so vermuten wir überall Elektrizität. Da hängt schon die äußere Kultur mit dem Denken zusammen.» Vor diesem Zeitalter hatten die Naturdenker noch die Freiheit «das Geistige in der Natur wenigstens abstrakt hineinzudenken… Es ist ja noch weiter gekommen. Das ganz ehrliche Licht, das durch den Weltenraum flutet, ist ja nach und nach verleumdet worden, auch so etwas Ähnliches zu sein wie die Elektrizität.»

Hier aber kommt man in ein Gebiet von Kräften, die anders zu beurteilen sind als die Welt von Licht und Tönen, weil «Elektrizität nicht bloß eine Naturströmung ist, sondern [weil] Elektrizität in der Natur zu gleicher Zeit ein Moralisches ist, und dass in dem Augenblicke, wo wir das Gebiet des Elektrischen betreten, wir uns zugleich in das Moralische hineinbegeben… Sie können die Eigenelektrizität, die im Menschen liegt, in keinem anderen Gebiete suchen, als wo zugleich die moralischen Impulse herkommen. Wer die Totalität des Elektrischen erlebt, der erlebt eben zugleich das Naturmoralische… Man macht nämlich das Atom, indem man es zum Elektron macht, nicht zu einem moralischen Wesen, sondern man macht es zu einem unmoralischen Wesen. In der Elektrizität sind allerdings schwimmend die moralischen Impulse, die Naturimpulse – aber das sind die unmoralischen, das sind die Instinkte des Bösen, die durch die obere Welt überwunden werden müssen. Und der größte Gegensatz zur Elektrizität ist das Licht. Und es ist ein Vermischen des Guten und des Bösen, wenn man das Licht als Elektrizität ansieht. Man hat eben die wirkliche Anschauung des Bösen in der Naturordnung verloren, wenn man sich nicht bewusst ist, dass man eigentlich die Atome, indem man sie elektrifiziert, zu den Trägern des Bösen macht… Zu den Trägern des Toten macht man sie… indem man die Materie atomisiert vorstellt. In dem Augenblicke, wo man diesen Teil der Materie elektrifiziert, in demselben Augenblicke stellt man sich die Natur als das Böse vor. Denn elektrische Atome sind böse, kleine Dämonen. Damit ist eigentlich recht viel gesagt. Denn es ist damit gesagt, dass die moderne Naturerklärung auf dem Wege ist, sich mit dem Bösen richtig zu verbinden… Und es wird, indem man dann diese Natur nurmehr anerkennt, das Böse zu dem Weltengotte erklärt.» Ist es nicht erschütternd, wo wir uns mit unserem Gegenwartsdenken, unserer Gegenwartswissenschaft bewegen, ohne uns dessen bewusst zu sein?

«Man kann sich eben nicht davor verschließen, dass man mit dem Ahriman leben muss. Man muss nur in der richtigen Weise mit ihm leben, man muss sich nur nicht von ihm überwältigen lassen … Ahriman und Luzifer haben die höchste Gewalt über den Menschen, wenn der Mensch von Ihnen nichts weiß, wenn sie an ihm hantieren können, ohne dass er es weiß … Daher hat die ahrimanische Elektrizität über den Kulturmenschen nur so lange Gewalt, solange der Mensch ganz hübsch unbewusst, ahnungslos die Atome elektrifiziert und glaubt: das ist harmlos. Er wird dabei nur nicht gewahr, dass er sich so die Natur aus lauter kleinen Dämonen des Bösen bestehend vorstellt. Und wenn er gar noch das Licht elektrifiziert … dann dichtet er dem guten Gotte die Eigenschaften des Bösen an. Es ist eigentlich erschreckend, in welch hohem Grade ahnungslos unsere heutige Naturforschung eine Dämonolatrie ist, eine Anbetung der Dämonen. Man muss sich dessen nur bewusst werden, denn auf die Bewusstheit kommt es dabei an – wir leben im Zeitalter der Bewusstseinsseele.

Um was es sich handelt, ist die Courage, das Moralische in seiner Realität und das Natürliche in seiner Idealität am rechten Flecke zu erkennen, die moralischen Impulse als den Keim späterer Naturordnungen zu erkennen, die Naturordnung mit ihrer Elektrizität heute als eine moralische Ordnung zu erkennen, wenn auch als die antimoralische, als die böse Ordnung zu erkennen. Man muss den Mut haben, am rechten Fleck der Natur moralische Eigenschaften beilegen zu können.»

Was würde Rudolf Steiner heute sagen, wo unsere ganz auf Elektrizität basierende Technik alles zu überwältigen droht? Wo schon die Kinder Suchterscheinungen bekommen nach dem Umgang mit elektrizitätgesteuerten Geräten? Geräten, in die durch den Inhalt in noch erhöhtem Maße das Böse hineinwirken kann?

«Dazu ist natürlich eine richtige Menschenerkenntnis notwendig … Man redet vom Sauerstoffabsorbieren, von allem möglichen Absorbieren im materiellen Sinne. Dass aber die Elektrizität in uns das Unmoralische absorbiert und dass das ein Naturgesetz ist wie andere Naturgesetze, davon redet man nicht, ebenso wenig wie man davon redet, dass das Licht, das wir in der Außenwelt aufnehmen, in uns konserviert, die guten, die moralischen Impulse absorbiert. Man muss in die Physiologie das Geistige hineinbringen … Wir müssen uns den Mut zulegen, moralische Begriffe, also in diesem Falle antimoralische Begriffe anzuwenden, wenn wir von Elektrizität sprechen. Vor den Dingen gruselt es ja dem modernen Menschen. Er empfindet es unangenehm, wenn er sich gestehen soll, dass er sich, wenn er in die elektrische Bahn einsteigt, auf den Sessel des Ahriman setzt…»

Und heute steht Ahrimans Ausfluss auf jedem Schreibtisch und fast jeder befragt ihn, um das, was er wissen will, fast jeder ist Stunden am Tag mit ihm befasst, die Kinder verbringen ihre Zeit mit ihm…

«Die Erdenentwickelung ist fortan eine solche, wo die Naturkräfte selber, die in das Kulturleben hereinwirken, ahrimanisiert sein müssen. Und man muss sich dessen geradezu bewusst sein, weil man nur dadurch den richtigen Weg finden wird.»

Wir haben «eine geistlose Wissenschaft, eine intellektualistisch-geistlose Wissenschaft»

(Zitat aus GA 203, 13. März 1921)

(GA 203, 11. März 1921) «Dadurch aber, dass der Mensch ins mineralische Reich hinuntergedrängt worden ist, dass die Elohim ihm eine Selbständigkeit gegeben haben, aber diese Selbständigkeit doch wieder keine volle Selbständigkeit ist, denn er durchlebt sie schlafend in seinem Willen und in seinem Stoffwechsel-Gliedmaßen-System, dadurch haben andere Geister den Zutritt … die schleichen sich gewissermaßen in die Evolution hinein … wir finden sie, wenn wir den okkulten Blick richten auf die Scharen der Cherubine, Seraphine und Throne. Von diesen Geistern… sind auch einzelne zurückgeblieben… sie sind nur Geister der Weisheit geworden. Diese geistigen Wesenheiten zeigen sich so, dass man von ihnen sagen kann: sie möchten eigentlich in der Erde eine ganz neue Schöpfung beginnen, sie möchten den Erdenmenschen so recht konservieren. Wie er im Mineralreich durch die Elohim verkörpert ist, so möchten sie ihn als einen Anfang nehmen, und von diesem Anfang möchten sie weiterführen die Entwickelung. Sie möchten alle Vergangenheit auslöschen …

Sie stürmen ins Unbewusste des Menschen herein, in das Willensleben, das Stoffwechsel-Gliedmaßen-Leben, da stürmen sie herein. Sie sind dasjenige Geschlecht…, die dem Menschen beibringen wollen ein besonderes Interesse für alles Mineralisch-Materielle, … ein Interesse für alles dasjenige, was zum Beispiel Äußerlich-Maschinelles, Mechanisches ist. Sie möchten am liebsten alles dasjenige, was die Erde sich vom alten Monde her mitgebracht hat, zerstören, möchten, dass die Tierwelt verschwinde, die Pflanzenwelt verschwinde, dass die physische Menschenwelt verschwinde, dass vom Mineralreich nur die physischen Gesetze bleiben, aber namentlich, dass die Menschen von der Erde weggenommen würden; und einen neuen Saturn aus Maschinen möchten sie bilden, eine neue Welt aus lauter Maschinen. So soll die Welt dann weitergehen. Auf äußerem wissenschaftlichem Gebiete haben sie das Ideal, alles zur Materie zu machen, zu mechanisieren …»

Das sind die ahrimanischen Geister. Stehen wir nicht bereits recht tief in dieser Entwicklungsrichtung darinnen?

(GA 203, 13. März 1921) «Es sitzen heute im wissenschaftlichen Betriebe sehr viele Menschen, die scheinbar sehr gut denken, aber warum? Ahriman, der dringt ja ein in die mineralische Welt, und verwundern Sie sich daher nicht, wenn diese Leute recht viel Intellekt entwickeln. Es ist der Ahriman in ihnen, und es ist bequemer, Ahriman in sich denken zu lassen, als selber zu denken … Und weil so viele Leute den Ahriman in sich denken lassen, kommen natürlich die Angriffe von ahrimanischer Seite her …»

Noch einmal: Wir müssen es wissen und einordnen können, um uns klarzuwerden, was uns beeinflusst und frei nach dem eigentlichen Weg fragen zu können. Und damit wir den Weg aus dieser ahrimanisierten Welt überhaupt noch finden können, hilft nur ein Ernstnehmen der Anthroposophie, das Streben nach Durchchristung der Welt, das Streben, dem Materiellen wieder den Geist hinzuzufügen, den Geist, der uns erkennen lässt, der uns führen kann zu den wahren Idealen, welche einst die zukünftige Natur werden bilden können, den Geist, der in allem der Wirkende ist und uns über die Werdestufen zu unserem wahren Menschenwesen führen kann. Eine neue Wissenschaft, eine vom Geist durchdrungene und das Moralische einbeziehende Geisteswissenschaft muss die gegenwärtige ergänzen und verwandeln.

«Wenn Anthroposophie als Wissenschaft gelehrt wird, wird sie schädlich. Anthroposophie darf niemals bloß Theorie sein; sie muss unmittelbares Leben werden. Lässt man sie bloß Lehre sein, so tötet man sie und übergibt sie Ahriman, dem Herrn des Todes …

Das einzige, was die Jugend bekommen kann, was sie stählen wird, um die künftigen Ereignisse zu bestehen, das ist, dass sie der Anthroposophie in der Schulung begegnet. Die Schulung ist das Fundament, durch die das Studium allein zu einem wahren Ziel geführt werden kann …

Was die Anthroposophie aus unseren Seelen macht, das ist viel wichtiger als noch so viel theoretisches Wissen über geisteswissenschaftliche Begriffe.»

(entnommen aus «Ein Nachrichtenblatt», 31. März 2025, mündliche Äußerung Rudolf Steiners. Adelheid Petersen in einem Vortrag, August 1950 …)

Zwischenbemerkung

Als das letzte Kapitel fertiggestellt war, wurde mir als Ostergabe ein Vortrag zugeschickt, so, als wollte die geistige Welt sagen: Das ist noch wichtig, das gehört dazu.

Bevor wir jedoch dazu übergehen, wollen wir noch eine Art Standortbestimmung in bezug auf Wissenschaft und ihre Handhabung in der offiziellen Anthroposophischen Gesellschaft dazunehmen:

Immer wieder ist in der Gegenwart die Rede von dem «Wissenschaftlich-sein-Wollen» einer Reihe von Anthroposophen. Aber bei keinem von denjenigen, die an zentraler Stelle maßgebend scheinbar die Anthroposophie vertreten, habe ich in den letzten Jahrzehnten eine Aufarbeitung gefunden, was «Wissenschaft» im anthroposophischen Streben sein oder werden soll. Vielleicht habe ich etwas übersehen. Aber als lebendiges, sich den Menschengemütern mitteilendes Ziel konnte man das, was hier ausgeführt ist im Sinne des von Rudolf Steiner Gegebenen, gewiss nicht wahrnehmen. Wie kann das sein?

Es bewirkt eine tiefe Erschütterung der Seele, wie diese Thematik aufzeigt, wo Anthroposophie hingeführt wird, wohin sie abgelenkt wird, zielhaft (ob bewusst oder weniger bewusst) gleichsam manövriert wird in die Gegenrichtung von derjenigen, zu der sie eigentlich hinstreben sollte. Kann nicht an vielen Stellen erlebt werden eine Art Nachjagen nach der Anerkennung durch die bisherige dekadente Naturwissenschaft, ein Annehmen von deren Formen und Titeln, bis dahin, dass man die Gegner selbst in die anthroposophischen Bildungsstätten hereinholt? Ja, man hintergeht die Mitglieder und deren Wissen und Wollen, um solche «Anerkennung» und Anschließung durchzusetzen.

Ist das nicht wie eine Auslieferung des spirituellen Stromes mit seinem weit höherstehenden Geisteswissen an das, was uns in den zweiten, den intellektuellen Sündenfall hineingeführt hat und das nun zusätzlich noch zu Macht- und Unterdrückungszwecken missbraucht wird? –

Oder sind wir mit dem, was die Gegenwartswelle an maschineller «künstlicher Intelligenz» in die Zivilisation hereindrückt, gar schon beim dritten Sündenfall?

Warum schweigen die meisten Mitglieder zu all dem? Hier wäre der Freiheitsraum des Menschen, der Raum, der dem Weltgeschehen Vorbild und Richtung geben könnte (bald muss man sagen: hätte geben können), der die Welt vor dem Abgrund bewahren sollte – indem die Menschen diesen erkennen und durchschauen lernen. Hier wartet die Geistesgabe, die den Menschen wieder emporführen könnte.

Ein furchtbarer Geisteskampf tobt in unserer Gegenwart, ein Kampf um die Menschenseelen. Das ist der eigentliche Krieg!

Das fehlende Bewusstsein, dass der Intellekt ab unserem Zeitraum nur noch den Irrtum und das Böse aufzufassen vermag, kaum noch die Wahrheit und das Gute, wenn nicht hinzukommt das erneuerte Schauen mit seinen Ergebnissen, dieses fehlende Bewusstsein ist dabei, unsägliches Menschheitsleid hervorzurufen und es führt die Menschheit in die Gefahr, dass der Abgrund sie zu verschlingen droht. Die Folgen des Angedeuteten stehen nicht mehr nur vor der Tür, sie haben bereits einen erheblichen Teil des Tempels, des Menschheitstempels vereinnahmt. Und unser Karma ist damit verwoben. Geisteswissenschaft aber wollte einen anderen Weg führen. Das wird auch in der folgenden Darstellung mehr als deutlich:

Wenn das Herz nicht mitdenkt …

(GA 203, 1. April 1921) «Welche Bedeutung haben die mehr verstandesmäßigen Kräfte in dem Leben der Gesamtmenschheit und welche haben die mehr willensmäßigen Kräfte?» …

Unsere Wissenschaft behandelt heute den Menschen, als ob er gar nicht dazugehörte zu dem, was andererseits geologisch als Erde betrachtet werden kann, «wie wenn diese Menschheit auf einem ihr ganz fremden Boden herumspazierte … wenn Sie verfolgen, was gesagt ist über die Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung, so werden Sie sehen, dass in dieser Entwickelung gar nicht getrennt gedacht werden können die Kräfte, die in der Menschheit selber spielen, und die Kräfte, die im übrigen Planeten spielen … Und da müssen wir zunächst sagen: wenn wir die Verstandesfähigkeiten ins Auge fassen und uns erinnern an dasjenige, was über frühere Metamorphosen … der Erdenentwickelung gesagt ist, dann werden wir darauf kommen, dass diese Innerlichkeit, die wir heute gegenüber dem Menschen der Verstandesentwickelung zeigen, vorher … nicht vorhanden war. Was heute in unserem Kopfe gewissermaßen als Verstand lokalisiert ist, das war als allgemeine Verständigkeit wie eine durchgreifende gesetzmäßige Verständigkeit über den ganzen Erdenplaneten verteilt. Man könnte sagen: Verstand wirkte in den Tatsachen der ganzen Erdenentwickelung … Nun haben wir ja als Erdenmenschheit bis zu einem gewissen Grade das Bewusstsein schon entwickelt, dass der Verstand in uns vorhanden ist und dass da draußen die Naturgesetze vorhanden sind, die wir mit unserem Verstande nur auffassen… wir berühren [damit] … einen wichtigen Entwickelungsimpuls der Menschheit.» Was außen war, muss allmählich einziehen in den Menschen. Aber wir sind auf einem halben Wege stehengeblieben. «Wir sind heute noch außerordentlich stolz darauf, wenn wir mit Bezug auf alles das, was wir als menschliches Wissen anerkennen, etwas den Menschen Gemeinsames haben. Es gilt heute immer noch als etwas, was außerordentlich einschneidend in die ganze menschliche Naturentwickelung ist, dass die Wissenschaft gewissermaßen wie ein allgemein über der Menschheit Schwebendes ausgebildet werden soll, und dass die Menschen, indem sie sich der Wissenschaft widmen, gewissermaßen ihre Individualität zum Opfer bringen sollen, dass sie denken sollen, wie halt «jedermann» denkt. Das ist ein Ideal namentlich unserer öffentlichen Lehranstalten, eine Wissenschaft, die ganz unpersönlich, die ganz unindividuell ist, auszubilden, diese Wissenschaft zu etwas zu machen, dem gegenüber man möglichst wenig «Ich» sagt und möglichst viel «man» sagt: - man hat dieses oder jenes gefunden, man muss dieses oder jenes für wahr halten!...und man hat eine greuliche Angst davor, dass irgendwie etwas Persönliches in dieses Wissen, in dieses Werk des menschlichen Verstandes hineinziehen könnte. Gerade auf diesem Gebiete gilt das Nivellieren der ganzen menschlichen Kultur am allermeisten …» Und die entsprechenden Arbeiten, die Dissertationen, die kaum von denen, die sie beurteilen sollen, gelesen werden, führen dann ein abgelegtes Schattendasein in irgendwelchen Bibliotheken, da keiner sich dafür interessiert. «Die Menschen gehen aber neben der Wissenschaft einher.» Sie vertrocknen bei einem solchen Betrieb des Verstandes. «Dasjenige aber, was Menschen hervorbringen, das gehört nicht nur den Menschen, das gehört dem Weltall an.

Die andere Art ist diese, dass man sich für alle Einzelheiten interessiert, dass das Gemüt Feuer fängt und die Wissenschaft belebt, dass sie sie umschmilzt in lebendige Begriffe, dass alles dasjenige, was wir begreifen, erfassen, geradezu in Empfang genommen wird von innerlichem Gemütsleben. So kann man alles das, was die Wissenschaft gibt, wirklich mit innerem Feuer durchdringen, so kann man, indem man die einzelnen Wissenschaften erfasst, allmählich eindringen in das ganze Weltendasein, so kann man etwas gestalten, was jedes Menschen, der es betreibt, ureigenste persönliche Angelegenheit wird … Und das ist gerade die Aufgabe des Menschen in seiner Entwicklung auf der Erde, dass er den Verstand, der früher allgemein über das Planetarische ausgegossen war, dass er diesen Verstand in sich hereinnimmt, dass er ihn mit sich vereinigt.» Und wenn der Mensch denkt, seinen Verstand betätigt, dann ist das ganz entsprechend, «wie wenn ein Wasser aus einer Quelle den Strom hinunter zum Meere fließt oder wie wenn es verdunstet oder wenn es regnet … Also, es ist ein Entwicklungsimpuls des Menschen, dass er das Wissen zu seiner persönlichen Angelegenheit macht, dass er es durchziehen kann mit Enthusiasmus. Und wenn das letztere nicht geschieht», die Verstandeskultur sich nur im Kopfe entwickelt, nicht heruntersinkt bis in das Herz, dann wird eine Entwicklungsaufgabe nicht erfüllt. «Aber es warten auf dasjenige, was also von den Herzen nicht erfangen wird, was also von dem Gemüte des Menschen nicht ergriffen wird, - es warten auf das die luziferischen Geister… das können sie in Empfang nehmen, wenn es in dieser Weise unpersönlich über die Erde hinschwebt. Denn die einzige Möglichkeit, dasjenige, was Verstandeswelt ist, den luziferischen Geistern zu entreißen, ist, es mit dem Gemüte zu durchdringen, es zur persönlichen Angelegenheit zu machen. Und was in unserer Zeit geschieht, was seit langem geschieht und was anders werden muss, das ist eben, dass wir das irdische Dasein auf dem Umwege durch die kalte, nüchterne Verstandestrockenheit zur Beute werden lassen der luziferischen Welt. Dadurch wird die Erde aufgehalten in ihrer Entwicklung, dadurch wird die Erde zurückgehalten auf einem früheren Standpunkte. Sie kommt nicht zu ihrem Ende. Und wenn die Menschen lange, lange forttreiben das Unpersönliche der sogenannten Wissenschaft, dann wird die Folge diese sein, dass die Menschen ihre Seelenhaftigkeit überhaupt verlieren. Diese unpersönliche Wissenschaft ist die Mörderin des menschlichen Seelenhaften und Geisteshaften; sie vertrocknet den Menschen, sie dörrt ihn aus. Sie macht zuletzt aus der Erde dasjenige, was man nennen kann einen toten Planeten mit automatenhaften Menschen darauf, die ihr Geistig-Seelisches auf diesem Wege verlieren. Auch da muss man sagen: Die Dinge müssen schon ernst betrachtet werden. Es darf nicht zugeschaut werden diesem kosmischen Mord durch den abstrakten Betrieb, den unpersönlichen Betrieb des Wissens auf der Erde.»

Sind sich unsere Wissenschafter der Tragweite dieser Wirklichkeit bewusst?

So mancher könnte Zweifel anmelden bezüglich der Heftigkeit dieser Aussage. Aber muss man ihn dann nicht nur einfach verweisen an die Betrachtung gegenwärtigen Erdengeschehens, das sich herausentwickelt hat aus dem bisherigen unpersönlichen Wissenschaftsstrom und sich an einem welt- und menschheitsgefährdenden Abgrund befindet?

In der Plastik des «Menschheitsrepräsentanten» hat Rudolf Steiner dargestellt den Freiheitsweg zwischen den Widersachermächten Luzifer und Ahriman. Um der menschlichen Eigenständigkeit und Freiheit willen ist Michael, dem Verwalter der kosmischen Intelligenz, in der Vergangenheit diese entfallen und auf die Erde, zu den Menschen, entlassen worden. Auf den Menschen ist es nun gestellt, ob er diese kosmische Intelligenz den Widersachermächten überlässt, oder ob er das Weltenwissen in seine Seele aufnimmt, es verinnerlicht, es mit seinen individuellen Fähigkeiten ergreift, seine Ichwerdung verbindet dem kosmischen Weisheitsstrom und so eigenschöpferisch die Erdenentwicklung ihrem Ziel zuführen kann.

Ansonsten erfolgt die Abspaltung, ins Reich der Gegenkräfte. Seltsam und erschütternd, wie deutlich auch manche anthroposophisch gebildete Zeitgenossen nach Verbindungen mit dem alten, jetzt geist- und seelengefährdenden Strom streben. Erfolgt und erweist sich hier die Scheidung der Geister?

«Das andere ist das menschliche Begehrensvermögen. Das ist dasjenige, was mit dem Willenshaften im Menschen zusammenhängt …» Dieses kann sich - als eine Möglichkeit – äußeren Staatsgesetzen und allerlei Geboten unterordnen und sich daneben als nur rein instinktmäßiges Begehren des Menschen ausleben. «Der andere Weg ist, dass sich dasjenige, das im Menschen als Begehrensvermögen sich spiegelt, was als Willensfähigkeit vorhanden ist, dass sich das allmählich heraufhebt zum reinen Denken, in Freiheit sich auslebt individuell, so dass es sich ins soziale Leben in Liebe ergießt.» Dann kann durch das Zusammenstimmen dessen, was die Menschen tun, eine neue soziale Ordnung entstehen… «Wiederum ist das, was im Menschen dadurch geschieht, dass er seinen Willen nicht bis zum Individuellen gestaltet, ihn nicht erhebt zum reinen Denken (wie es in der «Philosophie der Freiheit» ausgeführt ist), wiederum ist das nicht bloß etwas, was den Menschen allein angeht, sondern den ganzen Planeten und damit den Kosmos. Und auf das, was da geschieht, … auf das warten gierig die ahrimanischen Geister. Das eignen sie sich an» und verwenden es so, «dass sie es übertragen auf individuelle dämonische Wesenheiten. Und es müsste, wenn nicht eine individuelle Gestaltung des freiheitlichen Zusammenlebens in der sozialen Ordnung angestrebt würde, sich die Erde erfüllen mit denjenigen Wesenheiten, die dann individuell wären, aber die ein ahrimanisch-geisterhaftes Dasein führen und die der Erde nehmen würden die Möglichkeit, sich in die nächste planetarische Metamorphose, in die Jupiter-Metamorphose hinein zu verwandeln.»

Die Entwicklung ist in unserer Zeit bereits in die Hände des Menschen gelegt. «Es ist an die Menschen gegeben, den Planeten in seiner Entwicklung weise vorwärtszubringen.» Es droht ansonsten eine durchaus dämonisierte Form des Daseins, die den Menschen zu einem Automaten machen will, «wenn die Menschheit nicht versucht, das Wissen zur Weisheit umzuwandeln, was nur dadurch geschehen kann, dass sich der Mensch für das Wissen persönlich einsetzt, dass er es persönlich in sich aufnimmt und dass er es wieder verbindet mit demjenigen, was auf dem Umwege der Liebe zur allgemeinen Menschheitsangelegenheit wird aus dem individuellen Begehrensvermögen heraus.»

Der ganze Fortgang der Menschheitsentwicklung – und der kosmischen Entwicklung – hängt also davon ab, wie wir mit dem Wissen, der Wissenschaft umgehen. Ob die Erde ihr Ziel erreicht oder nicht, steht damit in tiefem Zusammenhang. Ist es nicht an der Zeit, dass die neue Wissenschaft ihren Herzensgrund in den Menschen finden darf?

(GA 119, 31.3.1910) «Geisteswissenschaft soll den ganzen Menschen in die höheren Welten führen, nicht nur den denkenden, sondern auch den fühlenden und den wollenden Menschen. Wir können über die Welt nachdenken, aber indem wir nur denken, bleiben wir bei aller Erkenntnis kalt und gleichgültig. Vielmehr sollen die Erkenntnisse der höheren Welten in uns Gefühle auslösen, und je höher der Mensch befähigt ist hinaufzublicken, um so tiefer erwachen in ihm die Impulse des Fühlens, die Impulse zum Handeln, die Impulse dazu, den großen Ideen, welche uns aus den geistigen Welten herunterleuchten, nachzuleben. Wir werden andächtig, betend; das Fühlen wird andächtig, das Wollen gottinnig, wenn wir der geistigen Erkenntnis folgen … Geisteswissenschaft hat ihren Prüfstein darin, dass die Erkenntnis ausklingt in andächtige Stimmung und dass der Mensch in seinen Willen aufnimmt und handelnd erfüllt, was er als richtig erkannt hat.»

Schluss: Die neue Wissenschaft, der Weg zur Weisheit

Fassen wir zusammen, was im anthroposophischen Sinne «Wissenschaft» genannt werden kann.

1.    Einst gab es eine Urweisheit, die hellsehend, hellhörend von übersinnlichen Lehrern entgegengenommen wurde. Das war ein mehr traumhaftes Geschehen. Die Fähigkeiten dazu sind allmählich erloschen und von der Sinneswahrnehmung überlagert worden. Die Naturwissenschaft erfasst nur die äußere physische Welt, kennt nicht die wirkenden Kräfte und Wesen. Seit Ende des Kali Yuga hat die Geistwelt ihre Tore wieder geöffnet, eine geistige Welle strömt herein und bei den Menschen beginnen neue Fähigkeiten zur übersinnlichen Wahrnehmung aufzutreten, einerseits als beginnend naturhafte Anlagen, andererseits sich öffnend auf dem geistigen Schulungsweg. Genauigkeit, Wahrhaftigkeit, Klarheit und Gedankenerfassbarkeit sollten die neuen Wahrnehmungen begleiten.

2.     Unser Denken muss wieder verlebendigt werden durch den Erkenntnisweg von Imagination, Inspiration, Intuition. Erst hierdurch entsteht «lebendiges Denken», das sich wieder anschließt an den vorgeburtlich lebendig schaffenden Strom, der an der Bildung des Geistkeimes für den neuen physischen Leib mittätig ist.

3.     Die gegenwärtige «Wissenschaft», die hervorgegangen ist aus dem falsch verstandenen Sündenfallgeschehen und die nur das Tote zu erfassen vermag, muss durchgeistigt, muss durchchristet werden, muss wieder angeschlossen werden an das Seelisch-Geistige des Menschenwesens und des Kosmos.

4.     Das ermöglicht einen Wiederanschluss an das Göttlich-Geistige und somit ein Überwinden, ein Aufheben des Sündenfalles.

5.     Nur eine solche Wissenschaft führt die Menschheit an ihr Ziel. Eine solche Wissenschaft aber kommt nur aus der Anthroposophie. Und sie darf sich nicht vom gegenwärtigen Spezialistentum dahin bringen lassen, anders als in anthroposophischer Weise zu denken und zu reden.

6.     Es muss eine Umgruppierung der Wissenschaftsgebiete stattfinden, eine Schaffung neuer Gebiete, welche ganz anderes umfassen oder zusammenfassen als bisher, und diese Gebiete müssen erarbeitet werden in ihrem Zusammenhang mit dem Geist-Kosmos.

7.     Ein Wirklichkeitsgeist muss einziehen in die Wissenschaft, in den Wissenschafter, der bei allem, was er denkt, den Zusammenhang mit dem Weltgeschehen ins Bewusstsein fassen muss.

8.    Der Mut muss aufgebracht werden, in rechter Weise auch das Moralische im Naturgeschehen mitzudenken, mitzuerkennen, und eben auch das Unmoralische, und es sollte ins Bewusstsein genommen werden, dass die gegenwärtigen moralischen Ideale die künftige Natur formen werden.

9.    Die Wissensaufnahme und –verarbeitung darf nicht in dem bisherigen kalten Verstandesdenken steckenbleiben, sie muss Gemüts- und Herzenskultur des individuellen Menschen werden, der das Wissen durch seinen Enthusiasmus als eine persönliche Angelegenheit zu ergreifen vermag und es so in Weisheit wandelt.

10.  Der Wille, das Begehren des Menschen bedarf, um selbstlos zu werden, des reinen Denkens. Das wird eine neue soziale Kultur ermöglichen, wo das Individuelle im reinen Denken mit dem Mitmenschen sich finden kann.

11.  So wird die neue Geisteswissenschaft dann auch eine brüderliche Wissenschaft sein, denn anders kann sie nicht leben.

12.  Sie wird uns den Weg zur Anthropo-Sophia, den Weg der irdische und kosmische Weisheit vereint, leiten und in den Herzen die Liebe erwecken. Was heute Ideal ist, wird in der Zukunft neue Schöpferkraft.

(GA 94, Paris, 25. Mai 1906) «Der Weg der Menschheit geht vom unbewussten Spiritualismus – vor dem Christentum – über den Intellektualismus – die Gegenwart – zum bewussten Spiritualismus, in dem sich vereinigen, konzentrieren und verstärken die astralen und intellektuellen Fähigkeiten durch die Stärke der Liebe zum Geist und der vergeistigten Liebe. Und ebenso ist die Theologie dazu bestimmt, zur Theosophie zu werden…was ist die Theosophie oder Anthroposophie? Die Kunde von Gott, sich entfaltend wie eine Blume auf dem Grunde der menschlichen Seele. Gott zum Unterschied von der Welt, wiedergeboren auf dem Grunde der Herzen. Ein solches Christentum, verstanden im Sinne der Rosenkreuzer, ist gleicherweise die mächtigste Entfaltung der individuellen Freiheit und der universellen Religion durch die Bruderschaft der freien Seelen. Die Tyrannei der Dogmen ist alsdann ersetzt durch den Strahlenglanz der göttlichen Weisheit, die Intelligenz, Liebe und Tat in einem ist. Die Wissenschaft, die daraus entspringen wird, wird ihre Maßstäbe weder an der abstrakten Vernunft noch an äußerer Unterwerfung finden, sondern an ihrer Fähigkeit, Seelen erblühen zu lassen. Da haben wir den Unterschied zwischen der Logik und der Sophia, zwischen der Wissenschaft und der göttlichen Weisheit …»

Nun sind wir am Ende dieser langen Betrachtung angelangt. Ein Zitat, das sehr konkrete Anleitung gibt, möge noch den Abschluss bilden.

(GA 220, Dornach, 7. Januar 1923) «Durch alles das aber möchte ich eben darauf hindeuten, dass, wenn die Rede davon ist, dass wissenschaftliche Bestrebungen innerhalb der anthroposophischen Bewegung gepflegt werden sollen, sie mit dem tiefen Ernst gepflegt werden sollen, der nicht die Anthroposophie in die Gefahr bringt, nach der heutigen Chemie oder der heutigen Physik oder der heutigen Physiologie und dergleichen abgeleitet zu werden, sondern der in den wirklichen Strom anthroposophisch lebendiger Erkenntnis die einzelnen Wissenschaften einbezieht. Hören möchte man, dass die Chemiker, dass die Physiker, dass die Physiologen, dass die Mediziner anthroposophisch reden. Denn das wird nicht weiterführen, dass die einzelnen Spezialisten dazu kommen, Anthroposophie zu zwingen, chemisch oder physikalisch oder physiologisch zu reden. Dadurch wird Anthroposophie doch nur Gegnerschaft erwecken, während endlich vorwärtsgekommen werden muss, indem die Anthroposophie sich auch für diese Spezialisten als Anthroposophie erweist, und nicht bloß als irgend etwas, was seiner Terminologie nach genommen wird, wo die einzelnen Termini hinüber gestülpt werden über das, was man sonst auch schon hat. Es ist ganz gleichgültig, ob man anthroposophische oder andere Termini über den Wasserstoff oder über den Sauerstoff und so weiter stülpt, oder ob man bei den alten Termini bleibt. Worauf es ankommt, ist, mit seinem ganzen Menschen die Anthroposophie aufzunehmen. Dann wird man in der richtigen Weise Anthroposoph auch als Chemiker, als Physiologe, als Arzt sein.»