Krise als Chance
Krise als Chance – von Michaela Glöckler
Auszüge aus Büchern und Vorträgen von Michaela Glöckler; Erstveröffentlichung auf https://www.anthroposophie-lebensnah.de/home/
ZUM UMGANG MIT LEBENSKRISEN
Wie kann man konstruktiv mit Lebenskrisen umgehen?
Krise als Weg ins Neue
Auf der einen Seite werden Krisen als Sackgassen erlebt. Man weiß nicht ein und aus und dreht sich im Kreis. Andererseits erlebt man die Krisenzeiten aber auch als Zeiten besonderer Empfänglichkeit für Neues, als Zeiten der Bereitschaft, andere Wege zu beschreiten.
Als hilfreiche Strategie in Krisenzeiten erweisen sich die Fragen:
Was lehrt mich diese Situation?
Was erfahre ich durch sie über mich selbst und über andere Menschen?
Welches Verhältnis habe ich zu meinem eigenen Schicksal?
Bin ich bereit, diese Krise als zu mir gehörig zu akzeptieren und zu lernen, was ich nur durch diese schwierige Situation lernen kann?
Hilfreicher Entwicklungswille
Der Wille zu lernen und zur Weiterentwicklung kann die Betroffenen auch aus der schwersten Lebenskrise erlösen und ihnen die nächsten Schritte aufzeigen helfen. Das Annehmen der eigenen Schicksalsbedingungen als individuelle Lernmöglichkeit ist die beste Voraussetzung für das Erlernen von Neuem in einer wie auch immer gearteten krisenhaften Lebenssituation.
Gelingt es einem der Krise mit dieser Haltung zu begegnen, wird man als neue Grundstimmung Dankbarkeit gegenüber dem eigenen Leben empfinden können. In der ersten Lebenshälfte wird der Mensch meist von einer erwartungs- und hoffnungsvollen Stimmung getragen. Das stärkende Grundgefühl für die zweite Lebenshälfte ist dagegen die Dankbarkeit.
Vgl. Kapitel „Altersentsprechendes Lernen“, Elternsprechstunde, Verlag Urachhaus, Stuttgart
KRISENFELDER IM MENSCHLICHEN LEBEN
In welchen Bereichen des Lebens treten Krisen gehäuft auf?
Was wollen sie uns lehren?
Wie lassen sie sich bewältigen?
Krisen als Aufforderung zur Entwicklung begreifen
Es gibt fünf Hauptstörfelder im Leben des Menschen, die eng zusammenhängen mit den fünf Zugängen zur Welt. Grundsätzlich sind Krisen eine Aufforderung zur Entwicklung.
1. Materielle Krisen
Sie entstammen der physischen Ebene und betreffen unseren materiellen Besitz. Sie zwingen uns zu fragen:
Brauche ich das alles wirklich?
Dadurch wir unsere Fantasie angeregt, wir denken über ein Mehr oder Weniger an materiellen Mitteln nach und haben so die Möglichkeit, ein neues Verhältnis zum Materiellen herzustellen. Letztlich sind auch hier neue Ideen die Abhilfe.
2. Lebenskrisen
Sie treffen uns oft aus heiterem Himmel und haben mit unserem Lebensgefühl zu tun. Sie entstammen der ätherischen Ebene unseres Daseins. Plötzlich ist man mit sich und der Welt unzufrieden, obwohl sich an den Lebensumständen gar nichts verändert hat. So geht es Jugendlichen oft in der Pubertät: Sie empfinden alles anders, als es vorher war.
Der deutsche Philosoph Peter Sloterdyk schreibt in seinem Buch über den übenden Menschen, „Du musst dein Leben ändern“,[1] dass der Mensch in diese Art Krise gerät, wenn er behalten will, was war, wenn er sozusagen „ewiges Leben“ in seinem Dasein installieren will. Dann signalisiert ihm seine Seele, dass das so nicht geht, dass Veränderungen nötig sind. Neue Ideen entstehen, wenn Lebensentwürfe und das Leben selbst aufeinanderprallen. Goethe sagte von sich sinngemäß: Ich bin von einer Pubertät in die andere gegangen.
3. Beziehungskrisen
Beziehungskrisen nehmen uns seelisch und gefühlsmäßig stark mit, haben mit der astralischen Ebene zu tun. Wenn eine Beziehung zerbricht, fühlen wir uns fallen gelassen und wund – alles andere erscheint dagegen grau und nichtig.
Noch schwieriger sind Dauerkrisen zu bewältigen, wenn eine Beziehung von Süchten, Mobbing und Gewalt zerrüttet ist, aber trotzdem aufrechterhalten wird. Man fühlt sich dann je nach Temperament „in der Luft hängend“ oder „am Abgrund stehend“.
In beiden Fällen muss man Abstand gewinnen, muss in Ruhe überlegen, was man tun kann, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Man wird zu einem Fragenden, der eine neue Anbindung an die innere spirituelle Instanz sucht, an etwas, das wirklich helfen kann. Wir suchen und brauchen in dieser Krise meist göttliche Hilfe.
4. Identitätskrisen
Identitätskrisen entstammen der Ich-Ebene und müssen auch dort gelöst werden. Wer in einer dysfunktionalen Familie in ständiger Spannung aufgewachsen ist, erlebt sich später wie gespalten, beginnend mit der Pubertät.
Identitätskrisen gehen oft auch aus Beziehungskrisen hervor, wenn man sich mit dem anderen so identifiziert hat, dass er das eigen Ich wie ersetzte. Man findet sich nicht mehr, fühlt sich wie hohl. Hier geht es um die Kernfrage:
Wer bin ich wirklich?
Was ist der Sinn meiner Existenz?
Das eigene Wertesystem muss neu definiert werden, damit man zu sich selber kommen kann.
5. Orientierungskrisen
Orientierungskrisen lassen uns unser ideelles, unser spirituelles und unser historisches Umfeld hinterfragen, stellen es in Frage. Sie entstammen unserer geistigen Daseinsebene. Eine Krise dieser Art erlebten wir anlässlich der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008.
Hier geht es um Vorstellungen ganze Systeme betreffend, also um eine geistige Ebene: Die Bewältigung ist abhängig von grundlegend neuen Gedanken und Ideen – die wiederum auf die Auffassung der eigenen Identität, auf die Vorstellung von Beziehung und die eigene Lebensführung zurückwirken.
Leider fehlte es im Umgang mit der Finanzkrise an grundlegenden Erneuerungsimpulsen – abgesehen vom Ruf nach verstärkter Kontrolle, ist alles beim Alten geblieben. Nur in kleinen erlesenen Kreisen wurden wirklich neue Konzepte und Lösungswege angedacht – weshalb wir weitere Krisen dieser Art erleben werden, bis wir wirklich gelernt haben werden, grundlegend umzudenken.
Vgl. Vortrag „In sieben Schritten aus der Krise – der Weg vom Ideal zur Wirklichkeit“, Pforzheim, 16.10.2009
[1] Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern, über Anthropotechnik, 2009 erschienene Essays des deutschen Philosophen. Der Titel bezieht sich auf Rilkes Sonett „Archaïscher Torso Apollos“, das mit diesem Satz schließt. Die zentrale Überlegung ist, dass der Mensch – als ein lebenslang Übender – sich im Üben selbst erschafft.
KRISEN SIND AUFGABEN
Vor welche Aufgaben stellen uns Krisen?
Wie können wir konstruktiv damit umgehen?
Die positive Seite von Krisen und Konflikten
Krisen und Konflikte haben auch eine positive Seite. Sie bringen uns in Bewegung, sie fordern Lernprozesse und Entwicklungen von uns, die wir ohne unsere Probleme nicht in Angriff nehmen würden. Es ist gut, sich im Zusammenhang mit diesem Thema einmal vor Augen zu führen, was man den Problemstellungen in der eigenen Biographie verdankt an Entwicklung, an Erfahrungen, ja an Persönlichkeitsreifung, an Sensibilität und Menschenverständnis.
Denn die Probleme, die ich selber habe und zu verarbeiten versuche, machen mich zugleich sensibel für entsprechende Probleme bei anderen Menschen. Die besten Lebensberater sind diejenigen, die selbst viel durchgemacht haben, und nicht diejenigen, die aus einem angelesenen Wissen heraus gute Ratschläge geben. Es ist buchstäblich notwendig, sich mit den individuellen, „gesunden“ – im Sinne von aktivierenden – Probleme auseinanderzusetzen, bei denen es immer möglich ist, einen Sinn zu finden und daran zu arbeiten.
Menschheitskrisen trotz Leid bejahen
Es ist aber genauso wichtig, sich jenen Krisensituationen zu stellen, die über das Persönliche hinausgehen wie Katastrophen und Kriege, bei denen es einem schier unmöglich erscheint, dieses zu tun. Denn in der persönlichen überschaubaren Situation kann prinzipiell deutlich werden, worin der Sinn des Bösen und der Hemmnisse liegt: Wir erfahren dadurch neue, unerwartete Anregungen für unsere Entwicklung. Diese Einsicht kann helfen, sich auch dem unerträglich großen Bösen gegenüber zu sagen: Gemeinsam mit den anderen Menschen und Völkern müssen wir die drängenden Aufgaben der Konfliktbewältigung angehen.
Wird dadurch auch die Menschheitsentwicklung in einer Weise gefördert werden, wie es ohne dieses Leid und die damit verbundene Arbeit nicht möglich wäre?
Gerade in der christlichen Religion, die die Entwicklung zu Freiheit und Liebe prophezeit, wird uns der Passionsweg vor Augen geführt. Gott nimmt sich des großen Leides der Menschheit an, setzt sich selbst dem Bösen aus. Ja, er identifiziert sich damit und wird uns dadurch zum Vorbild: So wie er das Böse annehmen und bejahen konnte, so können wir das auch zu tun beginnen, wenn wir ihm nachfolgen wollen.
Das kann eine große Hilfe sein angesichts von katastrophalen Ereignissen. Wir können uns vorstellen, wie wohl Christus darauf hinblickt, der alles miterlebt und uns Menschen nicht verlässt. Er hat sich nicht gegen das, was ihm geschah, aufgelehnt, sondern hat gesagt: „Sie wissen nicht, was sie tun.“[1] Damit hat er den Weg für jede Problemlösung gewiesen: Wirklich zu wissen, was geschieht, und dem Bösen dadurch die Macht zu nehmen.
Vgl. „Die alleinerziehende Mutter“ und „Vom Umgang mit sozialen Problemen“, aus „Elternfragen heute“, Verlag Urachhaus, Stuttgart
[1] Neues Testament, Lukas 23, 34.
HIOBS GESCHICHTE – PROTOTYP EINER LEBENSKRISE
Was können wir von Hiobs Krise lernen?
Inwiefern ist sie die Ur-Krise an sich?
Individuelle Verantwortung statt kollektiver Werte
Die christliche Prophetie, dass jeder durch Erkenntnis der Wahrheit zur Freiheit gelangen kann und dass ein solcher Weg in einer Gemeinschaft „freier Geister“ gipfeln wird, ist eine klare Perspektive zur Überwindung von kollektiven Wertegemeinschaften, in denen soziale Kontrolle und angstbesetzte Sanktionen weitgehend vor Verfehlungen und „dem Bösen“ geschützt haben. Was böse und gut war, stand im Gesetz – es lag nicht in der individuellen Verantwortung des einzelnen Menschen. Dies ändert sich erst in Folge der Ausbreitung des Christentums.
Umso beachtlicher ist es, dass dieses Neue im Buch „Hiob“ schon deutlich anklingt, wie um die Menschen auf diese Zukunft vorzubereiten. Beim Lesen des Buches Hiob werden wir Zeuge, wie Gott einen Gerechten straft – aller bisherigen Tradition zum Trotz. Wir erleben, dass „der gute Mensch“ geprüft wird. Alles wird ihm genommen, was er vorher besaß – eine Situation wie in einer schweren Lebenskrise, uns heutigen Menschen wohlvertraut. Das Bisherige trägt nicht mehr, das Neue ist noch nicht in Sicht. Fragen über Fragen regen sich – auch Aufbegehren und Verzweiflung. Hiob kann es nicht fassen, auch seine Angehörigen und Freunde nicht. Sie denken, er müsse doch heimlich eine schwere Sünde auf sich geladen haben.
Notwendigkeit der Neubestimmung
Hiob zweifelt an sich und der Gerechtigkeit der Welt, für die Gott steht. Er muss sein Verhältnis zu Gott und zu sich selbst ganz neu bestimmen. „Gott straft keinen Gerechten“ – so hatte es ihn die Tradition gelehrt. Er ist sich keiner Schuld und Ungerechtigkeit bewusst und so versteht er sich, die Welt und Gott nicht mehr. Erst als es ihm möglich wird, ganz aus sich heraus und neu – angeregt durch viele Gespräche mit Menschen in seinem Umkreis – nach der Identität Gottes zu fragen und alles in Betracht zu ziehen, was Gott jedem Menschen an Vollkommenheit voraushat.
Erst als er Gott schaut in allen seinen Werken, die auch die dem Menschen gegebene Möglichkeit des Bösen umfasst, erst als er erkennt, dass er ein Teil eines großen vollkommenen Ganzen ist, kann er fragen:
Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott?
Oder ein Mann rein sein vor dem, der ihn gemacht hat?[1]
Doch erst als er sich vor Gottes Angesicht im Spiegel des Guten vollkommenen schaut, kann er empfinden:
„Siehe, selig ist der Mensch, den Gott straft; darum weigere dich der Züchtigung des Allmächtigen nicht.“[2] (Hiob 5:17)
„Denn er verletzt und verbindet; er zerschlägt und seine Hand heilt.“[3] (Hiob 5:18)
Erst angesichts des Vollkommenen empfindet man die eigene Entwicklung als Mensch, die eigene dauernde Unvollkommenheit tief genug, um zu Gott sagen zu können:
„Verdamme mich nicht! Lass mich wissen, warum du mit mir haderst.“[4] (Hiob 10:2)
Er hat erkannt, dass er ein Werdender ist und Belehrung braucht. Er fühlt, dass die Auseinandersetzung mit dem Bösen, der Irrtum und die Schuld auf dem Wege zur Vollkommenheit nicht ausbleiben können, dass dies zum Menschsein dazu gehört – dass diese vollkommene Menschwerdung aber in unser „innerstes Gemüt“ als Entwicklungsziel gelegt ist.
Esoterisches Vaterunser
Rudolf Steiner hat dies in seinem „Esoterischen Vaterunser“ in besonders eindringlicher Weise zum Ausdruck gebracht:
„Vater, der du warst, bist und sein wirst in unser aller innerstem Wesen!
Dein Wesen wird in uns allen verherrlicht und hochgepriesen.
Dein Reich erweitere sich in unseren Taten und in unserem Lebenswandel.
Deinen Willen führen wir in der Betätigung unseres Lebens so aus wie Du, o Vater, ihn in unser innerstes Gemüt gelegt hast.
Die Nahrung des Geistes, das Brot des Lebens, bietest du uns in Überfülle in den wechselnden Zuständen unseres Lebens.
Lasse Ausgleich sein unser Erbarmen an anderen für die Sünden an unserem Wesen begangen.
Den Versucher lässt du nicht über das Vermögen unserer Kraft in uns wirken, da in deinem Wesen keine Versuchung bestehen kann; denn der Versucher ist nur Schein und Täuschung, aus der du, o Vater, uns durch das Licht deiner Erkenntnis sicher herausführen wirst.
Deine Kraft und Herrlichkeit wirke in uns in die Zeitläufe der Zeitläufe.“[5]
Obgleich dieses Vollkommene in jedes Menschen Ichheit als „Gottesfunke“ veranlagt ist, werden wir unausgesetzt aneinander schuldig. Nur scheinbar bleibt uns viel „eigene“ Schuld erspart. Denn:
Lernen wir nicht ebenso aus den Fehlern anderer wie aus unseren eigenen?
Werden sie nicht auch um unseretwillen schuldig, damit wir es nicht werden müssen?
Makrokosmisches Vaterunser
Diese Tatsache, die Hiob erkennt, gemahnt an das „Makrokosmische Vaterunser“, von dem Rudolf Steiner berichtet, wie es der Jesus von Nazareth vor der Jordantaufe in einem verlassenen Tempel geoffenbart bekommt und spricht. Jesus erlebt die waltenden Übel auf der Erde mit größtem Mitleid für die Menschheit und erkennt, dass es diese von anderen erschuldete Selbstheitschuld geben muss, damit der einzelne Mensch sich seiner eigenen Ichheit bewusstwerden kann. Dazu braucht es auch die – vorübergehende – Losgelöstheit von Gott:
„Amen
Es walten die Übel,
Zeugen sich lösender Ichheit,
Von andern erschuldete Selbstheitschuld
Erlebet im täglichen Brote,
In dem nicht waltet der Himmel Wille,
Da der Mensch sich schied von Eurem Reich
Und vergaß Euren Namen,
Ihr Väter in den Himmeln.“[6]
Sich zur eigenen Unvollkommenheit bekennen
Dies erahnend, kann Hiob alles als von Gott kommend annehmen und bittet um Hilfe für seinen weiteren Weg, indem er sich zu seiner Unvollkommenheit bekennt. Seine „Schuld“ bestand darin, dass er dachte, er habe keine...
„Und Hiob antwortete dem HERRN und sprach: Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer. Wer ist der, der den Ratschluss verhüllt mit Unverstand? Darum bekenne ich, dass ich habe unweise geredet, was mir zu hoch ist und ich nicht verstehe. So höre nun, laß mich reden; ich will dich fragen, lehre mich! Ich hatte von dir mit den Ohren gehört; aber nun hat dich mein Auge gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche.“[7]
Nach dieser entscheidenden Selbsterkenntnis, geboren aus tiefstem Schmerz, kann sich sein Schicksal wieder zum Guten wenden. Er wird gesund, sein Reichtum kehrt zurück und er erreicht ein hohes Alter.
Vgl. „Raphael und die Mysterien von Krankheit und Heilung“, Medizinische Sektion am Goetheanum 2015
[1] Altes Testament, Hiob 4, 17.
[2] Altes Testament, Hiob 5, 17.
[3] Altes Testament, Hiob 5, 18.
[4] Altes Testament, Hiob 10, 2.
[5] Rudolf Steiner, Mantrische Sprüche. Seelenübungen II, GA 268, Dornach 1999, S. 341.
[6] Ders., Aus der Akasha-Forschung. Das fünfte Evangelium, GA 148, Dornach 1992, S. 326.
[7] Altes Testament, Hiob 42, 1-6.
SIEBEN SCHRITTE AUS DER KRISE
Wie lassen sich die Schritte aus der Krise beschreiben?
Welche Aufgabe und Herausforderung stellen die einzelnen Schritte dar?
Ideale als Ausweg aus der Krise
Wenn man das Wort „Krise“ hört, denkt man dabei nicht unbedingt an Ideale, im Gegenteil. Doch gerade in einer Krise brauchen wir gute Ideen, um wieder herauszufinden – das ist allen Krisen gemeinsam. Allerdings reicht es nicht, gute Ideen zu haben, wenn man sie nicht umsetzt. Dann landet man postwendend in der nächsten Krise.
1. Schritt – Aufnehmen des Ideals in die eigene Seele
Der Unterschied zwischen einer guten Idee und einem Ideal ist der, dass Ideale verbindlich sind. Wir leben sozusagen mit ihnen, versuchen sie zu realisieren. Konkret könnte das so aussehen, dass wir vier Wochen lang täglich dreimal daran denken – ohne Aggressionen zu entwickeln, dass wir noch nicht so weit sind und ohne anderen die Schuld zuzuschieben, dass wir es wieder nicht geschafft haben, dem Ideal ein wenig besser zu entsprechen…
Ideale sind etwas Kostbares, Reines, sind ein Anstoß für alles Unreine. Auch die Schatten in uns geraten in Aufruhr angesichts dieser Sphäre. Schiller sagte: „Es liebt die Welt, Strahlendes zu schwärzen.“
Es ist gut, wenn wir dieses Problem erkennen und es schaffen, dem neuen Ideal die richtige Aufnahme in der Seele zu bereiten. Man sollte durch allen aufkommenden Ärger hindurch solange an das Ideal denken, bis man sich wieder daran freuen und es anlächeln kann wie einen Freund.
2. Schritt – Integrieren des Ideals ins normale Leben
An diesem Punkt müssen wir uns überlegen, wie wir unser Leben zu ändern haben, damit wir lernen, mit dem Ideal zu leben. Der Umgang mit dem Ideal muss gepflegt und ganz bewusst geübt werden. Gelingt uns die Integration, hat sich unser Leben bereits verändert. Das bemerken nicht nur wir selbst, sondern auch andere. Man fragt uns vielleicht: „Wer ist dein Coach?“
3. Schritt – Ideal wird zur Kraftquelle
In diesem Stadium bemerken wir, dass das Ideal in uns eine weitere Fähigkeit erschließt: das innere Hören. Wir sind zu einem Lauschenden, sind „inspirationsfähig“ geworden. Indem wir uns selbst zu führen beginnen, schöpfen wir zunehmend aus der eigenen Aufrichtekraft (Vertikale) – sie wird uns zum ideellen Wanderstab, zu einer Quelle der Inspiration, aus der wir Kraft und Selbstsicherheit beziehen.
4. Schritt – Erwachen am Ideal
Je mehr wir den vertikalen Anschluss spüren, desto stärker bemerken wir auch Abweichungen vom Ideal in unserem Umfeld, auch in uns selbst. Das tut weh. Sich mit einem Ideal zu verbinden ist, als würde man ins Licht treten – die Schatten erscheinen dann schwärzer.
Jetzt brauchen wir den Willen zur Konsequenz, indem wir genau abwägen, ob wir wirklich wollen, was das Leben an uns heranträgt, von innen und von außen. Jetzt ist es an der Zeit, Dinge zu lassen, die uns in unserer Eigenverantwortlichkeit schwächen, z.B. Alkohol und andere schwächende Gewohnheiten. Wir müssen uns mit den Schatten in uns selbst befassen, müssen entdecken, wo wir Verantwortlichkeit immer noch abwälzen und meiden. Wir brauchen genug Zeit dafür, brauchen ein bewussteres Zeitmanagement. Vielleicht gilt es auch konsequent zu sein, indem man gewisse Produkte nicht mehr kauft, die Bank wechselt, etc.
Der „schlafende Riese“, wie wir Konsumenten auch genannt werden, erwacht. Wenn alle Welt sich in diesem Stadium befände, würden unsere Gesellschaft und unser Gesundheitswesen anders aussehen. Unsere heutige Gesellschaft lebt vom andauernden Schlaf des Riesen. Er soll bloß nicht aufwachen und nachzudenken beginnen! Deshalb versucht man ihn in Albträumen gefangen zu halten…
5. Schritt – Entwicklung neuer Lebensformen am Ideal
Wer selbst erwacht ist zur Eigenverantwortlichkeit, wird auch die Erziehung zur Selbstverantwortung in Familie, Schule, Arbeitsplatz, in der ganzen Gesellschaft fördern. Hier handelt es sich um eine Art Stabilisierungsphase von neuen Entwicklungen und neuen Lebensformen: Ich weiß, was ich will und verstärke Trends im Sinne meines Ideals.
6. Schritt – Entwicklung neuer Gesellschaftsformen
In dieser Phase erleben wir, dass unser Einfluss auf unser Umfeld gewachsen ist und wir an weit über uns hinausgehenden Entwicklungen beteiligt sind und Verantwortung dafür übernehmen. Wir beeinflussen jetzt die Verhältnisse in einem viel größeren Rahmen.
7. Schritt – Zukunftsfähigkeit durch Erneuerung am Ideal
Die Herausforderung dieser Phase besteht darin zu erkennen, dass eine Initiative, ein Unternehmen, eine Gemeinschaft oder Gesellschaft nur zukunftsfähig ist, wenn sie erneuerungsfähig bleibt. Mit der Erneuerung beginnt dann eine neue Lern- und Entwicklungsrunde.
Vgl. Nachschrift des Vortrags „In sieben Schritten aus der Krise – der Weg vom Ideal zur Wirklichkeit“, Pforzheim, 16.10.2009
INSTRUMENTE EINES ERFOLGREICHEN KRISENMANAGEMENTS
Inwiefern kommt dem Schularzt die Rolle des Krisenmanagers zu?
Welche Instrumente können uns helfen, dieser Rolle gerecht zu werden?
Welche Eigenschaften verhindern eine vertrauensvolle Zusammenarbeit?
Instrumente zur Bewältigung von Krisen
Krisen sind immer auch Chancen, bei deren Bewältigung wir über uns selbst hinauswachsen. Im Folgenden möchte ich aufzeigen, welche Instrumente uns dabei helfen können.
1. Vertrauen aufbauen
Jeder beruflich oder lebensmäßig Spezialisierte braucht in der Zusammenarbeit mit anderen Berufsfeldern und Menschengruppen vor allem ein Instrument, wenn er seine Rolle gut spielen will: Vertrauen, dass die „Mitspieler“ es gut mit den jeweils anderen meinen. Das gilt auch im Hinblick auf Schwierigkeiten im Dreieck Eltern – Lehrer – Schüler. Das betrifft auch den Schularzt, der manchmal die Rolle eines Krisenmanagers bei Konflikten innerhalb dieses Dreiecks spielen muss.
In meiner Zeit als Schularzt an der Waldorfschule in Witten erkannte ich, dass in vielen Problemsituationen das fehlende Vertrauen zueinander das eigentlich kränkende Element ist. Angst und Misstrauen sind Promotoren von Verhaltensproblemen und Konflikten. Deshalb muss man gerade in Krisen üben, den anderen zu vertrauen und so auch ihr Vertrauen zu erringen. Denn keine Intervention kann gelingen, wenn nicht als Erstes Vertrauen zwischen den verschiedenen Parteien hergestellt würde. Wenn ein Schüler, der in Schwierigkeiten steckt, fühlt, dass man ihn sieht und ihm vertraut, wird sein Ich in einer Weise angesprochen, dass er die Kraft aufbringt, zu tun, was er vorher nicht zu tun vermochte.
2. Rechtzeitig kommunizieren
Das zweite Instrument der Krisenbewältigung ist die Bereitschaft zur Kommunikation: der Wille, sich über Probleme auszutauschen, sobald sie zutage treten. Viele Probleme wachsen sich erst dadurch zu Krisen aus, dass die Betroffenen viel zu spät anfangen, darüber zu sprechen. Wenn selbst kleine Unstimmigkeiten gleich zur Sprache gebracht werden, kann man noch mit einer gewissen Lockerheit damit umgehen bei der Suche nach Lösungen.
3. Aus Fehlern lernen
Das dritte Instrument, das Krisen sogar vorbeugen könnte, erlebe ich als das am schwersten Handhabbare. Auch Rudolf Steiner hat damit gekämpft. Er wollte, dass die Lehrer sich gegenseitig ihre Erfahrungen und Fehler mitteilen, um voneinander zu lernen. Damals wie heute wollte man nicht wahrhaben, wie wertvoll und effizient es sein kann, aus Fehlern zu lernen. In Witten gab es ein goldenes Buch, in das man seine pädagogischen Highlights hineinschrieb: als Inspiration für die nachfolgenden jungen Lehrer.
Aber viel wichtiger wäre für jedes Team und jedes Kollegium zu erfahren, wie jemand in einer schwierigen Situation gelitten und sie gemeistert hat. Doch sobald eine Krise bewältigt ist, spricht kein Mensch mehr davon. Jeder Fehler, jede Krise sollte evaluiert, genau angeschaut und befragt werden:
Was waren die Auslöser für die Krise?
Was lehrt uns diese Erfahrung?
Weil wir jedoch noch keine ausreichende Fehler- und Feedback-Kultur haben, tauchen dieselben Probleme immer und immer wieder auf. Rudolf Steiner wollte, dass die in den Berufsfeldern tätigen Menschen, insbesondere aber die Lehrer, „aus Fehlern lernen". Er sagte, das wäre das wichtigste Werkzeug an der Schule. Es wird jedoch viel zu wenig eingesetzt.
Destruktive Eitelkeit und Geltungssucht
Zum Abschluss eine Anekdote, die hilfreich für Kollegien und Teams sein kann. Rudolf Steiner sagte eines Morgens, als die Lehrer sich um ihn für den Morgenkreis, die Morgenbesprechung versammelten: „Liebe Kollegen, unten am Schultor sitzen zwei Damen. Sie müssen aufpassen, dass die beiden nie die Schule betreten.“. Herbert Hahn, der mir die Geschichte erzählte, ging sofort hinunter, um nachzuschauen, wer dort saß. Er kam zurück mit den Worten: „Herr Doktor, da ist niemand!“. Rudolf Steiner entgegnete sinngemäß: „Doch, doch, sie sitzen da und dürfen auf keinen Fall in das Waldorfkollegium herein. Denn sie verhindern, dass wir aus Fehlern lernen. Sie heißen Eitelkeit und Geltungssucht.“.
Über die Jahre habe ich die Destruktivität dieser beiden Eigenschaften immer besser zu verstehen gelernt. Frauen sind anfälliger für Eitelkeit, Männer eher für Geltungssucht. Bei beiden sind diese Eigenschaften unbewusst Teil der jeweiligen Konstitution. Sie sind als Anlage vorhanden, sollten jedoch im Schulzusammenhang nicht wirksam werden, will man Problemen vorbeugen. Fakt ist: Sie sind „Mutter und Vater“ nahezu aller Schwierigkeiten, mit denen zusammenarbeitende Menschen zu tun haben.
Vgl. Vortrag „Das anthroposophische Menschenbild“, Schulärztetagung 2014
PERSÖNLICHE KRISE UND IHRE ÜBERWINDUNG
Was ist der Sinn persönlicher Krisen?
Wozu fordern sie und heraus?
Was macht sie so elementar wichtig?
Wie können wir sie überwinden?
Am Nullpunkt angelangt
Jeder Mensch gelangt mindestens einmal im Leben an den Punkt, an dem er sein ganzes bisheriges Leben in Frage stellt. Man hat plötzlich Zweifel an dem was man tut und bisher getan und gedacht hat und weiß nicht, woher diese kommen. Man fängt quasi an, sich selbst den Boden unter den Füßen wegzuziehen und gerät so immer tiefer in eine persönliche Krise. Je nach Temperament, geht man anders damit um:
- Der Melancholiker sagt: „Ich sitze in einem Loch“.
- Der Sanguiniker sagt: „Ich hänge in der Luft“.
- Der Phlegmatiker sagt: „Ich bin am Schwimmen“.
- Der Choleriker könnte vor Wut platzen, dass er in diese Situation gekommen ist.
Dabei geht es um das gleiche Nullpunkterlebnis, das sich äußerlich gesehen im Kleid einer Depression, einer vorübergehenden Unangepasstheit oder extremen Zurückgezogenheit verbergen kann. Man weiß trotzdem, dass man nicht krank ist. Selbst wenn man vorübergehend meint, krank oder sogar „gestört“ zu sein, man ist es nicht. Man merkt es auch daran, dass einem weder Ärzte noch andere Menschen helfen können. Man spürt, dass man da selber hindurchmuss. Denn, wie Rudolf Steiner es in „Die Philosophie der Freiheit“[1] sinngemäß ausdrückt: „Ein freies Wesen kann der Mensch nur selbst aus sich machen“.
Notwendigkeit einer zweiten Geburt bzw. Initiation
Diese Krise kulminiert in einem ganz individuellen Initiationsmoment. Denn der Schmerz gehört zu einem „Nadelöhr-Erlebnis“, zu der Erfahrung, durch den Nullpunkt gehen zu müssen. In der religiösen Literatur spricht man diesbezüglich von der zweiten Geburt, in der esoterischen Literatur von Initiation.
Warum zweite Geburt?
Warum Initiation?
Weil man spürt: „Ich muss mich selbst noch einmal neu gebären. Es reicht nicht, dass ich mich für ein paar Monate zurückziehe, ich muss mich verwandeln, muss neu werden“. Man kann diesen Prozess des Neu-Werdens mit den sieben „Ich bin“-Worten aus dem Johannes-Evangelium begleiten. Zudem sind in den Evangelien auch weitere Schulungselemente ganz wunderbarer Art im Hinblick auf diese zweite Geburt zu finden, aber das setzt einen tiefen religiösen Zugang voraus, den nicht jeder hat.
Ich nahm damals noch zusätzlich das Initiationsbuch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“[2] zu Hilfe. Doch konnten mir weder das Buch noch die Evangelien in der Stunde der Dunkelheit helfen. Sie gaben mir zwar sehr gute Erklärungen, was mit mir geschah – durch das Nadelöhr musste ich jedoch selber hindurch.
Sich aus Wasser und Geist neu gebären
Doch wie macht man das konkret?
Um beim Bilde der zweiten Geburt zu bleiben: Man gebiert sich selbst nochmal neu. Im Evangelium heißt es: „aus Wasser und Geist geboren“[3]. d.h. rein gedanklich. Wasser ist der Träger des Ätherischen, der Lebenskräfte. Leben ist an Wasser gebunden. Aus der anthroposophischen Menschenkunde wissen wir zudem, dass wir mit denselben Kräften denken, denen wir unser Leben verdanken – sobald sie leibfrei geworden sind.[4] Das ist ein wunderbares Thema für sich.
„Aus Wasser und Geist“ bedeutet demnach: Man muss sich durch den geistigen Prozess des Denkens selbst vornehmen, wer oder was man als Mensch werden möchte. Man muss im Bodenlosen der Krise eine neue selbstbestimmte Wertsetzung vornehmen. Ich muss sagen, wer oder was ich bin und sein will. Wenn ich mir vornehme in Zukunft taktvoll und höflich zu sein, werden nach einer Weile Menschen kommen und sagen z.B.: „Du bist aber ein guter Zuhörer/taktvoll/höflich geworden!“ Das heißt, was nur ein Gedanke war, wird mit der Zeit zu einer Charaktereigenschaft.
Daran sieht man, dass wir selbst uns als individuelle Wesen vollenden müssen, neu erschaffen müssen. Die Natur macht nur ein Naturwesen aus uns. Unsere eigene Identität müssen wir selber bestimmen. Denn wir sind zur Freiheit veranlagt. Die geistige Welt, unsere Schöpfer, warten, dass wir bei unserer Rückkehr sagen: „Jetzt weiß ich, wer ich bin. Ich habe es auf meine ganz eigene Weise herausgefunden, habe mich selbst definiert“. Auf diesem Weg wandert naturgemäß jeder allein. Jeder muss das, was er sein möchte, für sich selbst bestimmen.
Die Kraft der Identifikation
Daraus entwickelt sich geistige Wärme, geistige Zuversicht, geistige Kraft – eine Ich-Identität, die auch den Tod überdauert. In unserem Ich sind Liebeskraft, Wahrheitskraft, der Respekt vor Anderen veranlagt. Das Ich ist die Quelle aller Tugenden – doch müssen wir sie aus eigenen Stücken entwickeln. Je mehr wir davon entwickeln, umso menschlicher wird es auf Erden, umso angstfreier, zuversichtlicher und optimistischer werden wir im Leben stehen. Das zeigen uns all die Menschen, die bereits an diesen Punkt gekommen sind.
Die Chance und Größe der Tragik der heutigen Zeit liegt darin, uns bewusst zu machen, dass jeder einzelne von uns dazu aufgerufen ist, seine Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen und aus diesem Zu-sich-Kommen heraus, tiefes Interesse für den Umkreis zu entwickeln. Indem man selbst merkt, wie schwer das ist, entwickelt man Empathie für alle anderen, die diesen Weg auch gehen, jeder auf seine Weise. Dadurch wird das Verständnis füreinander vertieft.
Mantrischer Spruch von Rudolf Steiner über die Selbstfindung
Im Folgenden ein Spruch von Rudolf Steiner über die Selbstfindung, der das Nadelöhr beschreibt:
Meditation zur Gewinnung des Ich
Ich schaue in die Finsternis:
In ihr ersteht Licht,
Lebendes Licht.
Wer ist dies Licht in der Finsternis?
Ich bin es selbst in meiner Wirklichkeit.
Diese Wirklichkeit des Ich
Tritt nicht ein in mein Erdendasein.
Ich bin nur Bild davon.
Ich werde es aber wieder finden,
Wenn ich,
Guten Willens für den Geist,
Durch des Todes Pforte gegangen.[5]
Volle Geistbegegnung können wir heute so, wie wir konstituiert sind, noch gar nicht haben, aber – so wird es in Nahtoderlebnissen berichtet – im Sterben haben wir diese wunderbare Begegnung mit dem Licht, mit unserem ewigen wahren Ich, das uns in unserer wahren Identität bestärkt und das nachtodliche Bewusstsein aufrechterhält.
Das Hohelied der Liebe
Zum Abschluss möchte ich das sogenannte „Hohelied der Liebe“ von Paulus in einer kurzgefassten Version sprechen:[6]
Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf.
Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil,
lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach.
Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.
Die Liebe hört niemals auf.
Die Liebe ist großherzig, ist gütig.
Die Liebe neidet nicht, die Liebe prahlt nicht, ist nicht hochmütig,
verletzt nicht die Würde, sucht nicht das Ihre.
Sie lässt sich nicht erbittern, trägt niemandem Böses nach,
freut sich nicht über Unrecht, freut sich nur mit der Wahrheit.
Sie umkleidet alles, ist allvertrauend, allerhoffend, allerduldend.
Liebe kann niemals verloren gehen.
Diese wunderbaren Worte dienen uns vor allem während unseres Lebens als Wegweiser hier auf Erden, beschreiben aber auch den ewigen Aspekt der Liebe.
Vgl. Vortrag „Seelische Wärme statt Angst vor der Zukunft“, in Altenschlirf 2014
[1] Rudolf Steiner, Die Philosophie der Freiheit, GA 4.
[2] Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, GA 10.
[3] Neues Testament, Johannes 3, 5.
[4] Rudolf Steiner; Ita Wegmann, Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, GA 27, 1991.
[5] Rudolf Steiner, Mantrische Sprüche, London, 2. September 1923, GA 268.
[6] Neues Testament, 1. Korinther 14.